Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 197 AS 9329/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 AS 842/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es ist keine Antragsänderung nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG, wenn der Antragsteller bei einem Antrag nach § 86b Abs 1 Statz 1 Nr 2 SGG nach Erlass des Widerspruchsbescheides im Beschwerdeverfahren nur noch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage begehrt.
Unabhängig davon, ob § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung bzw § 22 Abs 3 SGB II in der ab dem 01. Januar 2011 geltenden Fassungen voraussetzen, dass eine Gutschrift aus einem Betriebskostenguthaben dem Leistungsempfänger tatsächlich zur Verfügung stehen muss, bestehen bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, wenn der Leistungsträger die bedarfsmindernde Direktanrechnung des Guthabens nicht im nächsten Monat nach der Rückzahlung oder der Gutschrift durchgeführt, sondern hierfür den für ihn einfachsten Zeitpunkt des nächsten Auszahlungstermins abgewartet hat.
Zum Rechtsschutz nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG, wenn der Leistungsträger ohne Kenntnis des Leistungsempfängers eine vorläufige Zahlungseinstellung vorgenommen und die Zahlung der Kosten der Unterkunft und Heizung an den Vermieter für länger als zwei Monate eingestellt hat.
Unabhängig davon, ob § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung bzw § 22 Abs 3 SGB II in der ab dem 01. Januar 2011 geltenden Fassungen voraussetzen, dass eine Gutschrift aus einem Betriebskostenguthaben dem Leistungsempfänger tatsächlich zur Verfügung stehen muss, bestehen bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, wenn der Leistungsträger die bedarfsmindernde Direktanrechnung des Guthabens nicht im nächsten Monat nach der Rückzahlung oder der Gutschrift durchgeführt, sondern hierfür den für ihn einfachsten Zeitpunkt des nächsten Auszahlungstermins abgewartet hat.
Zum Rechtsschutz nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG, wenn der Leistungsträger ohne Kenntnis des Leistungsempfängers eine vorläufige Zahlungseinstellung vorgenommen und die Zahlung der Kosten der Unterkunft und Heizung an den Vermieter für länger als zwei Monate eingestellt hat.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die aufschiebende Wirkung der am 12. Mai 2011 von dem Antragsteller vor dem Sozialgericht Berlin - Aktenzeichen: S 197 AS 9329/11 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011 erhobenen Anfechtungsklage angeordnet wird. Der Antragsgegner trägt auch die Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren. Dem Antragsteller wird auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Schulz, Berlin, beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner (AG) wendet sich gegen die vom Sozialgericht (SG) Berlin mit Beschluss vom 26. April 2011 ausgesprochene Anordnung der aufschiebenden Wirkung des am 30. März 2011 gegen den Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 erhobenen Widerspruchs des Antragstellers (ASt).
Der 1973 geborene ASt bezieht von dem AG seit dem 19. April 2007 laufend Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); zuvor stand er im laufenden Leistungsbezug des JobCenters Berlin M-H. Er bewohnt seit dem 01. März 2007 eine 40 qm große Einraumwohnung in der F Straße, Seitenflügel links, 4. Obergeschoss in B, für die er im hier allein maßgebenden Zeitraum vom 01. Februar bis zum 31. März 2011 monatlich 384,80 EUR (230,80 EUR Kaltmiete, 50,- EUR Betriebskostenvorschuss, 104,- EUR Heiz- und Warmwasserkostenvorschuss) zahlte (Mieterhöhung zum 01. Juni 2009). Auf seinen Antrag vom 19. August 2010 bewilligte ihm der AG mit Bescheid vom 24. August 2010 für die Zeit vom 01. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich 737,17 EUR (359,00 EUR Regelleistung/378,17 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU und Heizung)). Die Kosten für KdU und Heizung, zuzüglich 6,63 EUR aus der Regelleistung für Warmwasserkosten, sollten monatlich im Voraus unmittelbar auf das Konto der Vermieter des ASt überwiesen werden.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 teilten die Vermieter des ASt über deren Hausverwaltung mit, dass zu Gunsten des ASt die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 ein Guthaben von 760,10 EUR ergeben habe. Dieses Gutachten werde in voller Höhe " mit dem gerichtlichen Vollstreckungsbescheid mit der Geschäftsnummer vom 27.05.2010" verrechnet. Dieser, vom Amtsgericht B-W über 789,87 EUR erlassene Vollstreckungsbescheid betraf die nach dem Mietvertrag vom 26. Februar 2007 noch offene Mietkaution von 660,00 EUR zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten.
Am 28. Dezember 2010 zeigte der ASt dem AG den Erhalt des Guthabens an. Nach Aktenlage stellte dieser daraufhin ohne vorherige Anhörung durch behördeninterne Verfügung vom 06. Januar 2011 die Zahlung der KdU und Heizung an die Vermieter des ASt für Februar und März 2011 bis auf einen Betrag von 0,01 EUR formlos ein; für März 2011 erfolgte aus der Regelleistung des Klägers lediglich eine Überweisung von 9,70 EUR an die Vermieter (Buchungen vom 01. Februar bzw 01. März 2011). Den ASt informierte der AG hierüber nicht. Erst mit Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 änderte der AG den Bescheid vom 24. August 2010 dahingehend ab, dass für die Monate Februar und März 2011 als KdU und Heizung nur noch 0,01 EUR bewilligt werde. Zur Begründung führte er aus, es sei aufgrund des Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung für 2009 eine Änderung eingetreten; das Guthaben werde mit den Kosten für KdU und Heizung für die Monate Februar und März 2011 verrechnet.
Gegen diese Entscheidung hat der ASt am 30. März 2011 Widerspruch erhoben und am 04. April 2011 vor dem SG Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, "die vollen Kosten der Unterkunft für Februar und März 2011 als Zuschuss, hilfsweise als Darlehn, zu leisten".
Das SG hat den Antrag als Aussetzungsbegehren nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgelegt und mit Beschluss vom 26. April 2011 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 30. März 2011 gegen den Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 und die Aufhebung der Vollziehung dieses Bescheides angeordnet, da ernsthafte Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit beständen.
Gegen diese, ihm am 27. April 2011 zugegangene Entscheidung hat der AG am 05. Mai 2011 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass SG habe bereits den gestellten Antrag des anwaltlich vertretenen ASt nicht auslegen dürfen; darüber hinaus fehle dem Antrag das notwendige Rechtsschutzbedürfnis, denn der ASt begehre mit seinem am 04. April 2011 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausschließlich Leistungen für die Vergangenheit. Die von ihm getroffene Entscheidung sei zudem rechtmäßig, denn dem ASt seien trotz der Aufrechnungserklärung seiner Vermieter vom 15. Dezember 2011 Mittel zugeflossen. Im Ergebnis seien dem ASt durch die vorgenommene Verrechnung denn auch durch die Anrechnung des Betriebskostenguthabens auf die KdU und Heizung der Monate Februar und März 20011 "keine Nachteile entstanden". Jede andere Rechtsauffassung würde zu "unbilligen Ergebnissen" führen, denn " jedem Leistungsberechtigten (wäre so) die Möglichkeit eröffnet, durch Einbehaltung eines Teils des monatlichen Mietzinses und durch Aufrechnung eines erwirtschafteten Betriebskostenguthabens ... von Schulden aus steuerfinanzierten Mitteln befreit zu werden". Die getroffene Anrechnung des Guthabens habe auch erst ab Februar 2011 und nicht bereits im Folgemonat nach der Aufrechnungserklärung der Vermieter, also im Januar 2011, erfolgen können, denn es sei anerkannt, dass sich die Anrechnung im Falle eines höheren Guthabens als die monatlich anerkannte KdU und Heizung - wie hier - auf die Folgemonate erstrecke. Ebenfalls stehe dem ASt kein Anspruch auf darlehnsweise Übernahme von Mietschulden zu.
Mit rechtskräftigen (Versäumnis-) Urteil des Amtsgerichts B-M vom 07. Juni 2011 (Az: ) ist der ASt nach fristloser Kündigung vom 16. März 2011 verurteilt worden, seine Wohnung zu räumen und geräumt an seine Vermieter herauszugeben und 813,90 EUR Miete nebst Zinsen ab dem 04. März 2011 und Anwaltskosten in Höhe von 463,27 EUR zu zahlen. Zuvor hatte der AG mit Bescheid vom 05. Mai 2011 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. März 2011 als unbegründet zurückgewiesen; über die vom ASt gegen diese Entscheidung am 12. Mai 2011 vor dem SG Berlin (Az: S 197 AS 9329/11) erhobene Anfechtungsklage hat das SG bisher noch nicht entschieden.
Der AG beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der ASt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und die aufschiebende Wirkung der zwischenzeitlich erhobenen Anfechtungsklage anzuordnen.
Der ASt, der noch weiterhin in seiner Wohnung in der F Straße wohnt, hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der erkennende Senat hat durch seinen Vorsitzenden mit Beschluss vom 01. Juni 2011 den Antrag des AG, die Vollziehung des Beschlusses des SG Berlin vom 26. April 2011 nach § 199 Abs 2 SGG auszusetzen, abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Senat beigezogenen Leistungsakte des AG Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des AG gegen den Beschluss des SG Berlin vom 26. April 2011 ist nach §§ 172 Abs 1, 173 SGG zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch entfallen, dass sich der - vom SG zutreffend ausgelegte - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch den Erlass des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011 erledigt hat (dazu Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 17. Januar 2005 - L 2 B 9/03 KR ER - juris.de). Dem hat der ASt auf Rückfrage des Senats mit Schriftsatz vom 30. Juni 2011 Rechnung getragen, indem er jetzt nur noch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner zwischenzeitlich erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011 (SG Berlin S 197 AS 9329/11) begehrt. Darin liegt nur eine Beschränkung seines Begehrens nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG, mithin keine Antragsänderung im Sinne des § 99 Abs 3 Nr 2 SGG.
Zu Recht hat das SG den Streitgegenstand als auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 30. März 2011 gegen den Bescheid vom 17. März 2011 beschränkt angesehen, denn der anwaltlich vertretene Kläger hat, wenn auch prozessual unverständlich, ausdrücklich einen Antrag auf Mietkostenübernahme weder nach § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II in der Fassung des Art 1 Nr 6 des "Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze" vom 24. März 2006 (Bundesgesetzblatt (BGBl) I, 558) (aF) noch nach § 22 Abs 8 Satz 2 SGB II in der Fassung des Art 2 Nr 31 des "Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I, 453,(nF) gestellt (zuletzt so ausdrücklich im Schriftsatz vom 13. April 2011). Ebenfalls zutreffend hat das SG den Folgebescheid für den Leistungszeitraum vom 01. April bis 30. September 2011, der nach der ständigen und auch vom Senat inhaltlich geteilten höchstrichterlichen Rechtsprechung (statt aller: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - Sozialrecht (SozR) 4-4200 § 20 Nr 1) nicht nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, nicht in seine Entscheidung einbezogen, denn der anwaltlich vertretene ASt hat diesen Bescheid, obwohl dort für April 2011 die KdU und Heizung unter Anrechnung des Restguthabens aus der Betriebskostenabrechnung für 2009 noch um 3,78 EUR niedriger festgesetzt worden ist, nicht angefochten.
Begründet ist die Beschwerde nicht.
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass einstweiliger Rechtsschutz im vorliegenden Fall nur im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG zu gewähren ist, da der AG dem ASt mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 24. August 2010 Leistungen für KdU und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1SGB II aF für den Zeitraum vom 01. Oktober 2010 bis 31. März 2011 in Höhe von monatlich 378,17 EUR bewilligt hat und der Widerspruch vom 30. März 2011 gegen den Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 nach § 39 Nr 1 SGB II in der Fassung des Art 2 Nr 14 des "Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" vom 21. Dezember 2008, BGBl I, 2917, keine aufschiebende Wirkung hatte. Das Gleiche gilt - jetzt aber nach § 39 Nr 1 SGB II nF - für die am 12. Mai 2011 vom ASt gegen den Bescheid vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011 vor dem SG Berlin erhobene Anfechtungsklage (dazu bereits: Beschluss des erkennenden Senats vom 31. März 2010 - L 19 AS 829/10 B PKH - juris.de). Gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen - wie hier - Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung anordnen. Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86a Randnummer (Rn) 27a).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen bei der hier nur gebotenen summarischen Prüfung, wie vom SG und vom Senat im Beschluss nach § 199 Abs 2 SGG vom 01. Juni 2011 näher ausgeführt, mehr als nur ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Teilaufhebungsbescheides vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011.
Hierbei kann sogar im hier allein zur Entscheidung stehenden Beschwerdeverfahren noch dahingestellt bleiben, dass der AG nach seiner vorläufigen Zahlungseinstellung vom 06. Januar 2011 nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden aF in Verbindung mit (iVm) § 330 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) spätestens am 06. März 2011 verpflichtet gewesen wäre, die vorläufig eingestellten laufenden Zahlungen unverzüglich nachzuzahlen; denn die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II aF iVm § 331 Abs 1 SGB III erfasste nur diejenigen Fälle, in denen der Leistungsträger Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen und die Leistungsbewilligung deshalb aufzuheben ist und diese Leistungsbewilligung - wie hier gerade nicht rechtzeitig geschehen - innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben hat (dazu: Beschluss LSG Berlin-Brandenburg vom 07. Januar 2008 - L 26 B 2288/07 AS ER - juris.de).
Denn vorliegend kann sich der AG bereits entgegen seiner Rechtsauffassung bei der mit Bescheid vom 17. März 2011 vorgenommenen Teilaufhebung des Bescheides vom 24. August 2010 weder auf § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung des Art 1 Nr 21 des "Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende" vom 20. Juli 2006, BGBl I, 1706, noch auf den inhaltlich mit dieser Vorschrift identischen (dazu: Bundestags-Drucksache (BT-Druck) 17/3404, Seite 98) § 22 Abs 3 SGB II in den Fassungen des Art 2 Nr 31 des Gesetzes vom 24. März 2011 (am angegeben Ort (aaO)) und der ab 01. April 2011 geltenden "Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch" vom 13. Mai 2011, BGBl I, 850, stützen. Danach mindern Guthaben, die den KdU und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Gutschrift entstehenden Aufwendungen für KdU und Heizung. Unabhängig von der in Rechtsprechung und Literatur hoch umstrittenen und vom SG in der angefochtenen Entscheidung nicht näher problematisierten Rechtsfrage, ob eine Gutschrift aus einem Betriebskostenguthaben für die Anwendung des § 21 Abs 1 Satz 4 SGB II aF bzw § 22 Abs 3 SGB II nF dem Leistungsempfänger tatsächlich zur Verfügung stehen muss (bejahend: SG Neubrandenburg, Urteil vom 19. Januar 2011 - S 11 AS 386/08 -; LSG Hamburg, Urteil vom 16. Juli 2009 - L 5 AS 81/08 -; offengelassen: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. März 2011 - L 5 AS 19/11 B ER -; ablehnend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Januar 2010 - L 3 AS 3759/09 -; LSG NRW, Urteil vom 22. September 2009 - L 6 AS 11/09 - alle juris.de; Revision anhängig: BSG Az: B 4 AS 132/11 R -; Ahrent in Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 2011, 28) und der noch zu prüfenden Gleichartigkeit und Anrechenbarkeit der jeweils verrechneten Kosten (zum Guthaben aus einer Stromabrechnung: BSG, Urteile vom 23. August 2011 - B 14 AS 186/10 R und B 14 AS 185/10 R - zitiert nach BSG Terminbericht 41/11) darf der Leistungsträger den Zeitpunkt der bedarfsmindernden Direktanrechnung des Guthabens auf die Aufwendungen für KdU und Heizung nicht willkürlich frei bestimmen. § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF als auch § 22 Abs 3 SGB II nF bestimmen ausdrücklich, ab wann Betriebskostenrückzahlungen zu berücksichtigen sind, nämlich beginnend ab dem nächsten Monat nach der Rückzahlung oder der Gutschrift. Der Gesetzgeber stellt damit systemkonform ausdrücklich auf das Zuflussprinzip (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Februar 2010 - L 25 B 1474/08 AS B PKH - juris.de -; Berlit in Lehr- und Praxiskommentar (LPK)-SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn 57; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 22 Rn 61c) und gerade nicht auf den für den Leistungsträger einfachsten Zeitpunkt des nächsten Auszahlungstermins ab.
Danach hätte der AG - die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung unterstellt - noch im Dezember 2010, jedenfalls aber spätestens im Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011, den Bescheid vom 24. August 2010 hinsichtlich der dort festgesetzten KdU und Heizung nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II aF bzw nF iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bereits ab Januar 2011 aufheben müssen (allgemein dazu bereits: BSG, Urteil vom 06. April 2011 - B 4 AS 12/10 R - juris.de), denn das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für 2009 ist dem ASt jedenfalls mit der Betriebskostenabrechnung und der Aufrechnungserklärung seiner Vermieter am 15. Dezember 2010 zugeflossen. Dies folgt unmittelbar aus § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind; hier mithin am 15. Dezember 2010. Soweit der AG im Widerspruchsbescheid vom 05. Mai 2011 offenbar auf einen fiktiven Auszahlungstermin im Januar 2011 abgestellt hat, ist dies gerade nicht "eindeutige Gesetzeslage", sondern schlicht rechtswidrig.
Entgegen der vom Gesetzgeber in § 39 Nr 1 SGB II nF für den Regelfall weiterhin normierten fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage stellt allein die Vollziehung des Teilaufhebungsbescheides vom 17. März 2011 angesichts der bereits bei summarischer Prüfung aufgezeigten offenbaren Rechtsmängel bei der nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG zu treffenden Ermessensentscheidung für den ASt eine unbillige, nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG dar. Der Senat konnte es danach dahingestellt lassen, ob der AG angesichts der fehlenden verfügbaren finanziellen Mittel des ASt zur Verhinderung von drohender Obdachlosigkeit wenigstens verpflichtet gewesen wäre, zur Überbrückung des Zeitraums der Anrechnung des Betriebskostenguthabens aus 2009 ein Darlehen in Höhe der festgesetzten KdU und Heizung zu gewähren (so wohl LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. März 2011 - aaO). Ergänzend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die vom AG vertretenen Rechtsansicht zum fehlenden Rechtsschutzinteresse des Antrags vom 04. April 2011 offensichtlich grob rechtswidrig erscheint. Der ASt begehrt hier gerade nicht nach § 86b Abs 2 SGG Geldleistungen für die Vergangenheit (dazu: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 86b Rn 29b), sondern die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Für eine Behörde eher ungewöhnlich, scheint der AG entgegen Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG), § 86b Abs 1 Nr 2 SGG noch im Beschwerdeverfahren daran festhalten zu wollen, dass einstweiliger Rechtsschutz bei Teilaufhebungsbescheiden mit Wirkung für die Vergangenheit nicht zu gewähren sei. Aus Sicht des Senats erscheint dies besonders befremdlich, wenn die Behörde - wie hier nach Lage der Akten - den ASt erst nach mehr als zwei Monaten nach der Zahlungseinstellung der KdU und Heizung an die Vermieter und der erfolgten Kündigung seines Wohnraums überhaupt erst über die von ihr getroffenen Maßnahmen informiert. Hinzu kommt, dass der AG nach Aktenlage (Schreiben der Hausverwaltung vom 02. November 2009) über die noch nicht gezahlte Mietkaution positiv informiert war und es verabsäumt hat, den ASt über die sich aufdrängende Stellung eines Antrags nach § 22 Abs 3 Satz 1, letzter Halbsatz SGB II aF (Kautionsübernahme) bzw nach § 22 Abs 5 SGB II (Übernahme von Mietschulden) aufzuklären (dazu: BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 29/10 R - SozR 4-1200 § 14 Nr 15). Bei dieser Sachlage erschließt sich dem Senat nicht, dass der AG weiterhin davon ausgeht, dem ASt seien durch die erfolgte Anrechnung des Betriebskostenguthabens "Nachteile nicht entstanden"(Schriftsatz vom 17. Juni 2011). Schließlich sieht der Senat nach Aktenlage schlechterdings keine Anhaltspunkte dafür, dass der ASt rechtsmissbräuchlich es darauf angelegt hat, "von Schulden aus steuerfinanzierten Mitteln befreit zu werden"; trotz Aufforderung hat der AG hierzu auch nicht weiter vorgetragen.
Dem ASt war unter Beiordnung von Rechtsanwalt S, B, für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen, da die Voraussetzungen hierfür nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) vorlagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung der §§ 183 und 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner (AG) wendet sich gegen die vom Sozialgericht (SG) Berlin mit Beschluss vom 26. April 2011 ausgesprochene Anordnung der aufschiebenden Wirkung des am 30. März 2011 gegen den Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 erhobenen Widerspruchs des Antragstellers (ASt).
Der 1973 geborene ASt bezieht von dem AG seit dem 19. April 2007 laufend Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); zuvor stand er im laufenden Leistungsbezug des JobCenters Berlin M-H. Er bewohnt seit dem 01. März 2007 eine 40 qm große Einraumwohnung in der F Straße, Seitenflügel links, 4. Obergeschoss in B, für die er im hier allein maßgebenden Zeitraum vom 01. Februar bis zum 31. März 2011 monatlich 384,80 EUR (230,80 EUR Kaltmiete, 50,- EUR Betriebskostenvorschuss, 104,- EUR Heiz- und Warmwasserkostenvorschuss) zahlte (Mieterhöhung zum 01. Juni 2009). Auf seinen Antrag vom 19. August 2010 bewilligte ihm der AG mit Bescheid vom 24. August 2010 für die Zeit vom 01. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 SGB II-Leistungen in Höhe von monatlich 737,17 EUR (359,00 EUR Regelleistung/378,17 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU und Heizung)). Die Kosten für KdU und Heizung, zuzüglich 6,63 EUR aus der Regelleistung für Warmwasserkosten, sollten monatlich im Voraus unmittelbar auf das Konto der Vermieter des ASt überwiesen werden.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 teilten die Vermieter des ASt über deren Hausverwaltung mit, dass zu Gunsten des ASt die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 ein Guthaben von 760,10 EUR ergeben habe. Dieses Gutachten werde in voller Höhe " mit dem gerichtlichen Vollstreckungsbescheid mit der Geschäftsnummer vom 27.05.2010" verrechnet. Dieser, vom Amtsgericht B-W über 789,87 EUR erlassene Vollstreckungsbescheid betraf die nach dem Mietvertrag vom 26. Februar 2007 noch offene Mietkaution von 660,00 EUR zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten.
Am 28. Dezember 2010 zeigte der ASt dem AG den Erhalt des Guthabens an. Nach Aktenlage stellte dieser daraufhin ohne vorherige Anhörung durch behördeninterne Verfügung vom 06. Januar 2011 die Zahlung der KdU und Heizung an die Vermieter des ASt für Februar und März 2011 bis auf einen Betrag von 0,01 EUR formlos ein; für März 2011 erfolgte aus der Regelleistung des Klägers lediglich eine Überweisung von 9,70 EUR an die Vermieter (Buchungen vom 01. Februar bzw 01. März 2011). Den ASt informierte der AG hierüber nicht. Erst mit Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 änderte der AG den Bescheid vom 24. August 2010 dahingehend ab, dass für die Monate Februar und März 2011 als KdU und Heizung nur noch 0,01 EUR bewilligt werde. Zur Begründung führte er aus, es sei aufgrund des Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung für 2009 eine Änderung eingetreten; das Guthaben werde mit den Kosten für KdU und Heizung für die Monate Februar und März 2011 verrechnet.
Gegen diese Entscheidung hat der ASt am 30. März 2011 Widerspruch erhoben und am 04. April 2011 vor dem SG Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, "die vollen Kosten der Unterkunft für Februar und März 2011 als Zuschuss, hilfsweise als Darlehn, zu leisten".
Das SG hat den Antrag als Aussetzungsbegehren nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgelegt und mit Beschluss vom 26. April 2011 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 30. März 2011 gegen den Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 und die Aufhebung der Vollziehung dieses Bescheides angeordnet, da ernsthafte Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit beständen.
Gegen diese, ihm am 27. April 2011 zugegangene Entscheidung hat der AG am 05. Mai 2011 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass SG habe bereits den gestellten Antrag des anwaltlich vertretenen ASt nicht auslegen dürfen; darüber hinaus fehle dem Antrag das notwendige Rechtsschutzbedürfnis, denn der ASt begehre mit seinem am 04. April 2011 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausschließlich Leistungen für die Vergangenheit. Die von ihm getroffene Entscheidung sei zudem rechtmäßig, denn dem ASt seien trotz der Aufrechnungserklärung seiner Vermieter vom 15. Dezember 2011 Mittel zugeflossen. Im Ergebnis seien dem ASt durch die vorgenommene Verrechnung denn auch durch die Anrechnung des Betriebskostenguthabens auf die KdU und Heizung der Monate Februar und März 20011 "keine Nachteile entstanden". Jede andere Rechtsauffassung würde zu "unbilligen Ergebnissen" führen, denn " jedem Leistungsberechtigten (wäre so) die Möglichkeit eröffnet, durch Einbehaltung eines Teils des monatlichen Mietzinses und durch Aufrechnung eines erwirtschafteten Betriebskostenguthabens ... von Schulden aus steuerfinanzierten Mitteln befreit zu werden". Die getroffene Anrechnung des Guthabens habe auch erst ab Februar 2011 und nicht bereits im Folgemonat nach der Aufrechnungserklärung der Vermieter, also im Januar 2011, erfolgen können, denn es sei anerkannt, dass sich die Anrechnung im Falle eines höheren Guthabens als die monatlich anerkannte KdU und Heizung - wie hier - auf die Folgemonate erstrecke. Ebenfalls stehe dem ASt kein Anspruch auf darlehnsweise Übernahme von Mietschulden zu.
Mit rechtskräftigen (Versäumnis-) Urteil des Amtsgerichts B-M vom 07. Juni 2011 (Az: ) ist der ASt nach fristloser Kündigung vom 16. März 2011 verurteilt worden, seine Wohnung zu räumen und geräumt an seine Vermieter herauszugeben und 813,90 EUR Miete nebst Zinsen ab dem 04. März 2011 und Anwaltskosten in Höhe von 463,27 EUR zu zahlen. Zuvor hatte der AG mit Bescheid vom 05. Mai 2011 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. März 2011 als unbegründet zurückgewiesen; über die vom ASt gegen diese Entscheidung am 12. Mai 2011 vor dem SG Berlin (Az: S 197 AS 9329/11) erhobene Anfechtungsklage hat das SG bisher noch nicht entschieden.
Der AG beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der ASt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und die aufschiebende Wirkung der zwischenzeitlich erhobenen Anfechtungsklage anzuordnen.
Der ASt, der noch weiterhin in seiner Wohnung in der F Straße wohnt, hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der erkennende Senat hat durch seinen Vorsitzenden mit Beschluss vom 01. Juni 2011 den Antrag des AG, die Vollziehung des Beschlusses des SG Berlin vom 26. April 2011 nach § 199 Abs 2 SGG auszusetzen, abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Senat beigezogenen Leistungsakte des AG Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des AG gegen den Beschluss des SG Berlin vom 26. April 2011 ist nach §§ 172 Abs 1, 173 SGG zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch entfallen, dass sich der - vom SG zutreffend ausgelegte - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch den Erlass des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011 erledigt hat (dazu Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 17. Januar 2005 - L 2 B 9/03 KR ER - juris.de). Dem hat der ASt auf Rückfrage des Senats mit Schriftsatz vom 30. Juni 2011 Rechnung getragen, indem er jetzt nur noch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner zwischenzeitlich erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011 (SG Berlin S 197 AS 9329/11) begehrt. Darin liegt nur eine Beschränkung seines Begehrens nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG, mithin keine Antragsänderung im Sinne des § 99 Abs 3 Nr 2 SGG.
Zu Recht hat das SG den Streitgegenstand als auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 30. März 2011 gegen den Bescheid vom 17. März 2011 beschränkt angesehen, denn der anwaltlich vertretene Kläger hat, wenn auch prozessual unverständlich, ausdrücklich einen Antrag auf Mietkostenübernahme weder nach § 22 Abs 5 Satz 2 SGB II in der Fassung des Art 1 Nr 6 des "Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze" vom 24. März 2006 (Bundesgesetzblatt (BGBl) I, 558) (aF) noch nach § 22 Abs 8 Satz 2 SGB II in der Fassung des Art 2 Nr 31 des "Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I, 453,(nF) gestellt (zuletzt so ausdrücklich im Schriftsatz vom 13. April 2011). Ebenfalls zutreffend hat das SG den Folgebescheid für den Leistungszeitraum vom 01. April bis 30. September 2011, der nach der ständigen und auch vom Senat inhaltlich geteilten höchstrichterlichen Rechtsprechung (statt aller: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - Sozialrecht (SozR) 4-4200 § 20 Nr 1) nicht nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, nicht in seine Entscheidung einbezogen, denn der anwaltlich vertretene ASt hat diesen Bescheid, obwohl dort für April 2011 die KdU und Heizung unter Anrechnung des Restguthabens aus der Betriebskostenabrechnung für 2009 noch um 3,78 EUR niedriger festgesetzt worden ist, nicht angefochten.
Begründet ist die Beschwerde nicht.
Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass einstweiliger Rechtsschutz im vorliegenden Fall nur im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG zu gewähren ist, da der AG dem ASt mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 24. August 2010 Leistungen für KdU und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1SGB II aF für den Zeitraum vom 01. Oktober 2010 bis 31. März 2011 in Höhe von monatlich 378,17 EUR bewilligt hat und der Widerspruch vom 30. März 2011 gegen den Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011 nach § 39 Nr 1 SGB II in der Fassung des Art 2 Nr 14 des "Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente" vom 21. Dezember 2008, BGBl I, 2917, keine aufschiebende Wirkung hatte. Das Gleiche gilt - jetzt aber nach § 39 Nr 1 SGB II nF - für die am 12. Mai 2011 vom ASt gegen den Bescheid vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011 vor dem SG Berlin erhobene Anfechtungsklage (dazu bereits: Beschluss des erkennenden Senats vom 31. März 2010 - L 19 AS 829/10 B PKH - juris.de). Gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen - wie hier - Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung anordnen. Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86a Randnummer (Rn) 27a).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen bei der hier nur gebotenen summarischen Prüfung, wie vom SG und vom Senat im Beschluss nach § 199 Abs 2 SGG vom 01. Juni 2011 näher ausgeführt, mehr als nur ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Teilaufhebungsbescheides vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 2011.
Hierbei kann sogar im hier allein zur Entscheidung stehenden Beschwerdeverfahren noch dahingestellt bleiben, dass der AG nach seiner vorläufigen Zahlungseinstellung vom 06. Januar 2011 nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden aF in Verbindung mit (iVm) § 330 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) spätestens am 06. März 2011 verpflichtet gewesen wäre, die vorläufig eingestellten laufenden Zahlungen unverzüglich nachzuzahlen; denn die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II aF iVm § 331 Abs 1 SGB III erfasste nur diejenigen Fälle, in denen der Leistungsträger Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen und die Leistungsbewilligung deshalb aufzuheben ist und diese Leistungsbewilligung - wie hier gerade nicht rechtzeitig geschehen - innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben hat (dazu: Beschluss LSG Berlin-Brandenburg vom 07. Januar 2008 - L 26 B 2288/07 AS ER - juris.de).
Denn vorliegend kann sich der AG bereits entgegen seiner Rechtsauffassung bei der mit Bescheid vom 17. März 2011 vorgenommenen Teilaufhebung des Bescheides vom 24. August 2010 weder auf § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung des Art 1 Nr 21 des "Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende" vom 20. Juli 2006, BGBl I, 1706, noch auf den inhaltlich mit dieser Vorschrift identischen (dazu: Bundestags-Drucksache (BT-Druck) 17/3404, Seite 98) § 22 Abs 3 SGB II in den Fassungen des Art 2 Nr 31 des Gesetzes vom 24. März 2011 (am angegeben Ort (aaO)) und der ab 01. April 2011 geltenden "Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch" vom 13. Mai 2011, BGBl I, 850, stützen. Danach mindern Guthaben, die den KdU und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Gutschrift entstehenden Aufwendungen für KdU und Heizung. Unabhängig von der in Rechtsprechung und Literatur hoch umstrittenen und vom SG in der angefochtenen Entscheidung nicht näher problematisierten Rechtsfrage, ob eine Gutschrift aus einem Betriebskostenguthaben für die Anwendung des § 21 Abs 1 Satz 4 SGB II aF bzw § 22 Abs 3 SGB II nF dem Leistungsempfänger tatsächlich zur Verfügung stehen muss (bejahend: SG Neubrandenburg, Urteil vom 19. Januar 2011 - S 11 AS 386/08 -; LSG Hamburg, Urteil vom 16. Juli 2009 - L 5 AS 81/08 -; offengelassen: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. März 2011 - L 5 AS 19/11 B ER -; ablehnend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Januar 2010 - L 3 AS 3759/09 -; LSG NRW, Urteil vom 22. September 2009 - L 6 AS 11/09 - alle juris.de; Revision anhängig: BSG Az: B 4 AS 132/11 R -; Ahrent in Die Sozialgerichtsbarkeit (SGb) 2011, 28) und der noch zu prüfenden Gleichartigkeit und Anrechenbarkeit der jeweils verrechneten Kosten (zum Guthaben aus einer Stromabrechnung: BSG, Urteile vom 23. August 2011 - B 14 AS 186/10 R und B 14 AS 185/10 R - zitiert nach BSG Terminbericht 41/11) darf der Leistungsträger den Zeitpunkt der bedarfsmindernden Direktanrechnung des Guthabens auf die Aufwendungen für KdU und Heizung nicht willkürlich frei bestimmen. § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II aF als auch § 22 Abs 3 SGB II nF bestimmen ausdrücklich, ab wann Betriebskostenrückzahlungen zu berücksichtigen sind, nämlich beginnend ab dem nächsten Monat nach der Rückzahlung oder der Gutschrift. Der Gesetzgeber stellt damit systemkonform ausdrücklich auf das Zuflussprinzip (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Februar 2010 - L 25 B 1474/08 AS B PKH - juris.de -; Berlit in Lehr- und Praxiskommentar (LPK)-SGB II, 3. Auflage, § 22 Rn 57; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 22 Rn 61c) und gerade nicht auf den für den Leistungsträger einfachsten Zeitpunkt des nächsten Auszahlungstermins ab.
Danach hätte der AG - die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung unterstellt - noch im Dezember 2010, jedenfalls aber spätestens im Teilaufhebungsbescheid vom 17. März 2011, den Bescheid vom 24. August 2010 hinsichtlich der dort festgesetzten KdU und Heizung nach § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II aF bzw nF iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bereits ab Januar 2011 aufheben müssen (allgemein dazu bereits: BSG, Urteil vom 06. April 2011 - B 4 AS 12/10 R - juris.de), denn das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für 2009 ist dem ASt jedenfalls mit der Betriebskostenabrechnung und der Aufrechnungserklärung seiner Vermieter am 15. Dezember 2010 zugeflossen. Dies folgt unmittelbar aus § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind; hier mithin am 15. Dezember 2010. Soweit der AG im Widerspruchsbescheid vom 05. Mai 2011 offenbar auf einen fiktiven Auszahlungstermin im Januar 2011 abgestellt hat, ist dies gerade nicht "eindeutige Gesetzeslage", sondern schlicht rechtswidrig.
Entgegen der vom Gesetzgeber in § 39 Nr 1 SGB II nF für den Regelfall weiterhin normierten fehlenden aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage stellt allein die Vollziehung des Teilaufhebungsbescheides vom 17. März 2011 angesichts der bereits bei summarischer Prüfung aufgezeigten offenbaren Rechtsmängel bei der nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG zu treffenden Ermessensentscheidung für den ASt eine unbillige, nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG dar. Der Senat konnte es danach dahingestellt lassen, ob der AG angesichts der fehlenden verfügbaren finanziellen Mittel des ASt zur Verhinderung von drohender Obdachlosigkeit wenigstens verpflichtet gewesen wäre, zur Überbrückung des Zeitraums der Anrechnung des Betriebskostenguthabens aus 2009 ein Darlehen in Höhe der festgesetzten KdU und Heizung zu gewähren (so wohl LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. März 2011 - aaO). Ergänzend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die vom AG vertretenen Rechtsansicht zum fehlenden Rechtsschutzinteresse des Antrags vom 04. April 2011 offensichtlich grob rechtswidrig erscheint. Der ASt begehrt hier gerade nicht nach § 86b Abs 2 SGG Geldleistungen für die Vergangenheit (dazu: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 86b Rn 29b), sondern die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage nach § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Für eine Behörde eher ungewöhnlich, scheint der AG entgegen Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG), § 86b Abs 1 Nr 2 SGG noch im Beschwerdeverfahren daran festhalten zu wollen, dass einstweiliger Rechtsschutz bei Teilaufhebungsbescheiden mit Wirkung für die Vergangenheit nicht zu gewähren sei. Aus Sicht des Senats erscheint dies besonders befremdlich, wenn die Behörde - wie hier nach Lage der Akten - den ASt erst nach mehr als zwei Monaten nach der Zahlungseinstellung der KdU und Heizung an die Vermieter und der erfolgten Kündigung seines Wohnraums überhaupt erst über die von ihr getroffenen Maßnahmen informiert. Hinzu kommt, dass der AG nach Aktenlage (Schreiben der Hausverwaltung vom 02. November 2009) über die noch nicht gezahlte Mietkaution positiv informiert war und es verabsäumt hat, den ASt über die sich aufdrängende Stellung eines Antrags nach § 22 Abs 3 Satz 1, letzter Halbsatz SGB II aF (Kautionsübernahme) bzw nach § 22 Abs 5 SGB II (Übernahme von Mietschulden) aufzuklären (dazu: BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 29/10 R - SozR 4-1200 § 14 Nr 15). Bei dieser Sachlage erschließt sich dem Senat nicht, dass der AG weiterhin davon ausgeht, dem ASt seien durch die erfolgte Anrechnung des Betriebskostenguthabens "Nachteile nicht entstanden"(Schriftsatz vom 17. Juni 2011). Schließlich sieht der Senat nach Aktenlage schlechterdings keine Anhaltspunkte dafür, dass der ASt rechtsmissbräuchlich es darauf angelegt hat, "von Schulden aus steuerfinanzierten Mitteln befreit zu werden"; trotz Aufforderung hat der AG hierzu auch nicht weiter vorgetragen.
Dem ASt war unter Beiordnung von Rechtsanwalt S, B, für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen, da die Voraussetzungen hierfür nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) vorlagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung der §§ 183 und 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar, § 177 SGG.
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