Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AS 1764/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4732/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Kosten der Ausübung von Sexualität sowie der Verhütung sind von der Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II erfasst.
2. Die Kosten einer Sterilisation stellen keinen unaufschiebbaren Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II dar, denn der Bedarf an Verhütungsmitteln kann auch durch eine andere, von der Regelleistung erfasste Art der Verhütung, gedeckt werden.
3. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten derjenigen Verhütungsmethode, die die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit bietet, besteht nicht.
2. Die Kosten einer Sterilisation stellen keinen unaufschiebbaren Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II dar, denn der Bedarf an Verhütungsmitteln kann auch durch eine andere, von der Regelleistung erfasste Art der Verhütung, gedeckt werden.
3. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten derjenigen Verhütungsmethode, die die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit bietet, besteht nicht.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. September 2010 wird zurückgewiesen. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In der Hauptsache ist zwischen den Beteiligten die Übernahme der Kosten für eine von der Klägerin beabsichtigte Sterilisation streitig.
Die 1968 geborene Klägerin steht bei der Beklagten im laufenden SGB-II-Leistungsbezug. Sie hat vier Kinder.
Da sie keine weiteren Kinder mehr wolle und Probleme mit der Antibabypille und der Spirale habe, beantragte die Klägerin am 18. Februar 2010 bei der Beklagten, die Übernahme der Kosten für eine beabsichtigte Sterilisation, was die Beklagte mit Bescheid vom 23. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2010 ablehnte. Im Widerspruchsbescheid führte die Beklagte aus, eine akute Notsituation sei nicht erkennbar. Es könne der Klägerin zugemutet werden, die für eine Sterilisation notwendigen Mittel aus der Regelleistung anzusparen.
Hiergegen richtet sich die am 26. April 2010 erhobene Klage, mit welcher die Klägerin vorträgt, trotz Verhütung mittels der Antibabypille erneut schwanger geworden zu sein. Nur eine Sterilisation schließe eine weitere Schwangerschaft mit hundertprozentiger Sicherheit aus. Da die Krankenkasse die hierfür benötigten Mittel nicht zur Verfügung stelle, sei die Beklagte zumindest zur Gewährung eines entsprechenden Darlehens verpflichtet.
Am 2. Juli 2010 hat die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat dies mit Beschluss vom 3. September 2010 abgelehnt. Gegen den ihr am 10. September 2010 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 20. September 2010 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 7. Oktober 2010) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, trotz Verhütung mittels Anti-Baby-Pille sei sie erneut schwanger geworden. Nur eine Sterilisation biete deshalb 100 %ige Gewähr dafür, dass eine weitere Schwangerschaft ausbleibe. Von der Regelleistung könnten die Aufwendungen für die Sterilisation nicht angespart werden. Jedenfalls sei ihr ein entsprechendes Darlehen zu gewähren. Es handele sich insoweit um einen unabweisbaren Bedarf. Sie müsse sich auch nicht auf andere - weniger sichere - Verhütungsmittel verweisen lassen, nachdem die Verhütung schon mit der Anti-Baby-Pille nicht funktioniert habe. Ihr sei das Risiko zu groß mit neuen Verhütungsmethoden zu "experimentieren", um dann letztlich womöglich doch wieder ungewollt schwanger zu werden. Die Klage habe deshalb ausreichende Erfolgsaussicht.
Wegen weiteren Ausführungen der Beteiligten und der Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Der Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG greift hier nicht ein, da das SG seine Entscheidung nicht auf das Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt, sondern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) wegen fehlender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abgelehnt hat.
Die Beschwerde ist dagegen nicht begründet. PKH erhält gem. § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für eine hinreichende Erfolgsaussicht in der Hauptsache ist keine Erfolgsgewissheit erforderlich, es genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 114 Rdnr. 19).
Das SG hat zutreffend die Bewilligung von PKH versagt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne einer gewissen Erfolgswahrscheinlichkeit bietet.
Der Wunsch der Klägerin, keine weiteren Kinder mehr zu bekommen, begründet weder einen Mehr- bzw. Zusatzbedarf im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II bzw. des § 21 Abs. 2 bis 6 SGB II noch begründet § 23 Abs. 1 SGB II eine Anspruchsgrundlage. Zwar sind die Kosten der Ausübung von Sexualität sowie die damit verbundenen Verhütungskosten von der Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II erfasst, weshalb grds. der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 SGB II eröffnet ist. Doch begründet § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II lediglich dann die Möglichkeit zur darlehensweisen Befriedigung von Bedarfslagen, wenn es sich nach den Umständen um einen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt. Unabweisbar ist ein Bedarf dann, wenn die Bedarfsdeckung unaufschiebbar ist. Nicht unabweisbar ist dagegen ein Bedarf, wenn er mit geringen Mitteln oder durch ein Ausweichen auf eine andere Bedarfsdeckung befriedigt werden kann (Münder in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 23 Rn. 9). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist es der Klägerin durchaus zuzumuten, den Bedarf an Verhütungsmitteln auf andere Art als durch eine Sterilisation zu befriedigen. Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei den vom SG dargestellten Methoden um übliche, geeignete Methoden mit nicht bloß fraglichem Erfolg handelt; ein Anspruch auf Übernahme der Kosten derjenigen Verhütungsmethode, die die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit bietet, besteht nicht.
In diesem Sinne konnte der Senat eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
In der Hauptsache ist zwischen den Beteiligten die Übernahme der Kosten für eine von der Klägerin beabsichtigte Sterilisation streitig.
Die 1968 geborene Klägerin steht bei der Beklagten im laufenden SGB-II-Leistungsbezug. Sie hat vier Kinder.
Da sie keine weiteren Kinder mehr wolle und Probleme mit der Antibabypille und der Spirale habe, beantragte die Klägerin am 18. Februar 2010 bei der Beklagten, die Übernahme der Kosten für eine beabsichtigte Sterilisation, was die Beklagte mit Bescheid vom 23. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2010 ablehnte. Im Widerspruchsbescheid führte die Beklagte aus, eine akute Notsituation sei nicht erkennbar. Es könne der Klägerin zugemutet werden, die für eine Sterilisation notwendigen Mittel aus der Regelleistung anzusparen.
Hiergegen richtet sich die am 26. April 2010 erhobene Klage, mit welcher die Klägerin vorträgt, trotz Verhütung mittels der Antibabypille erneut schwanger geworden zu sein. Nur eine Sterilisation schließe eine weitere Schwangerschaft mit hundertprozentiger Sicherheit aus. Da die Krankenkasse die hierfür benötigten Mittel nicht zur Verfügung stelle, sei die Beklagte zumindest zur Gewährung eines entsprechenden Darlehens verpflichtet.
Am 2. Juli 2010 hat die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat dies mit Beschluss vom 3. September 2010 abgelehnt. Gegen den ihr am 10. September 2010 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 20. September 2010 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) am 7. Oktober 2010) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, trotz Verhütung mittels Anti-Baby-Pille sei sie erneut schwanger geworden. Nur eine Sterilisation biete deshalb 100 %ige Gewähr dafür, dass eine weitere Schwangerschaft ausbleibe. Von der Regelleistung könnten die Aufwendungen für die Sterilisation nicht angespart werden. Jedenfalls sei ihr ein entsprechendes Darlehen zu gewähren. Es handele sich insoweit um einen unabweisbaren Bedarf. Sie müsse sich auch nicht auf andere - weniger sichere - Verhütungsmittel verweisen lassen, nachdem die Verhütung schon mit der Anti-Baby-Pille nicht funktioniert habe. Ihr sei das Risiko zu groß mit neuen Verhütungsmethoden zu "experimentieren", um dann letztlich womöglich doch wieder ungewollt schwanger zu werden. Die Klage habe deshalb ausreichende Erfolgsaussicht.
Wegen weiteren Ausführungen der Beteiligten und der Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Der Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG greift hier nicht ein, da das SG seine Entscheidung nicht auf das Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt, sondern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) wegen fehlender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abgelehnt hat.
Die Beschwerde ist dagegen nicht begründet. PKH erhält gem. § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für eine hinreichende Erfolgsaussicht in der Hauptsache ist keine Erfolgsgewissheit erforderlich, es genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 114 Rdnr. 19).
Das SG hat zutreffend die Bewilligung von PKH versagt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne einer gewissen Erfolgswahrscheinlichkeit bietet.
Der Wunsch der Klägerin, keine weiteren Kinder mehr zu bekommen, begründet weder einen Mehr- bzw. Zusatzbedarf im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II bzw. des § 21 Abs. 2 bis 6 SGB II noch begründet § 23 Abs. 1 SGB II eine Anspruchsgrundlage. Zwar sind die Kosten der Ausübung von Sexualität sowie die damit verbundenen Verhütungskosten von der Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II erfasst, weshalb grds. der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 SGB II eröffnet ist. Doch begründet § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II lediglich dann die Möglichkeit zur darlehensweisen Befriedigung von Bedarfslagen, wenn es sich nach den Umständen um einen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt. Unabweisbar ist ein Bedarf dann, wenn die Bedarfsdeckung unaufschiebbar ist. Nicht unabweisbar ist dagegen ein Bedarf, wenn er mit geringen Mitteln oder durch ein Ausweichen auf eine andere Bedarfsdeckung befriedigt werden kann (Münder in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 23 Rn. 9). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist es der Klägerin durchaus zuzumuten, den Bedarf an Verhütungsmitteln auf andere Art als durch eine Sterilisation zu befriedigen. Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei den vom SG dargestellten Methoden um übliche, geeignete Methoden mit nicht bloß fraglichem Erfolg handelt; ein Anspruch auf Übernahme der Kosten derjenigen Verhütungsmethode, die die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit bietet, besteht nicht.
In diesem Sinne konnte der Senat eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
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