S 42 SO 51/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
42
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 42 SO 51/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen in Höhe von 154,00 für den Monat Oktober 2008 zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Absenkung des Regelsatzes im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII) für den Monat Oktober 2008.

Der am 00.00.1980 geborene Kläger bezieht seit dem 01.01.2003 Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII. Er lebt in einem eigenen Haushalt und arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Er steht unter Betreuung durch seine Mutter.

Am 03.12.2007 teilte die Mutter des Klägers mit, dass sie seit langem Kindergeldzahlungen für den Kläger erhalte und sie diese Kindergeldzahlungen nicht an den Kläger übergebe. Mit Bescheid vom 19.12.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum August 2007 bis Juli 2008. Die Beklagte führte aus, dass das an den Berechtigten ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro ab sofort als Einkommen berücksichtigt werde und bewilligte dementsprechend geringere Grundsicherungsleistungen. Dagegen erhob der Kläger am 07.01.2008 Widerspruch. Mit Schreiben vom 17.01.2008 führte der Kläger ergänzend aus, dass es sich bei dem Kindergeld grundsätzlich um Einkommen des Kindergeldberechtigten handele; in diesem Fall sei das seine Mutter. Das Kindergeld diene dazu, zusätzliche Ausgaben zu finanzieren. Im Hinblick auf die Freizeitgestaltung seien Eintritte für Konzerte, Schwimmbad und Fußballstadion zu bezahlen; außerdem finanziere die Mutter des Klägers die Neubeschaffung diverser Elektrogeräte (TV, Handy usw.). Des Weiteren werde das Kindergeld für häusliche Tätigkeiten verwendet wie Wäsche Holen, Waschen und Bügeln sowie für kleinere Reparaturen in der Wohnung und die Erneuerung von Einrichtungsgegenständen. In einem Vermerk im Rahmen der Abhilfeprüfung vom 06.02.2008 führte die Beklagte aus, dass das Kindergeld nicht für den Lebensunterhalt des volljährigen erwachsenen Klägers verwendet werde. Es sei also nicht als sein Einkommen zu betrachten. Im Hinblick auf das Kindergeld sei ein Abzweigungsantrag zu stellen. Dann könne bei Abzweigung angerechnet werden. Mit Bescheid vom 25.02.2008 half die Beklagte dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.12.2007 faktisch ab und zahlte einen Betrag in Höhe des Kindergeldes für die Monate Januar 2008 und Februar 2008 in Höhe von jeweils 154,00 Euro nach.

Mit Bescheid vom 19.02.2008 entsprach die Familienkasse Wuppertal dem Antrag des Beklagten auf Abzweigung des Kindergeldes. Der Beklagten stehe ab März 2008 ein Abzweigungsbetrag in Höhe von monatlich 154,00 Euro aus dem Kindergeldanspruch der Mutter des Klägers zu. Gegen diesen Bescheid erhob die Mutter des Klägers Einspruch. Eine Unterhaltsverletzung sei nicht gegeben, da laufend Unterhalt in Form von Naturalleistungen, regelmäßigem Waschen und Bügeln der Wäsche, Neubeschaffung von Kleidungsstücken und diversen Elektrogeräten sowie Einrichtungsgegenständen, Kostenübernahme für Handy und Karte sowie für Freizeitaktivitäten einschließlich einer etwaigen Begleitperson sowie Taschengeld regelmäßig erbracht werde. Mit Schreiben vom 29.08.2008 führte die Beklagte daraufhin gegenüber der Familienkasse Wuppertal aus, dass ihr bekannt sei, dass die Mutter des Klägers den Kläger in Form von Natural- und Geldleistungen unterstütze. Allerdings handele es sich hierbei um "zusätzliche Leistungen", welche über den notwendigen Lebensunterhalt im Sinne der Grundsicherung hinausgingen. Da insofern das Kindergeld eben nicht im Rahmen seiner Zweckbestimmung an den Kläger weitergeleitet werde, sei es auf die Grundsicherungsleistung auch nicht anzurechnen. Da das Kindergeld von der Mutter des Klägers demnach nicht für den notwendigen Lebensunterhalt des Klägers, sondern für dessen sonstige Bedürfnisse verwendet werde, seien diese Leistungen nicht - zumindest aber nicht zum überwiegenden Teil - als Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen. Das Kindergeld sei vielmehr zur Befriedigung der Grundbedürfnisse zweckbestimmt. Es sei mit der gesetzlichen Regelung unvereinbar, dass der Kläger ungeschmälerte Grundsicherungsleistungen beziehe, das Kindergeld aber der Mutter des Klägers verbleibe und dem Zugriff des Grundsicherungsträgers entzogen sei. Ebenso wenig sei hinnehmbar, dass der Widerspruch gegen die Anrechnung des Kindergeldes auf die Grundsicherungsleistungen mit über den Lebensunterhalt hinausgehenden Aufwendungen begründet werde, andererseits diese aber jetzt als Lebensunterhalt deklariert würden. Mit Bescheid vom 03.09.2008 hob die Familienkasse Wuppertal die Entscheidung über die Abzweigung des Kindergeldes für den Kläger ab März 2008 auf. Die Kindergeldberechtigte habe nach Aktenlage für den Kläger Unterhaltsaufwendungen in Höhe von mindestens 154,00 Euro monatlich (Taschengeld, Naturalleistungen, regelmäßiges Waschen und Bügeln der Wäsche, Neubeschaffung von Kleidungsstücken und Elektrogeräten, Einrichtungsgegenstände, Kostenübernahme für Handy bzw. Handykarte; Kostenübernahme für Freizeitaktivitäten etc). Im Vermerk vom 08.09.2008 führte die Beklagte aus, dass aufgrund des Bescheides der Familienkasse Wuppertal vom 03.09.2008 nunmehr feststehe, dass der Kläger Zuwendungen von seiner Mutter zumindest in Höhe des Kindergeldes erhalte. Damit sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zwar immer noch nicht das Kindergeld auf die Grundsicherung des Klägers anrechenbar. Die Unterhaltsleistungen als solche könnten jedoch wegen ihrer Zweckidentität auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet werden.

Mit Bescheid vom 24.09.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger nach Anhörung daher für den Bewilligungszeitraum Mai 2008 bis März 2009 insgesamt Leistungen in Höhe von 478,74 EUR monatlich - und nicht mehr wie noch mit den Bescheiden vom 23.04.2008, 26.05.2008, 24.06.2008. 23.07.2008 und 25.08.2008 für denselben Bewilligungszeitraum Leistungen in Höhe von 623,74 Euro monatlich. Dabei senkte die Beklagte ab Oktober 2008 den Regelsatz des Klägers von 351,00 Euro monatlich auf 197,00 Euro monatlich ab. Der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhaltes werde nach Regelsätzen erbracht. Die Bedarfe würden abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt sei. Der Kläger erhalte von seiner Mutter Unterhaltsaufwendungen in Höhe von mindestens 154,00 Euro. Diese Unterhaltsaufwendungen (u.a. Taschengeld, Naturalleistungen, Kleidungsgegenstände, Elektrogeräte, Einrichtungsgegenstände, Kostenübernahme von Freizeitaktivitäten sowie Hilfen bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen) würden sich mit Leistungen, die bereits mit den Regelsätzen abgegolten sind, decken. Der Regelbedarf sei somit in Höhe der erbrachten Unterhaltsleistungen in Höhe von 154,00 Euro anderweitig gedeckt. Aufgrund der Zweckidentität der erbrachten Zuwendungen und der gebilligten Grundsicherungsleistungen werde gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII der Bedarf abweichend auf 197,00 Euro ab Oktober 2008 festgelegt.

Dagegen erhob der Kläger am 23.10.2008 Widerspruch. Die Reduzierung des Regelbedarfs ab Oktober 2008 sei unzulässig. Der Bedarf des Klägers liege aufgrund seines Gesundheitszustandes erheblich über dem durchschnittlichen Bedarf. Eine Zweckidentität erbrachter Zuwendungen durch die Mutter des Klägers und die Grundsicherungsleistungen bestehe nicht. Die Mutter des Klägers erbringe vielmehr zusätzliche notwendige Leistungen in Form eines zusätzlichen Zimmers, Versorgung mit Lebensmitteln, Versorgung im Falle der Erkrankung, Anschaffung und Instandsetzung von Hausrat und Kleidung, Waschen und Bügeln von Wäsche. Der Kläger sei aufgrund seiner geistigen Behinderung nicht in der Lage, mit den ihm überlassenen Gegenständen sorgsam umzugehen. Es komme daher immer wieder zu Beschädigungen. Vorliegend betrage der notwendige Mehrbedarf dieses Einzelfalls mehr als 154,00 Euro monatlich, so dass nicht jedenfalls eine Reduzierung des Regelsatzes unterbleiben müsse.

Mit Bescheid vom 27.10.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum Mai 2008 bis April 2009 erneute Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII. Dabei ging sie neben eines geringeren Betrags "Bereinigung von Heizkosten" weiterhin davon aus, dass der Regelsatz für November 2008 197,00 EUR beträgt. Gegen den Bescheid vom 27.10.2008 erhob der Kläger am 27.11.2008 Widerspruch. Diesen Widerspruch wies der Kreis Mettmann mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2009 zurück. Eine Klageerhebung erfolgte insoweit nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2009 wies der Kreis Mettmann auch den Widerspruch vom 23.10.2008 gegen den Bescheid vom 24.09.2008 zurück. Bei dem Kläger sei ein Betrag in Höhe des Kindergeldes bedarfsmindernd zu berücksichtigen, da die Mutter des Klägers gegenüber der Familienkasse Wuppertal angegeben habe, dem Kläger in dieser Höhe Unterhalt zu leisten. Sie habe gegenüber der Familienkasse Wuppertal dargelegt, dass eine Zweckidentität zwischen dem Kindergeld und der von ihr erbrachten Unterhaltsleistungen bestehe. Die Leistungen, die die Mutter des Klägers erbringe (wie Lebensmittel, Freizeitaktivitäten und die Beschaffung von Einrichtungsgegenständen und Bekleidung) seien im Regelsatz enthalten. Der behauptete Mehrbedarf gegenüber anderen Behinderten aufgrund der geistigen Behinderung des Kläger sei nicht belegt und auch nicht nachvollziehbar. Sollte ein derartiger Bedarf aus Sicht des Klägers tatsächlich bestehen, werde angeregt, dies anhand von Unterlagen und ärztlichen Gutachten zu belegen und bei der Beklagten eine abweichende Bemessung des Regelsatzes zu beantragen.

Der Kläger hat am 02.06.2009 Klage erhoben. Die Mutter des Klägers erbringe keine Leistungen, die durch die Regelsätze abgegolten seien, vielmehr erbringe sie zusätzliche notwendige Leistungen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 zu verurteilen, dem Kläger weitere Leistungen in Höhe von 154,00 Euro für den Monat Oktober 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide für rechtmäßig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist allein die Absenkung des Regelsatzes um 154,00 Euro für den Monat Oktober 2008. Mit hier angegriffenem Bescheid vom 24.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 nahm die Beklagte im laufenden Bewilligungsabschnitt Mai 2008 bis April 2009 ab Oktober 2008 eine Absenkung der Grundsicherungsleistung um den Betrag des Kindergeldes vor. Der nachfolgende Bescheid vom 27.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2009, der im laufenden Bewilligungsabschnitt die Leistungsgewährung ab November 2008 regelt, ist bestandskräftig; eine Klageerhebung gegen den Bescheid vom 27.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2009 erfolgte nicht. Dementsprechend hat der Kläger seinen Klageantrag allein auf den Monat Oktober 2008 beschränkt. Für diesen Monat begehrt er die Nachzahlung von weiteren 154,00 Euro.

Der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat (weiterhin) einen Anspruch auf Gewährung eines Regelsatzes für den Monat Oktober 2008 in Höhe von 351,00 Euro. Die Absenkung des Regelsatzes auf einen Betrag in Höhe von 197,00 Euro ist rechtswidrig, so dass dem Kläger noch ein Betrag in Höhe von 154,00 Euro für den Monat Oktober 2008 zu gewähren ist.

Der Bescheid vom 24.09.2008 - im laufenden Bewilligungsabschnitt Mai 2008 bis April 2009 - stellt einen Änderungsbescheid zu dem Ursprungsbescheid vom 23.04.2008 (mit Änderungsbescheiden vom 26.05.2008, 24.06.2008, 23.07.2008 und 25.08.2008) dar. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 23.04.2008 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 623,74 Euro monatlich bewilligt, ohne dabei den Regelsatz um die Höhe des Kindergeldes abzusenken. Der Bescheid vom 24.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2009, der diese Absenkung im laufenden Bewilligungsabschnitt erstmals vornimmt, stellt insoweit einen Änderungsbescheid dar. Dieser Änderungsbescheid muss sich deshalb an den Voraussetzungen der §§ 45, 48 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) messen lassen. Da die Zahlung des Kindergeldes an die Mutter des Klägers jedenfalls seit Dezember 2007 erfolgte und der Beklagten auch bekannt war, kommt eine Aufhebung des Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X nicht in Betracht. Denn die dazu erforderliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nach Erlass des Ursprungsbescheides vom 23.04.2008 liegt nicht vor. Vielmehr kommt als Ermächtigungsgrundlage nur § 45 SGB X in Betracht. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er nach § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

Der Bewilligungsbescheid vom 23.04.2008 (in Gestalt der Änderungsbescheide vom 6.05.2008, 24.06.2008. 23.07.2008 und 25.08.2008) war jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht von vornherein rechtswidrig. Der (letzte) Bewilligungsbescheid ohne Absenkung um den Betrag des Kindergeldes wäre nur dann rechtswidrig, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII vorgelegen hätten. Nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII werden die Bedarfe abweichend festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist; für die Absenkung - und damit eine für die Beklagte günstige Tatsache - trägt die Beklagte dabei die Beweislast. Ein Bedarf ist dann anderweitig gedeckt, wenn der Leistungsberechtigte einzelne Leistungen von Dritten erhält, z.B. Essen (Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010, § 28 Rn. 17).

Nach den durchgängigen Angaben des Klägers bzw. seiner Mutter hat die Mutter des Klägers als Kindergeldberechtigte das Kindergeld erhalten und für den Kläger ausgegeben bzw. eingesetzt (z.B. Freizeitgestaltung, Elektrogeräte, Einrichtungsgegenstände, Handy, eigenes Zimmer im Haus der Eltern, Taschengeld, Naturalleistungen, regelmäßiges Waschen und Bügeln der Wäsche). Die von der Beklagten pauschal behauptete Zweckidentität zwischen dem Einsatz des Kindergeldes und der Grundsicherungsleistung liegt nach Ansicht des Gericht jedoch nicht vor. Dabei ist zunächst zu beachten, dass Kindergeld grundsätzlich eine Leistung an die Eltern des Kindes ist. Das ist auch dann der Fall, wenn es sich um ein behindertes erwachsenes Kind handelt. Das heißt, das Kindergeld ist im vorliegenden Fall - wovon die Beklagte auch mittlerweile zutreffend von ausgeht - kein Einkommen des Klägers. Denn zunächst ist § 82 Abs. 1 S. 2 SGB XII im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Danach ist bei Minderjährigen das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes benötigt wird. Diese Norm gilt jedoch ausdrücklich nur für Minderjährige, nicht für Erwachsene (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010; § 82 Rn. 43). Vielmehr ist das an ein Elternteil als Kindergeldberechtigten ausgezahlte Kindergeld nur dann als Einkommen des volljährigen, außerhalb des Haushaltes lebenden Kindes zu berücksichtigen, soweit es ihm zeitnah zugewendet wird und ohne die Weiterleitung die Voraussetzungen für die eine Abzweigung des Kindergeldes gemäß § 74 EStG durch Verwaltungsakt zugunsten des Kindes vorliegen würden (vgl. Urteil des BSG vom 26.08.2008 - B 8/9b SO 16/07 R, juris). Eine zeitnahe Zuwendung im Sinne einer Weiterleitung liegt nach dem Bundessozialgericht (vgl. Urt. v. 08.02.2007 - B 9b SO 5/06 R, juris) nur dann vor, wenn das Kindergeld dem Kind tatsächlich als Geldbetrag zufließt. Dies ist hier unstreitig nicht der Fall. Ohne die Weiterleitung liegen aber auch die Voraussetzungen für eine Abzweigung nach § 74 EStG nicht vor. Die Familienkasse Wuppertal hat die Entscheidung über die Abzweigung vielmehr (bestandskräftig) aufgehoben. Die fehlende Weiterleitung bzw. unterbleibende Abzweigung stehen einer bestimmungsgemäßen Verwendung des Kindergeldes auch nicht entgegen, weil das Kindergeld typisierend auch dazu dient, Eltern wegen kindbedingter Mehrkosten der allgemeinen Lebensführung zu entlasten (vgl. BSG Urt. v 26.08.2008 - B 8/9b SO 16/07 R, juris. Kann man das Kindergeld nicht als Einkommen des Klägers anrechnen, können erst recht nicht - gleichsam durch die Hintertür - die Regelsätze pauschal abweichend festgelegt werden. Vielmehr sind die Ausführungen im Schreiben der Beklagten vom 29.08.2008 an die Familienkasse Wuppertal zutreffend. Darin führt die Beklagte selbst aus, dass es sich bei den Natural- und Geldleistungen des Mutter des Klägers um "zusätzliche Leistungen" handele, welche über den notwendigen Lebensunterhalt im Sinne der Grundsicherung hinausgingen. Der Grundsicherungsbedarf deckt sich nicht zwangsläufig mit dem nach unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelten Bedarf. Dies erklärt auch, warum die Mutter (Natural)Unterhalt leistet, sich also keiner Unterhaltsverletzung schuldig gemacht hat und deshalb auch keine Abzweigung in Betracht kommt, aber andererseits keine anderweitige Deckung des Grundsicherungsbedarfs, sondern eines darüber hinausgehenden Bedarfs vorliegt. Den Grundsicherungsbedarf des Klägers übersteigende Naturalleistungen seiner Mutter haben grundsätzlich keinen Einfluss auf Bestand und Höhe der Grundsicherungsleistung; sie sind mangels Zweckidentität nicht als Einkommen im sozialhilferechtlichen Sinne anzusehen (BSG Urt. v 08.02.2007 - B 9b SO 5/06 R, juris). Sie können nach Ansicht der Kammer auch nicht pauschal bedarfsmindernd berücksichtigt werden, weil das wirtschaftliche Ergebnis dann dasselbe wäre. Im hier vorliegenden Fall liegt auch keine Zweckidentität der Leistungen vor. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass für erwachsene Kinder mit Behinderung Kindergeld länger bezogen werden kann als für nicht behinderte Kinder (vgl. § 63 Abs. 1 S. 2 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG). Das Gesetz nimmt damit Rücksicht auf die besondere Bedarfslage, die gerade durch die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen des Kindes entstehen. Schon insoweit ist davon auszugehen, dass diese ausnahmsweise Gewährung von Kindergeld nicht dieselben Bedarf abdeckt wie sie die bloße Grundsicherung sicherstellt (vgl. Urt. LSG Nordrhein-Westfalen v. 19.03.2007 - L 20 SO 94/06, juris). Dies entspricht auch den tatsächlichen Ausführungen der Mutter des Klägers, die das Geld ausgibt für Freizeitaktivitäten mit Begleitpersonen, weil der Kläger z.B. nicht allein ein Fußballstadion besuchen kann, indem sie ihn bei Krankheit im eigenen Zimmer im Haus der Eltern verpflegt oder aufgrund seiner Erkrankung häufig zerstörte Gegenstände und Kleidungsstücke ersetzt. Dies sind Bedarfe, die eben nicht von der Grundsicherungsleistung erfasst sind, und allein aus dem Kindergeld für das behinderte Kind finanziert werden können und sollen. Die Kammer hat keine Zweifel an den Angaben des Klägers und seiner Mutter, da die Angaben zur Verwendung des Kindergeldes für den Kläger durchgehend im Wesentlichen gleich sind.

Selbst bei unterstellter Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 23.04.2008 (in Gestalt der Änderungsbescheide vom 6.05.2008, 24.06.2008. 23.07.2008 und 25.08.2008), würden zudem jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für die Rücknahme nach § 45 Abs. 2 SGB X nicht vorliegen. Nach § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach S. 3 nicht berufen, soweit er 1. den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die Voraussetzungen der Ziff. 1 und 2 liegen ersichtlich nicht vor, insbesondere hat der Kläger keine falschen Angaben gemacht. Selbst wenn man entgegen der Ansicht der Kammer die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides unterstellt, ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger diese auch kannte oder hätte erkennen müssen. Vielmehr durfte der Kläger insoweit auf den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vertrauen. Denn auch wenn auf die Mutter des Klägers als dessen Betreuerin abgestellt wird, hatte diese hier keine Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beklagten ausgesprochene Bewilligung rechtswidrig sein könnte. Aus ihrer Sicht hatte sie sich bereits einmal erfolgreich gegen die - im weitesten Sinne - "Anrechnung" des Kindergeldes gewehrt; von den Überlegungen der Beklagten in ihren Vermerken hinsichtlich der rechtlichen Möglichkeiten zur Berücksichtigung des Kindergeldes hatte sie keine Kenntnis. Vor diesem Hintergrund greifen zu Gunsten des Klägers jedenfalls die Vertrauensschutzregelungen des § 45 Abs. 2 SGB X ein. Des Weiteren hat die Beklagte - die offenbar nicht davon ausging, dass es sich bei dem hier angegriffenen Bescheid um einen Änderungsbescheid handelt - auch das ihr nach § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X zustehende Rücknahmeermessen nicht ausgeübt, so dass der Änderungsbescheid auch aus diesem Grunde rechtswidrig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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