Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 1089/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 729/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kosten für Kirchliche Feier der Kinder
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 20.09.2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Übernahme der Kosten für eine Firmungsfeier der Antragsteller.
Die Antragsteller (geb. 1994 und 1996) beziehen seit 03.06.2009 zusammen mit ihrer Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 09.04.2010 beantragten sie bei der Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für die zur Kostenersparnis am 16.10.2010 gemeinsam erfolgende Firmung. Es sei mit 28 Gästen zu rechnen, wobei zwei Familien wegen der langen Anreise übernachten müssten (150,00 EUR). Die Gäste seien in einer Gastwirtschaft - die eigene Wohnung sei zu klein - zu bewirten (500,00 EUR). Die Ministrantengewänder seien zu reinigen (10,00 EUR), Schuhe für die Feier würden noch benötigt (100,00 EUR). Zusätzlich müsse ein Pkw für die Fahrt von A-Stadt nach W. und zurück gemietet werden (80,00 EUR). Für Kirchenschmuck sei zu sorgen (25,00 EUR). Diese insgesamt 825,00 EUR seien aus dem Alg II nicht bestreitbar.
Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 13.04.2010 ab. Es handele sich nicht um einen lebensnotwendigen, unabweisbaren Bedarf, welcher von der Regelleistung umfasst sei. Demzufolge komme auch ein Darlehen gemäß § 23 Abs 1 SGB II nicht in Betracht.
Den Widerspruch hiergegen begründeten die Antragsteller damit, dass die Bewirtung und Beherbergung bei der Firmung als fester kulturgeschichtlicher Bestandteil der üblichen Religionsausübung zum notwendigen Lebensbedarf gehöre. Aufwendungen hierfür seien nicht in der Regelleistung enthalten. Diese Kosten seien auch nicht unter der Rubrik "Beherbergung und Gaststätten" im Regelsatz enthalten, denn dort seien Kosten nur für die Teilnahme am laufenden, säkularen soziokulturellen Leben, nicht aber für einmalig stattfindende religiöse Feiern berücksichtigt. Es handele sich auch nicht um eine reine Familienfeier, da auch Taufpaten nebst Familien einzuladen seien, die nicht in der vorhandenen Wohnung untergebracht worden könnten. Ansparungen hätten wegen der seit Trennung vom Kindsvater ausstehenden Unterhaltszahlungen durch die Mutter nicht erfolgen können. Mit eigenen Mitteln habe ihre Mutter bereits eine Taufe (1999) und ihre Kommunionsfeiern 2001 und 2007 bezahlt.
Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2010 zurück. Die Kosten der Firmung seien vom Regelsatz nicht erfasst, sodass eine darlehensweise Leistungsgewährung gemäß § 23 Abs 1 SGB II nicht in Betracht komme.
Dagegen haben die Antragsteller Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Es sei üblich, dieses Sakrament im Alter von 13 bis 15 Jahren zu empfangen und dabei Paten, nahe Verwandte sowie gute Freunde zu bewirten und gegebenenfalls zu beherbergen. Diese Feier gehöre als fester Bestandteil der in Deutschland üblichen Religionsausübung zum soziokulturellen Leben. Aufwendungen hierfür seien in der Regelleistung jedoch nicht enthalten. Sie stellten einen unabweisbaren Bedarf dar. Es sei auch nicht zumutbar, sich an den Sozialhilfeträger zu wenden. Ohne Kostenübernahme müsste auf die Feier verzichtet werden.
Am 01.09.2010 haben die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz beim SG beantragt. Über die Kostenübernahme (24 Gäste) sei zeitnah zu entscheiden, zumal zusätzliche Aufwendungen für Zahnspange und Folgekosten angefallen seien. Bis Ende September müsste die Entscheidung erfolgen, da sich erst danach entscheiden könne, ob die Feier überhaupt ausgerichtet werden könne. Entscheidend sei einzig die Frage der Kostenübernahme für Bewirtung und Beherbergung. Dies sei in Franken üblich. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, es handele sich nicht um einen lebensnotwendigen, unabweisbaren Bedarf, der von der Regelleistung umfasst werde. Ein Darlehen komme nicht in Betracht, da die Firmung kein unvorhersehbares Ereignis sei. Es handele sich auch nicht um einen gemäß § 21 Abs 6 SGB II unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf iS der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09). Für die Firmung selbst entstünden keine Kosten, Bewirtungs- und Beherbergungskosten seien nicht unabweisbar. Kosten für die Reinigung und Schuhe seien im Regelsatz enthalten, ebenso die entstehenden Fahrtkosten und die Kosten für den Kirchenschmuck. Es handele sich auch nicht um einen laufenden, d.h. regelmäßig wiederkehrenden Bedarf.
Mit Beschluss vom 20.09.2010 hat das SG den Antrag abgelehnt. Es fehle an einem Anordnungsanspruch. Es handele sich bei den Aufwendungen um einmalige, nicht regelmäßig wiederkehrende Aufwendungen, sodass § 21 Abs 6 SGB II nicht anwendbar sei. Es sei auch nicht ersichtlich, ob neue Schuhe unbedingt erforderlich seien und es bestehe keine Verpflichtung zur Bewirtung und Beherbergung von Gästen. Zudem seien Zuwendungen Dritter (Geldgeschenke) - soweit der Vermögensfreibetrag überschritten wird - anzusetzen. Ein Anspruch gemäß § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) komme nach Einführung des § 21 Abs 6 SGB II nicht mehr in Betracht. Eine darlehensweise Übernahme der Kosten gemäß § 23 Abs 1 SGB II - soweit dies überhaupt gewollt sei - scheide aus, weil es sich nicht um einen von der Regelleistung umfassten, unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes handele, denn Schuhe und Beherbergung seien nicht erforderlich, Bewirtungskosten könnten durch Zuwendungen Dritter bestritten werden. Auch hätten die Kosten hierfür angespart werden können. Fahrtkosten könnten durch Fahrgemeinschaften vermieden werden. Die Religionsausübungsfreiheit sei nicht im Kern tangiert, wenn eine Bewirtung nicht in einer Gastwirtschaft erfolgen könne.
Dagegen haben die Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Bildung einer Fahrgemeinschaft nach W. sei nicht möglich, alle bei den Gästen vorhandenen Fahrzeuge seien voll besetzt. In welchem Alter die Firmung stattfinden solle, bestimmten sie selbst, von einer Planbarkeit könne daher nicht die Rede sein, zumal die Firmung in der altkatholischen Kirche nur alle paar Jahre in W. stattfinde. Die Firmung gehöre zu ihren Grundbedürfnissen, eine Bewirtung und Beherbergung in der eigenen Wohnung sei wegen deren Größe nicht zumutbar. Eine Ansparung habe wegen der vielen unvorhersehbaren Kosten nicht erfolgen können. Die geltenden gemachten Kosten seien weder von § 21 Abs 6 SGB II noch von § 23 Abs 1 SGB II erfasst, dies werde von ihnen auch nicht geltend gemacht. Im Übrigen seien Geldgeschenke zweckgebunden und daher nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Diese würden auch nicht ausreichen, um die anfallenden Kosten zu decken. Der Anspruch auf Übernahme der Kosten ergebe sich aus Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 1 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber sei hiernach verpflichtet, eine Teilhabe an religiösbedingten Festen, die er nicht im Regelsatz berücksichtigt seien, zu regeln. Es sei verfassungsrechtlich zu beantworten, ob die Kosten der Firmung Teil des notwendigen Lebensbedarfs seien.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74; vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. RdNr 652).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiellrechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9.Aufl, § 86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 -
1 BvR 2971/06 - ).
In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO, BVerfG vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 -).
Vorliegend entstehen keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Beeinträchtigungen, die durch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten, denn die Antragsteller geben selbst an, den Zeitpunkt der Firmung frei bestimmen zu können. Somit kann diese ggf. zu einem späteren Zeitpunkt ohne Beeinträchtigung von Rechten nachgeholt werden. Der Anordnungsanspruch kann daher lediglich summarisch geprüft werden.
Dies kann jedoch offen gelassen werden, denn ein Anordnungsanspruch ist tatsächlich nicht gegeben. Die Kosten für neue Schuhe und die Reinigung der Kleidung sind im Regelsatz enthalten; es handelt sich nicht um einen besonderen Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB II. Es handelt sich aber auch nicht um einen unabweisbaren Bedarf iS des § 23 Abs 1 SGB II, denn die Firmung kann auch in den üblichen Straßenschuhen erfolgen. Gerade die Kirche wird in Zeiten finanziell begrenzter Mittel hiergegen keine Einwände erheben. Die Fahrtkosten durch Mieten eines Fahrzeuges sind ebenfalls keine unabweisbaren Kosten. Zum einen kann die kurze Strecke von A-Stadt nach W. (ca. 20 km, Fahrzeit einfach ca. 30 Minuten lt. ADAC) auch zweimal zurückgelegt werden. Zum anderen sind zwar die Fahrzeuge nach Angabe der Antragsteller durch die Gäste vollständig belegt, ggf. kann jedoch ein Teil der Gäste mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, wenn dies schon den Antragstellern nicht zumutbar sein sollte. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass den 13- und 15-jährigen Antragstellern durchaus eine Gesamtreisezeit von ca. 7 Stunden samt kirchlicher Feier als zumutbar erscheint. Ob dies ihrer Mutter und dem 2009 geborenen Bruder zumutbar ist, ist bei der Geltendmachung von Ansprüchen der Antragsteller nicht zu prüfen.
Bei der Bewirtung und Beherbergung der Gäste handelt es sich zum einen nicht um Kosten, die die Antragsteller zu tragen haben, denn die Ausrichtung der Feier ist nicht auf Aufgabe der Firmlinge, sondern allenfalls ihrer Eltern, sodass ggf. ihre Mutter den Anspruch hätte geltend machen müssen. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn es handelt sich nicht um einen unabweisbaren Bedarf iS des § 23 Abs 1 SGB II - § 21 Abs 6 SGB II kommt nicht in Betracht, da es sich nicht um einen laufenden Bedarf handelt. Zum einen besteht keine Verpflichtung - allenfalls eine je nach Landstrich Sitte -, Gäste einzuladen. Zum anderen ist hinsichtlich der Paten zu berücksichtigen, dass diese mit der Patenschaft auch eine Pflicht gegenüber dem jeweiligen Patenkind übernommen haben, sich um diese ggf. zu sorgen. Dazu kann auch gehören, die Kosten für die Firmungsfeier (Fahrt, Übernachtung) selbst zu tragen.
Nach alledem ergibt sich aus § 21 Abs 6 SGB II bzw. § 23 Abs 1 SGB II kein Anspruch der Antragsteller. Auch aus Art 20 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG ist ein solcher nicht herzuleiten. Der Gesetzgeber hat die Teilnahme am soziokulturellen Leben im Regelsatz und nunmehr über § 21 Abs 6 SGB II und § 23 Abs 1 SGB II berücksichtigt. Dazu gehört auch die Ausrichtung religiöser Feste. Eine gesonderte Anspruchsgrundlage für diese ist nicht - neu - zu schaffen.
Im Übrigen ist auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht - mehr ersichtlich, denn die Antragsteller haben angegeben, bis spätestens Ende September endgültig Kenntnis von der Kostenübernahme haben zu müssen, um die Feier ausrichten zu können. Diese Frist war vom Senat nicht einzuhalten, nachdem erst am 27.09.2010 die Beschwerde beim SG eingelegt wurde, obwohl der Beschluss des SG nach Angabe der ASt bereits am 21.09.2010 zugestellt worden war. Zum anderen ist im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes zu berücksichtigen, dass die anstehenden Firmlinge selbst den Zeitpunkt der Firmung bestimmen, sodass diese auch zu einem anderen, späteren Zeitpunkt stattfinden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Übernahme der Kosten für eine Firmungsfeier der Antragsteller.
Die Antragsteller (geb. 1994 und 1996) beziehen seit 03.06.2009 zusammen mit ihrer Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 09.04.2010 beantragten sie bei der Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für die zur Kostenersparnis am 16.10.2010 gemeinsam erfolgende Firmung. Es sei mit 28 Gästen zu rechnen, wobei zwei Familien wegen der langen Anreise übernachten müssten (150,00 EUR). Die Gäste seien in einer Gastwirtschaft - die eigene Wohnung sei zu klein - zu bewirten (500,00 EUR). Die Ministrantengewänder seien zu reinigen (10,00 EUR), Schuhe für die Feier würden noch benötigt (100,00 EUR). Zusätzlich müsse ein Pkw für die Fahrt von A-Stadt nach W. und zurück gemietet werden (80,00 EUR). Für Kirchenschmuck sei zu sorgen (25,00 EUR). Diese insgesamt 825,00 EUR seien aus dem Alg II nicht bestreitbar.
Die Antragsgegnerin lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 13.04.2010 ab. Es handele sich nicht um einen lebensnotwendigen, unabweisbaren Bedarf, welcher von der Regelleistung umfasst sei. Demzufolge komme auch ein Darlehen gemäß § 23 Abs 1 SGB II nicht in Betracht.
Den Widerspruch hiergegen begründeten die Antragsteller damit, dass die Bewirtung und Beherbergung bei der Firmung als fester kulturgeschichtlicher Bestandteil der üblichen Religionsausübung zum notwendigen Lebensbedarf gehöre. Aufwendungen hierfür seien nicht in der Regelleistung enthalten. Diese Kosten seien auch nicht unter der Rubrik "Beherbergung und Gaststätten" im Regelsatz enthalten, denn dort seien Kosten nur für die Teilnahme am laufenden, säkularen soziokulturellen Leben, nicht aber für einmalig stattfindende religiöse Feiern berücksichtigt. Es handele sich auch nicht um eine reine Familienfeier, da auch Taufpaten nebst Familien einzuladen seien, die nicht in der vorhandenen Wohnung untergebracht worden könnten. Ansparungen hätten wegen der seit Trennung vom Kindsvater ausstehenden Unterhaltszahlungen durch die Mutter nicht erfolgen können. Mit eigenen Mitteln habe ihre Mutter bereits eine Taufe (1999) und ihre Kommunionsfeiern 2001 und 2007 bezahlt.
Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2010 zurück. Die Kosten der Firmung seien vom Regelsatz nicht erfasst, sodass eine darlehensweise Leistungsgewährung gemäß § 23 Abs 1 SGB II nicht in Betracht komme.
Dagegen haben die Antragsteller Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Es sei üblich, dieses Sakrament im Alter von 13 bis 15 Jahren zu empfangen und dabei Paten, nahe Verwandte sowie gute Freunde zu bewirten und gegebenenfalls zu beherbergen. Diese Feier gehöre als fester Bestandteil der in Deutschland üblichen Religionsausübung zum soziokulturellen Leben. Aufwendungen hierfür seien in der Regelleistung jedoch nicht enthalten. Sie stellten einen unabweisbaren Bedarf dar. Es sei auch nicht zumutbar, sich an den Sozialhilfeträger zu wenden. Ohne Kostenübernahme müsste auf die Feier verzichtet werden.
Am 01.09.2010 haben die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz beim SG beantragt. Über die Kostenübernahme (24 Gäste) sei zeitnah zu entscheiden, zumal zusätzliche Aufwendungen für Zahnspange und Folgekosten angefallen seien. Bis Ende September müsste die Entscheidung erfolgen, da sich erst danach entscheiden könne, ob die Feier überhaupt ausgerichtet werden könne. Entscheidend sei einzig die Frage der Kostenübernahme für Bewirtung und Beherbergung. Dies sei in Franken üblich. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, es handele sich nicht um einen lebensnotwendigen, unabweisbaren Bedarf, der von der Regelleistung umfasst werde. Ein Darlehen komme nicht in Betracht, da die Firmung kein unvorhersehbares Ereignis sei. Es handele sich auch nicht um einen gemäß § 21 Abs 6 SGB II unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf iS der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09). Für die Firmung selbst entstünden keine Kosten, Bewirtungs- und Beherbergungskosten seien nicht unabweisbar. Kosten für die Reinigung und Schuhe seien im Regelsatz enthalten, ebenso die entstehenden Fahrtkosten und die Kosten für den Kirchenschmuck. Es handele sich auch nicht um einen laufenden, d.h. regelmäßig wiederkehrenden Bedarf.
Mit Beschluss vom 20.09.2010 hat das SG den Antrag abgelehnt. Es fehle an einem Anordnungsanspruch. Es handele sich bei den Aufwendungen um einmalige, nicht regelmäßig wiederkehrende Aufwendungen, sodass § 21 Abs 6 SGB II nicht anwendbar sei. Es sei auch nicht ersichtlich, ob neue Schuhe unbedingt erforderlich seien und es bestehe keine Verpflichtung zur Bewirtung und Beherbergung von Gästen. Zudem seien Zuwendungen Dritter (Geldgeschenke) - soweit der Vermögensfreibetrag überschritten wird - anzusetzen. Ein Anspruch gemäß § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) komme nach Einführung des § 21 Abs 6 SGB II nicht mehr in Betracht. Eine darlehensweise Übernahme der Kosten gemäß § 23 Abs 1 SGB II - soweit dies überhaupt gewollt sei - scheide aus, weil es sich nicht um einen von der Regelleistung umfassten, unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes handele, denn Schuhe und Beherbergung seien nicht erforderlich, Bewirtungskosten könnten durch Zuwendungen Dritter bestritten werden. Auch hätten die Kosten hierfür angespart werden können. Fahrtkosten könnten durch Fahrgemeinschaften vermieden werden. Die Religionsausübungsfreiheit sei nicht im Kern tangiert, wenn eine Bewirtung nicht in einer Gastwirtschaft erfolgen könne.
Dagegen haben die Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Bildung einer Fahrgemeinschaft nach W. sei nicht möglich, alle bei den Gästen vorhandenen Fahrzeuge seien voll besetzt. In welchem Alter die Firmung stattfinden solle, bestimmten sie selbst, von einer Planbarkeit könne daher nicht die Rede sein, zumal die Firmung in der altkatholischen Kirche nur alle paar Jahre in W. stattfinde. Die Firmung gehöre zu ihren Grundbedürfnissen, eine Bewirtung und Beherbergung in der eigenen Wohnung sei wegen deren Größe nicht zumutbar. Eine Ansparung habe wegen der vielen unvorhersehbaren Kosten nicht erfolgen können. Die geltenden gemachten Kosten seien weder von § 21 Abs 6 SGB II noch von § 23 Abs 1 SGB II erfasst, dies werde von ihnen auch nicht geltend gemacht. Im Übrigen seien Geldgeschenke zweckgebunden und daher nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Diese würden auch nicht ausreichen, um die anfallenden Kosten zu decken. Der Anspruch auf Übernahme der Kosten ergebe sich aus Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 1 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber sei hiernach verpflichtet, eine Teilhabe an religiösbedingten Festen, die er nicht im Regelsatz berücksichtigt seien, zu regeln. Es sei verfassungsrechtlich zu beantworten, ob die Kosten der Firmung Teil des notwendigen Lebensbedarfs seien.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74; vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166/179 und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. RdNr 652).
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiellrechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9.Aufl, § 86b RdNr 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist gegebenenfalls auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des ASt zu entscheiden (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 aaO und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 -
1 BvR 2971/06 - ).
In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht beseitigt werden können, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (BVerfG vom 12.05.2005 aaO, BVerfG vom 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 -).
Vorliegend entstehen keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Beeinträchtigungen, die durch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten, denn die Antragsteller geben selbst an, den Zeitpunkt der Firmung frei bestimmen zu können. Somit kann diese ggf. zu einem späteren Zeitpunkt ohne Beeinträchtigung von Rechten nachgeholt werden. Der Anordnungsanspruch kann daher lediglich summarisch geprüft werden.
Dies kann jedoch offen gelassen werden, denn ein Anordnungsanspruch ist tatsächlich nicht gegeben. Die Kosten für neue Schuhe und die Reinigung der Kleidung sind im Regelsatz enthalten; es handelt sich nicht um einen besonderen Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB II. Es handelt sich aber auch nicht um einen unabweisbaren Bedarf iS des § 23 Abs 1 SGB II, denn die Firmung kann auch in den üblichen Straßenschuhen erfolgen. Gerade die Kirche wird in Zeiten finanziell begrenzter Mittel hiergegen keine Einwände erheben. Die Fahrtkosten durch Mieten eines Fahrzeuges sind ebenfalls keine unabweisbaren Kosten. Zum einen kann die kurze Strecke von A-Stadt nach W. (ca. 20 km, Fahrzeit einfach ca. 30 Minuten lt. ADAC) auch zweimal zurückgelegt werden. Zum anderen sind zwar die Fahrzeuge nach Angabe der Antragsteller durch die Gäste vollständig belegt, ggf. kann jedoch ein Teil der Gäste mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, wenn dies schon den Antragstellern nicht zumutbar sein sollte. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass den 13- und 15-jährigen Antragstellern durchaus eine Gesamtreisezeit von ca. 7 Stunden samt kirchlicher Feier als zumutbar erscheint. Ob dies ihrer Mutter und dem 2009 geborenen Bruder zumutbar ist, ist bei der Geltendmachung von Ansprüchen der Antragsteller nicht zu prüfen.
Bei der Bewirtung und Beherbergung der Gäste handelt es sich zum einen nicht um Kosten, die die Antragsteller zu tragen haben, denn die Ausrichtung der Feier ist nicht auf Aufgabe der Firmlinge, sondern allenfalls ihrer Eltern, sodass ggf. ihre Mutter den Anspruch hätte geltend machen müssen. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn es handelt sich nicht um einen unabweisbaren Bedarf iS des § 23 Abs 1 SGB II - § 21 Abs 6 SGB II kommt nicht in Betracht, da es sich nicht um einen laufenden Bedarf handelt. Zum einen besteht keine Verpflichtung - allenfalls eine je nach Landstrich Sitte -, Gäste einzuladen. Zum anderen ist hinsichtlich der Paten zu berücksichtigen, dass diese mit der Patenschaft auch eine Pflicht gegenüber dem jeweiligen Patenkind übernommen haben, sich um diese ggf. zu sorgen. Dazu kann auch gehören, die Kosten für die Firmungsfeier (Fahrt, Übernachtung) selbst zu tragen.
Nach alledem ergibt sich aus § 21 Abs 6 SGB II bzw. § 23 Abs 1 SGB II kein Anspruch der Antragsteller. Auch aus Art 20 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG ist ein solcher nicht herzuleiten. Der Gesetzgeber hat die Teilnahme am soziokulturellen Leben im Regelsatz und nunmehr über § 21 Abs 6 SGB II und § 23 Abs 1 SGB II berücksichtigt. Dazu gehört auch die Ausrichtung religiöser Feste. Eine gesonderte Anspruchsgrundlage für diese ist nicht - neu - zu schaffen.
Im Übrigen ist auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht - mehr ersichtlich, denn die Antragsteller haben angegeben, bis spätestens Ende September endgültig Kenntnis von der Kostenübernahme haben zu müssen, um die Feier ausrichten zu können. Diese Frist war vom Senat nicht einzuhalten, nachdem erst am 27.09.2010 die Beschwerde beim SG eingelegt wurde, obwohl der Beschluss des SG nach Angabe der ASt bereits am 21.09.2010 zugestellt worden war. Zum anderen ist im Rahmen der Prüfung des Anordnungsgrundes zu berücksichtigen, dass die anstehenden Firmlinge selbst den Zeitpunkt der Firmung bestimmen, sodass diese auch zu einem anderen, späteren Zeitpunkt stattfinden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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