Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Neuruppin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 AS 1166/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine besondere Härte im Sinne des § 26 Abs. 4 SGB II anzunehmen ist und ob daneben der vom Bundesverfassungsgericht geschaffene verfassungsrechtliche Anspruch bestehen kann (hier verneint).
Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2010 wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung des Beklagten hinsichtlich der Übernahme des von der Krankenversicherung der Klägerin erhobenen Zusatzbeitrages in Höhe eines Betrages von 8,00 EUR monatlich.
Die im Oktober 1960 geborene Klägerin bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) und ist langjähriges pflichtversichertes Mitglied bei der DAK Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin erhielt im Februar 2010 ein Schreiben der DAK, in der diese ankündigt, ab Februar 2010 einen Zusatzbeitrag zu erheben.
Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten unter dem 04. Februar 2010 daraufhin die Übernahme des von der DAK ab Februar 2010 erhobenen Zusatzbeitrages.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2010 ab: Gemäß § 26 Abs. 4 SGB II könne der Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung für Arbeitslosengeld II- und Sozialgeldbezieher übernommen werden, für die der Wechsel der Krankenkasse nach § 175 SGB V eine besondere Härte darstelle. Gründe, die eine besondere Härte begründen könnten, seien nicht angegeben worden. Im Übrigen bestehe für die Klägerin neben dem allgemeinen Kündigungsrecht ein Sonderkündigungsrecht. Die Mitgliedschaft könne in diesem Fall bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung gekündigt werden.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 28. Februar 2010 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, sie sei – seit es ihr möglich gewesen sei – Mitglied der DAK und mit der Leistung und dem Service zufrieden. Bei dem Wechsel der Kasse verlöre sie Serviceleistungen. Im Übrigen verweist sie in ihrer Widerspruchsbegründung auf ein Schreiben der DAK vom 01. März 2010, die darauf hinweist, dass die Klägerin durch ihre Mitgliedschaft Anwartschaften auf Prämienzahlungen im so genannten "gesundaktiv" – Bonustarif erworben habe, den sie durch den Kassenwechsel verlöre. Ein entsprechender Kassenwechsel bedeute für die Klägerin daher eine besondere Härte. Mit weiteren Schreiben der DAK vom 07. April 2010 teilt diese mit, dass die Klägerin seit dem 27. Februar 2007 an diesem Bonusprogramm teilnehme, bisher 9.250 Punkte eingereicht habe und der aktuelle Punktestand 3.750 Punkte betrage, nachdem der Klägerin im November 2008 ein Heimtrainer ausgeliefert worden sei.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2010 als unbegründet zurück. Es sei keine besondere Härte erkennbar. Eine solche sei dann anzunehmen, wenn durch den Krankenkassenwechsel erhebliche Einbußen bei der Leistungsgewährung oder Belastungen anderer Art zu erwarten seien. Dies sei beispielsweise anzunehmen, wenn die bisherige Krankenkasse besondere Leistungen gewährt oder als Sachleistung zur Verfügung gestellte Hilfsmittel zurückgegeben werden müssten. Die Teilnahme an dem "gesundaktiv" – Bonusprogramm begründe eine besondere Härte nicht. Die bislang gesammelten Punkte würden nicht verloren gehen. Die Klägerin verlöre lediglich den Anspruch auf Auszahlung der Prämie für nicht eingelöste Punkte zum Zeitpunkt des Wechsels. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, die Auszahlung der Prämie vor einem Krankenkassenwechsel zu veranlassen. Im Übrigen handele es sich bei den Prämien um Gegenstände, deren Verlust nicht vergleichbar ist mit anerkannten Härtefällen (z. B. den Verlust einer bereits bewilligten Behandlungsmaßnahme).
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Juli 2010 bei dem Sozialgericht Neuruppin Klage, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Der Zusatzbeitrag sei ein unabweisbarer laufender (nicht einmaliger) Bedarf, der bisher nicht vom Regelsatz gedeckt sei. Die Aufforderung zum Krankenkassenwechsel sei verfassungswidrig. Auch Bezieher von Leistungen nach dem SGB II stünde das Recht zu, ihre Kasse frei zu wählen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),
den Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2010 aufzuheben und ihr monatlich 8,00 EUR zusätzlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat die Klägerin im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 16. November 2010 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. November 2010 Bezug genommen. Zugleich sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Beteiligten gewechselte Korrespondenz, die Prozessakte und die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Kammer entscheidet über den Anspruch der Klägerin auf Übernahme des Zusatzbeitrages zur DAK von Februar 2010 bis auf Weiteres. Streitgegenstand der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2010, mit dem der Beklagte es – ohne zeitliche Begrenzung – abgelehnt hat, die der Klägerin monatlich entstehenden Zusatzbeiträge im Rahmen ihrer Mitgliedschaft bei der DAK Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich von 8,00 EUR zusätzlich zu gewähren. Aus den Gründen der angefochtenen verwaltungsbehördlichen Entscheidungen ist erkennbar, dass der Beklagte eine zeitlich unbegrenzte Entscheidung über die Übernahme der Zusatzbeiträge zur DAK treffen wollte. Einer zeitlich unbegrenzten Ablehnung steht im Übrigen nicht entgegen, dass Leistungen grundsätzlich für höchstens sechs Monate zu gewähren sind, denn bei den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich um eine abgrenzbare Entscheidung, die der Beklagte in einem von der Entscheidung über Regelleistung und Kosten der Unterkunft und Heizung abgetrennten Bescheid treffen konnte. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich insofern hinreichend deutlich, dass sie eine Übernahme des Zusatzbeitrags zur DAK über den laufenden Bewilligungsabschnitt hinaus begehrt solange sie der DAK diesen Zusatzbeitrag schuldet.
Die so verstandene (§ 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) – gemäß § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte – und auch im Übrigen zulässige Klage, über die die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden kann, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidungsform im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 16. November 2010 ordnungsgemäß angehört worden sind, ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte entschieden, dass der monatlich anfallende Zusatzbeitrag für die Mitgliedschaft der Klägerin in der DAK Kranken- und Pflegeversicherung nicht zu gewähren ist. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2010 ist rechtmäßig, die Klägerin ist durch die angegriffenen Entscheidungen nicht beschwert, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Übernahme des Zusatzbeitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung zu. Nach § 26 Abs. 4 SGB II kann der Beklagte den Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 242 SGB V für Bezieher von Arbeitslosengeld II übernehmen, für die der Wechsel der Krankenkasse nach § 175 SGB V eine besondere Härte bedeuten würde. Nach § 242 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) hat die Krankenkasse in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen. Nach Satz 3 darf dieser Zusatzbeitrag ohne Prüfung des Einkommens monatlich höchstens acht Euro betragen. Nach § 175 Abs. 4 S. 5 SGB V kann die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung gekündigt werden, wenn eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt.
Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen nicht vor, so dass es nicht darauf ankommt, ob § 26 Abs. 4 SGB II einen Anspruch auf eine Leistung oder lediglich auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Übernahme des Zusatzbeitrags gewährt. Bei der Klägerin bedeutet der Wechsel der Krankenkasse jedenfalls keine besondere Härte. Eine besondere Härte im Sinne des § 26 Abs. 4 SGB II kann schon nach dem Wortlaut der Norm nur vorliegen, wenn die Härte, die den Empfänger von Arbeitslosengeld II durch den Kassenwechsel trifft, von dem abweicht, was jeden trifft, der sich mit der Erhebung eines Zusatzbeitrags konfrontiert sieht. Eine Härte kann nämlich nur eine besondere sein, wenn sie eben nicht die allgemeine Härte des Zusatzbeitrags bedeutet.
Das Gesetz geht in § 242 Abs. 1 S. 3 SGB V davon aus, dass jedem Versicherten - unabhängig von seinem Einkommen und damit auch wenn er Empfänger von Leistungen nach dem SGB II ist - ein Zusatzbeitrag von acht Euro monatlich zugemutet werden kann. Hält ein Versicherter die Zahlung des Zusatzbeitrags für sich selbst für unzumutbar, hat er die Möglichkeit, seine Mitgliedschaft in der betreffenden Krankenkasse nach § 175 Abs. 4 S. 5 SGB V zu kündigen und zu einer anderen Krankenkasse zu wechseln, die keinen Zusatzbeitrag erhebt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber im Grundsatz davon ausgeht, dass jedem Versicherten zunächst ein Kassenwechsel zumutbar ist. Die allgemeine Härte, die ein Zusatzbeitrag mit sich bringt, kann deshalb nicht ausreichen, um eine Übernahme durch den Leistungsträger nach dem SGB II zu rechtfertigen.
Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der §§ 175, 242 SGB V, die die Krankenkassen zu einem wirtschaftlichen Verhalten anregen soll, um zu vermeiden, dass ihre Versicherten kündigen und zu anderen Krankenkassen wechseln. Dies bedeutet, dass umgekehrt die Versicherten im Fall der Erhebung eines Zusatzbeitrags zum Kassenwechsel animiert werden sollen. Ein Kassenwechsel ist also geradezu erwünscht und deshalb als solches keine Härte.
Ausgehend von den eingangs erläuterten Maßgaben hat der Beklagte auch zutreffend formuliert, warum der Wechsel der Krankenkasse für die Klägerin keine besondere Härte bedeutet. Soweit die Klägerin insoweit vorträgt, dass es eine besondere Härte bedeute, dass sie ihre im Bonusprogramm erworbenen Punkte im Falle eines Kassenwechsels verlöre, verweist die Kammer zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die völlig zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. Juni 2010, macht sich diese Ausführungen vollinhaltlich zu Eigen und erhebt sie zur Begründung ihrer eigenen Entscheidung.
Auch nach der persönlichen Anhörung der Klägerin im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage konnte diese keine vergleichbare Fallkonstellation darstellen, die der Gesetzgeber für die Annahme einer besonderen Härte vor Augen gehabt hat. In der Gesetzesbegründung zur Neueinführung des § 26 Abs. 4 SGB II heißt es (Bundestagsdrucksache 16/4247, Seite 60) zu diesem Aspekt:
"[ ]
Zu Abs. 4:
Für Bezieher von Leitungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch wird der Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V im Regelfall nicht übernommen. Diesen Versicherten ist es grundsätzlich zumutbar, die Krankenkasse zu wechseln, wenn ihre bisherige Krankenkasse erstmalig einen Zusatzbeitrag erhebt oder diesen erhöht und sie ihn nicht selbst tragen möchten. Durch das Sonderkündigungsrecht in § 175 SGB V ist sichergestellt, dass eine finanzielle Belastung bei einem Kassenwechsel nicht entsteht.
Es kann jedoch Fälle geben, in denen die Ausübung des Sonderkündigungsrechts und der Wechsel zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse auch Beziehern von Arbeitslosengeld II nicht zugemutet werden kann. Vorstellbar sind Konstellationen, in denen ein Mitglied etwa aufgrund eines speziellen Behandlungsprogramms oder einer besonderen Versorgungsform, die nur seine Kasse anbietet, ein nachvollziehbares Interesse hat, bei dieser zu verbleiben, obwohl sie einen (höheren) Zusatzbeitrag erhebt.
[ ]"
Erkennbar liegt eine derartige Fallkonstellation nicht vor: Die Klägerin hat im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage und auch im Übrigen nichts vorgetragen, was dafür sprechen könnte, dass ihre Situation mit den Konstellationen vergleichbar wäre, die in der Gesetzesbegründung formuliert sind. Insbesondere erfordert die Schilddrüsenerkrankung und das Blutdruckleiden kein spezielles Behandlungsprogramm, das nicht auch von anderen Krankenkassen, die keinen Zusatzbeitrag erheben, angeboten wird.
Die von der Klägerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt die Kammer im Übrigen schon deshalb nicht, weil durch die Tatbestandsvoraussetzung der "besonderen Härte" ein Korrektiv besteht, mit dem den grundgesetzlich verbürgten Freiheiten – insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – ausreichend Rechnung getragen wird.
Soweit die Klägerin meint, ihr stünde ein Anspruch auf Erstattung des Zusatzbeitrages durch den Beklagten schon deshalb zu, weil es sich um einen unabweisbaren laufenden (nicht lediglich einmaligen Bedarf) handele, der bisher nicht vom Regelsatz gedeckt sei und sich damit erkennbar auf den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Anspruch beruft (vgl. hierzu umfassend: Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09. Februar 2010, - 1 BvL 1/09, - 1 BvL 3/09 sowie - 1 BvL 4/09, zitiert nach juris), kann ihr auch dieser Einwand nicht zum Erfolg verhelfen, denn mit der Vorschrift des § 26 Abs. 4 S. 1 SGB II existiert bereits eine einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage, die die Kammer als Ausformung der vom Bundesverfassungsgericht geschaffenen verfassungsrechtlichen Anspruchsgrundlage versteht und die diese verdrängt (vgl. hierzu auch Bundessozialgericht, Urteile vom 19. August 2010, - B 14 AS 47/09 R sowie B 14 AS 13/10 R, jeweils zitiert nach juris).
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 S. 1 SGG und § 193 Abs. 1 SGG; sie entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.
Rechtsmittelbelehrung:
( ...)
B.
Richter am Sozialgericht
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung des Beklagten hinsichtlich der Übernahme des von der Krankenversicherung der Klägerin erhobenen Zusatzbeitrages in Höhe eines Betrages von 8,00 EUR monatlich.
Die im Oktober 1960 geborene Klägerin bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) und ist langjähriges pflichtversichertes Mitglied bei der DAK Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin erhielt im Februar 2010 ein Schreiben der DAK, in der diese ankündigt, ab Februar 2010 einen Zusatzbeitrag zu erheben.
Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten unter dem 04. Februar 2010 daraufhin die Übernahme des von der DAK ab Februar 2010 erhobenen Zusatzbeitrages.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2010 ab: Gemäß § 26 Abs. 4 SGB II könne der Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung für Arbeitslosengeld II- und Sozialgeldbezieher übernommen werden, für die der Wechsel der Krankenkasse nach § 175 SGB V eine besondere Härte darstelle. Gründe, die eine besondere Härte begründen könnten, seien nicht angegeben worden. Im Übrigen bestehe für die Klägerin neben dem allgemeinen Kündigungsrecht ein Sonderkündigungsrecht. Die Mitgliedschaft könne in diesem Fall bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung gekündigt werden.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 28. Februar 2010 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, sie sei – seit es ihr möglich gewesen sei – Mitglied der DAK und mit der Leistung und dem Service zufrieden. Bei dem Wechsel der Kasse verlöre sie Serviceleistungen. Im Übrigen verweist sie in ihrer Widerspruchsbegründung auf ein Schreiben der DAK vom 01. März 2010, die darauf hinweist, dass die Klägerin durch ihre Mitgliedschaft Anwartschaften auf Prämienzahlungen im so genannten "gesundaktiv" – Bonustarif erworben habe, den sie durch den Kassenwechsel verlöre. Ein entsprechender Kassenwechsel bedeute für die Klägerin daher eine besondere Härte. Mit weiteren Schreiben der DAK vom 07. April 2010 teilt diese mit, dass die Klägerin seit dem 27. Februar 2007 an diesem Bonusprogramm teilnehme, bisher 9.250 Punkte eingereicht habe und der aktuelle Punktestand 3.750 Punkte betrage, nachdem der Klägerin im November 2008 ein Heimtrainer ausgeliefert worden sei.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2010 als unbegründet zurück. Es sei keine besondere Härte erkennbar. Eine solche sei dann anzunehmen, wenn durch den Krankenkassenwechsel erhebliche Einbußen bei der Leistungsgewährung oder Belastungen anderer Art zu erwarten seien. Dies sei beispielsweise anzunehmen, wenn die bisherige Krankenkasse besondere Leistungen gewährt oder als Sachleistung zur Verfügung gestellte Hilfsmittel zurückgegeben werden müssten. Die Teilnahme an dem "gesundaktiv" – Bonusprogramm begründe eine besondere Härte nicht. Die bislang gesammelten Punkte würden nicht verloren gehen. Die Klägerin verlöre lediglich den Anspruch auf Auszahlung der Prämie für nicht eingelöste Punkte zum Zeitpunkt des Wechsels. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, die Auszahlung der Prämie vor einem Krankenkassenwechsel zu veranlassen. Im Übrigen handele es sich bei den Prämien um Gegenstände, deren Verlust nicht vergleichbar ist mit anerkannten Härtefällen (z. B. den Verlust einer bereits bewilligten Behandlungsmaßnahme).
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Juli 2010 bei dem Sozialgericht Neuruppin Klage, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Der Zusatzbeitrag sei ein unabweisbarer laufender (nicht einmaliger) Bedarf, der bisher nicht vom Regelsatz gedeckt sei. Die Aufforderung zum Krankenkassenwechsel sei verfassungswidrig. Auch Bezieher von Leistungen nach dem SGB II stünde das Recht zu, ihre Kasse frei zu wählen.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),
den Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2010 aufzuheben und ihr monatlich 8,00 EUR zusätzlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat die Klägerin im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 16. November 2010 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. November 2010 Bezug genommen. Zugleich sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Beteiligten gewechselte Korrespondenz, die Prozessakte und die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Kammer entscheidet über den Anspruch der Klägerin auf Übernahme des Zusatzbeitrages zur DAK von Februar 2010 bis auf Weiteres. Streitgegenstand der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2010, mit dem der Beklagte es – ohne zeitliche Begrenzung – abgelehnt hat, die der Klägerin monatlich entstehenden Zusatzbeiträge im Rahmen ihrer Mitgliedschaft bei der DAK Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich von 8,00 EUR zusätzlich zu gewähren. Aus den Gründen der angefochtenen verwaltungsbehördlichen Entscheidungen ist erkennbar, dass der Beklagte eine zeitlich unbegrenzte Entscheidung über die Übernahme der Zusatzbeiträge zur DAK treffen wollte. Einer zeitlich unbegrenzten Ablehnung steht im Übrigen nicht entgegen, dass Leistungen grundsätzlich für höchstens sechs Monate zu gewähren sind, denn bei den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich um eine abgrenzbare Entscheidung, die der Beklagte in einem von der Entscheidung über Regelleistung und Kosten der Unterkunft und Heizung abgetrennten Bescheid treffen konnte. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich insofern hinreichend deutlich, dass sie eine Übernahme des Zusatzbeitrags zur DAK über den laufenden Bewilligungsabschnitt hinaus begehrt solange sie der DAK diesen Zusatzbeitrag schuldet.
Die so verstandene (§ 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) – gemäß § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte – und auch im Übrigen zulässige Klage, über die die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden kann, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidungsform im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 16. November 2010 ordnungsgemäß angehört worden sind, ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte entschieden, dass der monatlich anfallende Zusatzbeitrag für die Mitgliedschaft der Klägerin in der DAK Kranken- und Pflegeversicherung nicht zu gewähren ist. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2010 ist rechtmäßig, die Klägerin ist durch die angegriffenen Entscheidungen nicht beschwert, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Übernahme des Zusatzbeitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung zu. Nach § 26 Abs. 4 SGB II kann der Beklagte den Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 242 SGB V für Bezieher von Arbeitslosengeld II übernehmen, für die der Wechsel der Krankenkasse nach § 175 SGB V eine besondere Härte bedeuten würde. Nach § 242 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) hat die Krankenkasse in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen. Nach Satz 3 darf dieser Zusatzbeitrag ohne Prüfung des Einkommens monatlich höchstens acht Euro betragen. Nach § 175 Abs. 4 S. 5 SGB V kann die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung gekündigt werden, wenn eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt.
Diese tatbestandlichen Voraussetzungen liegen nicht vor, so dass es nicht darauf ankommt, ob § 26 Abs. 4 SGB II einen Anspruch auf eine Leistung oder lediglich auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Übernahme des Zusatzbeitrags gewährt. Bei der Klägerin bedeutet der Wechsel der Krankenkasse jedenfalls keine besondere Härte. Eine besondere Härte im Sinne des § 26 Abs. 4 SGB II kann schon nach dem Wortlaut der Norm nur vorliegen, wenn die Härte, die den Empfänger von Arbeitslosengeld II durch den Kassenwechsel trifft, von dem abweicht, was jeden trifft, der sich mit der Erhebung eines Zusatzbeitrags konfrontiert sieht. Eine Härte kann nämlich nur eine besondere sein, wenn sie eben nicht die allgemeine Härte des Zusatzbeitrags bedeutet.
Das Gesetz geht in § 242 Abs. 1 S. 3 SGB V davon aus, dass jedem Versicherten - unabhängig von seinem Einkommen und damit auch wenn er Empfänger von Leistungen nach dem SGB II ist - ein Zusatzbeitrag von acht Euro monatlich zugemutet werden kann. Hält ein Versicherter die Zahlung des Zusatzbeitrags für sich selbst für unzumutbar, hat er die Möglichkeit, seine Mitgliedschaft in der betreffenden Krankenkasse nach § 175 Abs. 4 S. 5 SGB V zu kündigen und zu einer anderen Krankenkasse zu wechseln, die keinen Zusatzbeitrag erhebt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber im Grundsatz davon ausgeht, dass jedem Versicherten zunächst ein Kassenwechsel zumutbar ist. Die allgemeine Härte, die ein Zusatzbeitrag mit sich bringt, kann deshalb nicht ausreichen, um eine Übernahme durch den Leistungsträger nach dem SGB II zu rechtfertigen.
Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der §§ 175, 242 SGB V, die die Krankenkassen zu einem wirtschaftlichen Verhalten anregen soll, um zu vermeiden, dass ihre Versicherten kündigen und zu anderen Krankenkassen wechseln. Dies bedeutet, dass umgekehrt die Versicherten im Fall der Erhebung eines Zusatzbeitrags zum Kassenwechsel animiert werden sollen. Ein Kassenwechsel ist also geradezu erwünscht und deshalb als solches keine Härte.
Ausgehend von den eingangs erläuterten Maßgaben hat der Beklagte auch zutreffend formuliert, warum der Wechsel der Krankenkasse für die Klägerin keine besondere Härte bedeutet. Soweit die Klägerin insoweit vorträgt, dass es eine besondere Härte bedeute, dass sie ihre im Bonusprogramm erworbenen Punkte im Falle eines Kassenwechsels verlöre, verweist die Kammer zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die völlig zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. Juni 2010, macht sich diese Ausführungen vollinhaltlich zu Eigen und erhebt sie zur Begründung ihrer eigenen Entscheidung.
Auch nach der persönlichen Anhörung der Klägerin im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage konnte diese keine vergleichbare Fallkonstellation darstellen, die der Gesetzgeber für die Annahme einer besonderen Härte vor Augen gehabt hat. In der Gesetzesbegründung zur Neueinführung des § 26 Abs. 4 SGB II heißt es (Bundestagsdrucksache 16/4247, Seite 60) zu diesem Aspekt:
"[ ]
Zu Abs. 4:
Für Bezieher von Leitungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch wird der Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V im Regelfall nicht übernommen. Diesen Versicherten ist es grundsätzlich zumutbar, die Krankenkasse zu wechseln, wenn ihre bisherige Krankenkasse erstmalig einen Zusatzbeitrag erhebt oder diesen erhöht und sie ihn nicht selbst tragen möchten. Durch das Sonderkündigungsrecht in § 175 SGB V ist sichergestellt, dass eine finanzielle Belastung bei einem Kassenwechsel nicht entsteht.
Es kann jedoch Fälle geben, in denen die Ausübung des Sonderkündigungsrechts und der Wechsel zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse auch Beziehern von Arbeitslosengeld II nicht zugemutet werden kann. Vorstellbar sind Konstellationen, in denen ein Mitglied etwa aufgrund eines speziellen Behandlungsprogramms oder einer besonderen Versorgungsform, die nur seine Kasse anbietet, ein nachvollziehbares Interesse hat, bei dieser zu verbleiben, obwohl sie einen (höheren) Zusatzbeitrag erhebt.
[ ]"
Erkennbar liegt eine derartige Fallkonstellation nicht vor: Die Klägerin hat im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage und auch im Übrigen nichts vorgetragen, was dafür sprechen könnte, dass ihre Situation mit den Konstellationen vergleichbar wäre, die in der Gesetzesbegründung formuliert sind. Insbesondere erfordert die Schilddrüsenerkrankung und das Blutdruckleiden kein spezielles Behandlungsprogramm, das nicht auch von anderen Krankenkassen, die keinen Zusatzbeitrag erheben, angeboten wird.
Die von der Klägerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt die Kammer im Übrigen schon deshalb nicht, weil durch die Tatbestandsvoraussetzung der "besonderen Härte" ein Korrektiv besteht, mit dem den grundgesetzlich verbürgten Freiheiten – insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – ausreichend Rechnung getragen wird.
Soweit die Klägerin meint, ihr stünde ein Anspruch auf Erstattung des Zusatzbeitrages durch den Beklagten schon deshalb zu, weil es sich um einen unabweisbaren laufenden (nicht lediglich einmaligen Bedarf) handele, der bisher nicht vom Regelsatz gedeckt sei und sich damit erkennbar auf den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Anspruch beruft (vgl. hierzu umfassend: Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09. Februar 2010, - 1 BvL 1/09, - 1 BvL 3/09 sowie - 1 BvL 4/09, zitiert nach juris), kann ihr auch dieser Einwand nicht zum Erfolg verhelfen, denn mit der Vorschrift des § 26 Abs. 4 S. 1 SGB II existiert bereits eine einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage, die die Kammer als Ausformung der vom Bundesverfassungsgericht geschaffenen verfassungsrechtlichen Anspruchsgrundlage versteht und die diese verdrängt (vgl. hierzu auch Bundessozialgericht, Urteile vom 19. August 2010, - B 14 AS 47/09 R sowie B 14 AS 13/10 R, jeweils zitiert nach juris).
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 S. 1 SGG und § 193 Abs. 1 SGG; sie entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.
Rechtsmittelbelehrung:
( ...)
B.
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