Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 104 AS 6151/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 2064/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. September 2010 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin ab dem 21. Mai 2010 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt; Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu zahlen.
Gründe:
Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin, mit dem der Antrag des Klägers abgelehnt worden ist, ihm für die am 22. Februar 2010 erhobene Klage Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines im Tenor bezeichneten Prozessbevollmächtigten zu gewähren, ist zulässig; insbesondere ist sie unabhängig vom Beschwerdewert auch nach § 172 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG Beschwerden gegen die Ablehnung von PKH nur ausgeschlossen sind, wenn das SG ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint hat. Eine solche Situation ist aber hier nicht gegeben, weil das SG seine ablehnende Entscheidung (allein) damit begründet hat, das Klageverfahren habe keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat hat bereits zu der bis zum 31. März 2008 geltenden Gesetzeslage die Auffassung vertreten, dass im PKH-Verfahren unabhängig vom Wert der Beschwer in der Hauptsache die Beschwerde zulässig ist (vgl ausführlich: Beschluss des Senats vom 14. Mai 2007 - L 10 B 217/07 AS PKH, juris). Hieran hält er – auch und gerade – nach der umfangreichen Änderung des § 172 SGG zum 01. April 2008 und unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsprozesses fest (vgl Beschluss des Senats vom 14. Juni 2010 – L 10 AS 664/10 B PKH, juris RdNr 4 mwN).
Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Dem 1957 geborenen und gemäß § 7 Abs 3 Nr 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) allein für seine Person "eine Bedarfsgemeinschaft" bildende (dazu BSG (7b. Senat) SozR 4-4200 § 20 Nr 2, RdNr 18 mwN) Kläger, der seit dem 01. Juni 2006 alleine eine – ausweislich des Mietvertrages vom 11. Mai 2006 (Bl 42ff der Verwaltungsakte (VA)) – 50 qm große, im Hochparterre gelegene Zweizimmerwohnung unter der im Rubrum genannten Adresse bewohnt, die durch Kohle- bzw Holzöfen beheizt wird und für die er einen monatlichen Mietzins von 230,00 EUR (Nettokaltmiete 180,00 EUR und kalte Betriebskostenvorauszahlung 50,00 EUR) zu entrichten hat, ist PKH unter Beiordnung seines im Tenor bezeichneten Prozessbevollmächtigten (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 2 1. Alt Zivilprozessordnung (ZPO)) zu gewähren. Der Kläger ist nach seinen derzeitigen – hier mit Blick auf § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 1 Satz 3 ZPO nicht näher darzulegenden – persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten des Klageverfahrens auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 ZPO), und der Klage kann eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO) im Zeitpunkt der Entscheidungsreife nicht abgesprochen werden. Dabei beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig in summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes ohne strenge Anforderungen, dh ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance" (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88, juris RdNr 26 = BVerfGE 81, 347, 357f). Auch bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist in gerichtskostenfreien Verfahren (§ 183 SGG) – wie dem vorliegenden – PKH unbeschränkt zu bewilligen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, RdNr 7a zu § 73a; Knittel in Hennig ua, SGG, RdNr 13 zu § 73a).
Entscheidungsreife umschreibt den Zeitpunkt, zu dem die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen vorliegen und das Gericht über das PKH-Gesuch entscheiden könnte und müsste. Sie tritt regelmäßig erst dann ein, wenn ein bewilligungsreifer Antrag vorliegt und dem Gegner darüber hinaus eine angemessene Zeit zur Stellungnahme (§ 118 Abs 1 Satz 1 ZPO) gegeben worden ist. Ein bewilligungsreifer Antrag setzt neben der Vorlage des ausgefüllten amtlichen Vordrucks nebst den nötigen Belegen (§ 117 Abs 3 ZPO) gemäß § 117 Abs 1 Satz 2 ZPO auch voraus, dass derjenige, der PKH begehrt, den Sachverhalt schildert und wenigstens im Kern deutlich macht, auf welche rechtliche Beanstandungen er seine Klage stützt (vgl zu diesem Erfordernis auch im sozialgerichtlichen Verfahren und dessen verfassungsrechtlicher Unbedenklichkeit: BVerfG, Beschluss vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10, juris). Was die Bestimmung des Zeitpunkts angeht, ab dem die PKH bewilligt wird, bleibt die nicht vom PKH-Antragsteller beeinflussbare Zeit, bis die notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind und der Gegner gehört wurde, außer Betracht (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08. Oktober 2008 – L 19 B 11/08 AL, juris RdNr 17 und Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juni 2010 – OVG 10 M 8.10, juris RdNr 9f mwN).
Im vorliegenden Fall ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife (erst) am 21. Mai 2010 eingetreten. Denn nachdem die ausgefüllten amtlichen Vordrucke nebst Belegen bereits am 09. April 2010 vorgelegen hatten, hat der Kläger erstmals mit am 21. Mai 2010 beim SG eingegangen Schriftsatz vom selben Tag den Erfordernissen des § 117 Abs 1 Satz 2 ZPO genügt. Der für die Beurteilung der Erfolgsaussicht maßgebende Zeitpunkt der Entscheidungsreife ist im vorliegenden Fall spätestens am 23. Juli 2010 mit Eingang der Stellungnahme der Beklagten beim SG (Schriftsatz vom 21. Juli 2010 (Bl 55 GA)) eingetreten.
Gegenstand (iS von § 95 SGG) des Verfahrens ist der Bescheid vom 08. Juni 2009 (Bl 24 der Gerichtsakte (GA)) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2010 (Bl a GA), mit dem die Beklagte das auf den durch den harten Winter bedingten zusätzlichen Einsatz eine Ölradiators gestützte klägerische Begehren abgelehnt hat, die Nachforderung des Stromversorgers vom 11. Mai 2009 (Bl 197 VA) für den Abrechnungszeitraum vom 20. November 2008 bis zum 30. April 2009 von 375,73 EUR (587,77 EUR abzüglich bereits geleisteter Vorauszahlungen von 192,04 EUR), zahlbar bis zum 29. Mai 2009, zu übernehmen. Die ablehnende Entscheidung ist im Widerspruchsbescheid, auf den es insoweit ankommt, weil er dem Ausgangbescheid "Gestalt" gibt (§ 95 SGG), damit begründet worden, der Bedarf an Heizkosten sei mit der dem Kläger für die Heizperiode vom 01. Oktober 2008 bis zum 30. April 2009 in analoger Anwendung der Richtlinien der Senatsverwaltung für Integration, Soziales und Verbraucherschutz zu § 29 Abs 3 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch zur Beschaffung von Brennstoffen in der Heizperiode bewilligten Brennstoffbeihilfe von 396,00 EUR (Bescheid vom 10. September 2008 (Bl 155 VA)) als gedeckt anzusehen. Um damit auszukommen, müsse sparsam mit der Energie umgegangen werden. Sofern der Kläger die Wohnung ersatzweise vergleichsweise teuer mit elektrisch betriebenen Radiatoren beheizt habe, obliege dies seiner Entscheidung. Die Rechtmäßigkeit dieses Ablehnungsbescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch und § 48 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil die Beklagte dem Kläger mit dem vorangegangenen Bewilligungsbescheid vom 02. Februar 2009 (Bl 188ff VA) neben der Regelleistung (§ 20 SGB II) bereits Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU; § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II) für Mai 2009 bindend (iS von § 77 SGG), nämlich im Umfang von 230,00 EUR, bewilligt hatte und die Nachforderung des Stromversorgers in diesen Zeitraum fällt. Die Übernahme von Stromkosten als (weitere) Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 Satz1 bzw Satz 3 SGB II ist möglich, sofern sie für das Beheizen der Wohnung aufzubringen sind (vgl BSG, Beschluss vom 26. Mai 2010 – B 4 AS 7/10 B, juris RdNr 8 aE mwN). Erfasst werden nicht nur laufende Kosten, also etwa monatliche Stromkostenvorauszahlungen, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung. Wird demnach eine Stromkostennachforderung – wie hier – in einer Summe fällig, handelt es sich im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit um einen tatsächlichen, aktuellen Bedarf iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wenn und soweit sie auf das Betreiben einer Heizungsanlage zurückzuführen ist. Ein gesonderter Antrag auf Deckung dieses Bedarfs ist nicht erforderlich (vgl BSG, Urteil vom 22. März 2010 – B 4 AS 62/09 R, juris RdNr 13f mwN). Allein der Umstand, dass der Kläger die Nachforderung offenbar nicht bis zum Ablauf der vom Stromversorger gesetzten Frist, also bis zum 29. Mai 2009, beglichen hat, führt nicht dazu, dass es sich – allein durch Zeitablauf – bei den Kosten nicht mehr um einen aktuellen Bedarf, sondern (nur noch) um nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II durch Darlehen auszugleichende Schulden handelt (BSG, aaO, RdNr 17 mwN). Dieser Bedarf führt zu einer Änderung zu Gunsten des Hilfebedürftigen nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X, sofern er angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II ist bzw die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II erfüllt sind. Die Beschränkung des Streitgegenstandes auf höhere Leistungen für KdU ist auch zulässig, da es sich um einen von den Regelleistungen abtrennbaren Streitgegenstand handelt (BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 8/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18 ff). Eine Begrenzung auf einzelne Elemente innerhalb dieses abtrennbaren Streitgegenstandes, etwa nur Unterkunfts- oder nur Heizkosten,ist hingegen nicht möglich (BSG, aaO, RdNrn 18 und 22). Der hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage iS des § 114 Satz 1 ZPO steht nicht entgegen, dass die Feststellung des Umfangs zusätzlicher Aufwendungen für die Heizung der Wohnung erhebliche Probleme bringt. Dem SG ist zwar zuzugeben, dass die Ermittlung des Rechnungsbetrags, der dem Betrieb des Ölradiators geschuldet ist, schwierig ist, weil die hier in Rede stehende Stromrechnung eine Unterscheidung zwischen diesen Kosten und denen, die auf den allgemeinen Verbrauch von Haushaltsenergie (Beleuchtung und Betrieb von elektrischen Geräten) zurückzuführen sind, naturgemäß nicht trifft. Auch mag es richtig sein, dass eine exakte Ermittlung der auf den Betrieb des Ölradiators beruhenden Heizkosten nicht mehr möglich ist, weil hierfür eine Vielzahl unwäg¬barer und im Nachhinein schwierig zu ermittelnder Faktoren eine Rolle spielt.
In einem solchen Falle, in dem möglicherweise selbst die Einholung eines Sachverständigen¬gutachtens – wie vom Kläger angeregt (vgl Schriftsatz vom 21. Mai 2010, Bl 18 GA/Seite 4 des Schriftsatzes) – keine eindeutige Klärung verspricht und zudem dessen Einholung – auch angesichts der Höhe des erhobenen Anspruchs – einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten könnte (Rechtsgedanke des § 287 Abs 2 ZPO; vgl BSG, Urteil vom 15. Dezember 2009 - B 1 AS 1/08 KL, juris RdNr 41ff), darf sich das Gericht jedenfalls nicht – wie es das im angefochten Beschluss zumindest sinngemäß getan hat – auf die Regeln der objektiven Beweis¬last berufen. Vielmehr ist es – sofern es von der Einholung eines Gutachtens absehen will – jedenfalls verpflichtet ist, eine Schätzung nach § 287 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG vorzunehmen (vgl zur grds Anwendbarkeit des § 287 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren zB BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R, juris RdNr 14 = SozR 4-3300 § 15 Nr 1 RdNr 12, jeweils mwN). Dies dürfte jedenfalls dann gelten, solange die Schätzung nicht über das "Ob", sondern nur über die Höhe der Leistung entscheidet. Dass ein Teil der in der Stromrechnung ausgewiesenen Kosten tatsächlich auf die Inanspruchnahme des Ölradiators beruht, wird vom SG zu Recht nicht in Abrede gestellt.
Als Schätzgrundlage bietet sich im konkreten Fall etwa ein Vergleich mit den Stromab¬rechnungen der Vorjahre an, in denen der Kläger – nach seinem Beschwerdevorbringen – den Ölradiator eigenen Angaben zufolge nur zum Erwärmen des Badezimmers während der Heizperiode verwandt hat und es offenbar zu keinen Nachforderungen seitens des Stromversorgers gekommen ist, oder aber auch - soweit möglich - ein Vergleich mit den Stromabrechnungen der Monate außerhalb der Heizperiode an.
Zwar werden Leistungen für Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen grds. nur erbracht, soweit diese angemessen sind. Die danach vorgesehene, am Einzelfall orientierte Angemessenheitsprüfung für die Heizkosten, für die auf die Kosten für die gesamte Heizperiode abzustellen sein dürfte, hat getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 18f), wobei wie bei den Aufwendungen für die Unterkunft ein konkret-individueller Maßstab anzulegen ist und – entgegen der Auffassung der Beklagten – eine Pauschalierung der Leistungen für die Heizung, die nur auf Grundlage einer Verordnung nach § 27 Nr 1 SGB II möglich wäre, nicht zulässig ist (BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007 - B 7b AS 40/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 4, jeweils RdNr 9f). Selbst wenn die tatsächlichen Heizkosten im vorliegenden Einzelfall unangemessen sein sollten, dürften sie in entsprechender Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II hier zu übernehmen sein (vgl zu § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF: BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R, juris RdNr 22).
Im PKH-Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin, mit dem der Antrag des Klägers abgelehnt worden ist, ihm für die am 22. Februar 2010 erhobene Klage Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines im Tenor bezeichneten Prozessbevollmächtigten zu gewähren, ist zulässig; insbesondere ist sie unabhängig vom Beschwerdewert auch nach § 172 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG Beschwerden gegen die Ablehnung von PKH nur ausgeschlossen sind, wenn das SG ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint hat. Eine solche Situation ist aber hier nicht gegeben, weil das SG seine ablehnende Entscheidung (allein) damit begründet hat, das Klageverfahren habe keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat hat bereits zu der bis zum 31. März 2008 geltenden Gesetzeslage die Auffassung vertreten, dass im PKH-Verfahren unabhängig vom Wert der Beschwer in der Hauptsache die Beschwerde zulässig ist (vgl ausführlich: Beschluss des Senats vom 14. Mai 2007 - L 10 B 217/07 AS PKH, juris). Hieran hält er – auch und gerade – nach der umfangreichen Änderung des § 172 SGG zum 01. April 2008 und unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsprozesses fest (vgl Beschluss des Senats vom 14. Juni 2010 – L 10 AS 664/10 B PKH, juris RdNr 4 mwN).
Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Dem 1957 geborenen und gemäß § 7 Abs 3 Nr 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) allein für seine Person "eine Bedarfsgemeinschaft" bildende (dazu BSG (7b. Senat) SozR 4-4200 § 20 Nr 2, RdNr 18 mwN) Kläger, der seit dem 01. Juni 2006 alleine eine – ausweislich des Mietvertrages vom 11. Mai 2006 (Bl 42ff der Verwaltungsakte (VA)) – 50 qm große, im Hochparterre gelegene Zweizimmerwohnung unter der im Rubrum genannten Adresse bewohnt, die durch Kohle- bzw Holzöfen beheizt wird und für die er einen monatlichen Mietzins von 230,00 EUR (Nettokaltmiete 180,00 EUR und kalte Betriebskostenvorauszahlung 50,00 EUR) zu entrichten hat, ist PKH unter Beiordnung seines im Tenor bezeichneten Prozessbevollmächtigten (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 2 1. Alt Zivilprozessordnung (ZPO)) zu gewähren. Der Kläger ist nach seinen derzeitigen – hier mit Blick auf § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 1 Satz 3 ZPO nicht näher darzulegenden – persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten des Klageverfahrens auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 ZPO), und der Klage kann eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO) im Zeitpunkt der Entscheidungsreife nicht abgesprochen werden. Dabei beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig in summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes ohne strenge Anforderungen, dh ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance" (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88, juris RdNr 26 = BVerfGE 81, 347, 357f). Auch bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist in gerichtskostenfreien Verfahren (§ 183 SGG) – wie dem vorliegenden – PKH unbeschränkt zu bewilligen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, RdNr 7a zu § 73a; Knittel in Hennig ua, SGG, RdNr 13 zu § 73a).
Entscheidungsreife umschreibt den Zeitpunkt, zu dem die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen vorliegen und das Gericht über das PKH-Gesuch entscheiden könnte und müsste. Sie tritt regelmäßig erst dann ein, wenn ein bewilligungsreifer Antrag vorliegt und dem Gegner darüber hinaus eine angemessene Zeit zur Stellungnahme (§ 118 Abs 1 Satz 1 ZPO) gegeben worden ist. Ein bewilligungsreifer Antrag setzt neben der Vorlage des ausgefüllten amtlichen Vordrucks nebst den nötigen Belegen (§ 117 Abs 3 ZPO) gemäß § 117 Abs 1 Satz 2 ZPO auch voraus, dass derjenige, der PKH begehrt, den Sachverhalt schildert und wenigstens im Kern deutlich macht, auf welche rechtliche Beanstandungen er seine Klage stützt (vgl zu diesem Erfordernis auch im sozialgerichtlichen Verfahren und dessen verfassungsrechtlicher Unbedenklichkeit: BVerfG, Beschluss vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10, juris). Was die Bestimmung des Zeitpunkts angeht, ab dem die PKH bewilligt wird, bleibt die nicht vom PKH-Antragsteller beeinflussbare Zeit, bis die notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind und der Gegner gehört wurde, außer Betracht (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08. Oktober 2008 – L 19 B 11/08 AL, juris RdNr 17 und Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juni 2010 – OVG 10 M 8.10, juris RdNr 9f mwN).
Im vorliegenden Fall ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife (erst) am 21. Mai 2010 eingetreten. Denn nachdem die ausgefüllten amtlichen Vordrucke nebst Belegen bereits am 09. April 2010 vorgelegen hatten, hat der Kläger erstmals mit am 21. Mai 2010 beim SG eingegangen Schriftsatz vom selben Tag den Erfordernissen des § 117 Abs 1 Satz 2 ZPO genügt. Der für die Beurteilung der Erfolgsaussicht maßgebende Zeitpunkt der Entscheidungsreife ist im vorliegenden Fall spätestens am 23. Juli 2010 mit Eingang der Stellungnahme der Beklagten beim SG (Schriftsatz vom 21. Juli 2010 (Bl 55 GA)) eingetreten.
Gegenstand (iS von § 95 SGG) des Verfahrens ist der Bescheid vom 08. Juni 2009 (Bl 24 der Gerichtsakte (GA)) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2010 (Bl a GA), mit dem die Beklagte das auf den durch den harten Winter bedingten zusätzlichen Einsatz eine Ölradiators gestützte klägerische Begehren abgelehnt hat, die Nachforderung des Stromversorgers vom 11. Mai 2009 (Bl 197 VA) für den Abrechnungszeitraum vom 20. November 2008 bis zum 30. April 2009 von 375,73 EUR (587,77 EUR abzüglich bereits geleisteter Vorauszahlungen von 192,04 EUR), zahlbar bis zum 29. Mai 2009, zu übernehmen. Die ablehnende Entscheidung ist im Widerspruchsbescheid, auf den es insoweit ankommt, weil er dem Ausgangbescheid "Gestalt" gibt (§ 95 SGG), damit begründet worden, der Bedarf an Heizkosten sei mit der dem Kläger für die Heizperiode vom 01. Oktober 2008 bis zum 30. April 2009 in analoger Anwendung der Richtlinien der Senatsverwaltung für Integration, Soziales und Verbraucherschutz zu § 29 Abs 3 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch zur Beschaffung von Brennstoffen in der Heizperiode bewilligten Brennstoffbeihilfe von 396,00 EUR (Bescheid vom 10. September 2008 (Bl 155 VA)) als gedeckt anzusehen. Um damit auszukommen, müsse sparsam mit der Energie umgegangen werden. Sofern der Kläger die Wohnung ersatzweise vergleichsweise teuer mit elektrisch betriebenen Radiatoren beheizt habe, obliege dies seiner Entscheidung. Die Rechtmäßigkeit dieses Ablehnungsbescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch und § 48 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil die Beklagte dem Kläger mit dem vorangegangenen Bewilligungsbescheid vom 02. Februar 2009 (Bl 188ff VA) neben der Regelleistung (§ 20 SGB II) bereits Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU; § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II) für Mai 2009 bindend (iS von § 77 SGG), nämlich im Umfang von 230,00 EUR, bewilligt hatte und die Nachforderung des Stromversorgers in diesen Zeitraum fällt. Die Übernahme von Stromkosten als (weitere) Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 Satz1 bzw Satz 3 SGB II ist möglich, sofern sie für das Beheizen der Wohnung aufzubringen sind (vgl BSG, Beschluss vom 26. Mai 2010 – B 4 AS 7/10 B, juris RdNr 8 aE mwN). Erfasst werden nicht nur laufende Kosten, also etwa monatliche Stromkostenvorauszahlungen, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung. Wird demnach eine Stromkostennachforderung – wie hier – in einer Summe fällig, handelt es sich im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit um einen tatsächlichen, aktuellen Bedarf iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, wenn und soweit sie auf das Betreiben einer Heizungsanlage zurückzuführen ist. Ein gesonderter Antrag auf Deckung dieses Bedarfs ist nicht erforderlich (vgl BSG, Urteil vom 22. März 2010 – B 4 AS 62/09 R, juris RdNr 13f mwN). Allein der Umstand, dass der Kläger die Nachforderung offenbar nicht bis zum Ablauf der vom Stromversorger gesetzten Frist, also bis zum 29. Mai 2009, beglichen hat, führt nicht dazu, dass es sich – allein durch Zeitablauf – bei den Kosten nicht mehr um einen aktuellen Bedarf, sondern (nur noch) um nach § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II durch Darlehen auszugleichende Schulden handelt (BSG, aaO, RdNr 17 mwN). Dieser Bedarf führt zu einer Änderung zu Gunsten des Hilfebedürftigen nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X, sofern er angemessen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II ist bzw die Voraussetzungen des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II erfüllt sind. Die Beschränkung des Streitgegenstandes auf höhere Leistungen für KdU ist auch zulässig, da es sich um einen von den Regelleistungen abtrennbaren Streitgegenstand handelt (BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 8/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18 ff). Eine Begrenzung auf einzelne Elemente innerhalb dieses abtrennbaren Streitgegenstandes, etwa nur Unterkunfts- oder nur Heizkosten,ist hingegen nicht möglich (BSG, aaO, RdNrn 18 und 22). Der hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage iS des § 114 Satz 1 ZPO steht nicht entgegen, dass die Feststellung des Umfangs zusätzlicher Aufwendungen für die Heizung der Wohnung erhebliche Probleme bringt. Dem SG ist zwar zuzugeben, dass die Ermittlung des Rechnungsbetrags, der dem Betrieb des Ölradiators geschuldet ist, schwierig ist, weil die hier in Rede stehende Stromrechnung eine Unterscheidung zwischen diesen Kosten und denen, die auf den allgemeinen Verbrauch von Haushaltsenergie (Beleuchtung und Betrieb von elektrischen Geräten) zurückzuführen sind, naturgemäß nicht trifft. Auch mag es richtig sein, dass eine exakte Ermittlung der auf den Betrieb des Ölradiators beruhenden Heizkosten nicht mehr möglich ist, weil hierfür eine Vielzahl unwäg¬barer und im Nachhinein schwierig zu ermittelnder Faktoren eine Rolle spielt.
In einem solchen Falle, in dem möglicherweise selbst die Einholung eines Sachverständigen¬gutachtens – wie vom Kläger angeregt (vgl Schriftsatz vom 21. Mai 2010, Bl 18 GA/Seite 4 des Schriftsatzes) – keine eindeutige Klärung verspricht und zudem dessen Einholung – auch angesichts der Höhe des erhobenen Anspruchs – einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten könnte (Rechtsgedanke des § 287 Abs 2 ZPO; vgl BSG, Urteil vom 15. Dezember 2009 - B 1 AS 1/08 KL, juris RdNr 41ff), darf sich das Gericht jedenfalls nicht – wie es das im angefochten Beschluss zumindest sinngemäß getan hat – auf die Regeln der objektiven Beweis¬last berufen. Vielmehr ist es – sofern es von der Einholung eines Gutachtens absehen will – jedenfalls verpflichtet ist, eine Schätzung nach § 287 Abs 1 ZPO iVm § 202 SGG vorzunehmen (vgl zur grds Anwendbarkeit des § 287 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren zB BSG, Urteil vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R, juris RdNr 14 = SozR 4-3300 § 15 Nr 1 RdNr 12, jeweils mwN). Dies dürfte jedenfalls dann gelten, solange die Schätzung nicht über das "Ob", sondern nur über die Höhe der Leistung entscheidet. Dass ein Teil der in der Stromrechnung ausgewiesenen Kosten tatsächlich auf die Inanspruchnahme des Ölradiators beruht, wird vom SG zu Recht nicht in Abrede gestellt.
Als Schätzgrundlage bietet sich im konkreten Fall etwa ein Vergleich mit den Stromab¬rechnungen der Vorjahre an, in denen der Kläger – nach seinem Beschwerdevorbringen – den Ölradiator eigenen Angaben zufolge nur zum Erwärmen des Badezimmers während der Heizperiode verwandt hat und es offenbar zu keinen Nachforderungen seitens des Stromversorgers gekommen ist, oder aber auch - soweit möglich - ein Vergleich mit den Stromabrechnungen der Monate außerhalb der Heizperiode an.
Zwar werden Leistungen für Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen grds. nur erbracht, soweit diese angemessen sind. Die danach vorgesehene, am Einzelfall orientierte Angemessenheitsprüfung für die Heizkosten, für die auf die Kosten für die gesamte Heizperiode abzustellen sein dürfte, hat getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu erfolgen (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 18f), wobei wie bei den Aufwendungen für die Unterkunft ein konkret-individueller Maßstab anzulegen ist und – entgegen der Auffassung der Beklagten – eine Pauschalierung der Leistungen für die Heizung, die nur auf Grundlage einer Verordnung nach § 27 Nr 1 SGB II möglich wäre, nicht zulässig ist (BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007 - B 7b AS 40/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 4, jeweils RdNr 9f). Selbst wenn die tatsächlichen Heizkosten im vorliegenden Einzelfall unangemessen sein sollten, dürften sie in entsprechender Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II hier zu übernehmen sein (vgl zu § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF: BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 54/07 R, juris RdNr 22).
Im PKH-Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
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