L 9 AS 69/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 16 AS 536/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 69/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 82/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 9. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Sie wenden sich gegen die Einbehaltung in Höhe von 20,00 Euro monatlich aufgrund eines ihnen zur Begleichung von Stromrückständen gewährten Darlehens.

Am 21. Juni 2006 sprach die Klägerin zu 1. im Hinblick auf eine bereits erfolgte Sperrung der Stromversorgung wegen rückständiger Kosten bei der Beklagten vor. Diese gewährte den Klägern am selben Tage ein Darlehen in Höhe von 236,10 Euro und schloss mit den Klägern zu 1. und 2. eine entsprechende Darlehnsvereinbarung. Als Rechtsgrundlage benennt der Darlehensvertrag § 23 SGB II. Nach § 4 des Darlehensvertrages vom 21. Juni 2006 erfolgt die Tilgung des Darlehens in monatlichen Raten in Höhe von 20,00 Euro jeweils zahlbar bis zum 10. des nächsten Monats. Zur Fälligkeit der ersten Rate enthält der Vertrag keine Angabe.

Unter dem 16. August 2006 erteilte die Beklagte auf den Antrag vom 21. Juni 2006 einen Bescheid über die Gewährung eines Darlehns in Höhe von 236,10 Euro zur Begleichung des Stromrückstandes. Hinsichtlich der Tilgung wird auf einen gesonderten Bescheid verwiesen.

Mit Änderungsbescheid vom 18. September 2006 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 31. Januar 2007. Bei der Auszahlung behielt sie 20,00 Euro monatlich wegen des Darlehens für Stromrückstände ein. Nach Mitteilung der Beklagten erfolgte die Einhaltung der 20,00 Euro bereits ab Juli 2006.

Mit Änderungsbescheid vom 21. November 2006 bewilligte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 31. Januar 2007. Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 erfolgte die Bewilligung für die Monate Februar und März 2007.

Mit Änderungsbescheid vom 7. Februar 2007 hob die Beklagte den Bescheid vom 21. November 2006 nach § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab 1. Januar 2007 auf und bewilligte Leistungen in Höhe von 1.114,00 Euro. Für den Monat Januar 2007 behielt sie 20,00 Euro wegen des Darlehens ein.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 7. Februar 2007 bewilligte die Beklagte 1.114,00 Euro für den Monat Februar 2007 sowie 1.176,00 Euro monatlich für die Zeit vom 1. März 2007 bis zum 31. Juli 2007. Auch für diesen Zeitraum behielt die Beklagte 20,00 Euro monatlich wegen des Darlehens ein.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2007 legte der Bevollmächtigte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Februar 2007 ein, mit dem er u. a. der Einbehaltung widersprach.

Mit Änderungsbescheid vom 14. März 2007 bewilligte die Beklagte 30,00 Euro monatlich höhere Leistungen ab 1. November 2006. Mit Schreiben vom 21. März 2007 legte der Bevollmächtigte Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 14. März 2007 ein, unter anderem wegen der Einbehaltung wegen Darlehen 20,00 Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2008 wies die Beklagte die Widersprüche vom 15. Februar 2007 gegen die Bescheide vom 7. Februar 2007 als unbegründet zurück. Die Einbehaltung des am 21. Juni 2006 zur Begleichung der offenstehenden Forderung der XYZ. gewährten Darlehens nach § 23 SGB II in monatlichen Raten in Höhe von 20,00 Euro sei zu Recht erfolgt. Das Darlehen sei seinerzeit zur Begleichung offenstehender Stromrechnungen bewilligt worden. Da es sich hier um einen von der Regelleistung umfassten Bedarf handele, habe die Darlehensgewährung nur nach § 23 SGB II erfolgen können. Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II werde das Darlehen durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zum 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistungen getilgt. Diese Grenze sei mit der Aufrechnung der monatlichen Raten in Höhe von 20,00 Euro nicht überschritten worden.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28. Juni 2008, beim Sozialgericht Wiesbaden eingegangen am 30. Juni 2008, haben die Kläger Klage erhoben. Der Bevollmächtigte hat dazu vorgetragen, das Darlehen zur Begleichung eines Energierückstands (Stromleistung) sei nicht auf der Rechtsgrundlage des § 23 Abs. 1 SGB II, sondern nach § 22 Abs. 5 SGB II abzuschließen gewesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Januar 2009 abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Bescheide vom 7. Februar 2007 und der Änderungsbescheid vom 14. März 2007, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2008, seien rechtmäßig. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in der Zeit von Januar bis einschließlich Juli 2007 ohne Einbehaltung von 20,00 Euro zur Tilgung des wegen Stromrückstandes gewährten Darlehens. § 23 Abs. 1 SGB II sei die richtige Ermächtigungsnorm für die Gewährung des Darlehens wegen Stromrückstandes, da es sich bei dem Stromrückstand unstreitig um Haushaltsenergie und nicht um Heizungsenergie gehandelt habe. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 SGB II, insbesondere die des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II hinsichtlich der Höhe der Tilgungsraten, lägen vor. Die Tilgungsrate in Höhe von 20,00 Euro betrage lediglich 3,22 vom Hundert der Regelleistung der Kläger zu 1. und zu 2. in Höhe von insgesamt 622,00 Euro. Rechtsfolge des § 23 Abs. 1 SGB II sei die monatliche Aufrechnung mit der Regelleistung. Bezüglich des "ob" der Aufrechnung bestehe somit kein Ermessen. Für die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 SGB II als Ermächtigungsnorm für die Darlehensgewährung eines Stromrückstandes aus Haushaltsenergie spreche der Wortlaut der Vorschrift und dessen systematische Auslegung im Zusammenspiel mit den §§ 20, 22 SGB II. In § 20 SGB II sei bereits nach der amtlichen Überschrift der Vorschrift die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts geregelt. Haushaltsenergie sei nach ganz überwiegender Meinung in der Rechtsprechung von der Regelleistung umfasst. Demgegenüber regele § 22 SGB II Leistungen für Unterkunft und Heizung. Aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 5 SGB II sowie aus dem systematischen Standort in § 22, der insgesamt Leistungen für Unterkunft und Heizung regele, ergebe sich, dass im Rahmen des § 22 Abs. 5 ein Bezug der zu übernehmenden Schulden zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung bestehen müsse. Systematisch könne somit § 22 Abs. 5 SGB II nicht die richtige Ermächtigungsnorm für die Darlehensgewährung für einen von der Regelleistung umfassten Bedarf sein. Demgegenüber regele § 23 Abs. 1 SGB II die Darlehensgewährung für von der Regelleistung umfasste Bedarfe. Von seinem Wortlaut sei § 23 Abs. 1 SGB II die passende Ermächtigungsnorm für die Darlehensgewährung für Stromschulden, wenn es sich bei dem Strom um Haushaltsstrom handele.

Soweit teilweise in der Rechtsprechung vertreten werde, eine eingetretene Stromsperre führe zu einer Notlage, die mit dem Verlust der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II verglichen werden könne und somit zur Anwendung des § 22 Abs. 5 SGB II auch im Fall von Haushaltsenergie, resultiere diese Rechtsprechung aus dem Recht der Sozialhilfe und finde im SGB II keine Stütze. Richtigerweise werde § 22 Abs. 5 SGB II als Rechtsgrundlage für die Darlehensgewährung herangezogen, wenn das Darlehen (zumindest auch) zur Übernahme von Schulden für Heizungsenergie gewährt werde. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor.

Für die Anwendung des § 23 Abs. 1 SGB II im vorliegenden Fall mit der Rechtsfolge der Darlehenstilgung aus der Regelleistung spreche auch die Gleichbehandlung mit anderen Leistungsempfängern, die ebenfalls ihre Haushaltsenergie aus der Regelleistung finanzieren müssten. Anderenfalls wäre derjenige Leistungsempfänger, der aus welchen Gründen auch immer Schulden für die Haushaltsenergie anwachsen lasse, gegenüber den Leistungsempfängern privilegiert, die zum einen wirtschaftlich mit der Haushaltsenergie umgingen und zum anderen regelmäßig ihre Abschläge bezahlten.

Die Bewohnbarkeit der Wohnung sei kein Argument für die Anwendung des § 22 Abs. 5 SGB II. § 23 Abs. 1 SGB II verpflichte bei einem unabweisbaren Bedarf den Leistungsträger zur Darlehensgewährung. Demgegenüber bestehe bei einer Darlehensgewährung nach § 22 Abs. 5 SGB II ein Ermessen, ob das Darlehen gewährt werde oder nicht. Soweit es um die Sicherung der Verfügbarkeit von Haushaltsenergie gehe, sei der Leistungsempfänger sogar besser geschützt, wenn das Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II gewährt werde, als wenn § 22 Abs. 5 SGB II Anwendung finden würde.

Gegen das am 27. Januar 2009 zugestellte Urteil haben die Kläger am 6. Februar 2009 beim Sozialgericht Wiesbaden Berufung eingelegt. Die Ausführungen des Sozialgerichts überzeugten nicht, weil sie zu sehr auf den - nicht eindeutigen - Wortlaut abstellten und nicht dem Normzweck gerecht würden. Auf den Wortlaut könne es entscheidend nur ankommen, wenn er eindeutig sei, was selten genug der Fall sei und hier eben gerade nicht. Vielmehr spreche schon vom Wortlaut her mehr für § 22 Abs. 5 SGB II, der sich explizit auf "Schulden" beziehe und dazu eine systematische Spezialregelung treffe. Dafür streite auch der Normzweck. Während § 23 Abs. 1 SGB II an eine aktuelle individuelle Regelbedarfsunterdeckung - auch etwa hinsichtlich der Haushaltsenergie, z. B. bei die Regelsatzanteile übersteigenden monatlichen Abschlägen - anknüpfe, solle § 22 Abs. 5 SGB II das in der bisherigen Sozialhilfepraxis übliche Verfahren zur Übernahme von Schulden auch im Rahmen des SGB II möglich machen, so dass selbst solche, die in der Regelleistung enthalten seien, insbesondere Stromschulden, eine vergleichbare Notlage auslösen könnten (Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 10 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 16/688, S. 14 Rdnr. 106). Dementsprechend verfange auch das Argument der Kammer nicht, die Handhabung, wonach eine eingetretene Stromsperre zu einer Notlage führe, die mit dem Verlust der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II verglichen werden könne, resultiere aus der Rechtsprechung zur Sozialhilfe und finde im SGB II keine Stütze. Demgegenüber sei der Gesetzgeber gerade davon ausgegangen, dass die diesbezügliche Sozialhilfepraxis im SGB II ihre Fortsetzung finde. Wären Stromschulden zur Zeit der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) als Regelleistungsbedarf klassifiziert worden - die Haushaltsenergie sei damals ebenfalls Regelsatzbestandteil gewesen - hätte dies zu einer Regelsatzerhöhung führen müssen, was soweit ersichtlich, niemand vertreten habe.

Die aufgrund des Normzwecks klare gesetzliche Regelung, nach der für einen Stromschuldenrückstand bei einer Sperre § 22 Abs. 5 SGB II einschlägig sei, erlaube es nicht, wie es das Sozialgericht tue, für die systematische Abgrenzung auf eine Gleichbehandlung mit Leistungsempfängern abzustellen, die wirtschaftlich mit der Haushaltsenergie umgingen und regelmäßig ihre Abschläge bezahlten. Dieser Gesichtspunkt gehöre zur Prüfung, ob die Schuldenübernahme "gerechtfertigt" sei (§ 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II) bzw. gar auf den "besseren Schutz" über § 23 Abs. 1 SGB II wegen der Ermessenseinräumung in § 22 Abs. 5 SGB II. Dass die gesetzlichen Folgen den Gerechtigkeitsvorstellungen der Kammer widersprächen, könne nicht ausschlaggebend sein. Der Gesetzgeber hätte sicher auch in § 22 Abs. 5 SGB II eine Tilgung vorsehen können, was er aber nicht getan habe. Wenn die Kammer darin einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung sehe, hätte es die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorlegen müssen. Da § 22 Abs. 5 SGB II keine Tilgung gegenüber der Regelleistung vorsehe und diese einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe, sei der Klageantrag begründet. Die entgegengesetzte Regelung im Darlehensvertrag vom 21. Juni 2006 und den Folgebescheiden sei rechtswidrig.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 9. Januar 2009 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 7. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007 Leistungen nach dem SGB II ohne Einbehaltung von 20,00 Euro monatlich zur Tilgung des zur Begleichung von Stromrückständen gewährten Darlehens vom 21. Juni 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Das Sozialgericht habe ausführlich begründet, dass es sich bei dem Stromrückstand um Haushaltsenergie und nicht um Heizungsenergie gehandelt habe und dass dementsprechend die richtige Ermächtigungsnorm für die Gewährung des Darlehens § 23 Abs. 1 SGB II sei. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung lasse sich dies nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, sondern durchaus auch aus dem Normzweck und insbesondere aus der gesetzlichen Entwicklung herleiten. So sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber die Sozialhilfepraxis aus dem BSHG in der von der Gegenseite genannten Art und Weise im SGB II habe fortsetzen wollen. Zwar dränge sich diese Vermutung zunächst auf, da § 34 (im Entwurf § 35) Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) den bisherigen § 15a BSHG inhaltsgleich zunächst übertragen habe und die Vorschrift später wiederum mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des SGB XII auf das SGB II übertragen worden sei. Allerdings habe es im BSHG mit dem § 15a nur eine einzige gesetzliche Regelung zur Übernahme von Miet-, Heizkosten- bzw. Haushaltsenergieschulden gegeben. Eine weitergehende Regelung sei seinerzeit nicht erforderlich gewesen, da die Leistungen nicht, so wie dies im SGB II der Fall sei, aus Bundesmitteln und aus kommunalen Mitteln erbracht würden. Gerade für den Bereich des SGB II sei eine klare Trennung zwischen Bundesmitteln und kommunalen Mitteln zwingend erforderlich gewesen, um Ausgaben planbar zu machen und die gewünschte jährliche Entlastung der Kommunen (vgl. § 46 Abs. 5 SGB II) zu erreichen. Dass Haushaltsenergierückstände nicht aus kommunalen Mitteln, auch nicht darlehensweise, zu begleichen seien, unabhängig davon, ob es sich um eine Forderung aus einer Verbrauchsabrechnung oder bereits angemahnte Rückstände handele oder ob eine Sperrung der Verbrauchsanlage drohe oder bereits erfolgt sei, werde bereits aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (BT-Drs. 15/1728, S. 170 f zu § 5 Abs. 2, S. 182 zu § 22 Abs. 5) deutlich, denn hier werde eindeutig auf Mietschulden verwiesen.

Auch in dem Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch werde darauf hingewiesen, dass die Ausnahmen von der eindeutigen Abgrenzung zwischen dem SGB II und dem SGB XII sich auf Leistungen bezögen, "die wegen der erforderlichen Ortsnähe oder des Zusammenhangs mit anderen kommunalen Aufgaben und Leistungen sachgerecht von Trägern der Sozialhilfe erbracht werden können" (BT-Drs. 15/1514, S. 57 zu § 21). Für die Übernahme von Haushaltsenergierückständen sei eine Ortsnähe jedoch nicht erforderlich; ein Zusammenhang mit anderen kommunalen Aufgaben sei nicht erkennbar. Dementsprechend verweise der Ausschuss für Gesundheit und Soziales in seiner Beschlussempfehlung im Zusammenhang mit § 21 SGB XII nur auf § 22 Abs. 5 SGB II (BT-Drs. 15/1734, S. 19 f zu § 21). Der Verweis auf die Leistungen nach dem SGB XII habe zu dem unerwünschten Ergebnis geführt, dass die Leistungen nicht mehr aus einer Hand gewährt worden seien. Dieser Mangel sei mit dem Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24. März 2006 beseitigt worden.

Dass mit der Änderung des § 22 Abs. 5 SGB II auch Haushaltsenergieschulden, die bereits angemahnt worden seien oder zu einer Sperrung der Verbrauchsanlage geführt hätten, zu übernehmen seien, sei nicht erkennbar. Vielmehr sei von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 13. Februar 2006 (Ausschussdrucksache 16 [11] 103) deutlich gemacht worden, dass die Gewährung von Darlehen auf Mietschulden ohne Energiekosten zu begrenzen sei (Ausschussdrucksache 16 [11] 103, S. 15). Andere Sachverständige sprächen hier nur allgemein von Unterkunftsschulden, Wohnraumschulden oder Mietschulden. Soweit die Stellungnahme des Sachverständigen TB. darüber hinausgehe und Stromrückstände erwähne (S. 33), werde dies im weiteren Verlauf der Stellungnahme dann wieder auf die "Energiezufuhr in Form von Heizkosten" (S. 36) eingeschränkt.

Zwar werde in dem Wortprotokoll zu der 10. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (Protokoll 16/10) durch den Abgeordneten ZZ. auch die Übernahme von Energieschulden erwähnt. Es bleibe jedoch unklar, ob hiermit auch Haushaltsenergierückstände gemeint sein könnten oder ob sich der Begriff der Energieschulden allein auf geschuldete Heizkosten beziehe. Im weiteren Verlauf der Anhörung sei dann wieder nur die Rede von Mietschulden (S. 115 f). Die gleiche Unklarheit ergebe sich aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drs. 16/688 S. 14 zu Nr. 6 [§ 22] Buchstabe c). Zuvor sei in dieser Stellungnahme nur von Mietschulden die Rede gewesen. Aufgrund dieser unterschiedlichen Aussagen führe der Hinweis der Gegenseite auf die Kommentierung von Eicher/Spellbrink, in der wiederum auf die BT-Drs. 16/688 verwiesen werde, in der Sache nicht weiter.

In der 20. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. Februar 2006 (Plenarprotokoll 16/20) sei schließlich wieder die Rede von Mietschulden bzw., ohne dies näher zu definieren und deutlich auf den Bereich der Haushaltsenergieschulden auszudehnen, allgemein von Energieschulden (S. 1489, 1496).

Die Rechtsauffassung der Gegenseite würde im übrigen zu folgender, von dem Gesetzgeber nicht gewollter Konsequenz führen: Leistungsempfänger könnten sich durch eine verspätete Vorlage der Rechnung des Energieversorgers erst nach Zugang einer Mahnung oder Androhung der Sperrung der Verbrauchsanlage eine bessere Position verschaffen, indem sie das Darlehen erst später und nicht bereits während des Leistungsbezuges tilgen müssten. Ferner würde eine verzögerte Bearbeitung eines Antrages oder eine Sanktionierung der Leistungen nach dem SGB II zu einer Verlagerung der eigentlich aus Bundesmitteln zu tragenden Grundsicherungsleistungen auf die Kommunen führen. Dass dies gewollt sei, sei nicht anzunehmen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist zulässig.

Zwar wird weder der Beschwerdewert von mehr als 750,00 Euro erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), noch betrifft die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das Sozialgericht hat die Berufung aber in dem angefochtenen Urteil zugelassen. Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Die Berufung ist aber nicht begründet.

Streitgegenstand ist nur die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung in Höhe von 20,00 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Juli 2007 aufgrund der Bescheide der Beklagten vom 7. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2008. Der Änderungsbescheid vom 14. März 2007 enthält nur begünstigende Regelungen (30,00 Euro monatlich höhere Leistungen ab 1. November 2006) und ist daher nicht Verfahrensgegenstand.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts vom 9. Januar 2009 und die Bescheide der Beklagten vom 7. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2008 sind rechtmäßig, so dass die Kläger nicht beschwert sind (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Auszahlung der von Januar bis einschließlich Juli 2007 einbehaltenen Tilgungsraten in Höhe von 20,00 Euro monatlich. Dabei bedarf die Frage, ob es sich um ein Darlehen nach § 22 Abs. 5 SGB II oder nach § 23 Abs. 1 SGB II handelt, letztlich keiner abschließenden Entscheidung.

Handelt es sich - wie die Beklagte meint - um ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II, ergibt sich die Befugnis zur Tilgung des Darlehens zum einen aus dem zwischen den Klägern zu 1. und 2. und der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 21. Juni 2006, zum anderen unmittelbar aus dem Gesetz (§ 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Dabei handelt es sich um zwingendes Recht, dem Leistungsträger steht insoweit kein Ermessen zu, ob er von der Aufrechnung Gebrauch macht oder nicht.

Handelt es sich - wie der Bevollmächtigte der Kläger meint - um ein Darlehen nach § 22 Abs. 5 SGB II, folgt der Rückzahlungsanspruch aus dem zwischen den Klägern zu 1. und 2. und der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 21. Juni 2006, da eine Regelung durch Verwaltungsakt (Darlehensbescheid vom 16. August 2006) nur hinsichtlich der Darlehensgewährung an sich, nicht jedoch hinsichtlich der Darlehensmodalitäten ergangen ist.

Vorliegend spricht mehr für die Anwendbarkeit des § 22 Abs. 5 SGB II. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II eröffnet demgegenüber die Möglichkeit einer Darlehensgewährung (mit monatlicher Aufrechnung nach Satz 3 dieser Vorschrift) nur, soweit im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann. § 22 Abs. 5 SGB II setzt daher das Bestehen von Schulden (Verbindlichkeiten, die im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht beglichen wurden) voraus, währenddessen Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB II der Deckung eines gegenwärtigen unabweisbaren Bedarfs dienen. Dementsprechend wird die - nicht den Kosten der Unterkunft zuzurechnende (vgl. Berlit NDV 2006, 5, 25 f.) - Nachzahlungsforderung des Energieversorgungsunternehmens § 23 Abs. 1 SGB II zugeordnet, während die Nichtzahlung der geforderten Abschlagsbeträge Schulden darstellt, deren Übernahme nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II möglich sei (Gerenkamp in: Mergler/Zink, SGB II, § 22 Rdnr. 41; Berlit in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rdnr. 126 m.w.N.). Soweit eine teilweise Kongruenz der Vorschriften gesehen werden kann, wird jedenfalls § 22 Abs. 5 SGB II gegenüber § 23 Abs. 1 SGB II als speziellere Regelung angesehen (SG Berlin, Beschluss vom 8. Oktober 2009 – S 121 AS 32195/09 ER –; Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, § 23 Rdnr. 120; B./Hofmann, Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit zur Anwendung des SGB II, 4. Aufl. 2009, § 23 Nr. 1 Abs. 3 [23.1b]).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II dürften hier gegeben sein. Bereits in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 15a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) war erkannt, dass eine unmittelbar drohende oder bereits erfolgte Sperrung der Energiezufuhr aufgrund Energiekostenrückständen als eine dem drohenden Verlust der Wohnung vergleichbare Notlage anzusehen ist, weil die Versorgung mit Energie nach den heutigen Lebensverhältnissen in Deutschland zum sozialhilferechtlich anerkannten Mindeststandard gehört (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. April 1999 - 24 A 4785/97 - FEVS 51, 89; Hess. VGH, Beschluss vom 27. Juni 1991 - 9 TG 1258/91 - FEVS 42, 265). Nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob es sich um rückständige Heizkosten oder um rückständige Energiekosten, die bereits durch die Regelleistung abgedeckt waren (Haushaltsstrom), handelt. Zweck der Regelung ist u. a. die Behebung einer die Wohnungslosigkeit vergleichbaren Notlage, die auch dann gegeben sein kann, wenn etwa Regelsatzanteile für Haushaltsstrom zweckwidrig verwendet werden. Im vorliegenden Fall war bereits eine Stromsperre eingetreten, so dass eine vergleichbare Notlage vorgelegen haben dürfte.

Die Tilgungsvereinbarung im Darlehensvertrag begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar liegen die Voraussetzungen der allgemeinen Aufrechnungsvorschrift des § 51 Abs. 1 SGB I nicht vor. Auch enthält § 22 Abs. 5 SGB II keine Regelungen hinsichtlich der Rückzahlung eines eingeräumten Darlehens. Vorliegend geht es jedoch um Leistungen für einen Bedarf (Haushaltsstrom), der durch die bereits bewilligten und ausgezahlten Regelleistungen bereits gedeckt war. Eine ausdrückliche Aufrechnungsregelung für diese Fallkonstellation findet sich in § 26 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), wonach eine Aufrechnung erfolgen kann, wenn Leistungen für einen Bedarf übernommen werden, der durch vorangegangene Leistungen der Sozialhilfe an die leistungsberechtigte Personen bereits gedeckt worden war. Die Vorschrift entspricht dem früheren § 25a Abs. 2 BSHG, der eine Aufrechnung zuließ, wenn nach § 15a Schulden für Verpflichtungen übernommen wurden, die durch vorangegangene Leistungen der Sozialhilfe an den Hilfeempfänger bereits gedeckt worden waren. Allein das SGB II enthält keine entsprechende ausdrückliche Bestimmung, wobei die Gesetzesmaterialien zum SGB II nicht erkennen lassen, dass für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II andere Grundsätze zur Tilgung von Darlehen gelten sollen als für Bezieher von Sozialhilfeleistungen. Außerdem wird in der Kommentarliteratur auf die Möglichkeit der analogen Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II verwiesen (Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II § 22 Rdnr. 163). Angesichts dessen dürfte hier schon nicht von der Rechtswidrigkeit der Tilgungsvereinbarung auszugehen sein, jedenfalls würde die Rechtswidrigkeit die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung unberührt lassen, da es der Beklagten hier - anders als bei offensichtlich fehlender Aufrechnungsbefugnis (vgl. Beschluss des Senats vom 16. Januar 2008 L 9 SO 121/07 ER - FEVS 59, 496) - nicht verwehrt ist, sich auf die Tilgungsvereinbarung in dem Darlehensvertrag zu berufen.

Die sonstigen Bestimmungen des Vertrages, insbesondere zur Höhe der Tilgung, sind nicht zu beanstanden. Nach § 4 des Darlehensvertrages erfolgt die Tilgung des Darlehens in monatlichen Raten in Höhe von 20,00 Euro jeweils zahlbar bis zum 10. des nächsten Monats, der auf die Unterzeichnung des Vertrages folgt. Zwar enthält der Vertrag zur Fälligkeit der ersten Rate keine Bestimmung. Diese ist aber jedenfalls bestimmbar, da die Fälligkeit der ersten Rate der 10. des nächsten Monats ist, der auf die Unterzeichnung des Vertrages folgt. Die Höhe der Tilgungsrate ist jedenfalls für den hier streitgegenständlichen Zeitraum ab Januar 2007 nicht zu beanstanden. Eine weitere Aufrechnung im Zusammenhang mit einer Rückforderung versehentlich an die Kläger ausgezahlter Rentenversicherungsbeiträge erfolgte letztmals im Dezember 2006. Eine eventuelle unrichtige Bezeichnung der Rechtsgrundlage (§ 23 Abs. 1 SGB II statt § 22 Abs. 5 SGB II) ist unschädlich.

Ist damit die Aufrechnung sowohl bei einer Bewilligung des Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II als auch bei einer Bewilligung nach § 22 Abs. 5 SGB II rechtmäßig, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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