Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 1577/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 86/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Beim Gründungszuschuss nach § 57 SGB III ist der Bewilligungszeitraum und damit der Berechnungszeitraum für das aus selbständiger Tätigkeit erzielte Einkommen nach § 3 Asatz 4 Satz 1 Alg II Verordnung gründsätzlich dem Bewilligungszeitraum für den Gründungszuschuss anzupassen, wenn dieser Bewilligungszeitraum für den Gründungszuschuss zwischen 6 und 12 Monaten liegt.
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 24. Januar 2011, Az.: S 16 AS 1577/10 ER insoweit aufgehoben, als ein Antrag für das Jahr 2010 als unzulässig abgelehnt wurde. Soweit der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab 1.1.2011 als unbegründet abgelehnt wurde, wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin verpflichtet wird, dem Antragsteller und Beschwerdeführer für den Monat Januar 2011 vorläufig Leistungen in Höhe von 361 Euro und für den Monat Februar 2011 vorläufig Leistungen in Höhe von 61 Euro zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind zu einem Drittel zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehrt aufgrund seines Fortzahlungsantrags vom 17.12.2010 von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg) für die Zeit ab 01.01.2011 weiterhin Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 28.12.2010, gegen den der Bf Widerspruch eingelegt hat und worüber noch nicht entschieden ist, lehnte die Bg Leistungen für die Zeit ab 01.01.2011 ab. Der Bf erhalte aufgrund eines Bescheids der Bundesagentur für Arbeit vom 17.12.2010 für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.09.2011 einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III im Rahmen einer Förderung zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Musikpädagoge in Höhe von 678,60 Euro monatlich, wobei lt. Bescheid die Auszahlung erst im Folgemonat, also erstmals im Februar 2011 und letztmalig im Oktober 2011 erfolgt. Zusätzlich errechne sich aus der vom Bf eingereichten Anlage zur Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ein monatlicher Gewinn von 257,50 Euro. Außerdem habe der Bf Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung am Städtischen Theater A-Stadt. Damit liege das Einkommen des Bf über dem errechneten Bedarf von mtl 704, 43 Euro.
Mit Schreiben vom 30.12.2010 beantragte der Bf beim Sozialgericht Augsburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, ihm ab 01.01.2011 weiterhin Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Es sei ein zu hoher Gewinn aus selbständiger Tätigkeit angerechnet worden; im Jahr 2010 getätigte Investitionen müssten berücksichtigt werden. Auch sei der Gründungszuschuss nicht als Einkommen anzurechnen, zumindest nicht in dieser Höhe, da ca. 300,-Euro für die notwendige soziale Sicherung als Selbständiger vom Gründungszuschuss abzuziehen seien (Beitragsbescheid Barmer GEK vom 22.12.2010: für Kranken- und Pflegeversicherung zusammen 218,46 Euro mtl; Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 28.12.2010: für die Arbeitslosenversicherung 38,33 Euro mtl; Beitrag zur Rentenversicherung noch offen).
Mit Beschluss vom 24.01.2011 lehnte das Sozialgericht Augsburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.
Der Antrag sei insoweit unzulässig, als der Bf. geltend mache, dass im Rahmen der Bewilligung im Jahr 2010 Leistungen zu niedrig erbracht worden seien, weil Investitionen für die selbständige Tätigkeit unzutreffend berücksichtigt worden seien.
Soweit der Antrag zulässig sei, sei er unbegründet.
Bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs sei fraglich. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 01.06.2010, Az.: B 4 AS 67/09 R) sei der Gründungszuschuss in seiner vollen monatlichen Höhe von 678,60 Euro zu berücksichtigen, so dass bei einem monatlichen Bedarf von 704,43 Euro allenfalls in Höhe von 25,83 Euro ein Anordnungsanspruch bestehen könne, wenn man den für die selbständige Tätigkeit angesetzten Betrag von 257,50 Euro völlig außer Betracht lasse.
Die einstweilige Anordnung scheitere jedoch daran, dass kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Der geringfügige offene Bedarf von 25,83 Euro könne aus einem Hinzuverdienst bei der Stadt A-Stadt gedeckt werden. Daneben könne der Bf seine finanzielle Situation dadurch verbessern, dass er bei der Bg einen Antrag auf Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen stellen könne. Außerdem bestehe die Möglichkeit der Beantragung von Wohngeld. Soweit der Bf ein Darlehen von der Bg begehre für weitere Investitionen begehre, sei dies nicht Streitgegenstand.
Hiergegen hat der Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er habe im Januar tatsächlich nur 441,10 Euro zur Verfügung gehabt, nämlich 378,60 Euro aus einer Zahlung der BA und 63,- Euro aus seiner Tätigkeit am Städtischen Theater.
Auf gerichtliches Schreiben mit Hinweis auf die Selbsthilfeverpflichtung und die Aufforderung, die Anträge auf Wohngeld und Zuschuss zu den Sozialversicherungen zu stellen, teilte der Bf mit Schreiben vom 17.02.2011 mit, dass er den Antrag auf Wohngeld am 20.01.2011 eingereicht habe und eine Woche später bei der Bg einen Antrag auf ergänzende Leistungen im Bezug auf einen Zuschuss zu den Sozialhilfebeiträgen gestellt habe. Bezüglich seiner Anträge habe er bislang noch keine Nachricht erhalten.
II.
Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.
Auf die Beschwerde hin ist der Beschluss des SG insoweit aufzuheben, als über einen angeblichen Antrag auf Investitionskostenzuschuss für das Jahr 2010 entschieden und dieser als unzulässig angesehen wurde. Denn ein solcher Antrag wurde vom Bf nicht gestellt. Vielmehr wollte er nach seinem Antrag bei Gericht vom 30.12.2010 ausdrücklich nur Leistungen ab Januar 2011. Sein Vortrag bezüglich der im Jahr 2010 getätigten Investitionen ist allein so zu verstehen, dass er diese bei der Berechnung seines Einkommens im laufenden Bewilligungszeitraum zu berücksichtigen seien. Da es den vom SG unterstellten Antrag überhaupt nicht gibt, konnte ein solcher Antrag auch nicht als unzulässig abgelehnt werden.
Soweit das SG den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab 1.1.2011 zutreffenderweise als zulässig angesehen und dann aber insgesamt als unbegründet abgewiesen hat, hat die Beschwerde für die Monate Januar und Februar teilweisen Erfolg, nicht aber für die Monate ab März 2011.
Der Bedarf des Bf wurde anhand eines Regelsatzes von 359,- Euro und den Unterkunftskosten unstreitig auf 704,43 Euro berechnet. Im gerichtlichen Verfahren ist im Hinblick auf die bislang noch nicht umgesetzte Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010, wonach der Regelsatz verfassungswidrig berechnet wurde, trotz bislang fehlender gesetzlicher Grundlage schon ab Januar 2011 von einem um 5 Euro erhöhten Regelsatz, also 364,- Euro, auszugehen. Denn die Gerichte sind an die Entscheidung des BVerfG gebunden und haben demgemäß ab Januar 2011 eine verfassungsgemäße Lage herzustellen. Nach den - plausiblen, den vom BVerfG in seiner Entscheidung aufgestellten Anforderungen entsprechenden - Berechnungen des Gesetzgebers für das noch im Gesetzgebungsverfahren befindliche Regelbedarfsgesetz ist von einem monatlichen Regelbedarf von 364,- Euro als verfassungsgemäß auszugehen. Im Ergebnis besteht ein Bedarf des Bf von 709,43 Euro monatlich.
Ab März 2011 scheitert das Begehren des Bf daran, dass kein Anordnungsgrund erkennbar ist. Dem Bf steht zunächst ein Gründungszuschuss von mtl 678,60 Euro, zur Verfügung. Der Gründungszuschuss ist in voller Höhe Einkommen (BSG, Urteil vom 01.06.2010, Az. B 4 AS 67/09 R). Hiervon ist die Pauschale von 30,- Euro abzuziehen. Hinzu kommt ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit unbekannter Höhe und wohl auch das beantragte Wohngeld. In welcher Weise die Beiträge zu den Sozialversicherungen dabei zu berücksichtigen sind hängt davon ab, ob der Bf auch ohne diese Sozialversicherungsbeiträge hilfebedürftig ist (dann regelmäßig gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung durch Bezug von Arbeitslosengeld II, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a, Abs 5a SGB V), ob er allein wegen der Sozialversicherungsbeiträge hilfebedürftig wäre (dann Zuschuss nach § 26 SGB II, der einem Abzug nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II vorginge) oder ob der Bf auch die Sozialversicherungsbeiträge mit seinem bereinigten Einkommen abdecken kann.
Das Beschwerdegericht sieht keine Notwendigkeit, dieser Einkommensermittlung für die Zeit ab März 2011 vorzugreifen. Insbesondere ist der Bezug von Wohngeld leicht feststellbar und der Bf im Übrigen gehalten, an der Ermittlung seines selbständigen Einkommens mitzuwirken. Im Widerspruchsverfahren wird zeitnah zu klären sein, inwieweit die Angaben des Bf bezüglich Einnahmen und Ausgaben im relevanten Bewilligungszeitraum (vgl § 3 Abs 4 Satz 1 Alg II-VO) realistisch sind und ggf eine Neubewertung auch unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse, insbesondere zu den Einkommenszuflüssen, aus den Monaten Januar und Februar. Ggf bietet sich eine vorläufige Bewilligung von Leistungen nach § 328 SGB III für einen sachgerecht erscheinenden Bewilligungszeitraum (41 Abs 2 Satz 5 SGB II) von Januar 2011 bis einschließlich Oktober 2011 (letztmalige Auszahlung des Gründungszuschusses iHv 678,60 Euro) an, insbesondere auch, weil der Bf in den Sommerferien wohl mit deutlich weniger Einnahmen aus seiner Lehrtätigkeit zu rechnen hat.
Für die Monate Januar und Februar stellt sich die Situation anders dar.
Für Februar 2011 ist davon auszugehen, dass der Bf mit der Antragstellung auf Wohngeld zwar seiner Selbsthilfeverpflichtung nachgekommen ist (vgl BayLSG vom 12.8.2010 L 11 AS 381/10 B ER zur Selbsthilfeverpflichtung nach § 3 Abs 3 iVm § 9 Abs 1 Satz 1 SGB II bzw. BayLSG vom 1.4.2010 L 16 AS 159/10 B ER zur Selbsthilfeverpflichtung nach § 2 SGB II), aber noch kein Zufluss von Wohngeld erwarten werden kann. Ein bloßer Anspruch oder ein Antrag auf Wohngeld beseitigt die Hilfebedürftigkeit nicht (vgl. § 9 Abs. 1 a. E. " ...oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält"). Dem Bedarf von 709,43 Euro ist mit 648,60 Euro der um 30,- Euro bereinigte Gründungzuschuss gegenüber zu stellen. Inwieweit sonstiges Einkommen vorhanden war, lässt sich - wegen der nicht termingemäß erfolgten Vorlage der Akten und den unzureichenden Angaben im Bescheid - im Rahmen des Eilverfahrens nicht beurteilen. Unklar ist auch, ob die Beiträge zur Sozialversicherung tatsächlich bezahlt wurden. Es ergibt sich für Februar überschlägig ein offener Bedarf von 61,- Euro, der vorläufig zu decken ist. Ob tatsächlich ein solcher Bedarf im Februar noch offen war, muss im Widerspruchsverfahren abschließend geklärt werden.
Für Januar 2011 ist die Beschwerde in Höhe von 361,- Euro erfolgreich, da insoweit eine aktuell fortwirkende Notlage besteht; der Bf hat sich ab Januar 2011 selbständig gemacht. Der Erfolg des Bf bei dieser Tätigkeit hängt auch davon ab, dass die einkommensschwache Anfangszeit überbrückt werden kann und keine Schulden gemacht werden. Im Beschwerdeverfahren hat der Bf den Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für den Gründungszuschuss vorgelegt. Darin steht ausdrücklich, dass der Zuschuss erst im zweiten Monat der ab Januar laufenden Bewilligung ausgezahlt wird. Demgemäß ist für Januar nur für den vom Bf selbst angegeben Zufluss von 378,60 Euro auszugehen, von dem noch die Pauschale von 30,- Euro abzuziehen ist. Weiteres Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und geringfügiger Beschäftigung bleibt außer Betracht, weil es im Eilverfahren anhand der dürftigen, dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht nachprüfbar ist. Die nicht fristgemäße Vorlage der Akten geht insoweit zu Lasten der Bg. Für die Sozialversicherung gelten die Ausführungen zum Februar entsprechend. Es ergibt sich ein offener Bedarf von (709,43 - 348,60 =) 360,83 Euro, gerundet nach § 41 Abs 2 SGB II also 361,- Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Bf im den nach dem Gesetz vorgesehenen sechsmonatigen Bewilligungszeitraum für zwei Monate obsiegt hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind zu einem Drittel zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehrt aufgrund seines Fortzahlungsantrags vom 17.12.2010 von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg) für die Zeit ab 01.01.2011 weiterhin Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 28.12.2010, gegen den der Bf Widerspruch eingelegt hat und worüber noch nicht entschieden ist, lehnte die Bg Leistungen für die Zeit ab 01.01.2011 ab. Der Bf erhalte aufgrund eines Bescheids der Bundesagentur für Arbeit vom 17.12.2010 für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.09.2011 einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III im Rahmen einer Förderung zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Musikpädagoge in Höhe von 678,60 Euro monatlich, wobei lt. Bescheid die Auszahlung erst im Folgemonat, also erstmals im Februar 2011 und letztmalig im Oktober 2011 erfolgt. Zusätzlich errechne sich aus der vom Bf eingereichten Anlage zur Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ein monatlicher Gewinn von 257,50 Euro. Außerdem habe der Bf Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung am Städtischen Theater A-Stadt. Damit liege das Einkommen des Bf über dem errechneten Bedarf von mtl 704, 43 Euro.
Mit Schreiben vom 30.12.2010 beantragte der Bf beim Sozialgericht Augsburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend, ihm ab 01.01.2011 weiterhin Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Es sei ein zu hoher Gewinn aus selbständiger Tätigkeit angerechnet worden; im Jahr 2010 getätigte Investitionen müssten berücksichtigt werden. Auch sei der Gründungszuschuss nicht als Einkommen anzurechnen, zumindest nicht in dieser Höhe, da ca. 300,-Euro für die notwendige soziale Sicherung als Selbständiger vom Gründungszuschuss abzuziehen seien (Beitragsbescheid Barmer GEK vom 22.12.2010: für Kranken- und Pflegeversicherung zusammen 218,46 Euro mtl; Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 28.12.2010: für die Arbeitslosenversicherung 38,33 Euro mtl; Beitrag zur Rentenversicherung noch offen).
Mit Beschluss vom 24.01.2011 lehnte das Sozialgericht Augsburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.
Der Antrag sei insoweit unzulässig, als der Bf. geltend mache, dass im Rahmen der Bewilligung im Jahr 2010 Leistungen zu niedrig erbracht worden seien, weil Investitionen für die selbständige Tätigkeit unzutreffend berücksichtigt worden seien.
Soweit der Antrag zulässig sei, sei er unbegründet.
Bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs sei fraglich. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 01.06.2010, Az.: B 4 AS 67/09 R) sei der Gründungszuschuss in seiner vollen monatlichen Höhe von 678,60 Euro zu berücksichtigen, so dass bei einem monatlichen Bedarf von 704,43 Euro allenfalls in Höhe von 25,83 Euro ein Anordnungsanspruch bestehen könne, wenn man den für die selbständige Tätigkeit angesetzten Betrag von 257,50 Euro völlig außer Betracht lasse.
Die einstweilige Anordnung scheitere jedoch daran, dass kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Der geringfügige offene Bedarf von 25,83 Euro könne aus einem Hinzuverdienst bei der Stadt A-Stadt gedeckt werden. Daneben könne der Bf seine finanzielle Situation dadurch verbessern, dass er bei der Bg einen Antrag auf Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen stellen könne. Außerdem bestehe die Möglichkeit der Beantragung von Wohngeld. Soweit der Bf ein Darlehen von der Bg begehre für weitere Investitionen begehre, sei dies nicht Streitgegenstand.
Hiergegen hat der Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er habe im Januar tatsächlich nur 441,10 Euro zur Verfügung gehabt, nämlich 378,60 Euro aus einer Zahlung der BA und 63,- Euro aus seiner Tätigkeit am Städtischen Theater.
Auf gerichtliches Schreiben mit Hinweis auf die Selbsthilfeverpflichtung und die Aufforderung, die Anträge auf Wohngeld und Zuschuss zu den Sozialversicherungen zu stellen, teilte der Bf mit Schreiben vom 17.02.2011 mit, dass er den Antrag auf Wohngeld am 20.01.2011 eingereicht habe und eine Woche später bei der Bg einen Antrag auf ergänzende Leistungen im Bezug auf einen Zuschuss zu den Sozialhilfebeiträgen gestellt habe. Bezüglich seiner Anträge habe er bislang noch keine Nachricht erhalten.
II.
Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.
Auf die Beschwerde hin ist der Beschluss des SG insoweit aufzuheben, als über einen angeblichen Antrag auf Investitionskostenzuschuss für das Jahr 2010 entschieden und dieser als unzulässig angesehen wurde. Denn ein solcher Antrag wurde vom Bf nicht gestellt. Vielmehr wollte er nach seinem Antrag bei Gericht vom 30.12.2010 ausdrücklich nur Leistungen ab Januar 2011. Sein Vortrag bezüglich der im Jahr 2010 getätigten Investitionen ist allein so zu verstehen, dass er diese bei der Berechnung seines Einkommens im laufenden Bewilligungszeitraum zu berücksichtigen seien. Da es den vom SG unterstellten Antrag überhaupt nicht gibt, konnte ein solcher Antrag auch nicht als unzulässig abgelehnt werden.
Soweit das SG den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab 1.1.2011 zutreffenderweise als zulässig angesehen und dann aber insgesamt als unbegründet abgewiesen hat, hat die Beschwerde für die Monate Januar und Februar teilweisen Erfolg, nicht aber für die Monate ab März 2011.
Der Bedarf des Bf wurde anhand eines Regelsatzes von 359,- Euro und den Unterkunftskosten unstreitig auf 704,43 Euro berechnet. Im gerichtlichen Verfahren ist im Hinblick auf die bislang noch nicht umgesetzte Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010, wonach der Regelsatz verfassungswidrig berechnet wurde, trotz bislang fehlender gesetzlicher Grundlage schon ab Januar 2011 von einem um 5 Euro erhöhten Regelsatz, also 364,- Euro, auszugehen. Denn die Gerichte sind an die Entscheidung des BVerfG gebunden und haben demgemäß ab Januar 2011 eine verfassungsgemäße Lage herzustellen. Nach den - plausiblen, den vom BVerfG in seiner Entscheidung aufgestellten Anforderungen entsprechenden - Berechnungen des Gesetzgebers für das noch im Gesetzgebungsverfahren befindliche Regelbedarfsgesetz ist von einem monatlichen Regelbedarf von 364,- Euro als verfassungsgemäß auszugehen. Im Ergebnis besteht ein Bedarf des Bf von 709,43 Euro monatlich.
Ab März 2011 scheitert das Begehren des Bf daran, dass kein Anordnungsgrund erkennbar ist. Dem Bf steht zunächst ein Gründungszuschuss von mtl 678,60 Euro, zur Verfügung. Der Gründungszuschuss ist in voller Höhe Einkommen (BSG, Urteil vom 01.06.2010, Az. B 4 AS 67/09 R). Hiervon ist die Pauschale von 30,- Euro abzuziehen. Hinzu kommt ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit unbekannter Höhe und wohl auch das beantragte Wohngeld. In welcher Weise die Beiträge zu den Sozialversicherungen dabei zu berücksichtigen sind hängt davon ab, ob der Bf auch ohne diese Sozialversicherungsbeiträge hilfebedürftig ist (dann regelmäßig gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung durch Bezug von Arbeitslosengeld II, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a, Abs 5a SGB V), ob er allein wegen der Sozialversicherungsbeiträge hilfebedürftig wäre (dann Zuschuss nach § 26 SGB II, der einem Abzug nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II vorginge) oder ob der Bf auch die Sozialversicherungsbeiträge mit seinem bereinigten Einkommen abdecken kann.
Das Beschwerdegericht sieht keine Notwendigkeit, dieser Einkommensermittlung für die Zeit ab März 2011 vorzugreifen. Insbesondere ist der Bezug von Wohngeld leicht feststellbar und der Bf im Übrigen gehalten, an der Ermittlung seines selbständigen Einkommens mitzuwirken. Im Widerspruchsverfahren wird zeitnah zu klären sein, inwieweit die Angaben des Bf bezüglich Einnahmen und Ausgaben im relevanten Bewilligungszeitraum (vgl § 3 Abs 4 Satz 1 Alg II-VO) realistisch sind und ggf eine Neubewertung auch unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse, insbesondere zu den Einkommenszuflüssen, aus den Monaten Januar und Februar. Ggf bietet sich eine vorläufige Bewilligung von Leistungen nach § 328 SGB III für einen sachgerecht erscheinenden Bewilligungszeitraum (41 Abs 2 Satz 5 SGB II) von Januar 2011 bis einschließlich Oktober 2011 (letztmalige Auszahlung des Gründungszuschusses iHv 678,60 Euro) an, insbesondere auch, weil der Bf in den Sommerferien wohl mit deutlich weniger Einnahmen aus seiner Lehrtätigkeit zu rechnen hat.
Für die Monate Januar und Februar stellt sich die Situation anders dar.
Für Februar 2011 ist davon auszugehen, dass der Bf mit der Antragstellung auf Wohngeld zwar seiner Selbsthilfeverpflichtung nachgekommen ist (vgl BayLSG vom 12.8.2010 L 11 AS 381/10 B ER zur Selbsthilfeverpflichtung nach § 3 Abs 3 iVm § 9 Abs 1 Satz 1 SGB II bzw. BayLSG vom 1.4.2010 L 16 AS 159/10 B ER zur Selbsthilfeverpflichtung nach § 2 SGB II), aber noch kein Zufluss von Wohngeld erwarten werden kann. Ein bloßer Anspruch oder ein Antrag auf Wohngeld beseitigt die Hilfebedürftigkeit nicht (vgl. § 9 Abs. 1 a. E. " ...oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält"). Dem Bedarf von 709,43 Euro ist mit 648,60 Euro der um 30,- Euro bereinigte Gründungzuschuss gegenüber zu stellen. Inwieweit sonstiges Einkommen vorhanden war, lässt sich - wegen der nicht termingemäß erfolgten Vorlage der Akten und den unzureichenden Angaben im Bescheid - im Rahmen des Eilverfahrens nicht beurteilen. Unklar ist auch, ob die Beiträge zur Sozialversicherung tatsächlich bezahlt wurden. Es ergibt sich für Februar überschlägig ein offener Bedarf von 61,- Euro, der vorläufig zu decken ist. Ob tatsächlich ein solcher Bedarf im Februar noch offen war, muss im Widerspruchsverfahren abschließend geklärt werden.
Für Januar 2011 ist die Beschwerde in Höhe von 361,- Euro erfolgreich, da insoweit eine aktuell fortwirkende Notlage besteht; der Bf hat sich ab Januar 2011 selbständig gemacht. Der Erfolg des Bf bei dieser Tätigkeit hängt auch davon ab, dass die einkommensschwache Anfangszeit überbrückt werden kann und keine Schulden gemacht werden. Im Beschwerdeverfahren hat der Bf den Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für den Gründungszuschuss vorgelegt. Darin steht ausdrücklich, dass der Zuschuss erst im zweiten Monat der ab Januar laufenden Bewilligung ausgezahlt wird. Demgemäß ist für Januar nur für den vom Bf selbst angegeben Zufluss von 378,60 Euro auszugehen, von dem noch die Pauschale von 30,- Euro abzuziehen ist. Weiteres Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und geringfügiger Beschäftigung bleibt außer Betracht, weil es im Eilverfahren anhand der dürftigen, dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht nachprüfbar ist. Die nicht fristgemäße Vorlage der Akten geht insoweit zu Lasten der Bg. Für die Sozialversicherung gelten die Ausführungen zum Februar entsprechend. Es ergibt sich ein offener Bedarf von (709,43 - 348,60 =) 360,83 Euro, gerundet nach § 41 Abs 2 SGB II also 361,- Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Bf im den nach dem Gesetz vorgesehenen sechsmonatigen Bewilligungszeitraum für zwei Monate obsiegt hat.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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