L 19 AS 2219/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 279/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 2219/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 29.11.2010 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der Kläger begehrt die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger bezieht zusammen mit seiner Ehefrau und seinem Sohn seit Anfang 2009 von der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagter) Leistungen nach dem SGB II. Bei der Ermittlung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigte der Beklagte für die Zeit bis zum 30.06.2009 einen Mehrbedarf des Klägers nach § 21 Abs. 5 SGB II. Der Kläger leidet an einem Diabetes mellitus.

Mit Bescheiden vom 08.06.2009, vom 13.08.2009, vom 17.08.2009 und vom 31.08.2009 wurden der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe von § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs des Klägers nach § 21 Abs. 5 SGB II bewilligt.

Gegen die Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II legte der Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2009 zurückwies.

Am 29.09.2009 hat der Kläger Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. Q vom 22.11.2010 eingeholt.

Durch Beschluss vom 29.11.2010 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Die vom Kläger eingeleitete Rechtsverfolgung - Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2009 - bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen abhängt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird. Prozesskostenhilfe kann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BSG Beschluss vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R = SozR 3-1750 § 114 Nr. 5; BVerfG Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02 = NJW 2003, 2976).

Vorliegend ist die Erfolgschance eine entfernte.

Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist (BSG Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R = juris Rn 16f). Unabhängig von der Frage, ob die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 01.10.2008 (nachfolgend: Mehrbedarfsempfehlungen) als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind (vgl. Zusammenfassung des Meinungstandes in BSG Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R = juris Rn 23), können die Mehrbedarfsempfehlungen als Orientierungshilfe dienen und sind weitere Ermittlungen im Einzelfall nur erforderlich, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe, substantiert geltend gemacht werden (BSG Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R = juris Rn 23). Die nach den Mehrbedarfsempfehlungen geforderte Ernährung mit einer sog. "Vollkost" bei Diabetes mellitus II unterfällt nicht § 21 Abs. 5 SGB II, da es sich nicht um eine Krankenkost handelt, auf die die Vorschrift abzielt, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt. Die Vollkost ist aus der Regelleistung zu bestreiten, die pauschaliert ist. § 21 Abs. 5 SGB II stellt insofern keinen Auffangtatbestand dar (BSG Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R = juris Rn 25, 26).

Ein von der Vollkost abweichender Ernährungsbedarf ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage vorliegend nicht substantiert dargelegt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. Q hat zwar in dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Befundbericht ausgeführt hat, dass der beim Kläger bestehende Diabetes mellitus eine qualitativ hochwertige, und fettarme Ernährung mit hochwertigen Kohlenhydraten, die viel Ballaststoffe beinhalteten und einen niedrigen glykämischen Index aufwiesen, bedinge. Sie hat im Befundbericht vom 29.08.2011, den der Senat zur Abrundung des Bildes vom Gesundheitszustand des Klägers eingeholt hat, aber klargestellt, dass der Ernährungsbedarf des Klägers durch die sog. "Vollkost" abgedeckt werden kann.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf höhere Regelleistung zu. Der Beklagte hat ihm die in § 20 Abs. 3 SGB II vorgesehene Regeleistung für Partner in voller Höhe gewährt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften über die Höhe der Regelleistung, u.a. die des § 20 Abs. 3 SGB II, mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Daraus folgt aber nicht , dass einem Hilfebedürftigen ein höherer Anspruch auf Leistungen zusteht. Vielmehr gilt die Vorschrift des § 20 Abs. 3 SGB II in der jeweils anzuwendenden Fassung bis zum 31.12.2010 fort. Der Gesetzgeber ist nur verpflichtet, die Regelleistung für die Zukunft neu festzusetzen (vgl. BSG Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R = juris Rn 28 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Eine abweichende Bedarfsermittlung kommt nicht in Betracht. Nach dem Leistungssystem des SGB II ist eine individuelle Bedarfsermittlung bzw abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung nicht vorgesehen (BSG Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R = juris Rn 30 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen)

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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