L 5 AS 78/09

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 52 AS 1719/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AS 78/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. März 2009 und die Bescheide der Beklagten vom 4. Mai 2007 und 30. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2007 aufgehoben. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Absenkung des Arbeitslosengeldes II und des Wegfalls des befristeten Zuschlages aufgrund von Sanktionsentscheidungen der Beklagten.

Der am XX.XXXXXXXXX 1964 geborene und in Hamburg lebende Kläger deutscher Staatsangehörigkeit beantragte im April 2006 bei der Beklagten erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die ihm die Beklagte überbrückungsweise ab 13. April 2006 bewilligte, da ein zuvor vom Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit gestellter Antrag auf Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) noch unbeschieden war. Zugleich meldete die Beklagte einen Erstattungsanspruch bei der Bundesagentur für Arbeit an.

Der Kläger bezog vom 8. April 2006 bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruchs am 30. Januar 2007 von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld nach dem SGB III.

Am 18. Januar 2007 beantragte der Kläger zum 1. Februar 2007 bei der Beklagten erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger hierauf durch Bescheid vom 12. März 2007 Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis 31. Juli 2007 einschließlich eines Zuschlags nach § 24 SGB II in Höhe von 160 EUR monatlich.

Unter dem 20. Februar 2007 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung. Diese enthielt eine umfängliche Rechtsfolgenbelehrung mit Blick auf Grundpflichten, die Meldepflicht und über gemeinsame Vorschriften.

Mit Schreiben vom 16. März 2007 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Einladung nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 SGB III zum 2. April 2007. Beigefügt war eine Rechtsfolgenbelehrung zur Meldepflicht.

Der Kläger kam der Meldeaufforderung nicht nach.

Mit Schreiben vom 24. April 2007 übersandte die Beklagte dem Kläger zum 4. Mai 2007 erneut eine Einladung (2. Folgeeinladung) nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 SGB III. Beigefügt war die übliche Rechtsfolgenbelehrung zur Meldepflicht.

Der Kläger kam auch dieser Meldeaufforderung nicht nach.

Durch den streitbefangenen Bescheid vom 4. Mai 2007 senkte die Beklagte ausweislich des Verfügungssatzes den dem Kläger zustehenden Anteil des Arbeitslosengeldes II unter Wegfall des eventuell bestehenden Zuschlags nach § 24 SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis 31. August 2007 monatlich um 10% der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des ihm zustehenden Gesamtauszahlungsbetrages, ab. Daraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von maximal 35 EUR monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung werde insoweit ab dem 1. Juni 2007 nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben. Während des genannten Zeitraumes bestehe kein Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 SGB II). Zur Begründung verwies die Beklagte auf § 31 Abs. 2 SGB II und das Nichterscheinen des Klägers trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 2. April 2007. Im Rahmen der Begründung ist auch ausgeführt, es sei zu beachten, dass bei wiederholter gleichartiger Pflichtverletzung innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nach Eintritt dieser Sanktion der zustehende Anspruch auf Leistungen für die Dauer von drei Monaten verschärft zu mindern sei.

Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch.

Durch den weiteren streitbefangenen Bescheid vom 30. Mai 2007 senkte die Beklagte ausweislich des Verfügungssatzes den dem Kläger zustehenden Anteil des Arbeitslosengeldes II unter Wegfall des eventuell bestehenden Zuschlags nach § 24 SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis 31. August 2007 monatlich um 20% der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des ihm zustehenden Gesamtbetrages, ab, da der Kläger innerhalb von zwölf Monaten seit der vorangegangenen Sanktion (Bescheid vom 4. Mai 2007) wiederholt seiner Meldepflicht nicht nachgekommen sei. Daraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von maximal 69 EUR monatlich. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung werde insoweit ab dem 1. Juni 2007 nach § 48 Abs. 1 SGB X aufgehoben. Während des genannten Zeitraumes bestehe kein Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 SGB II). Zur Begründung verwies die Beklagte auf § 31 Abs. 2 SGB II und das Nichterscheinen des Klägers trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 4. Mai 2007.

Der Kläger beantragte beim Sozialgericht Hamburg am 5. Juni 2007 einstweiligen Rechtsschutz (S 11 AS 1230/07 ER), den die Beklagte zugleich als Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Mai 2007 wertete.

Durch Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2007 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 4. Mai 2007 und 30. Mai 2007 zurück. Der Kläger sei den Einladungen jeweils trotz ordnungsgemäßer Belehrung über die Rechtsfolgen der Säumnis nicht nachgekommen, ohne einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachzuweisen. Zur Begründung nahm die Beklagte auch auf die bekannten Entscheidungsgründe des Beschlusses des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Juni 2007 im Verfahren S 11 AS 1230/07 ER Bezug. Die angefochtenen Absenkungsbescheide seien danach nicht zu beanstanden.

Mit seiner am 2. August 2007 erhobenen Klage begehrte der Kläger die Aufhebung der Sanktionsentscheidungen der Beklagten und rügte unter anderem die Unbestimmtheit der angefochtenen Bescheide. Ihnen lasse sich nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, in welchem Umfang abgesenkt werden solle, aufgezeigt werde durch sie lediglich die theoretische Möglichkeit der Absenkung. Dem Kläger sei nicht die Chance geboten worden zu erkennen, mit welchen konkreten Beträgen er letztlich zu rechnen habe. Die Beklagte erwiderte, der Sanktionsbescheid verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Er beinhalte die Verfügung, dass die bewilligten Leistungen monatlich um 40% der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des Gesamtauszahlungsbetrages abgesenkt würden. Dies stelle keinen Absenkungsrahmen dar, sondern es werde unzweideutig die Absenkung der bewilligten Leistung um 40% der maßgeblichen Regelleistung verfügt. Darüber hinaus sei dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 1. Juni 2007 die Berechnung seiner Leistungen aufgezeigt worden. Aus diesem Bescheid gehe die Zusammensetzung der Leistungen unter Herausrechnung des dort aufgeführten Sanktionsbetrages eindeutig hervor. Dieser Bescheid habe zur Auslegung des Verfügungssatzes des strittigen Bescheides herangezogen werden können.

Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit in drei Terminen am 17. März 2008, 26. Mai 2008 und 30. März 2009 mündlich verhandelt. Im Termin am 30. März 2009 hat es Herrn Rechtsanwalt B. als Zeugen vernommen. Auf den Inhalt der Niederschrift der Sitzung vom 30. März 2009 wird insoweit Bezug genommen (Blatt 80 bis 84 der Prozessakte).

Durch Urteil vom 30. März 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien nicht rechtswidrig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X sei nicht verletzt. Die hier relevante Regelung des monatlichen Absenkungsbetrags sei hinreichend bestimmt. Soweit in der Rechtsprechung in vergleichbaren Konstellationen die Auffassung vertreten werde, Absenkungsbescheide ohne konkrete Absenkungssumme würden nur einen Absenkungsrahmen beinhalten, vermöge dem die Kammer nicht zu folgen. Die angefochtenen Absenkungsbescheide beinhalteten die Verfügung, dass die bewilligten Leistungen monatlich um 10% bzw. 20% der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des Gesamtauszahlungsbetrages abgesenkt würden. Dies stelle nicht nur einen Absenkungsrahmen dar, werde vielmehr unzweideutig die Absenkung der bewilligten Leistungen um 10% bzw. 20% der maßgeblichen Regelleistung verfügt. Etwas anderes gelte nach dem Verfügungssatz nur, wenn der Gesamtauszahlungsbetrag geringer sei als 10% bzw. 20% der maßgeblichen Regelleistung. In diesem Fall umfasse die Absenkung nur den Gesamtauszahlungsbetrag. Da die Höhe der maßgeblichen Regelleistung den Bewilligungsbescheiden zu entnehmen sei, sei für jeden verständigen, objektiven Erklärungsempfänger erkennbar, in welcher Höhe eine Absenkung erfolge. Die in den streitbefangenen Absenkungsbescheiden enthaltenen Verfügungssätze seien daher inhaltlich (noch) hinreichend bestimmt. Die angefochtenen Bescheide seien auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Die gesetzlichen Vorschriften seien fehlerfrei angewandt worden. Für die Meldeversäumnisse stünden dem Kläger wichtige Gründe nicht zur Seite.

Gegen das am 29. Juni 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Juli 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung unter anderem vorgetragen, er vermöge der Rechtsauffassung des Sozialgerichts zu den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nach wie vor nicht zu folgen. Aus den angefochtenen Bescheiden habe sich nicht klar erkennen lassen, welche wirtschaftliche Situation durch diese auf ihn als hilfebedürftigen Leistungsempfänger habe zukommen sollen, wie viel Geld er konkret zu beanspruchen haben sollte, wie er habe kalkulieren müssen. Zudem habe das Sozialgericht zu Unrecht das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 31 Abs. 2 SGB II verneint. Auch habe er den Termin am 2. April 2007 abgesagt und sei ihm von dem Mitarbeiter der Beklagten Herr G. zum Termin am 4. Mai 2007 bestätigt worden, es sei in Ordnung, wenn er seinen Anwaltstermin wahrnehme, da die zuständige Sachbearbeiterin Frau M. ohnehin erkrankt sei.

Der Kläger beantragt mit Schriftsatz vom 29. Juli 2009,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. März 2009 und die Bescheide der Beklagten vom 4. Mai 2007 und 30. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die aufgrund der Sanktionsbescheide nicht erbrachten Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis 31. August 2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 17. September 2009,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer schriftlichen Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakten der Beklagten sowie der Prozessakten in den Verfahren des Sozialgerichts zu den Aktenzeichen S 11 AS 1230/07 ER, S 52 AS 934/08 und S 52 AS 935/08 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Berichterstatter mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung an Stelle des Senats nach § 124 Abs. 2 und § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheiden kann, ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Ihrer Statthaftigkeit steht insbesondere nicht ein Unterschreiten des Werts des Beschwerdegegenstandes im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG entgegen. Denn durch die streitbefangenen Bescheide war nicht nur die Regelleistung des Klägers abgesenkt worden, sondern auch der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II weggefallen. Da dieser 160 EUR im Monat betrug und für drei Monate wegfiel, beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes dieser Berufung insgesamt 792 EUR, wie der Kläger in seinem Schriftsatz vom 15. September 2009 auf die gerichtliche Anfrage vom 26. August 2009 zutreffend dargelegt hat.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet.

Die angefochtenen Sanktionsentscheidungen sind rechtswidrig, weil nicht inhaltlich hinreichend bestimmt und auch nicht durch hinreichend konkrete Rechtsfolgenbelehrungen legitimiert, und sie verletzen schon deshalb als belastende Eingriffe den Kläger in seinen Rechten. Sie sind auf seine Anfechtungsklage aufzuheben.

Bei dem Erfordernis der inhaltlich hinreichenden Bestimmtheit im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X handelt es sich um eine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu. Unbestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten. Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl. zu diesen Maßstäben BSG Urteile vom 17.12.2009 – B 4 AS 20/09 R und B 4 AS 30/09 R, juris).

Nach diesen Maßstäben ist vorliegend – anders als im Ergebnis in den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fallkonstellationen – die Unbestimmtheit der angefochtenen Bescheide festzustellen. Denn zwar verfügte die Beklagte in diesen Bescheiden, dass sich der monatliche Absenkungsbetrag vom 1. Juni 2007 bis zum 31. August 2007 auf 10% bzw. 20% der Regelleistung belaufe, woraus sich maximal 35 EUR bzw. 69 EUR ergeben würden. Damit brachte die Beklagte jeweils hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass dem Kläger ab dem 1. Juni 2007 Leistungen nicht mehr in unveränderter Höhe zustehen sollten. Dem Verfügungssatz noch des Bescheides vom 4. Mai 2007 hätte der Kläger unter Hinzuziehung des Bewilligungsbescheides vom 12. März 2007 durch einfache Rechenoperationen auch ohne Weiteres den für ihn maßgebenden konkreten Absenkungsbetrag für die Monate Juni und Juli 2007 entnehmen können. Doch schon mit dem Bescheid vom 30. Mai 2007, und damit letztlich für beide Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2007, blieb undeutlich, wie sich beide Sanktionsentscheidungen in der Summe ab dem 1. Juni 2007 auswirken sollten. Für den Kläger war nicht mehr ausreichend und in nachvollziehbarer Weise erkennbar, dass und in welchem Umfang aufgrund der Sanktionsereignisse Zahlungen von Arbeitslosengeld II ab dem 1. Juni 2007 erfolgen sollten. Schließlich machten die angefochtenen Bescheide auch nicht hinreichend deutlich, dass der im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 12. März 2007 geregelte Zuschlag nach § 24 SGB II nicht mehr gezahlt werde; die entsprechenden Formulierungen in den Verfügungssätzen weisen einen konkreten Einzelfallbezug nicht auf.

Dass es mit der Bestimmtheit der streitbefangenen Bescheide nicht weit her war, erhellt nicht zuletzt daraus, dass auch die Beklagte ihre Schwierigkeiten mit ihnen hatte. Denn im Klagverfahren hatte sie vorgetragen, der Sanktionsbescheid beinhalte die Verfügung, dass die bewilligten Leistungen monatlich um 40% der Regelleistung, höchstens jedoch in Höhe des Gesamtauszahlungsbetrages abgesenkt würden. Dies stelle keinen Absenkungsrahmen dar, sondern es werde unzweideutig die Absenkung der bewilligten Leistung um 40% der maßgeblichen Regelleistung verfügt. Von 40% aber ist in den streitbefangenen Bescheiden – unzutreffend ist schon die Rede der Beklagten vom Sanktionsbescheid – nichts zu finden; und das zu Recht, denn eine Absenkung um 40% sieht das Gesetz für die vorliegende Fallkonstellation auch nicht vor. Hier dürfte die Beklagte noch einen weiteren Sanktionsbescheid vom 4. Mai 2007 für denselben Sanktionszeitraum im Blick gehabt haben (Nichterscheinen auf 1. Folgeeinladung zum 20. April 2007), den sie aber bereits vor dem Sanktionsbescheid vom 30. Mai 2007 durch Bescheid vom 29. Mai 2007 aufgehoben hatte.

Darüber hinaus hatte die Beklagte im Klagverfahren vorgetragen, es sei dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 1. Juni 2007 die Berechnung seiner Leistungen aufgezeigt worden und würde aus diesem Bescheid die Zusammensetzung der Leistungen unter Herausrechnung des dort aufgeführten Sanktionsbetrages eindeutig hervorgehen. Dieser Bescheid habe zur Auslegung des Verfügungssatzes des strittigen Bescheides herangezogen werden können. Wie aber soll zur Auslegung der Verfügungssätze in den Sanktionsbescheiden vom 4. Mai 2007 und 30. Mai 2007 der spätere Änderungsbescheid vom 1. Juni 2007 herangezogen werden können? Die Sanktionsbescheide haben bereits im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe hinreichend bestimmt sein müssen. Hinzu kommt, dass der Änderungsbescheid vom 1. Juni 2007 nur den Monat Juli 2007 betrifft und ausweislich seiner Begründung durch die Erhöhung die Regelleistung von 345 EUR auf 347 EUR im Monat zum 1. Juli 2007 veranlasst ist. Und im beigefügten Berechnungsbogen finden sich die Regelleistung in Höhe von 347 EUR, die Kosten für Unterkunft und Heizung und der Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 160 EUR als zustehende Leistungen bezeichnet und erst am Ende des Bogens wird ein Minderungsbetrag von 264 EUR ausgewiesen.

Die unzureichende Bestimmtheit der streitbefangenen Bescheide hat die Beklagte letztlich auch im Berufungsverfahren dadurch belegt, dass sie Schwierigkeiten hatte, den Wert des Beschwerdegegenstandes der Berufung festzustellen und damit deren Zulässigkeit zu erkennen. Denn aus diesen Bescheiden lässt sich eben nicht ohne weiteres erkennen, dass auch ein bewilligter befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II wegfiel, und lässt sich deshalb auch nicht ohne weiteres erkennen, in welcher Höhe der Kläger denn nun Sanktionen zu gewärtigen hatte. Wenig spricht deshalb dafür, dem Kläger insoweit bessere Verständnismöglichkeiten zuzumuten, als sie die Beklagte aufzubringen vermochte. Und auch der erkennende Berichterstatter war zunächst ungewiss, ob die Berufung zulässig ist und hat den Kläger deshalb mit der Erstverfügung zunächst um Darlegung zum Wert des Beschwerdegegenstandes gebeten. Denn da die Prozessakte zu diesem Zeitpunkt keinen Bewilligungsbescheid für den Zeitraum enthielt, in dem die angefochtenen Sanktionsentscheidungen wirkten, und auch die dem Gericht vorliegenden Leistungsakten der Beklagten keinen Bewilligungsbescheid für diesen Zeitraum enthalten, war diesen Akten nicht zu entnehmen, dass neben der Absenkung der Regelleistung auch ein Wegfall des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II durch die streitbefangenen Bescheide gegenüber dem Kläger bewirkt worden war, weil diese Bescheide sich hierzu nicht konkret verhalten. Eben dies rechtfertigt die Bewertung ihrer nicht hinreichenden Bestimmtheit.

Die angefochtenen Sanktionsentscheidungen leiden aber auch daran, dass die ihnen vorausgegangenen Rechtsfolgenbelehrungen unzureichend waren. § 31 Abs. 2 SGB II setzt voraus, dass der Hilfebedürftige "trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen" der Meldeaufforderung nicht nachgekommen ist. Die Wirksamkeit einer solchen Rechtsfolgenbelehrung setzt voraus, dass sie konkret, richtig und vollständig ist, zeitnah im Zusammenhang mit der jeweiligen Meldeaufforderung erfolgt, sowie dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus dem Nichtnachkommen der Aufforderung für ihn ergeben, wenn er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund nachweist. Diese strengen Anforderungen ergeben sich aus der Funktion der Rechtsfolgenbelehrung, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hinreichend über die gravierenden Folgen des § 31 Abs. 2 SGB II (Absenkung der für ihn maßgebenden Regelleistung in einer ersten Stufe um 10% und Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II) zu informieren und ihn in allgemeiner Form vorzuwarnen. Denn nur eine verständliche Rechtsfolgenbelehrung kann die mit den Sanktionen verfolgte Zweckbestimmung, das Verhalten des Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 30/09 R, mit zahlreichen Nachweisen, juris).

Diese Warn- und Steuerungsfunktion geht verloren, wenn der Grundsicherungsträger die Rechtsfolgenbelehrung derart standardisiert, dass sie – wie vorliegend in den Meldeaufforderungen – abstrakt alle denkbaren Arten von Verletzungen der Meldepflicht und deren Folgen aufzählt. Hinreichend belehrt wird der Adressat nämlich nur, wenn nur die konkrete Meldeaufforderung, an deren Nichtnachkommen nachteilige Folgen geknüpft werden, ausdrücklich benannt wird und der konkrete Adressat sich damit durch die auf den jeweiligen Einzelfall konkret umgesetzte Belehrung direkt angesprochen fühlt. Nicht ausreichend ist es demgegenüber, wenn mehrere Varianten von Meldepflichten zur Auswahl gestellt werden und dem Hilfebedürftigen die Auswahl überlassen wird, ob eine und ggf. welche der genannten Varianten für ihn einschlägig ist. Die hier zu beurteilenden Rechtsfolgenbelehrungen in den Meldeaufforderungen sind darüber hinaus auch deshalb mangelhaft, weil sie in der einschlägigen Passage die fragliche Meldepflicht lediglich durch einen Hinweis auf deren gesetzliche Grundlage (§ 59 SGB II in Verbindung mit § 309 SGB III) umschreiben. Denn es ist mit dem Zweck der Rechtsfolgenbelehrung nicht zu vereinbaren, dass deren Inhalt nur unter Hinzuziehung des Gesetzestextes zu erschließen ist (vgl. auch dazu BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 30/09 R, juris).

Eine hinreichend konkrete Rechtsfolgenbelehrung auch nur für die zweite hier im Streit stehende Meldeaufforderung und Sanktion vermag nicht aus dem Hinweis im Sanktionsbescheid vom 4. Mai 2007 auf die verschärfte Minderung bei einer wiederholten Pflichtverletzung zu folgen. Denn diese vermochte das Verhalten des Klägers am zweiten Meldetermin am selben Tag, 4. Mai 2007, schon aus zeitlichen Gründen nicht zu steuern.

Von vornherein unzureichend war auch die Rechtsfolgenbelehrung in der Eingliederungsvereinbarung. Denn diese griff über die in den Meldeaufforderungen noch weit hinaus und erfasste neben der Belehrung über die Meldepflicht auch die über pflichtwidriges Verhalten hinsichtlich der dort sog. Grundpflichten sowie über gemeinsame Vorschriften und wies keinerlei Konkretisierung auf.

An das Erfordernis der hinreichenden Konkretisierung der Rechtsfolgenbelehrung sind auch nicht im Einzelfall etwa dann geringere Anforderungen zu stellen, wenn sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige über die möglichen Rechtsfolgen eines Nichtnachkommens der konkreten Meldeaufforderung im Klaren sein musste. Denn es kommt insoweit nicht auf das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen durch den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, sondern auf das Handeln dessen an, der die Meldeaufforderung bekannt gibt. Als formale und zwingende Bedingung für den Eintritt der Rechtsfolgen auch des § 31 Abs. 2 SGB II muss eine Konkretisierung der Belehrung daher unabhängig von der Person des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erfolgen (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 30/09 R, juris). Da die angefochtenen Bescheide mithin schon aus den genannten formalen Gründen rechtswidrig sind, kam es vorliegend auf weiteres nicht mehr an.

Es ist einzuräumen, dass mit diesen durch die Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichts formulierten strengen Rechtmäßigkeitsanforderungen die Hürde für rechtmäßiges Verwaltungshandeln im Bereich der Sanktionen hoch ist. Es ist aber am Gesetzgeber, hierauf ggf. zu reagieren (zu einer Bestandsaufnahme und zu Änderungsvorschlägen für Gesetzgebungsvorhaben vgl. A. Loose, ZFSH/SGB 2010, 340).

Die Beklagte ist aus diesem Urteil, ohne dass dies vorliegend eines besonderen gerichtlichen Ausspruches im Urteilstenor bedarf, aufgrund der Aufhebung der streitbefangenen Sanktionsbescheide zur Nachzahlung der von der Regelleistung einbehaltenen Sanktionsbeträge (35 EUR und 69 EUR im Monat) und des einbehaltenen Zuschlags nach § 24 SGB II (160 EUR im Monat) verpflichtet. Ein Verpflichtung auch zur Bewilligung höherer Leistungen bedarf es nicht, da dem Kläger in allen den Sanktionszeitraum betreffenden Bewilligungs- und Änderungsbewilligungsbescheiden (vom 12. März 2007, 1. Juni 2007, 31. Juli 2007 und 29. August 2007) zunächst im Verfügungssatz jeweils die volle Regelleistung und der Zuschlag nach § 24 SGB II bewilligt worden waren. Und in den Berechnungsbögen finden sich die Regelleistung in Höhe von 345 bzw. 347 EUR, die Kosten für Unterkunft und Heizung und der Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 160 EUR jeweils als dem Kläger monatlich zustehende Leistungen bezeichnet und erst am Ende dieser Bögen wird ein Minderungsbetrag von 264 EUR ausgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved