Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
55
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 29349/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Amtliche Leitsätze:
1. Zur Überzeugung der 55. Kammer des Sozialgerichts (SG) Berlin sind §§ 19 Abs 1 S 1 und 3, 20 Abs 1, 2 S 1 und 5 SGB 2 iVm §§ 28a SGB 12 und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG wegen der Höhe der maßgeblichen Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte verfassungswidrig.
2. Zur Verfassungswidrigkeit der BAföG-Regelbedarfe.
3. Verfassungsrechtlich noch vertretbar ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die sozialhilferechtliche Bestimmung des Existenzminimums als Referenzsystem für eine weitgehend einheitliche Bemessung der Regelbedarfe anzuwenden, obwohl damit der grundsicherungsrechtliche Ausnahmefall zum Ausgangspunkt der Bestimmung der Pauschalen gemacht wird, wenn die Nachteile dieses Vorgehen konsequent Beachtung finden.
4. Ein Lohnabstandsgebot ist kein denkbares Kriterium für die Bestimmung der Regelbedarfe, denn die Entwicklung der Löhne gibt über die Veränderungen des notwendigen Bedarfs zur Deckung des Existenzminimums keine Auskunft.
5. Der Gesetzgeber hat gegen die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass Haushalte, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der Grundsicherungsleistungen liegt, aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden müssen, verstoßen, indem er sämtliche Haushalte mit Erwerbseinkommen in die Referenzgruppe einbezogen hat.
6. Bei der Bestimmung der Referenzgruppe hat der Gesetzgeber methodisch fehlerhaft die 2008 geltenden Grundsicherungsbedarfssätze angewandt, weil diese verfassungswidrig entsprechend den Rentenanpassungen von den Daten der EVS 1998 abgeleitet waren.
7. Der Einkommensfreibetrag von 100 EUR nach § 11b Abs 2 S 1 SGB 2 ist als im Rahmen zulässiger Typisierung und Pauschalierung unter Betrachtung des Regelfalles gebildet derzeit nicht zu beanstanden.
8. Nachdem der Gesetzgeber nicht mehr konsequent die Haushalte aus der Referenzgruppe heraushält, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Grundsicherungsleistungen bestritten haben, kann es schwerlich noch als vertretbar angesehen werden, die "verdeckt armen Haushalte" in der Referenzgruppe zu belassen, obwohl das statistische Instrumentarium zum Ausschluss dieser Haushalte annäherungsweise mit tendenzieller Unterschätzung dieser Haushaltsgruppe bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Verfügung stand.
9. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Bedarfe für langlebige Gebrauchsgüter, die über das vom Gesetzgeber geforderte Ansparmodell vom Bedarf erfasst sein sollen, beruhen die Festsetzungen auf nicht realitätsgerechten Daten und hätten im Gesetzgebungsverfahren schon aus statistischer Sicht ernsthaft hinterfragt werden müssen. Wegen der Darlehensregelungen und der Aufrechnungsmöglichkeiten nach §§ 24 Abs 1 S 1, 42a Abs 2 S 1 SGB 2 handelt es sich um einen nicht unwesentlichen Fehler des Gesetzgebers.
10. Voraussetzung einer verfassungsgerichtlichen Klärung der Regelbedarfe ist eine erhebliche und betragsmäßig beachtliche Abweichung vom verfassungsgemäßen Zustand im Sinne einer verfassungsrechtlichen Beschwer.
Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird die folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Sind §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II (in der Fassung von Art 2 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I vom 29.03.2011, S 453) i.V.m. §§ 28a SGB XII (in der Fassung von Art 3 des Gesetzes vom 24. März 2011, BGBl I vom 29.03.2011, S 453) und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG (Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, verkündet als Art 1 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I vom 29.03.2011, S 453) insoweit mit Art 1 Abs 1 GG i.V.m. Art 20 Abs 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, als die für die Höhe der Grundsicherungsleistungen maßgeblichen Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte für das Kalenderjahr 2011 auf einen Betrag von 364,00 EUR und für das Kalenderjahr 2012 durch die Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 138 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2012 (RBSFV 2012) vom 17. Oktober 2011 auf einen Betrag von 374,00 EUR festgelegt wurden?
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II für die Zeiträume von September 2011 bis August 2012, wobei der Kläger davon ausgeht, dass die Regelungen der §§ 19 Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1 SGB II über die Höhe des Regelbedarfs für alleinstehende Leistungsberechtigte verfassungswidrig sind.
Der 1961 geborene, geschiedene Kläger ist schwerbehindert, der Grad der Behinderung beträgt 50. Er bewohnt allein eine Wohnung mit 51,7 m2. Die Kosten für die Unterkunft und deren Beheizung betragen 307,61 EUR. Das Warmwasser wird durch elektrischen Warmwasserspeicher über den Haushaltsstrom erzeugt.
Bis zum 30. Juni 2011 übte der Kläger eine geringfügige Beschäftigung mit einem Bruttoeinkommen von 120 EUR aus. Er hat wegen Vermögenslosigkeit und bestehender Schulden Dritten gegenüber wiederholt eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, zuletzt im Dezember 2010 (zugunsten der BKK-VBU). Unterhalt bezieht er weder von seiner geschiedenen Ehefrau noch von seinem geschiedenen Lebenspartner. Vom 14. Juni 2011 bis 18. Januar 2012 nahm er an einer von der Beklagten geförderten Bildungsmaßnahme teil und erfüllte im Zeitraum von Oktober 2011 bis Januar 2012 zwei Praktikumsverträge. Auf seinen Antrag vom 26. Juli 2011 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 9. August 2011 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis 29. Februar 2012. Die Leistungshöhe betrug dabei in den Monaten des Jahres 2011 jeweils 676,46 EUR und für Januar und Februar 2012 monatlich 676,83 EUR. Die Beklagte hatte den Bewilligungen jeweils einen Regelbedarf von monatlich 364 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung von 307,61 EUR und für 2011 eine Warmwasserpauschale von 8,00 Euro, und für Januar und Februar 2012 von 8,37 EUR zugrunde gelegt. Zudem rechnete sie Einkommen in einer Höhe von 3,15 EUR an.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 18. August 2011. Er begründete dies damit, dass er seit Ende Juni 2011 kein Nebeneinkommen mehr habe. Außerdem sei der Regelsatz verfassungswidrig. Die Beklagte korrigierte mit Bescheid vom 31. August 2011 die Leistungen und rechnete kein Einkommen mehr an. Sie wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2011 zurück. Die Pauschalierung des Regelbetrags sei vom Bundesverfassungsgericht der Struktur nach bestätigt worden. Der gesetzlich vorgesehene pauschalierte Regelbedarf von 364,00 EUR sei dem Kläger bewilligt worden.
Mit seiner Klage vom 7. November 2011 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Regelbedarf sei verfassungswidrig festgelegt worden, weil der Gesetzgeber methodisch fehlerhaft vorgegangen sei. Er habe zum einen die Referenzgruppe unzulässig festgelegt und dabei zu Unrecht die Empfänger von BAföG und Aufstocker selbst mit kleinen Einkommen sowie "verdeckt Arme" einbezogen. Außerdem sei die Grenzziehung willkürlich. Überdies sei die Gruppengröße statistisch unzureichend. Tatsächlich habe der Gesetzgeber nur 10,9 Prozent der befragten Haushalte in die Referenzgruppe einbezogen.
Daher sei zum Zweiten die Datengrundlage auch nicht ausreichend. Es bestünden Auffälligkeiten z.B. darin, dass Haushalte ohne Ausgaben für Nahrung oder für Strom erfasst seien. Zudem sei das Datenmaterial nicht hinreichend transparent gewesen, weil viele Werte nicht mitgeteilt wurden, obwohl sie Eingang in die Berechnung gefunden hätten.
Zum Dritten habe der Gesetzgeber unzulässig das Statistikmodell mit dem Warenkorbmodell vermischt und Streichungen in einem Gesamtumfang von ca 130 EUR vorgenommen. Damit sei ein interner Ausgleich nicht mehr möglich. Anstelle der Streichung der Einzelposition der Ausgaben für Tabak hätte eine Sonderauswertung der Teilgruppe ohne Tabakkonsum durchgeführt werden müssen, zumal nach den Angaben des Gesetzgebers nur ein Viertel der Referenzgruppe solche Ausgaben hatte. Zudem sei der Strom- und Verkehrsbedarf falsch errechnet worden. Ein ungerechtfertigt hoher Abschlag sei hinsichtlich der Ausgaben für Besuche in Restaurants, Cafés und Imbissständen erfolgt.
Insgesamt müsse der Regelbedarf für den Kläger mindestens 37,73 EUR höher sein.
Der bewilligte Bedarf sei auch für den Fall des Klägers unzureichend. Insbesondere seien die im Bedarf vorgesehenen Ausgaben für den Verkehr ungenügend, weil der Kläger öfters Arzttermine und Termine bei der Psychotherapie sowie familiäre Kontakte wahrnehme, bei denen er auf die öffentlichen Nahverkehrsmittel angewiesen sei. Das Sozialticket sei mit der in der Position Verkehr vorgesehenen Größenordnung nicht zu finanzieren. Ein Einsparpotenzial bestehe auch bei anderen Positionen nicht. Insbesondere sei eine Einsparung im Bereich der Ernährung und der Ausgaben für Medizin nicht möglich, weil er in diesen Bereichen wegen seiner Erkrankungen und Behinderungen ohnehin höhere Ausgaben habe, als die Regelbedarfe dies vorsehen.
Die Beklagte hat mit dem Änderungsbescheid vom 7. Dezember 2011 den Leistungen für die Monate Januar und Februar 2012 den Regelbedarf von 374 EUR und einen Warmwasserbedarf von monatlich 8,60 EUR zu Grunde gelegt und entsprechend die Leistungshöhe korrigiert.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 31. Januar 2012 für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2012 Arbeitslosengeld II in einer monatlichen Höhe von 690,21 EUR, wobei sie einen Regelbedarf von 374 EUR, einen Warmwasserbedarf von 8,60 EUR und Bedarfe für Unterkunft und Heizung von 307,61 EUR zu Grunde legte. Den dagegen im Hinblick auf die fehlerhafte Regelbedarfsbestimmung eingelegten Widerspruch vom 6. Februar 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2012 unter Verweis auf die Gesetzeslage zurück.
Die dagegen am 5. März 2012 zum Aktenzeichen S 172 AS /12 erhobene Klage wurde durch Beschluss vom 16. April 2012 zum hiesigen Rechtsstreit verbunden.
Für den Zeitraum des Besuchs der Bildungsmaßnahme hat der Kläger einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II geltend gemacht. Er hat das insofern von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgegebene Teilanerkenntnis angenommen.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 9. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2011 in der Form des Änderungsbescheides vom 7. Dezember 2011 zu ändern, 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger monatlich Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 2011 auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 487,00 EUR, eines Unterkunftsbedarfs von 307,61 EUR und eines Warmwasserbedarfs von 8,00 EUR sowie eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II von 127,00 EUR zu gewähren, 3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. bis 31. Januar 2012 auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 487,00 EUR, eines Unterkunftsbedarfs von 307,61 EUR und eines Warmwasserbedarfs von 8,60 EUR, eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II von 131,00 EUR zu gewähren, 4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. bis 29. Februar 2012 auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 487,00 EUR, eines Unterkunftsbedarfs von 307,61 EUR und eines Warmwasserbedarfs von 8,60 EUR zu gewähren, 5. den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2012 zu ändern, 6. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2012 auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 487,00 EUR, eines Unterkunftsbedarfs von 307,61 EUR und eines Warmwasserbedarfs von 8,60 EUR zu gewähren.
Die Beklagte hält die Entscheidungen in der Fassung ihres Anerkenntnisses für zutreffend und beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Der Kammer haben außer den Prozessakten auszugsweise die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, die Niederschrift und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer kann über die zulässigen Klagen nicht abschließend entscheiden. Dem Kläger könnten höhere Leistungen nach dem SGB II zustehen, wenn die in §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG für die Höhe der Grundsicherungsleistungen neben den Unterkunftskosten maßgeblichen Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte vom Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise festgelegt worden sind und wegen des Verstoßes gegen das Grundgesetz so nicht angewendet werden dürfen.
Der Rechtsstreit ist gemäß Art 100 Abs 1 Satz 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 des Gesetzes über das BVerfG auszusetzen und es ist eine Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG hinsichtlich der Leistungshöhe des Arbeitslosengeldes II gültig sind. Die Kammer hält diese Vorschriften für unvereinbar mit Art 1 Abs 1, 20 Abs 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Klärung der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fragen ist zur abschließenden Beurteilung des Falles unerlässlich. Es kommt auf die Gültigkeit der genannten Vorschriften an, weil ohne sie der grundsicherungsrechtliche Bedarf des Klägers nicht bestimmt und die Höhe der Grundsicherungsleistungen nicht festgesetzt werden kann. Sie sind zur Überzeugung der Kammer unter Verletzung der genannten übergeordneten Rechtsnormen fehlerhaft gesetzt worden und hinsichtlich der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil eine erhebliche und betragsmäßig beachtliche Abweichung vom verfassungsgemäßen Zustand anzunehmen ist. Dem Gesetzgeber war vom BVerfG in dessen Urteil vom 9. Februar 2010 aufgegeben worden, einen verfassungskonformen Zustand ab 1. Januar 2011 herzustellen. Dies ist nicht geschehen. Für den gesamten im vorliegenden Rechtstreit betroffenen Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 kann eine endgültige Entscheidung nicht getroffen werden, weil sich die verfassungswidrigen Regelungen unmittelbar auf die streitgegenständlichen Ansprüche der Kläger auswirken und ein verfassungskonformer Zustand durch Auslegung der anzuwendenden Vorschriften nicht herzustellen ist. Insofern ist der Kläger jedenfalls für die Zeiträume vom 1. Februar bis 31. August 2012 auch in seinem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzt.
1. Entscheidungserheblich ist, ob §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, 20 Abs 1, 2 Satz 1 und 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG mit den darin und durch die Fortschreibung durch die RBSFV 2012 festgesetzten Beträgen gültig sind. Sollten die Vorschriften gültig sein, so wären die Klagen abzuweisen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2011 in der Form des Änderungsbescheides vom 7. Dezember 2011 und des Anerkenntnisses der Beklagten und der Bescheid vom 31. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2012 wären dann rechtmäßig und höhere Leistungen könnten nicht beansprucht werden. Dagegen müsste die Kammer die angefochtenen Bescheide der Beklagten nach einer gesetzlichen Neuregelung ändern und die in den Bescheiden festgesetzten Leistungshöchstwerte korrigieren, falls die Vorschriften wegen zu gering bemessener Regelbedarfe gegen das Grundgesetz verstoßen und das BVerfG dem Gesetzgeber aufgibt, einen verfassungskonformen Zustand herzustellen und dafür neue Regelungen zu erlassen, oder selbst vorläufig oder abschließend für den hier relevanten Zeitraum Regelungen vorgeben sollte.
1.1. Die Klagen sind zulässig. Das Gericht ist zur Sachentscheidung berufen.
Der Kläger hat seine Klagen gegen die Beklagte jeweils frist- und formgerecht erhoben. Das Widerspruchsverfahren war jeweils durchgeführt und abgeschlossen worden.
Die kombinierten Anfechtungsklagen und Leistungsklagen, mit denen der Kläger die Änderung der Leistungshöchstwertfestsetzungen der Bewilligungsbescheide und höhere Leistungen verlangt, sind statthaft (§ 54 Abs 4 SGG). Die Streitgegenstände wurden im Sinne von § 92 Abs 1 Satz 1 SGG hinreichend bestimmt.
Der Kläger ist klagebefugt im Sinne von § 54 Abs 1 Satz 2, Abs 2 SGG. Er behauptet eine Verletzung seines Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 und 20 GG) als prozessrechtlich relevante Beschwer. Zugleich mit der Bestimmung der Leistungshöhe begrenzt die Behörde den Leistungsumfang verbindlich. Diese Leistungshöchstwertfestsetzung greift der Kläger mit seinen Anfechtungsklagen an und macht wegen der Versagung höherer Leistungen eine Verletzung seines Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums geltend. Die Verletzung dieses Grundrechts erscheint angesichts der Bedeutung der maßgeblichen Vorschriften für die Gewährung existenzsichernder Leistungen jeweils ernsthaft möglich. Für gebundene Entscheidungen über Sozialleistungen besteht ein Rechtsanspruch des Bürgers auf die Leistung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 38 SGB I). Dieser Rechtsanspruch muss insbesondere bei existenzsichernden Leistungen auch dann aktuell realisiert werden, wenn der Behörde – zulässigerweise – ein Ermessen bei vorläufiger Gewährung der Leistungen eingeräumt ist. Bei der Leistungsgewährung für sämtliche Zeiträume von September 2011 bis August 2012 hat die Behörde indes Leistungen endgültig bewilligt, so dass der unmittelbare Rechtsanspruch des Klägers und nicht etwa nur ein solcher auf pflichtgemäße Ermessensausübung Streitgegenstand ist.
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. Es ist nicht zu erkennen, wie der Kläger wirksamer seine Ansprüche verfolgen können sollte.
1.2. Die Klagen wären in der Sache unbegründet, wenn §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, 20 Abs 1, 2 Satz 1 und 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG mit den darin und durch die Fortschreibung durch die RBSFV 2012 festgesetzten Beträgen gültig sein sollten.
1.2.1. Die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Vorschriften liegen, deren Gültigkeit unterstellt, vor.
Weder die Regelungen des SGB XII, noch des AsylBewLG oder des WohnGG kommen in Betracht. Die Vorschriften kommen hinsichtlich des räumlichen und persönlichen Anwendungsbereichs gemäß § 7 Abs 1 SGB II zum Tragen. Der Kläger ist erwerbsfähiger Leistungsberechtigter.
1.2.1.1. Leistungen des SGB XII zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem dritten oder vierten Kapitel scheiden aus.
Ansprüche nach dem Vierten Kapitel des SGB XII scheiden aus; der Kläger ist im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II zur Überzeugung der Kammer erwerbsfähig. Die vorhandenen Erkrankungen und Behinderungen, schränken das Leistungsvermögen des Klägers für die Tätigkeiten entsprechend der erfolgten modularen Fortbildung (Assistant Hotelmanagement), und damit auch für solche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder qualitativ noch quantitativ ein. Dies folgt aus der bis Juni erfolgten Erwerbstätigkeit und seiner erfolgreichen Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme mit der Teilnahme an den Praktika. Auch nach dem persönlichen Eindruck des Klägers auf die Kammer in der mündlichen Verhandlung ergaben sich keine Anhaltspunkte für ein derart reduziertes Leistungsvermögen, das nur noch einen Umfang von weniger als drei Stunden arbeitstäglich zulassen würde. Vielmehr ist eine vollschichtige Tätigkeit des Klägers insbesondere im Bereich der erfolgten Weiterbildung im Hotelmanagement, aber auch als Rezeptionist aus gesundheitlichen Gesichtspunkten möglich. So wurde im Zeugnis über das Praktikum von Oktober 2011 bis Januar 2012 durch das Hotel C vom 19. Januar 2012 eine Belastbarkeit in hohem Maße bestätigt.
Leistungen nach dem dritten Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt) kommen nicht in Betracht, weil insoweit der Ausschluss durch § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II wirksam ist. (Dazu, dass die weiteren Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II erfüllt sind: weiter unten 1.2.1.3 und 1.2.1.4.)
1.2.1.2. Ein Anspruch auf Wohngeld nach dem WoGG besteht nicht, weil dieser bei Leistungsansprüchen nach dem SGB II ausgeschlossen ist (§ 7 Abs 1 Nr 1 WoGG). Es kommt auch nicht über § 5 SGB II ein vorrangig zu verfolgender Anspruch auf Wohngeld in Betracht, weil dieser die Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht beseitigen würde, denn ein Wohngeldanspruch des Klägers könnte sich nur auf den Bedarf für die Unterkunftskosten auswirken, die weiteren Bedarfe, insbesondere der Regelbedarf bliebe unverändert bestehen, so dass ein Wohngeldbezug die Bedürftigkeit im Sinne des SGB II nicht beenden würde, zumal dem Kläger Mittel zu Deckung dieser Bedarfe mangels anderen Einkommens nicht zur Verfügung stehen.
Ein Anspruch nach dem AsylBewLG besteht ersichtlich nicht, so dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II nicht greift.
1.2.1.3. Der Kläger ist vom persönlichen Geltungsbereich der Grundsicherungsleistungen des SGB II nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II erfasst.
Der 1961 geborene Kläger hat im Sinne von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 7a SGB II während der hier streitigen Zeiträume vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 jeweils das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht.
Er war im Sinne von §§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2, 8 Abs 1 SGB II erwerbsfähig (s o 1.2.1.1.). Für den deutschen Staatsangehörigen spielt § 8 Abs 2 SGB II keine Rolle.
1.2.1.4. Auch der räumliche Geltungsbereich der Vorschriften erfasst wegen § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II den Fall des Klägers. Dieser hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes.
1.2.1.5. Der Kläger ist hilfebedürftig im Sinne von §§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, 9 Abs 1 SGB II.
Ihm steht für den gesamten streitigen Zeitraum kein anderweitiges Einkommen zur Verfügung. Unterhaltszahlungen erfolgen weder von der geschiedenen Ehefrau noch vom geschiedenen Lebenspartner. Sofern Unterhaltsansprüche bestehen sollten, hätten diese auf den Leistungsanspruch keine Auswirkungen, weil sie aktuell nicht zufließen und wegen der deshalb notwendigen aktuellen Leistungsgewährung gemäß § 33 SGB II auf die Beklagten übergehen.
Ansprüche auf andere Sozialleistungen oder gegen weitere Angehörige bestehen nicht.
Auf Vermögen kann der Kläger, der die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, nicht zurückgreifen. Dies ist zwischen den Beteiligten zutreffend unstreitig. Soweit der Kläger gegenüber einem früheren Auftraggeber noch offene Ansprüche hatte (Vergleich vom 05.12.2006 über eine Forderung von 27.500 EUR), lassen diese sich wegen der Insolvenz des Auftraggebers nicht realisieren. Auch diese Forderungen sind wegen der Leistungen der Beklagten in der Vergangenheit gemäß § 33 SGB II kraft Gesetzes seit Januar 2007 auf die Beklagte übergegangen. Im Hinblick auf die erhebliche Dauer des Leistungsbezuges und den fortlaufenden gesetzlichen Forderungsübergang besteht kein Forderungsrest mehr, dessen Realisierung der Kläger zu seinen Gunsten durchsetzen könnte.
1.2.2. Die angefochtenen Bescheide sind – die Gültigkeit des geltenden Rechts unterstellt –nach dem erfolgten Anerkenntnis rechtmäßig auch hinsichtlich der Leistungshöchstwertfestsetzungen.
Als erwerbsfähiger Leistungsberechtigter im Sinne des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II hat der Kläger dem Grunde nach wegen § 19 Abs 1 Satz 1 SGB II Anspruch auf Arbeitslosengeld II für die in Satz 3 genannten Bedarfe (Regelbedarf, Mehrbedarfe, Bedarf für Unterkunft und Heizung). Die Leistungshöhe ergibt sich aus § 19 Abs 3 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Bedarfe nach den Absätzen 1 und 2 erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind. Nach § 19 Abs 1 Satz 3 und Abs 3 SGB II umfassen die Leistungen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Die gesetzliche Neuregelung zum 1. Januar 2011 untergliedert die Ansprüche auf Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nicht mehr in separate Leistungsanteile, der Regelleistung und der Leistung für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Vielmehr handelt es sich nunmehr um einen einheitlichen Anspruch (BT-Drs 17/3404 S 9; Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungsrecht, Baden-Baden 2011, RdNr 186), zu dessen Ermittlung die einzelnen Bedarfe und das diese Bedarfe (ggf teilweise) deckende Einkommen und Vermögen festzustellen sind. Aus dieser Regelung erschließt sich, dass die Höhe der gesetzlich vorgegebenen Regelbedarfe unmittelbar Einfluss auf die Leistungshöhe haben. Davon ist auch das BVerfG in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 ausgegangen (vgl RdNr 159).
Die in §§ 20 Abs 2 SGB II vorgesehenen Regelbedarfe stehen nach der gesetzlichen Neuregelung in einem System von Vorschriften, die weitestgehend einen Gleichklang zu den sozialhilferechtlichen Vorschriften bewirken sollen. Dies wird durch den Verweis in § 20 Abs 5 Satz 2 SGB II auf die Anpassungsvorschrift des § 28a SGB XII und die Verordnung nach § 40 Satz 1 Nr 1 SGB XII gewährleistet (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 324). Dass es sich um eine lediglich "entsprechende" Anwendung dieser Vorschriften handelt, steht dem engen systematischen Zusammenhang nicht entgegen. Die Relevanz der Bedarfe für die Leistungshöchstwertfestsetzungen und damit für die praktische Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich mithin aus §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, 20 Abs 1, 4 und 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG und die RBSFV 2012. Durch den Rückgriff auf die in § 28 SGB XII vorgesehen Regelbedarfsstufen in § 28a Abs 1 Satz 1 SGB XII erfolgt der Verweis auf § 8 RBEG. Ergibt sich der Regelbedarf Alleinstehender für 2011 noch unmittelbar aus den Vorgaben von § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II, kann der Regelbedarf bereits für 2012 nur über die Regelungen der §§ 20 Abs 5, 28a SGB XII, 8 RBEG der RBSFV 2012 entnommen werden; er beträgt danach 374,00 EUR.
Die Beklagte hat jeweils die zutreffenden Regelbedarfe angewandt: im Jahr 2011 monatlich 364,00 EUR und im Jahr 2012 monatlich 374,00 EUR.
Die Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung sind in Höhe der tatsächlichen Kosten von 307,61 EUR zutreffend festgestellt.
Für die Zeit der Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme war beim Kläger ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II anzuerkennen. Voraussetzung ist nach Satz 1 dieser Vorschrift, dass es sich um einen erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten handelt, dem Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX erbracht werden. Wegen § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II (Fassung bis 31. März 2012) gelten für die Eingliederungsleistungen an erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte die §§ 97 bis 99, 100 Nummer 1 und 4, § 101 Absatz 1, 2 und 5, die §§ 102, 103 Satz 1 Nummer 3, Satz 2 und die §§ 109 und 111 des SGB III (Fassung bis 31.03.2012 - aF) entsprechend. § 100 Nr 4 SGB III aF gewährt als allgemeine Leistung die Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung. Für diese gilt ebenso wie für die besonderen Leistungen § 33 SGB IX. Weil der Kläger im Sinne des Arbeitsförderungsrechts (§ 19 Abs 1 SGB III) behindert, im Sinne des SGB IX mehr noch schwerbehindert ist, konnten die Weiterbildungsmaßnahmen an ihn deshalb nur als solche nach §§ 16 Abs 1 Satz 2 SGB II, 100 Nr 4 SGB III, 33 Abs 3 Nr 23 SGB IX erbracht werden. Die Voraussetzungen des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II waren deshalb – als zwingende Regelung – erfüllt. Das Anerkenntnis der Beklagten in der Verhandlung war daher gesetzlich geboten. Die Höhe des Mehrbedarfs beträgt 35 Prozent des Regelbedarfs, also für 2011 monatlich 127,00 EUR und für 2012 monatlich 131,00 EUR:
Ein Ernährungsmehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II kommt für den Kläger nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist für Leistungsberechtigte, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anzuerkennen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Regelbedarf die Aufwendungen für die Ernährung in pauschalierter Form enthalten sind. Dies bedeutet, dass die in einem verfassungskonform bemessenen Regelbedarf berücksichtigten Ernährungskosten im Regelfall den Bedarf decken, Abweichungen im Bedarf jedoch grundsätzlich unbeachtlich zu bleiben haben, auch wenn höhere Aufwendungen im konkreten Einzelfall erforderlich sind. Dies ist ein nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG mit zulässiger Pauschalierung durch den Gesetzgeber notwendig verbundener und hinzunehmender Nachteil. Insoweit ist auch das Anliegen des Gesetzgebers zu respektieren, dass in gewisser Weise ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Positionen innerhalb des Regelbedarfes den Leistungsempfängern eingeräumt ist, was gewisse Härten auszugleichen vermag. Abweichungen wegen des Alters und besonderer physischer Belastung (Sport, Arbeit etc) und auch aus medizinischen Gründen sind deswegen grundsätzlich als von der Grundsicherungsleistung abgedeckt zu betrachten. Die Vorschrift des § 21 Abs 5 SGB II hat daher die Funktion, solche Fälle aufzufangen, in denen krankheitsbedingt der im Einzelfall entstehende Mehrbedarf die im Rahmen der Pauschalierung zulässigen Nachteile unzumutbar werden lässt. Die Stellung der Vorschrift im Gesetz, insbesondere die weiteren Bestimmungen des § 21 SGB II bestätigen diesen Hintergrund und Regelungszweck der Vorschrift. Nach zutreffender ständiger Rechtsprechung des BSG kommt ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nur bei der Erforderlichkeit von Krankenkost in Frage (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 100/10 R, RdNr 25 mwN).
Diese Voraussetzungen lassen sich im Falle des Klägers nicht annehmen. Ein hinreichender Vortrag des Klägers, der Anlass für Ermittlungen von Amts wegen geben würde, ist nicht zu verzeichnen. Er selbst verfolgt das in früheren Bewilligungszeiträumen bereits erfolglos geltend gemachte Begehren nicht weiter. Weder ist erkennbar, dass er eine besondere ärztlich verordnete Krankenkost zusichnehmen soll. Insofern wurde lediglich fettarme Kost (Bl 95 Gerichtsakte) empfohlen. Noch sind Anhaltspunkte ersichtlich, die unzumutbar erhöhte Ernährungsaufwendungen möglich erscheinen lassen. Sofern der Regelbedarf angemessen bestimmt sein sollte, reicht er für die nach derzeit herrschender medizinischer Auffassung gebotene abwechslungsreiche Vollkost mit preisgünstigen Lebensmitteln (Zweifel daran, dass der aktuelle Regelbedarf eine solche abwechslungsreiche Vollkost abdecken können soll, äußern jedoch plausibel Bruckermann/Izkowskij in Sozialrecht aktuell, 2011, 15 ff). Dies schließt eine gesunde fettarme Kost mit ein.
Zutreffend hat die Beklagte auch einen Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung nach § 21 Abs 7 SGB II in die Berechung der Leistungshöhe eingestellt. Nach § 21 Abs 7 Satz 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt nach Satz 2 der Regelung für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils 2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 SGB II. Daraus ergibt sich für 2012 für den Kläger ein Warmwasser-mehrbedarf von jeweils 8,60 EUR. Für 2011 galt ein gerundeter Pauschalbetrag von 8,00 EUR (Brehm/Schifferdecker in SGb 2011, 505, 509 f). Die Pauschalen sind anzuwenden, weil Warmwasser durch in der Wohnung des Kläger installierte Vorrichtungen (elektrische Warmwasserspeicher) erzeugt wird und eine separate Verbrauchserfassung nicht erfolgt, denn als Energieträger wird der einheitlich gemessene Haushaltsstrom des Klägers genutzt.
Weil Einkommen nicht erzielt wurde und wird und verwertbares Vermögen nicht vorhanden ist, wird die Leistungshöhe durch die Höhe der Bedarfe ohne weitere Abzüge bestimmt. Eine Erhöhung der Bedarfe führt automatisch zu einer Steigerung der Leistungshöhe.
1.2.3. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die lediglich unübersichtlichen und rechnerisch schwer nachvollziehbaren, im Ergebnis jedoch richtigen Begründungen der Bewilligungsbescheide lösen keinen Aufhebungsanspruch nach § 42 Satz 1 SGB X aus. Sofern der Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II zunächst nicht für die Monate bis Januar 2012 für die Leistungshöhe wirksam gemacht wurde, hat die Beklagte dies durch ihr Teilanerkenntnis korrigiert. Ein rechtlicher Nachteil zuungunsten des Klägers, auch lediglich in verfahrensrechtlicher Hinsicht, lässt sich nunmehr nicht mehr feststellen.
1.2.4. Höhere Leistungsansprüche für den Kläger können nicht durch Ausschöpfung von Auslegungsspielräumen, auch unter systematischer Berücksichtigung grundgesetzlicher Vorgaben, festgestellt werden. Die Verwendung der zahlenmäßig fixierten Beträge der Regelbedarfe durch die Vorschriften setzt der Auslegung Grenzen. Die besondere Herstellung der systematischen Zusammenhänge von § 20 Abs 5 SGB II mit §§ 28a SGB XII und 8 RBEG sowie RBSFV 2012 schränkt die Auslegungsmöglichkeiten dieser bezifferten Beträge ein. Es ist kein Weg ersichtlich – ein solcher wird in Rechtsprechung und Literatur (vgl etwa LSG Stuttgart, Urteil vom 21.10.2011, L 12 AS 3445/11; Münder: Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung, Soziale Sicherheit, Sonderheft September 2011, 63 ff; Rixen Sozialrecht aktuell 2011, 121 ff; Rothkegel ZFSH/SGB 2011, 69 ff; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323 ff; Groth NZS 2011, 571 ff; Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungs-recht, Baden-Baden 2011, § 10, RdNr 191 ff; Neškovic/Erdem SGb 2012, 134 ff; Lenze in NVwZ 2011, 1104 ff; Lenze in LPK-SGB II § 20, RdNr 45; Hannes in Gagel: SGB II/SGB III, 44EL 2012, § 20 SGB II RdNr 3 ff; Breitkreuz in BOK § 22 SGB II, Stand 01.03.2012, RdNr 7 ff) auch nicht aufgezeigt –, wie diese Vorschriften darüber hinaus verfassungskonform ausgelegt werden könnten, weil die angeordneten Rechtsfolgen eindeutig formuliert sind und parallel anzuwendende vorrangige Vorschriften nicht existieren. Der gesetzgeberische Wille kommt im genannten Regelungsgefüge hinreichend deutlich zum Ausdruck, so dass davon abweichende Auslegungen die Grenze verfassungsrechtlich zulässigen (Art 20 Abs 3 und 97 Abs 1 GG) methodischen Vorgehens überschreiten würden. Vielmehr hat der Gesetzgeber bzw. der Verordnungsgeber der RBSFV 2012 hinsichtlich der Festlegung des Regelbedarfs etwa für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren das bestehende Auslegungspotenzial bereits zugunsten der Betroffenen ausgeschöpft (siehe Beschluss der Kammer vom 25.04.2012, S 55 AS 9238/12) die bereits für die Sozialhilfe geltenden höheren Regelbedarfe auch für das SGB II wirksam gemacht.
Nach geltendem Recht kann der Kläger also höhere als die festgesetzten Leistungen nicht beanspruchen.
2. Die Kammer ist davon überzeugt, dass §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG und die RBSFV 2012 verfassungswidrig sind, weil sie gegen Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstoßen. Sie sind nur unzureichend im Rahmen des vom BVerfG geforderten Verfahrens gesetzt worden und hinsichtlich der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil eine erhebliche und betragsmäßig beachtliche Abweichung vom verfassungsgemäßen Zustand anzunehmen ist. Dem Gesetzgeber war vom BVerfG in dessen Urteil vom 9. Februar 2010 aufgegeben worden, einen verfassungskonformen Zustand ab 1. Januar 2011 herzustellen. Dies ist nicht geschehen.
2.1. Die Vorschriften der §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG und die RBSFV 2012 über die Regelbedarfswerte für alleinstehende Leistungsberechtigte verstoßen in mehrfacher Hinsicht gegen Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
2.1.1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG (BVerfG Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, RdNr 133). Art 1 Abs 1 GG begründet den Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG beauftragt den Gesetzgeber, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen Wertungen zukommt, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden sind (BVerfG ebd). Dieses Grundrecht hat als Gewährleistungsrecht aus Art 1 Abs 1 GG in seiner Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art 1 Abs 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat (BVerfG ebd). Dem Schutzauftrag des Staates aus Art 1 Abs 1 GG korrespondiert ein Leistungsanspruch des Grundrechtsträgers (BVerfG ebd RdNr 134).
Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt. Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig (BVerfG ebd RdNr 137). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind; er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst (BVerfG ebd RdNr 135). Bemerkenswert an diesen Ausführungen des BVerfG ist die Differenzierung zwischen der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und dem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Damit hebt das BVerfG den Aspekt der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen gegenüber dem sonst weit gefassten Verständnis der Teilhabe besonders heraus.
Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen (BVerfG ebd RdNr 139 mwN). Hierzu hat er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibt ihm dafür keine bestimmte Methode vor; er darf sie vielmehr im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auswählen. Abweichungen von der gewählten Methode bedürfen allerdings der sachlichen Rechtfertigung (BVerfG ebd). Dem Gesetzgeber ist bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dieser umfasst die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und ist zudem von unterschiedlicher Weite: Er ist enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG ebd RdNr 138). Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG ebd RdNr 141).
Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt, beschränkt sich – bezogen auf das Ergebnis – die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (BVerfG ebd). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfordert aber eine Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden (BVerfG ebd RdNr 142). Um eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, müssen die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig sein (BVerfG ebd); die festgelegten Sätze müssen sich auf der Grundlage belastbarer Zahlen und vertretbarer Wertungen rechtfertigen lassen (BVerfG ebd RdNr 161). Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art 1 Abs 1 in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat (BVerfG ebd RdNr 143). Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen (BVerfG ebd RdNr 144). Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit dem GG in Einklang (BVerfG ebd).
Das BVerfG gibt also eine Prüfung in zwei Stufen vor. Es verlangt zunächst eine Negativevidenzprüfung mit der Klärung, ob die Leistungshöhe nach ihrem Ergebnis evident unzureichend ist. Sodann ist in mehreren Schritten das Verfahren zur Ermittlung der Leistungshöhe zu untersuchen. Dazu verlangt das BVerfG eine Offenlegung der die Leistungsfestsetzung rechtfertigenden Wertungen und tatsächlichen Umstände. Zwar findet sich im Urteil vom 9. Februar 2010 des BVerfG keine ausdrückliche Formulierung, die die Offenbarung auch der erfolgten Wertungen verlangt. Allerdings besteht das BVerfG auf der nachvollziehbaren Offenlegung der im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte (BVerfG ebd). Dies ist ohne die Darstellung der wertenden Aspekte, die bei der Auswertung und Verwendung der Ermittlungen und Erlangung von "verlässlichen Zahlen" sowie deren Einbeziehung in die einzelnen Berechnungsschritte, damit die daraufhin erfolgten Festsetzungen der Leistungen tragfähig vor dem Zweck des Grundrechts gerechtfertigt sind (BVerfG ebd RdNr 142) nicht zu denken. Die geforderte Schlüssigkeit/Folgerichtigkeit und Nachvollziehbarkeit kann ohne die Verdeutlichung der notwendigen und tatsächlich erfolgten wertenden Entscheidungen nicht erlangt werden. Gerade auch auf diese Wertungen muss sich die Transparenzforderung des BVerfG (ebd RdNr 139) beziehen.
Soweit dem BVerfG entgegen gehalten wird, das Verlangen nach einer derartigen Begründung der gesetzgeberischen Entscheidungen finde keine Grundlage im Grundgesetz (Hebeler in DÖV 2010, 754; Groth in NZS 2011, 571, 572), weil die Verfassungsgerichte auf die materiell-rechtliche Prüfung beschränkt seien und mit einer Begründungspflicht eine Schwächung der gesetzgebenden Körperschaften, insbesondere der Opposition verbunden sei, folgt dem die Kammer nicht. Die Annahme, die Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsgemäße Ordnung überlasse diesem im Übrigen einen freien Willen (Hebeler aaO S 761), greift insoweit zu kurz, als sie außer Acht lässt, dass wesentliche Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere die Sozialstaatlichkeit wie auch die Rechtsstaatlichkeit, diesem freien Willen keinen Raum für Willkür lassen. Deshalb ist es zu Recht ständige Rechtsprechung des BVerfG, dass die gesetzgeberischen Zwecke bei der einzelgesetzlichen Ausgestaltung der Grundrechte erkennbar sein müssen. Dem entspricht bei einem Grundrecht, das aus Grundgesetznormen, die für unsere Verfassung in ihrem Kern prägend sind und deshalb unter dem besonderen Schutz von Art 79 Abs 3 GG stehen, unmittelbar abzuleiten ist, ein Verbot zu willkürlicher und realitätsferner Entscheidung. Das innere Gesetzgebungsverfahren muss deshalb in einem solchen Maße transparent gemacht werden, dass erkennbar wird, inwieweit der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum eingehalten bleibt. Den völlig freien Willen des Gesetzgebers (ggf nur in weit verstandenen verfassungsrechtlichen Grenzen) kennt nach Abschaffung der Monarchie die demokratische, republikanische Verfassung des Grundgesetzes nicht. Der demokratische Prozess ist auf rationale Entscheidung und Transparenz angelegt (vgl. Schwerdtfeger: Optimale Methodik der Gesetzgebung, Festschrift Ipsen, 1977, S 177 und 185, Berlit in KJ 2010, 145, 149) und daher auch auf inhaltliche Nachvollziehbarkeit. Dies wird durch Begründungsobliegenheiten des Gesetzgebers, zumal bei der Ausgestaltung von Regelungen mit unmittelbarem Grundrechtsbezug, verfassungsrechtlich handhabbar. Wieso durch höhere Rationalität und Transparenz die Arbeit gerade der Opposition beeinträchtigt werden können soll, erschließt sich der Kammer nicht. Für eine hinreichende Gesetzesbegründung bedarf es der Hilfestellung der Exekutive nicht (das ist wohl eine Sorge von Groth aaO); wäre dies der Fall, müssten ernstzunehmende demokratisch-parlamentarische Defizite konstatiert werden. Insbesondere hat auch die Opposition Zugriff auf das jeweils relevante Datenmaterial und kann sich sachverständig in das Gesetzgebungsverfahren einbringen.
2.1.2. Der Gesetzgeber hat das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art 1 Abs 1 in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG und dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gerecht werdenden Weise grundsätzlich zutreffend erfasst und umschrieben. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des Inhalts der Regelbedarfe durch §§ 19, 20 Abs 1 Sätze 1 und 2 SGB II. Der Gesetzgeber gewährt die Leistungen auf der Grundlage von Regelbedarfen, Mehrbedarfen, Bedarfen für die Unterkunft und Heizung und stellt eine ausreichende Sicherung gegen die Risiken von Krankheit und Pflegebedürftigkeit zur Verfügung (vgl zu den vergleichbaren Vorgängerregelungen BVerfG aaO RdNr 148). Damit sind die Ziele der physischen Existenzsicherung wie auch der angemessenen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben grundrechtskonform erfasst.
2.1.3. Die verfassungsrechtliche Negativevidenzprüfung führt nicht zur Annahme evident unzureichender Leistungsansprüche im Sinne dieser Zwecksetzung. Dabei ist die Kammer der Auffassung, dass eine evidente Unterversorgung auch schon dann anzunehmen ist, wenn erkennbar ausschließlich die physische Seite des Existenzminimums abgedeckt ist. Dann fehlte es vollständig an der Teilhabekomponente. Angesichts der Vorgabe des BVerfG, dass auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu gewährleisten ist (RdNr 135), wäre der Leistungsumfang trotz des für die Teilhabeaspekte deutlich weiteren Gestaltungsspielraums evident unzureichend.
Dennoch ist der Maßstab der Negativevidenzprüfung ein strenger. Mit diesem Maßstab allein kann sich die Kammer keine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfssätze bilden. Das BVerfG konnte den bis 2010 geltenden Regelbedarfen eine evidente Bedarfsunterdeckung nicht entnehmen. Es hat in nicht unerheblichem Umfang trotz der beanstandeten Fehler Teilhabeanteile festgestellt. Dies muss auch für die ab Januar 2011 geltenden Regelbedarfe angesichts der ausführlichen Darstellungen in den Gesetzesmaterialien (insbesondere in der BT-Drs 17/3404) angenommen werden. Zudem wurde der Leistungsumfang nicht unbeachtlich erhöht. Denn neben der numerischen Anhebung des Regelbedarfs um 5,00 EUR für Alleinstehende erfolgte eine ergänzende effektive Erhöhung durch die Herausnahme der Bedarfe für die Warmwasserbereitung aus den Regelbedarfen und deren separate Berücksichtigung im Rahmen der §§ 21 Abs 7, 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (Brehm/Schifferdecker SGb 2011, 505, 506). Dies bewirkt für Alleinstehende eine zusätzliche Erhöhung des individuellen Bedarfs um jeweils etwa 8,00 EUR (2011, für 2012: 8,60 EUR), wenn man die Pauschale nach § 21 Abs 7 SGB II als Maßstab nimmt. Effektiv wurde der Regelbedarf damit für Alleinstehende zunächst um 13,00 EUR erhöht. Diese Steigerung überschreitet deutlich das Niveau einer nur aufgrund der Inflation erforderlichen Erhöhung gegenüber 2010. Konnte das BVerfG 2010 keine evidente Bedarfsunterdeckung feststellen und wurden die Bedarfe um 13,00 EUR erhöht, vermag auch die Kammer für die aktuelle Regelung keine evidente Bedarfsunterdeckung anzunehmen.
2.1.4. Der Gesetzgeber hat im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auch ein zur Bemessung des Existenzminimums grundsätzlich taugliches Berechnungsverfahren gewählt. Das nach §§ 20 Abs 5 SGB II, 28, 28a SGB XII und RBEG maßgebliche Statistikmodell (BT-Drs 17/3404 S 50 f) ist eine verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare Methode zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums (BVerfG aaO RdNr 162). Damit hat der Gesetzgeber an die vom BVerfG ausdrücklich bestätigte Methode angeknüpft (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 328). Dem Statistikmodell liegen bei der Erfassung des regelleistungsrelevanten Verbrauchs die Überlegungen zugrunde, dass einerseits über die Verbrauchsstatistik der existenznotwendige Bedarf erfasst werden kann (BVerfG aaO RdNr 165 f; Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungsrecht, Baden-Baden 2011, RdNr 205) und andererseits der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen in einzelnen Ausgabepositionen vom durchschnittlichen Verbrauch abweichen kann, der Gesamtbetrag der Regelleistung es aber ermöglicht, einen überdurchschnittlichen Bedarf in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer anderen auszugleichen (BVerfG aaO RdNr 172). Der Gesetzgeber muss deshalb die regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge so bestimmen, dass ein interner Ausgleich möglich bleibt (BVerfG ebd).
Im Ergebnis verfassungsrechtlich noch vertretbar ist auch sein Vorgehen, die sozialhilferechtliche Bestimmung des Existenzminimums als Referenzsystem (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 324) für eine weitgehend einheitliche Bemessung der Regelbedarfe anzuwenden (vgl. BVerfG aaO RdNr 160). Dieses Vorgehen erscheint zwar methodisch fragwürdig, kann aber bei konsequenter Beachtung seiner Nachteile im Gesetzgebungsverfahren im Rahmen des bestehenden Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers noch als sachgerecht angesehen werden. Die Bedenken gegen das methodische Vorgehen mit einem sozialhilferechtlichen Ausgangspunkt ergeben sich daraus, dass der Gesetzgeber bei Betrachtung der Regel-Ausnahme-Situation mit dem sozialhilferechtlichen Grundmaßstab ersichtlich vom quantitativen und qualitativen Ausnahmefall ausgegangen ist. Bei der gesetzlichen Regelung im Rahmen zulässiger Generalisierung, Typisierung und Pauschalierung darf der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG jedoch grundsätzlich nicht vom atypischen Fall ausgehen (BVerfG Urteil vom 09.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, RdNr 60 mwN und 77).
Der sozialhilferechtliche Bedarf ist nach der völligen Umstrukturierung des Grundsicherungsrechts zum 1. Januar 2005 dadurch geprägt, dass die jeweiligen Leistungsberechtigten aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, insbesondere weil sie wegen voller Erwerbsminderung oder Alters dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihren Lebensunterhalt nicht zu decken vermögen. Die ganze Entwicklung des Grundsicherungsrechts der Bundesrepublik mit ihrem sanktionsbewehrten Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe betrachtet diese Hilfebedürftigkeitssituation als Ausnahmefall, wenn auch nicht als atypische Sondersituation. Laufende Leistungen nach dem SGB XII bezogen am Jahresende 2010 rund 895.000 Menschen (außerhalb von Einrichtungen), davon erhielten rund 797.000 Personen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII; 98.354 Personen empfingen 2010 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen; im Laufe des Jahres 2009 erhielten knapp 1,2 Millionen Personen Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel des SGB XII (dabei sind teilweise die bereits genannten Personen außerhalb von Einrichtungen miterfasst). Dagegen bezogen insgesamt über 6,7 Millionen Menschen 2010 Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem SGB II (Quellen: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 393 vom 21.10.2011 und Jahresbericht 2010 der Bundesagentur für Arbeit). Es drängt sich auf, dass Personen ohne Bezug zum Erwerbsleben andere Bedarfe haben als solche, die in das Erwerbsleben eingegliedert werden sollen oder (Kinder, Jugendliche, Studenten) darauf vorbereitet werden.
Das Vorgehen des Gesetzgebers, vom quantitativen wie auch vom qualitativen Ausnahmefall auszugehen, birgt die große Gefahr in sich, dass für den Regelfall relevante Bedarfe nicht angemessen berücksichtigt werden (ein darauf basierender Fehler wird im Folgenden Induktionsfehler genannt). Dies hat sich in der Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 sehr deutlich daran gezeigt, dass der Gesetzgeber Aufwendungen für Bildung und Fortbildung seinerzeit völlig ignoriert hatte (BVerfG ebd RdNr 180).
Das Grundkonzept des Gesetzgebers, im Rahmen verfassungsrechtlich zulässiger Generalisierung einheitliche Werte für die Bestimmung der Existenzsicherungsbedarfe unabhängig von der aktuellen Lebenssituation zu ermitteln (die dann auch für andere Bereiche – z B Steuer- und Unterhaltsrecht – Bedeutung haben), ist nicht zu beanstanden. Indes muss der Gesetzgeber dabei Werte finden, die für die verschiedenen Gruppen, für welche existenzsichernde Leistungen zu erbringen sind, deren Bedarfe realitätsgerecht abbilden. Dazu muss er gegebenenfalls die besonderen Bedarfe einer näheren Betrachtung und Würdigung unterziehen und entweder zusätzliche Bedarfe normieren oder die Werte der generellen Regelbedarfe hinreichend bedarfsgerecht an der bedarfsintensivsten Gruppe messen. Unter Beachtung dieser Maßstäbe kann die gewählte Methode als noch verfassungsrechtlich zulässig angesehen werden.
2.1.5. Der Gesetzgeber hat jedoch den Regelbedarf für Alleinstehende von 364 Euro (2011) bzw durch Fortschreibung 374 EUR (2012) nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht in verfassungsgemäßer Weise ermittelt, weil von den Strukturprinzipien des Statistikmodells, das er selbst gewählt und zur Grundlage seiner Bemessung des notwendigen Existenzminimums gemacht hat, ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen wurde und wesentliche wertende Entscheidungen unter Missachtung des Gestaltungsspielraums fehlerhaft getroffen wurden. Der festgesetzte Regelbedarf – und damit zugleich regelleistungsrelevante Verbrauch – beruht nicht auf einer tragfähigen und folgerichtigen Auswertung der EVS 2008 und nicht vollumfänglich anhand von Wertungen, die sich an den Zwecken der Bedarfsfestlegung hätten orientieren müssen. Der Gesetzgeber hat die erforderlichen Tatsachen nicht im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und er hat sich nicht in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt. Teilweise beruht die Festsetzung nicht auf belastbaren Zahlen (so die Forderung des BVerfG aaO RdNr 161).
2.1.5.1. Die Referenzgruppe für die Ableitung der Bedarfe für Alleinstehende wurde fehlerhaft festgelegt.
Der Gesetzgeber hat den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht genutzt, indem er als Referenzgruppe die unteren 15 Prozent der Alleinstehenden-Haushalte gewählt hat. Besteht ein Gestaltungsspielraum, ist er (BVerfG aaO RdNr 133: "unausweichlich") wertend auszufüllen (so auch zutreffend Groth in NZS 2011, 571, 574; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 326). Allein dem parlamentarischen Gesetzgeber kommen die erforderlichen Wertungen zu (BVerfG aaO RdNr 138). Dies ist zugleich Befugnis und Pflicht. Die Bedarfsdeckung und Sicherung des Existenzminimums sind keine für die Politik beliebig verfügbaren Größen (Berlit in KJ 2010, 145, 154). Die vom Gesetzgeber auch insofern zu verlangende Offenlegung seiner Entscheidungsgründe (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 72) muss nicht restlos überzeugend sein. Sie hat jedoch schlüssig und mit vertretbaren Argumenten zu zeigen, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum erkannt und wertend genutzt hat. Die bloße Regelung, ohne deren Grundlagen hinreichend und vertretbar zu verdeutlichen, entspricht nicht den Vorgaben des BVerfG, die die Leistungsfestsetzung rechtfertigenden Wertungen offenzulegen. Dies gilt erst recht, wenn die Festlegung an einer derart wichtigen "Stellschraube" erfolgt, wie die Festlegung des Maßstabs der Referenzgruppe.
Die für die Festsetzung der Referenzgruppe maßgebenden Gründe des Gesetzgebers werden nicht erkennbar (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 71). Die mitgeteilten Motive sind als Begründung nicht schlüssig oder tragfähig. Insofern ist über die reine Festsetzung der Begrenzung für die Referenzgruppe hinaus ein totaler Wertungsausfall festzustellen, weil nicht nachvollziehbar wird, wieso die Daten dieser Referenzgruppe geeignet sein sollen, Werte abzuleiten, die aus dem Ausgabenverhalten dieser Haushaltsgruppe auf eine Bedarfsdeckung für die Leistungsberechtigten schließen ließen. Die Festsetzung der Referenzgruppe erscheint daher willkürlich. Lenze (NVwZ 2011, 1104, 1107) meint, es sei kein statistischer Zufall, dass die Berechungen genau den Betrag von 364 EUR ergeben hätten, der bereits 2008 im 7. Existenzminimumbericht für 2010 in Aussicht gestellt worden sei (vgl. BT-Drs 16/11065 S 3). Die Vermutung, dass die Festsetzung der Referenzgruppe erfolgte, um eine relevante Erhöhung des Regelsatzes zu vermeiden und weitestgehend fiskalisch motiviert – also nicht sachorientiert und daher nicht realitätsgerecht – war (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 72; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 326 mwN), wird nicht mit dem Argument entkräftet, dass mit der erfolgten Begrenzung eine "Aufwärtsspirale" vermieden werden könne. Dieses Argument wurde im Gesetzgebungsverfahren (nicht aber im Gesetzesentwurf) von der Bundesregierung angeführt (BT-Drs 17/3982 S 2), ist aber nicht erkennbar vom Gesetzgeber aufgegriffen worden (siehe BT-Drs 17/4095 – Ausschussbericht – S 26 ff). Es beruht auf der Befürchtung, dass ein unveränderter Ansatz der unteren 20 Prozent der Haushalte zu höheren Bedarfen, damit zu umfangreicheren Haushaltsausschlüssen und deshalb mit einem Aufrücken der Referenzgruppe in Gruppen von Haushalten mit höheren Einkommen, somit wieder zur höheren Ausgabenwerten und dadurch zur Feststellung höherer Bedarfe führe usw (BReg, BT-Drs 17/3982 S 2; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 326 f). Es bestehe die Sorge, dass so auch Haushalte mittlerer Einkommen in die Referenzgruppe einbezogen werden könnten (Mogwitz ebd S 327). Eine solche "Aufwärtspirale" ist bislang nicht belegt und kann gerade bei einer ersten verfassungskonformen Ermittlung des Regelsatzes kaum ernsthaft ins Feld geführt werden. Zudem ist nicht ersichtlich, warum dieser Effekt bei einer Begrenzung der Referenzgruppe anhand der unteren 20 Prozent auftreten soll, nicht aber bei einer anderen Grenzziehung, wie etwa 12, 15 oder 23 Prozent. Zudem definieren Mogwitz, wie auch der Gesetzgeber nicht, was sie unter Haushalten "mittlerer Einkünfte" verstehen. Es lässt sich mit der Sorge einer Aufwärtsspirale nicht begründen, warum durch die Bezugnahme auf die Ausgaben der unter unteren 15 Prozent der Haushalte auf eine existenzsichernde Bedarfsdeckung geschlossen werden könnte. Dieses Argument ist daher nicht tragfähig und bestätigt eher die Vermutung rein fiskalischer und daher sachwidriger Erwägungen, als dass es diese widerlegen würde.
Neben dem selbstverständlich zutreffenden Argument (Rixen in Sozialrecht aktuell 2011, 121, 122), dass nur Haushalte mit niedrigem Einkommen/einkommensschwache Haushalte und nicht solche erheblich höherer Einkünfte in die Referenzgruppe einzubeziehen sind (BT-Drs 17/3404 S 87), waren für den Gesetzgeber zwei Argumente für die Bestimmung der Referenzgruppe bei den unteren 15 Prozent in ausdrücklicher Abweichung zur vom BVerfG bestätigten Wahl der unteren 20 Prozent (des unteren Quintils) bei den Bewertungen der EVS 1998 und 2003 wesentlich. Angeführt wird zum einen, dass eine hinreichende Datenbreite vorhanden sei (BT-Drs 17/3404 S 89; Groth in NZS 2011, 571, 574; Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungsrecht, Baden-Baden 2011, RdNr 233). Zweites Argument ist, dass mit den erfolgten Ausschlüssen von Haushalten aus der Referenzgruppe die Obergrenze der berücksichtigten Referenzhaushalte bei 22,3 Prozent aller nach dem Nettoeinkommen geschichteter Haushalte und damit höher als bei Auswertung der EVS 2003 liege (BT-Drs 17/3404 S 89; Groth in NZS 2011, 571, 574).
Die hinreichende statistische Datenbreite ist im Rahmen der Statistikmethode zwar ein wichtiges Kriterium, es ist indes nicht hinreichend (Rixen aaO S 122). Nach dieser Argumentation könnte ebenso auf das untere Prozent zurückgegriffen werden, wenn die Datenbasis nur ausreichend breit ist. Dies genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben jedoch nicht, weil der Gesetzgeber wertend die Entscheidung zu treffen hat, inwieweit realitätsgerecht die tatsächliche Ausgabenstruktur der Referenzhaushalte eine Absicherung der Bedarfe erlaubt. Dabei ist die Budgetrestriktion zu berücksichtigen, dass bei sehr armen Haushalten die Ausgabenstruktur wegen der prekären finanziellen Situation von den laufenden Einkünften bestimmt wird, aber durchaus nicht den tatsächlich bestehenden Bedarf widerspiegeln wird (Becker, Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung, Soziale Sicherheit, Sonderheft September 2011, S 9). Deshalb trägt auch allein das richtige Argument der Notwendigkeit des Rückgriffs auf die unteren, nicht aber mittleren Haushaltseinkommen die Entscheidung nicht.
Der Vergleich in der Begründung des Fraktionsentwurfs mit den Daten der EVS 2003 ersetzt eine eigene wertende Entscheidung des Gesetzgebers nicht. Er hat inhaltlich für die erforderliche Wertung keinen Erkenntniswert. Er trägt schon auch deshalb nicht, weil die EVS 2003 für die Regelbedarfe des SGB II zu keinem Zeitpunkt maßgeblich wurden. Das SGB II basierte ausschließlich auf den hochgerechneten Werten der EVS 1998 (BVerfG Urteil vom 09.02.2010, RdNr 169; BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 8/09 R; Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331). Der Verweis auf die frühere Erhebung und die darauf gestützten (verfassungswidrig bemessenen) sozialhilferechtlichen Regelsätze macht nicht deutlich, wieso aus dem Ausgabenverhalten dieser Haushalte am unteren Ende der Einkommensverteilung die Deckung der Bedarfe zu schließen ist. Selbst nach den Angaben des Fraktionsentwurfs waren um ein Vielfaches mehr Haushalte als 2003 (8,6 % gegenüber 0,5 % - BT-Drs 17/3403 S 89 – das ist eine Steigerung auf das mehr als 17-fache) aus der Referenzgruppe herauszurechnen, um Zirkelschlüsse zu vermeiden, die entstehen, wenn der sozialhilferechtliche Bedarf durch die Ausgaben von Grundsicherungsleistungen beziehenden Haushalten bestimmt würde. Dies spricht dafür, dass sich die Einkommensstruktur bei den unteren Haushalten dramatisch verändert haben musste (oder aber schon bei den auf der EVS 2003 basierenden Berechnungen eklatant fehlerhaft gewesen sein mussten, weshalb sich erst recht ein Vergleich mit den seinerzeit abgeleiteten Werten verbieten würde. Die massive Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse seit den Hartz-Reformen spricht aber für einen deutlichen Wandel der Einkommensstrukturen bei den unterdurchschnittlichen Haushalten). Solche Veränderungen machen einen derartigen Vergleich wertlos, zumal das BVerfG insbesondere dem sozialstaatlichen Aspekt des Grundrechts die Pflicht des Gesetzgebers zur Beobachtungen der Veränderungen entnommen hat (BVerfG aaO RdNr 133, 138). Schon ein Rückgriff auf die unteren 20 Prozent musste angesichts der beachtlichen Veränderungen eine entsprechende Begründung vorsehen. Mogwitz (ZFSH/SGB 2011, 323, 326) verweist zutreffend darauf, dass die konkrete Größe der Referenzgruppe kein allgemeiner, dauerhaft gültiger Maßstab sein könne. Der Fraktionsentwurf teilt zudem mit, dass sich die insgesamt höheren Durchschnittsausgaben "zu einem guten Teil" aus einem deutlichen Anstieg der Mieten und der Wohnungsnebenkosten ergaben (ebd). Berücksichtigt man weiter, dass die Ableitung der SGB-II-Regelsätze verfassungswidrig mit den grundsicherungsrechtlich unerheblichen rentenrechtlichen Anpassungsfaktoren aus der EVS 1998 erfolgte und auch die Anpassungen seit 2005 auf dieser unzulässigen Anpassung beruhten (BVerfG aaO RdNr 184), verbleibt einem Vergleich der Bestimmung der Referenzgruppe durch Vergleich mit den früheren Berechungen keinerlei Aussagewert, der die notwendige wertende Ausfüllung des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraumes belegen könnte.
Soweit ersichtlich wurde nur noch ein weiteres Argument für die Bestimmung der Referenzgruppe herangezogen. Es handelt sich um das Anliegen, grundsicherungsrechtlich zu vermeiden, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB XII ein monatliches Budget zur Verfügung haben, das über demjenigen von Personen liegt, die im unteren Einkommenssegment für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen (BT-Drs 17/3404 S 87, Brauksiepe in BT 17. Wahlperiode 64. Sitzung, Plenarprotokolle S 6728 B). Das dahinter stehende Lohnabstandsgebot (Brauksiepe ebd) ist vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 nicht als denkbares Kriterium erwähnt worden (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 73; Berlit in KJ 2010, 145, 158 spricht überzeugend von "beredtem Schweigen" des BVerfG). Es kann eine willkürfreie Ausfüllung des Gestaltungsspielraums auch nicht belegen, sofern kein Maßstab für diesen Abstand oder einen Bezugslohn mitgeteilt wird – und ein solcher findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht. Ein Lohnabstandsgebot ist nach den Vorgaben des BVerfG auch deshalb nicht tragfähiges Argument, weil es weder qualitativ noch quantitativ zum zwingend zu deckenden Bedarf für die physische Existenzsicherung noch für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben irgendeinen Bezug hat (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 73, Berlit in KJ 2010, 145, 158). Das BVerfG führt wörtlich aus: "Über die Veränderungen des notwendigen Bedarfs zur Deckung des Existenzminimums vermag die Entwicklung der Bruttolöhne jedoch keine Auskunft zu geben." (RdNr 184) Vielmehr ist es wesentliche Aufgabe der Grundsicherungsleistungen, die durch eigene Erwerbsarbeit nicht zu erbringende Sicherung der Existenz der Bedarfsgemeinschaft zu gewährleisten. Das Konzept des Statistikmodells würde seiner sachlichen Legitimation beraubt, wollte man den Lohnabstandsgedanken dadurch realisieren, den Regelbedarf unter die statistisch ermittelten Daten aus dem Konsumverhalten abzusenken (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 74).
Im Hinblick auf die Bewertung, welches Perzentil in die Referenzgruppe einbezogen werden soll, gilt zu beachten, dass je tiefer die Grenze angesetzt wird, der Spielraum desto geringer dafür ist, Ausgabenpositionen aus dem Bedarfsspektrum zu streichen, weil damit der interne Ausgleich, wie ihn das BVerfG fordert, nicht mehr gewährleistet wird.
Die Referenzgruppe ist auch insofern fehlerhaft bestimmt, als sie Haushaltsgruppen enthält, die nach den Vorgaben des BVerfG zur Vermeidung von Zirkelschlüssen (RdNr 168) nicht hätten einbezogen werden dürfen. Unzulässige Zirkelschlüsse würden daraus resultieren, dass das Ausgabeverhalten der Adressaten von Grundsicherungsleistungen selbst zum Ausgangspunkt der Bestimmung der Höhe der Leistungen gemacht würde. Damit würde ein selbstreferenzielles/sich selbst definierendes Bemessungssystem verwendet (Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungsrecht, Baden-Baden 2011, RdNr 225). Dazu hat das BVerfG den Maßstab klar vorgegeben (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 324 f). Der Gesetzgeber hat darauf zu achten, "dass Haushalte, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch und dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch inklusive der Leistungen für Unterkunft und Heizung liegt, aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden." (BVerfG aaO RdNr 169) Diese Vorgabe bezieht sich auf die Auswertung "künftiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben". Es ist aber nicht anzunehmen, dass dieser Maßstab bei der vom BVerfG verlangten, bis zum 1. Januar 2011 zu schaffenden Regelung unberücksichtigt zu bleiben hätte. Allenfalls lässt sich aus dem Zusammenhang der Äußerung mit der Berücksichtigung der "versteckten Armut" annehmen, dass für die im Zeitpunkt des Urteils bereits bekannte, aber noch nicht hinreichend ausgewertete EVS 2008 bei einem nur unzureichenden Instrumentarium "empirisch unsicherer" Schätzungen ein Spielraum eingeräumt sei. Dieser kann aber grundsätzlich nicht den vom BVerfG formulierten Maßstab selbst betreffen.
Damit scheint das BVerfG den bisher im Sozialhilferecht geltenden Maßstab verworfen zu haben, dass nur die Haushalte nicht zu berücksichtigen seien, die ihren Lebensunterhalt "überwiegend" aus Transferleistungen beziehen. Diesen Ansatz hat der Gesetzgeber nunmehr jedenfalls ausdrücklich aufgegeben (BT-Drs 17/3404 S 88). Die Vorgabe des BVerfG folgt konsequent der Funktion des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, die dann wirksam werden muss, "wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann" (BVerfG aaO RdNr 134). Zwar ist der vom BVerfG für den Ausschluss aus der Referenzgruppe vorgegebene Maßstab von Nettoeinkommen unter dem Grundsicherungsleistungsniveau nicht völlig klar. Offen bleibt insbesondere, wie mit den bundesweit unterschiedlichen Unterkunftskosten zu verfahren ist. Hier wäre der Gesetzgeber gehalten gewesen, sachgerechte Kriterien anzuwenden oder zu entwickeln, etwa die Heranziehung der Angemessenheitswerte nach dem Wohngeldrecht. Unklar ist auch, ob das BVerfG mit dem Begriff des "Niveaus" der Grundsicherungsleistungen ein abstraktes Merkmal – also eine allgemeine Existenzsicherungsgrenze – oder einen individuellen Wert derart im Auge hatte, dass die Nettoeinkommen im jeweiligen Einzelfall betragsmäßig geringer zu sein haben als die tatsächlich gewährten Grundsicherungsleistungen. Für ein Verständnis im Sinne eines generell-abstrakten Merkmals spricht der Äußerungszusammenhang mit der "verdeckten" Armut, weil dabei ja gerade keine Transferleistungen im Sinne des individuellen Vergleiches zur Verfügung stehen. Für ein solches Verständnis spricht auch der ausdrückliche Hinweis auf die Bildung des Grenzwertes aus allen relevanten Bedarfsbereichen als Summe. Gewiss fallen aber unter die vom BVerfG erwähnten "Nettoeinkommen" solche aus Erwerbstätigkeit. Ebenso klar ist, dass mit den Nettoeinkommen gerade nicht die Leistungen der Grundsicherungssysteme gemeint gewesen sein können, weil es Haushalte mit Nettoeinkommen (inkl Grundsicherungsleistungen) unter dem Grundsicherungsleistungsniveau gerade nicht geben können soll.
Evident hat der Gesetzgeber gegen diesen Maßstab verstoßen, indem er sämtliche Haushalte mit Erwerbseinkommen in die Referenzgruppe eingegliedert hat. Dass bereits ab dem ersten Euro Erwerbseinkommen eine Einbeziehung erfolgte, war ausdrücklich erklärter Wille des Gesetzgebers (BT-Drs 17/3404 S 87). Nach § 3 Abs 1 RBEG sind diejenigen Haushalte nicht als Referenzhaushalte im Sinne des § 2 RBEG zu berücksichtigten, die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezogen haben. Damit hat der Gesetzgeber aber gerade nicht sichergestellt, dass das Verbrauchsverhalten von Beziehern existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II und SGB XII (auch neben dem Bezug anderer Sozialleistungen) nicht zur Grundlage der Bedarfsermittlung gemacht wird (so aber LSG BaWü. Urteil vom 21.10.2011, L 12 AS 3445/11, Juris-RdNr 26), denn wegen Abs 2 Nr 1 der Vorschrift werden Haushalte mit Erwerbseinkommen (weil die ersten 100 EUR "nicht als Einkommen berücksichtigt" werden) stets in die Referenzhaushalte einbezogen (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 325). Sofern der Gesetzgeber davon ausgeht, dass damit in der Referenzgruppe nur Haushalte verbleiben, die von Einkünften oberhalb der "Sozialhilfeschwelle" leben (LSG BaWü aaO JurisRdNr 26; Siebel-Huffmann aaO RdNr 224, 231), so entspricht das gerade nicht der Vorgabe des BVerfG. Soweit das Vorgehen des Gesetzgebers für vertretbar gehalten wird (Siebel-Huffmann aaO RdNr 224, 231; Mogwitz aaO S 325), ist zu bemerken, dass ein Vergleich der Begriffe Nettoeinkommen und des Grundsicherungsniveaus im Sinne "reiner Hilfeleistungen" – also ohne Freibeträge – nicht angestellt und insbesondere der Begriff des Nettoeinkommens nicht definiert werden. Die Umstellung des vom BVerfG verwendeten Begriffs des Nettoeinkommens, welcher erkennbar die Grundsicherungsleistungen nicht umfasst, auf den Begriff der dem Haushalt insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel einschließlich der Grundsicherungsleistungen, ohne die Bedeutungsdifferenz zu verdeutlichen, ist argumentativ unzulässig. Für das BVerfG war unerheblich, ob die Haushalte mit der Summe von Erwerbseinkommen und Grundsicherungsleistungen über das Niveau derjenigen der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch und dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch inklusive der Leistungen für Unterkunft und Heizung gelangen; maßgeblich ist für das BVerfG ausschließlich, dass die Nettoeinkommen das Grundsicherungsniveau unterschreiten. Vielmehr noch hatte das BVerfG die frühere Referenzgruppenbestimmung gerade deshalb für verfassungsrechtlich gerechtfertigt gehalten, weil der Gesetzgeber habe vertretbar davon ausgehen können, dass die bei der EVS 1998 "zugrundegelegte Referenzgruppe statistisch zuverlässig über der Sozialhilfeschwelle lag" (BVerfG aaO RdNr 169 diesem Kriterium mwN) und zwar, weil diejenigen Personen, die während des Zeitraums der statistischen Erhebungen ihren Lebensunterhalt "überwiegend aus Leistungen der Sozialhilfe bestritten haben, konsequent ausgeschlossen wurden" (BVerfg ebd). Auch wenn das BVerfG diesen Maßstab anscheinend nicht mehr weiterverwendet wissen will, so war er doch zur Rechtfertigung der bisherigen Bemessung tragend. Diesen Maßstab hat der Gesetzgeber jedoch nunmehr verlassen und bei Bezug von Erwerbseinkommen von einem EUR an aufwärts auch bei höheren Grundsicherungsleistungen als Erwerbseinkommen (ohne Berücksichtigung der Freibeträge) die Haushalte in die Referenzgruppe einbezogen. Auf die Bestätigung des früheren Vorgehens durch das BVerfG kann sich der Gesetzgeber daher nicht mehr berufen, schon gar nicht, wenn es um die Ausklammerung der Haushalte "versteckter Armut" geht.
Allein aus der unzulässigen Einbeziehung von Haushalten mit Erwerbseinkommen folgt eine massive Reduzierung des festgelegten Bedarfs gegenüber dem verfassungsrechtlich korrekten Bedarf. Dabei wäre der Gesetzgeber schon nach den eigenen Maßstäben verpflichtet gewesen, eine höhere Grenze für erzieltes Erwerbseinkommen anzusetzen, um einen Ausschluss aus der Referenzgruppe zu bewirken. Er hat sich nämlich bei der Auswertung der EVS 2008 auf die 2008 geltenden Grundsicherungswerte bezogen. Deren Richtigkeit hatte das BVerfG aus methodischen und inhaltlichen Gründen aber gerade beanstandet, so dass sie als Grenzwerte methodisch ungeeignet waren. Insbesondere waren sie schon deshalb evident falsch, weil die Anpassung bezogen auf Werte von 1998 – also über einen Zeitraum von 10 Jahren – fehlerhaft mit den rentenrechtlichen Maßstäben erfolgt war. Schließlich erfolgte eine Erhöhung der Leistungen um 13,00 EUR, also in einem Umfang, der über die neue Anpassungsmethode deutlich hinausreichte. Damit steht aber fest, dass in der Referenzgruppe Haushalte gewesen sein mussten, die (trotz sehr geringer Einkünfte) unter dem neu ermittelten Grundsicherungsniveau lagen, also hätten ausgeklammert sein müssen. Zweifel daran, dass derartige Fälle praktisch vorkommen können sollen (Brauksiepe aaO S 6728), erscheinen unberechtigt, weil auch Lohnnachzahlungen in der EVS zu erfassen waren und kontinuierliche Zuflüsse für den Ausschluss aus der Referenzgruppe nicht maßgeblich waren.
Der Einwand von Becker, dass jedenfalls Einkünfte bis 100,00 EUR zum Ausschluss aus der Referenzgruppe hätten führen müssen (Gutachten, aaO S 19, Münder stellt – wenig schlüssig, weil er auf eine von ihm selbst als unzulässig bewertete Differenzierung des Gesetzgebers und deren Ermittlung nach Auswertung der Daten der EVS Bezug nimmt – auf einen Betrag von lediglich 73 EUR ab: Münder, Gutachten aaO S 72 f), wird der Vorgabe des BVerfG schon nicht gerecht. Er ist aber insofern sachlich richtig, als nach der eigenen gesetzgeberischen Bewertung (zunächst in § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF, nunmehr in § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II) dieser Betrag – und zwar bei Einkünften unter 400 EUR unwiderleglich – die mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Aufwendungen abdecken soll. Diese Aufwendungen stehen zur Sicherung des Existenzminimums aber gerade nicht zur Verfügung, können als leistungsminderndes Einkommen deshalb nicht berücksichtigt werden und sind deshalb zur Vermeidung von Zirkelschlüssen nicht im Rahmen der Referenzhaushalte berücksichtigungsfähig. Soweit Groth meint, die Grenze von 100,00 EUR sei willkürlich (aaO S 573), ist das ein nicht minder schwerer Vorwurf gegen den Gesetzgeber bei der Normierung des § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II. Nach Auffassung der Kammer ist dieser Wert jedoch im Rahmen zulässiger Typisierung und Pauschalierung unter Betrachtung des Regelfalles derzeit nicht zu beanstanden, wenn man die typischen Aufwendungen wie Fahrtkosten, Werbungsaufwendungen (wie Berufskleidung, eigene Arbeitsmittel), die Absicherung durch die gesetzlich erwarteten und als für Arbeitnehmer angemessen angesehenen Versicherungen und Vorsorgesystem wie die Riester-Rente, Haftpflicht- sowie Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherungen berücksichtigt. In Berlin werden allein mit einer Monatskarte – nur AB – im Abo, der Versicherungspauschale und der Werbungskostenpauschale (also noch ohne Riester-Vorsorge) 100 Euro überschritten. Nutzt man das Sozialticket und betreibt Riester-Vorsorge, werden 100 EUR ebenfalls "spielend" erreicht. Immerhin teilt Groth mit, dass bei Ausschluss von Haushalten mit einem Einkommen bis zu 100,00 EUR der Regelbedarf für Alleinstehende um 6 EUR auf 370 EUR gestiegen wäre (ebd S 573). Ein vollständiger Ausschluss der Aufstocker (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 73) lässt sich mit dem Maßstab des BVerfG nicht begründen und erscheint im Hinblick auf die weiteren Freibeträge auch nicht zwingend.
Das BVerfG hat es in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 für die Bestimmung der 2005 maßgeblichen Werte genügen lassen, dass "verdeckt arme" Haushalte (also solche, die durch Auflösung von Vermögen und Zuwendungen Dritter unter dem Sicherungsniveau ohne Transferleistungsempfang leben) nicht im Rahmen empirisch unsicherer Schätzungen aus der Berechnung herausgehalten wurden (RdNr 169). Wesentlicher Grund war neben der empirischen Ungewissheit, dass die Haushalte, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Leistungen der Sozialhilfe bestritten, konsequent aus der Referenzgruppe ausgeschlossen worden waren (ebd). Es hat insofern jedoch dem Gesetzgeber bei der Fortentwicklung entsprechende Prüfungs- und Beobachtungsaufgaben gestellt (ebd). Soweit Becker (Gutachten, aaO S 20 ff), Münder (Gutachten aaO S 70 ff) und Lenze (NVwZ 2011, 1104, 1105) ausführen, dass bereits im Gesetzgebungsverfahren statistische Verfahren zur Verfügung standen, die Berechnungsansätze mit tendenzieller Unterschätzung verdeckter Armut implizieren und deren Einsatz bei der Berechnung der Bedarfe dem Sicherstellungsauftrag des Gesetzgebers und der Notwendigkeit des Ausschlusses von Haushalten mit Einkommen unter dem Niveau der existenzsichernden Leistungen besser gerecht würden, hält die Kammer diese Argumentation für überzeugend. Mit dem von Becker vorgeschlagenen Verfahren würden zwar nicht alle "verdeckt armen" Haushalte herausgefiltert, aber zumindest die eindeutig in verdeckter Armut lebenden Haushalte könnten aus der Bedarfsermittlung ausgeklammert werden (Becker aaO S 23). Der Vorschlag lässt in praktikabler Weise die Umsetzung der Forderung des BVerfG zu, dass Haushalte mit Nettoeinkommen unter dem Niveau der Grundsicherungsleistungen aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden. Das wären nach Becker ca. 15 Prozent der Referenzgruppe (ebd S 24). Bezogen auf die Referenzgruppe der unteren 15 Prozent der Haushalte ergebe sich ein um 18 EUR höherer Regelbedarf (ebd). Nachdem der Gesetzgeber nun jedoch nicht mehr konsequent die Haushalte aus der Referenzgruppe heraushält, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Grundsicherungsleistungen bestritten haben (so das BVerfG bei der Bestätigung der früheren Vorgehensweise RdNr 169), kann es schwerlich noch als vertretbar angesehen werden, die "verdeckt armen Haushalte" zumindest mit dem vorhandenen statistischen Instrumentarium annäherungsweise mit tendenzieller Unterschätzung dieser Gruppe in der Referenzgruppe zu belassen.
Nicht überzeugend ist die Einbeziehung der studentischen Haushalte in die Referenzgruppe und die weitere Behandlung der erhobenen Daten dieser Gruppe. Es handelt sich dabei um eine relevante Gruppe mit 318 von 1.678 Haushalten (18,95 %, also fast ein Fünftel). Aus dieser Gruppe sind die Bezieher von Leistungen nach dem BAföG nicht ausgeschieden worden. Dies ist nach den methodischen Vorgaben des BVerfG unzulässig, weil das BAföG neben seiner ausbildungsfördernden Funktion eine existenzsichernde Aufgabe zu erfüllen hat (BSG, Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, RdNr 25). Beide Funktionen stehen nach der Rechtsprechung des BSG gleichwertig nebeneinander (BSG ebd). Als existenzsichernde Leistungen mussten sie aber zum Ausschluss der Empfänger dieser Leistungen aus der Referenzgruppe führen, um die Bedarfsbestimmung aus einem selbstreferenziellen System heraus zu vermeiden. Die Argumentation im Fraktionsentwurf, der Bezug von Leistungen nach dem BAföG lasse keine Rückschlüsse auf die Einkommenshöhe zu, da diese ausbildungsspezifische Bedarfe abdecken und auf die besondere Situation während der Ausbildung zugeschnitten seien (BT-Drs 17/3404 S 88), stellt nicht nur keine Begründung der Einbeziehung der Haushalte dar, sondern müsste erst recht zum Ausschluss der studentischen Einpersonenhaushalte führen. Als relevante Teilmenge der Referenzgruppe bewirken die studentischen Haushalte eine deutliche Verzerrung des statistischen Ergebnisses.
Tatsächlich ist der Bezug von BAföG-Leistungen noch nicht einmal existenzsichernd. Das Leistungsniveau ist so gering, dass ein Ausschluss der Empfänger dieser Leistungen aus der Referenzgruppe auch deswegen erforderlich war. Die Kammer ist der Überzeugung, dass die Leistungen des BAföG hinsichtlich ihres existenzsichernden Charakters nicht den Vorgaben des BVerfG in dessen Urteil vom 9. Februar 2010 entsprechen, weil sie nicht in einem entsprechenden Verfahren bestimmt wurden, das dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums entsprochen hätte. So erwähnen die Gesetzesmaterialien der BAföG-Novelle 2010 den grundsichernden Charakter der Leistung nicht und erörtern einen realitätsgerecht bemessenen Leistungsumfang nicht (BT-Drs 17/1551 S 14) – und zwar nach dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil dem Grunde nach BAföG-Berechtigte wegen § 7 Abs 5 SGB II grundsätzlich von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen sind. Die Neuregelungen in § 27 SGB II erfassen weitestgehend nur Unterkunftskosten und Sonderbedarfe. Für den Regelfall und hinsichtlich der Regelbedarfe sieht das Gesetz Leistungen nach dem SGB II nicht vor. Als monatlichen Höchstbedarf ohne Unterkunftskosten gibt § 13 Abs 1 Nr 2 BAföG für Studierende an Hochschulen seit der BAföG-Novelle 2010 einen Betrag von 373 EUR vor. Dies scheint zwar dem aktuellen Regelbedarf fast zu entsprechen. Allerdings enthält dieser Wert in deutlich größerem Umfang einen ausbildungsbezogenen Bedarf (Semester-/Prüfungsgebühren, Lehrbücher, Studienmaterial etc). Dieser ausbildungsspezifische Bedarf besteht nach der Rechtsprechung des BSG in einem Umfang von 20 Prozent der BAföG-Gesamtleistung (BSG Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, RdNr 30), aktuell 119,40 EUR. Damit können die BAföG-Leistungen praktisch nicht als existenzsichernd angesehen werden. Sofern auf die Möglichkeit der Abzweigung des Kindergeldes, das auf die Leistungshöhe wegen des Freibetrages nach § 23 Abs 1 Nr 1 BAföG nicht anzurechnen ist, verwiesen wird, ist zu beachten, dass Kindergeld nur bis zum 25. Lebensjahr gewährt wird (§§ 2 Abs 2 Nr 2 BKGG, 62, 63 Abs 1 Nr 1, 32 Abs 4 Nr 2 EStG). Diese Möglichkeit ist einem Großteil der Studierenden, insbesondere solchen im zweiten Bildungsweg und im Masterstudium daher verschlossen.
Die besonders ungünstige Situation der Studenten innerhalb der Referenzgruppe wird auch daran deutlich, dass das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen der Studenten mit 658 EUR signifikant unter dem Durchschnitt der Referenzgruppe (705 EUR) liegt (vgl Becker, Gutachten S 26). Damit befindet sich das durchschnittliche studentische Einkommen zugleich unter der Grenze der Grundsicherungsleistungen (bei einem abstrakt zu verstehenden Niveau der Grundsicherungsleistungen i s d Vorgaben des BVerfG), insbesondere wenn man die Steigerungen bei den Unterkunftskosten seit 2008 berücksichtigt. Allein dies rechtfertigte den Ausschluss dieser Haushalte aus der Referenzgruppe. Da es sich um eine beachtliche Gruppe innerhalb der Referenzgruppe handelt, wird der Durchschnitt der Referenzgruppe dadurch wesentlich mitbestimmt. Die Herausrechnung der Studenten aus der Referenzgruppe würde zu einer Erhöhung des Regelbedarfs um 6 EUR führen (Becker - siehe Beschluss der Kammer vom 25.04.2012, S 55 AS 9238/12). Dabei ist noch nicht der Effekt berücksichtigt, dass wegen der Entfernung eines knappen Achtels der Referenzgruppe, diese (nach oben) um eine entsprechende Zahl von Haushalten zu erweitern wäre, was wohl ebenfalls eine weitere Erhöhung des Regelbedarfs bewirken würde.
Hinsichtlich der Studentengruppe unterläuft dem Gesetzgeber dann im Weiteren ein Induktionsfehler, wenn er, obwohl die Aufwendungen der studentischen Gruppe für Ernährung und Beherbungs-/Gaststättendienstleistungen/Mensaessen als Summe deutlich geringer sind als im Durchschnitt der Referenzgruppe, die Aufwendungen für Gaststättendienstleistungen und Mensaversorgung auf den reinen Wert der Anschaffungskosten für Lebensmittel kürzt. Dies bewirkt eine Reduzierung der bei Studenten berücksichtigten Aufwendungen um ca 40 EUR, während die Ernährungsaufwendungen ohnehin schon 45 EUR unter denen des Referenzgruppendurchschnitts liegen (Becker, Gutachten S 26). Selbstverständlich ist für einen erwerbsunfähigen Sozialhilfeempfänger die Mensaversorgung nicht typisch und grundsätzlich auch nicht notwendig. Studenten können im Rahmen des laufenden Studienbetriebes indes nicht darauf verwiesen werden, sich ihr Essen täglich selbst zu kochen und das (günstige) Mensaessen zu verschmähen. Sollen die Studenten in die Ermittlung des Bedarfs einbezogen werden und haben die so ermittelten Werte wegen ihres generellen Ansatzes auch Auswirkungen auf die Existenzsicherung der Studenten, müssen die besonderen Umstände und Bedarfe der Existenzsicherung der Studenten beachtet werden und in den Regelsatz einfließen, nicht aber aus diesem eliminiert werden.
Diese massiven Fehler bei der Bestimmung der Referenzgruppe begründen bereits ohne Beachtung der weiteren Fehler (dazu sogleich) die Verfassungswidrigkeit der festgelegten Regelbedarfe und deren Fortschreibung.
2.1.5.2. Wesentliches Legitimationsmoment der vom Gesetzgeber gewählten Methode ist die statistische Signifikanz der erhobenen Daten. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Bedarfe für langlebige Konsumgüter, die über das vom Gesetzgeber geforderte Ansparmodell vom Bedarf erfasst sein sollen, lässt sich das nicht annehmen. Vielmehr beruhen die Festsetzungen insoweit und, soweit damit das Ansparmodell weiterverfolgt wird (vgl § 24 Abs 1 SGB II), auf nicht belastbaren oder verlässlichen Zahlen. Das BVerfG hat es ausdrücklich für zulässig gehalten, dass der Gesetzgeber im Rahmen pauschalierter Leistungsgewährung ein solches Ansparen im Regelsatz eingepreist hat (BVerfG aaO RdNr 150). Trotz der recht großen Gruppengröße von 1.678 Einzelpersonenhaushalten (BT-Drs 17/3982 S 1) weist indes die EVS 2008 bei den langlebigen Konsumgütern Waschmaschine, Kühlschrank, Geschirrspüler, Fahrrad nur Fallzahlen unter 25 auf (siehe Symbol " / " bei den jeweiligen Positionen in BT-Drs 17/3404 S 52, 56, 59). Dies ist statistisch nicht signifikant; durch die EVS 2008 ist die Bedarfsdeckung bei langlebigen Gebrauchsgütern nicht belegt (Becker, Gutachten aaO S 10, 32 f: "Die im Reformgesetz implizite Annahme, mit dem angewandten Verfahren könnten auch die Bedarfe an der Nutzung von langlebigen Gebrauchsgütern erfasst werden, ist nicht haltbar."; Münder, Gutachten aaO S 68). Nach den statistischen Daten sollen nur höchstens 1,43 Prozent der Haushalte (24:1678) innerhalb eines Jahres die als grundsicherungsrelevant angegebenen Gebrauchsgüter (z.B. Waschmaschine oder Kühlschrank) angeschafft haben. Dies würde bedeuten, dass – statistisch – ein Haushalt der Referenzgruppe sich nur alle 70 Jahre einen Kühlschrank oder eine Waschmaschine anschafft, sollten nur 12 Haushalte in der Referenzgruppe entsprechende Anschaffungen getätigt haben (die genaue Zahl wird ja auch nicht mitgeteilt), verlängert sich der Zeitraum auf 140 Jahre. Dies hält die Kammer angesichts der sehr hohen Ausstattungsquote auch der ärmeren Haushalte mit diesen Produkten nicht ansatzweise für glaubhaft. Immerhin sind in den Daten auch Anschaffungen gebrauchter Ware enthalten. Die der gesetzgeberischen Entscheidung zugrunde liegenden Daten sind daher evident nicht realitätsgerecht bzw verlässlich und mussten im Gesetzgebungsverfahren schon aus statistischer Sicht ernsthaft hinterfragt werden. Die Gesetzesbegründung äußert sich zu diesem Aspekt überhaupt nicht. Sie erläutert auch nicht, wie der im Ansparmodell für die genannten langlebigen Gebrauchsgüter bestehende Bedarf mit monatlich 2,66 EUR ausreichen können soll. Den Verfahrensvorgaben und der inhaltlichen Vorgabe des BVerfG, das der Bedarf realitätsgerecht bemessen werden müsse, hat der Gesetzgeber damit nicht genügt.
Unter diesen Umständen lässt sich auch nicht nachvollziehen, wie eine zehnprozentige Reduzierung der Leistungsauszahlungen durch Aufrechnung (§ 42a Abs 2 Satz 1 SGB II) mit Darlehen zur Anschaffung langlebiger Gebrauchsgegenstände nach §§ 24 Abs 1 Satz 1 SGB II gerechtfertigt sein kann. In diesem Umfang ist ein Ansparen angesichts eines Monatsbedarfs von lediglich 2,66 EUR schon nicht möglich und die Reduzierung der monatlich zur Verfügung gestellten Leistung um 10 % (2011 also 36,40 EUR) greift erheblich in die Gewährleistung der anderen Bedarfe ein, zumal der interne Ausgleich praktisch nicht mehr gewährleistet ist (dazu unten). Unter diesem Gesichtspunkt kann die Berechnung des Regelbedarfs nicht als "im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt" (BVerfG aaO RdNr 143) angesehen werden. Sofern das BVerfG eine gewisse Fehlerspanne zulassen will ("im Wesentlichen"), ist diese Grenze angesichts der gesetzgeberischen Regelungen im Kontext des Ansparmodells mit 10-prozentiger Leistungsreduzierung überschritten. Im Hinblick auf diesen Mangel vertritt Becker nach Auffassung der Kammer zu Recht die Auffassung, dass für diese Bedarfe wieder Einmalleistungen sachgerecht wären (Becker aaO S 33).
2.1.5.3. Der wertende Ausschluss bestimmter Güter und Dienstleistungen aus dem EVS-Katalog zur Ermittlung des Regelbedarfs ist hinsichtlich einzelner Güter und Dienstleistungen nicht hinreichend statistisch belegt oder sachgerecht nachvollziehbar begründet (a A Groth/Siebel-Huffmann in NJW 2011, 1105, 1110; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 333). Zwar ist der Gesetzgeber auch bei grundsätzlicher Anwendung des Statistikmodells nicht gehindert, einzelne Ausgabenpositionen zu kürzen oder zu streichen (so zutreffend Mogwitz aaO S 328). Ein solcher Eingriff in das System verlangt indes nach den überzeugenden Vorgaben des BVerfG einer besonderen Rechtfertigung. Diese muss sich in einer sachgerechten und nachvollziehbaren Begründung widerspiegeln. Aus ihr muss sich die ausfüllende Betätigung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ergeben, die aber gerade die Zwecke des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umzusetzen hat. Für die dabei erforderlichen Wertungen ist ausschließlich der parlamentarische Gesetzgeber berufen (Mogwitz ebd). Diesem ist Willkür dabei indes nicht gestattet (in diesem Sinne dürfte Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 76 zu verstehen sein; vgl die harte Kritik von Mogwitz aaO S 329). Der Gesetzgeber hat daher die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen (BVerfG aaO RdNr 144). Bereits die Verletzung dieser Obliegenheitspflicht begründet die Verfassungswidrigkeit der konkreten Regelbedarfsbestimmung (BVerfG aaO RdNr 171).
Dies gilt zunächst für die Aufwendungen für Verkehr (Rixen in Sozialrecht aktuell 2011, 121, 123). Soweit der Gesetzgeber zulässig mit dem BVerfG (aaO RdNr 179) davon ausgegangen ist, dass die Unterhaltung eines Kfz nicht zum existenziellen Bedarf zählt, durfte er den durch die Nutzung des Kfz bestehenden Bedarf für den Transport von Personen und Lebensmitteln nicht außer Acht lassen (BVerfG ebd). Der im Rahmen der Neubemessung der Regelbedarfe vorgenommene normative Abschlag widerspricht dieser Vorgabe. Dass der Gesetzgeber diesen Verkehrsbedarf nicht sachgerecht erfasst hat, ergibt sich daraus, dass er zwar durch eine Sonderauswertung eine Vergleichsgruppe (die kein Kfz nutzt) gebildet hat und deren Bedarf ermittelte. Fehlerhaft hat er in die Vergleichsgruppe jedoch die Haushalte einbezogen, die keine Ausgaben für Verkehr hatten (BT-Drs 17/3404 S 59; Münder, Gutachten aaO S 76). Dies leuchtet nicht ein, weil es ja gerade um die Substitution eines reellen Mobilitätsbedarfs geht. In die Durchschnittsbildung der Gesamtgruppe können die Kfz-nutzenden Haushalte daher nur mit einem Durchschnittswert eingebunden werden, der aus der Gruppe der nicht Kfz-nutzenden Haushalte mit Verkehrsausgaben entnommen wird. Der Anteil der Personengruppe ohne Verkehrsaufwendungen darf innerhalb der Gesamtgruppe nicht dadurch erhöht werden, dass sie bei Personen mit Verkehrsaufwendungen anteilig berücksichtigt wird. Daraus resultiert im Regelbedarf ein Mobilitätsbedarf von 23,88 EUR statt der vom Gesetzgeber berücksichtigten 18,41 EUR bei "fremden Verkehrsdienstleistungen", so dass sich der Wert in § 5 RBEG Abteilung 7 (Verkehr) um 5,47 EUR erhöhen müsste (Münder, Gutachten aaO S 76), nach Anpassung zum 1. Januar 2011 genau 5,50 EUR.
Die Kammer teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die normative Reduzierung der Berücksichtigung von Ausgaben für alkoholische Getränke (Münder, Gutachten aaO S 75; Lenze in NVwZ 2011, 1104, 1106). Hier argumentiert der Fraktionsentwurf ausschließlich unter Berücksichtigung des Aspekts des physischen Existenzminimums (BT-Drs 17/3404 S 53). Auch nachdem der Gesetzgeber die hochprozentigen Spirituosen aus der Berechnung ausgeklammert hatte, substituiert er die verbliebenen 7,19 EUR durch den Wert von 2,99 EUR (Differenz: 4,20 EUR) für aus seiner Sicht angemessene alkoholfreie Getränke (12 Liter Flüssigkeit - BT-Drs 17/3404 S 53). Völlig außer Acht gelassen und deshalb im Ergebnis nicht überzeugend ist der mit dem (gemäßigten) Genuss von alkoholischen Getränken verbundene Teilhabe-Aspekt (Münder aaO, Lenze aaO). Auch die Flasche Wein oder Sekt als im deutschen Kulturkreis angemessenes Geschenk wird nicht im Rahmen der Teilhabe gewürdigt. Inwieweit nicht hochprozentige alkoholische Getränke für die Teilhabe relevant sind, wurde vom Gesetzgeber weder statistisch betrachtet noch wertend.
Für nicht nachvollziehbar hält die Kammer den normativen Ausschluss von Schnittblumen und Zimmerpflanzen (BT-Drs 17/3404 S 62), deren Umfang in der EVS 2008 mit 3,24 EUR notiert ist (BT-Drs 17/3404 S 141). Auch hier argumentiert die Begründung (S 62) ausschließlich damit, dass es sich dabei nicht um existenzsichernden Grundbedarf handele. Selbstverstänsdlich gehören derartige Anschaffungen nicht zum physischen Existenzminimum. Völlig verkannt wird die Teilhabekomponente, die insbesondere der Strauß Blumen oder ein Blumentopf mit Blühpflanzen als Geschenk im mitteleuropäischen Kulturraum besitzen. Hier übersieht der Gesetzgeber offensichtlich die vom BVerfG ausdrücklich hervorgehobene Komponente der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen im Rahmen der Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (BVerfG aaO RdNr 135). Hinsichtlich dieses Umstandes fehlt es an jeglicher Begründung der Streichung, so dass dieser normative Abschlag als unbegründete Abweichung vom Statistikmodell verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Dabei negiert die Kammer durchaus nicht, dass bei den genannten Anschaffungen solche für den Eigenbedarf, wie etwa auch die in der Position enthaltenen Weihnachtsbäume und Advents- oder Grabgestecke, enthalten sind, welche durchaus im Sinne wertender Entscheidung durch den Gesetzgeber aus dem Bedarfskatalog herausgenommen werden könnten. Aber auch dazu, welchen Anteil die Anschaffungen für den Eigenbedarf oder aber für Geschenke besitzen, finden sich keinerlei Angaben des Gesetzgebers. Diese Kritik setzt gerade nicht die eigene Einschätzung der Kammer an die Stelle der des Gesetzgebers (so aber Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 330), sondern besteht darauf, dass die vom BVerfG zu Recht geforderte tragfähige und nachvollziehbare Begründung erfolgen muss, um willkürliche Eingriffe in das methodische Vorgehen ausschließen zu können. Dem genügt hinsichtlich der Bedeutung des Teilhabeaspekts der bloße Hinweis, es handele sich nicht um existenzsichernden Grundbedarf (BT-Drs 17/3404 S 62), ersichtlich nicht.
Der Induktionsfehler für die Streichung von Kantinenaufwendungen wurde für die Studenten schon angesprochen. Er schlägt ebenso für die erwerbstätigen Angehörigen der Referenzgruppe durch (vgl. Münder aaO S 78). Insgesamt werden die Aufwendungen für Speisen und Getränke in Kantinen und Mensen von 4,12 EUR auf 1,17 EUR gekürzt (BT-Drs 17/3404 S 62 f), also um 2,95 EUR (rechnet man den Anteil der Studenten aus der Vergleichsgruppe von 18,95 % heraus, verbleibt eine Kürzung von 2,40 EUR, hochgerechnet um die Anpassung zum Januar 2011). Dabei wird ausschließlich, wie auch bei den Kürzungen für Speisen und Getränke in Restaurants, Cafés und an Imbissständen (BT-Drs ebd), mit Blick auf das physische Existenzminimum argumentiert (BT-Drs 17/3404 S 63). Dass der Besuch in Restaurants und Cafés und Imbissständen eine wesentliche Teilhabeseite hat, wird in der Begründung nicht angesprochen. Dies wiegt um so schwerer, als ebenfalls hier die vom BVerfG hervorgehobene Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen betroffen ist. Die Kürzung erfolgt insofern also ohne jegliche Begründung auf die für das Grundrecht relevante Teilhabeseite und ist bereits deshalb als unbegründeter Eingriff in das vom Gesetzgeber selbst gewählte Statistikmodell nach den Maßstäben des BVerfG nicht gerechtfertigt. Die Kürzungen für Speisen und Getränke in Restaurants, Cafés und an Imbissständen wegen der Reduzierung auf 28,5 Prozent (Groth/Siebel-Huffmann in NJW 2011, 1105, 1106) betreffen einen Betrag von 15,01 EUR (ohne Studentenanteil und hochgerechnet für 2011 ergibt das eine Kürzung von 12,23 EUR).
Nicht hinreichend begründet sind die Reduzierungen des Bedarfs hinsichtlich der Aufwendungen für Kosten der chemischen Reinigung, für Vorstellungsgespräche (Unterkunft/Bewerbungskleidung/Anzugsreinigung/Fahrtkosten), Prüfungsgebühren (vgl jeweils Münder aaO S 77 f) – weitestgehend Induktionsfehler – und Reparaturkosten für Einrichtungsgegenstände. Bei den Kosten der chemischen Reinigung ist schon die Annahme des Gesetzgebers nicht statistisch belegt, es handele sich dabei stets um höherwertige Kleidung, die nur wenige Kleidungsstücke betreffe (BT-Drs 17/3404 S 54 f) und nicht im Leistungsspektrum für bescheidene Lebensverhältnisse erfasst sei. Gerade Oberbekleidung ist sehr häufig nicht für Maschinenwäsche geeignet (Becker aaO S 38). Unzutreffend ist der Hinweis im Fraktionsentwurf, dass Reparaturaufwendungen entfallen könnten, weil diese durch die Erstausstattungsbedarfe gedeckt seien (BT-Drs 17/3404 S 57). Die Reparatur oder Ersatzanschaffung nach Verschleiß ist gerade nach zutreffender ständiger Rechtsprechung nicht durch die Möglichkeit von Erstanschaffungen (schon dem Wortlaut nach) gedeckt (ständige Rechtsprechung des BSG).
2.1.5.4. Durch die umfangreichen Streichungen von Gütern und Dienstleistungen aus dem EVS-Katalog zur Ermittlung des Regelbedarfs ist die vom BVerfG geforderte Möglichkeit zum internen Ausgleich (BVerfG aaO RdNr 172) nicht mehr gewährleistet. Auch dies ist ein Fehler, der bereits für sich die Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfsbestimmung bewirkt. Dies wirkt sich um so stärker aus, als die Referenzgruppe offensichtlich bedarfsreduzierend festgelegt wurde. Die Möglichkeit zum internen Ausgleich ist Kernelement der pauschalierenden Normierung und des Vorgehens über das Statistikmodell. Richtig ist deshalb, dass die einzelnen errechneten Detailbedarfe keine reellen Bedarfe eines idealtypischen Haushalts sind (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 331). Um so wichtiger ist, dass bei sehr erheblichen Reduzierungen gegenüber der Referenzgruppe als Maßstab, was einfache Lebensführung sein soll (§ 28 Abs 4 SGB XII), erkennbar bleibt, dass der internen Ausgleich realitätsgerecht berücksichtigt und keine gesetzgeberische Fiktion ist, die lediglich behauptet ist (an die aber Rechtsfolgen geknüpft werden – Aufrechnung mit Darlehen).
Becker und Münder addieren insgesamt normative Abschläge und Streichungen von insgesamt 151 EUR (Becker aaO S 44; Münder aaO S 79; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 330 errechnet ca. 140 EUR). Dabei handelt es sich um einen sehr hohen Betrag, wenn man den nach diesen Abschlägen ermittelten Regelbedarf betrachtet und ein gewisser Bezug zur Referenzgruppe noch bestehen können soll. Bezogen auf den ermittelten Regelbedarf liegen Kürzungen von 41,73 Prozent vor. Während die Referenzgruppe die untersten 15 Prozent der Haushalte ohne Transferleistungen (aber mit BAföG) ausmacht, werden die daraus ermittelten Ausgaben zur physischen Existenzsicherung und zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zur gesellschaftlichen Teilhabe um weitere 30 Prozent gekürzt. Bei einem derart "auf Kante genähten" Regelbedarf kann von einem internen Ausgleich bei abweichenden Einzelbedarfen nicht ausgegangen werden. Bereits gezeigt wurde, dass ein Ansparen ausgeschlossen ist. Bei derart umfassenden Abschlägen ist eine Kontrollüberlegung des Gesetzgebers notwendig, ob angesichts zahlreicher Kürzungen der Einzelpositionen der interne Ausgleich noch gewährleistet ist. Dies ist nicht geschehen. Das Statistikmodell wird bei derartig umfassenden Streichungen angesichts sehr niedrig angesetzter Bestimmung der Referenzgruppe und der Unmöglichkeit zum internen Ausgleich seiner Funktion und seiner Legitimation beraubt.
2.2. Eine erhebliche und betragsmäßig beachtliche Abweichung vom verfassungsgemäßen Zustand ist anzunehmen. Diese Abweichung lässt sich im Hinblick auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, insbesondere im Teilhabebereich, weitgehend nicht als echte/reelle Regelbedarfskürzung sondern nur als normativer Fehlbetrag im Sinne einer verfassungsrechtlichen Beschwer erfassen, wiewohl viele der deutlich gemachten Fehler zur Überzeugung der Kammer zu einer Erhöhung der Regelbedarfe führen müssen. Sofern die Kammer damit ein über die Vorgaben des BVerfG hinausgehendes zusätzliches, restriktives Kriterium der verfassungsrechtlichen Beurteilung und der Möglichkeit einer verfassungsgerichtlichen Klärung vorsieht, findet dies seine Rechtfertigung darin, dass nicht jeder einzelne Fehler bei der insgesamt sehr komplizierten und komplexen Ermittlung der Regelbedarfe und angesichts der strengen methodischen Prüfung, die das BVerfG verlangt, bei betragsmäßiger Geringfügigkeit die verfassungsgerichtliche Klärung erlauben kann (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 334). Das BVerfG selbst gestattet dem Gesetzgeber Fehler in gewissen Grenzen, wenn es nur "im Wesentlichen" vollständige und zutreffende Ermittlungen verlangt (BVerfG aaO RdNr 143). Insofern ist dem Gesetzgeber im demokratischen Prozess und bei der ihm auferlegten kontinuierlichen Überprüfung der gesellschaftlichen Veränderungen und des methodischen Instrumentariums zu vertrauen. Indes ist angesichts der Vielzahl von Fehlern, deren Zusammenwirkung und deren Ausmaß das hier geprüfte einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig.
Für alleinstehende Leistungsberechtigte muss gegenüber verfassungskonformer Bestimmung der Referenzgruppe und grundrechtskonformen Verzicht auf unzulässige normative Abschläge ein normativer Fehlbetrag von mindestens 35,37 EUR (für 2012 angepasst: 36,07 EUR) angenommen werden. In diesen Betrag sind eingeflossen 6,00 EUR für die Einbeziehung von Haushalten mit Erwerbseinkommen bis zu 100 EUR in die Referenzgruppe, 6,00 EUR wegen der fehlerhaften Einbeziehung der Studenten in die Referenzgruppe, 5,50 EUR wegen der fehlerhaften Ermittlung des Mobilitätsbedarfs, 12,23 EUR wegen der ungerechtfertigten Kürzung bei Speisen und Getränken in Restaurants, Cafés und Imbissen und 2,40 EUR Kantinenversorgung (dabei sind in einem Umfang von 3,42 EUR die entsprechenden Kürzungen für studentische Haushalte unberücksichtigt, die sich somit in den 6,00 EUR wegen der Einbeziehung der Studenten wieder finden) sowie 3,24 EUR wegen der Streichung der Schnittblumen/Blumentöpfe. Unberücksichtigt geblieben sind dabei die Einbeziehung "verdeckter Armut" und die unzulässige Einbeziehung von Erwerbstätigen mit Nettoeinkünften von mehr als 100 EUR, aber unterhalb der Bedarfssätze. Auch die weiteren Fehler bei der Feststellung der Referenzgruppe, die völlig unzureichende Erfassung des Bedarfs für langlebige Gebrauchsgüter, die einzelnen unzulässigen normativen Abschläge (alkoholische Getränke, chemische Reinigung ) und, dass wegen der Gesamtkürzungen der interne Ausgleich nicht mehr möglich ist, haben noch keinen Eingang in den angesprochenen normativen Fehlbetrag gefunden. Bei diesen weiteren Fehlern besteht teilweise ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der eine genauere Bezifferung durch die Kammer ausschließt. Insgesamt drängt sich ein Fehlerbereich im Sinne einer grundrechtlichen Beschwer jedenfalls von deutlich über 10 Prozent des Regelbedarfs auf. Dies ist ein im Verhältnis zum bislang festgesetzten Regelbedarf erhebliches und auch bei wertender Betrachtung beachtliches verfassungsrechtliches Defizit.
Für den Kläger ergeben sich insgesamt also monatliche normative Fehlbeträge von derzeit mindestens 36 EUR, die verfassungsrechtlich als nicht gerechtfertigt erscheinen. Auch dieser Betrag kann nicht mehr als unbeachtlich gelten.
Eine Korrektur der Fehler erst nach Weiterentwicklung der statistischen Methoden und neuer Bewertung bei der nächsten EVS erscheint im Hinblick auf den Umfang der Fehler und die Bedeutung des Grundrechts unzureichend (so auch Münder aaO S 84; Lenze in NVwZ 2011, 1104, 1108). Dem Gesetzgeber war aufgetragen worden, einen verfassungskonformen Zustand zum 1. Januar 2011 herzustellen.
2.3. Eine entsprechende Korrektur der Feststellungen der Entgelte hätte für die Leistungshöhe der Ansprüche auf Arbeitslosengeld II des Klägers unmittelbar Auswirkungen. Aufgrund der Regelung des § 19 Abs 3 Satz 1 SGB II würde die Erhöhung der Regelbedarfe unmittelbar zu höheren Leistungsansprüchen des Klägers in den im vorliegenden Rechtsstreit betroffenen Bewilligungszeiträumen führen. In diesem Sinne ist die erfragte Entscheidung des BVerfG für die abschließende Beurteilung der vorliegenden Klagen unverzichtbar. Im Hinblick darauf, dass dem Kläger monatlich mindestens 36 EUR normativ ungerechtfertigt bei der Bedarfsbemessung vorenthalten werden und er über kein Einkommen oder einsetzbares Vermögen verfügt, muss auch von einer Verletzung des Grundrechts des Klägers auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ausgegangen werden, jedenfalls für Zeiträume ab Februar 2012 nach Beendigung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II.
Eine verfassungskonforme Situation lässt sich für den Kläger auch nicht unter Anwendung der der Härtefallregelung des § 21 Abs 6 SGB II, der auf ausdrückliche Anordnung und strikt angelehnt an die Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 9. Februar 2010 geschaffen wurde, herstellen, weil die dafür erforderlichen strengen Voraussetzungen nicht vorliegen. Ein besonderer unabweisbarer laufender Bedarf im Sinne der restriktiven Vorgaben des BVerfG, die so auch vom Gesetzgeber übernommen wurden, lässt sich beim Kläger nicht erkennen.
3. Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar.
1. Zur Überzeugung der 55. Kammer des Sozialgerichts (SG) Berlin sind §§ 19 Abs 1 S 1 und 3, 20 Abs 1, 2 S 1 und 5 SGB 2 iVm §§ 28a SGB 12 und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG wegen der Höhe der maßgeblichen Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte verfassungswidrig.
2. Zur Verfassungswidrigkeit der BAföG-Regelbedarfe.
3. Verfassungsrechtlich noch vertretbar ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die sozialhilferechtliche Bestimmung des Existenzminimums als Referenzsystem für eine weitgehend einheitliche Bemessung der Regelbedarfe anzuwenden, obwohl damit der grundsicherungsrechtliche Ausnahmefall zum Ausgangspunkt der Bestimmung der Pauschalen gemacht wird, wenn die Nachteile dieses Vorgehen konsequent Beachtung finden.
4. Ein Lohnabstandsgebot ist kein denkbares Kriterium für die Bestimmung der Regelbedarfe, denn die Entwicklung der Löhne gibt über die Veränderungen des notwendigen Bedarfs zur Deckung des Existenzminimums keine Auskunft.
5. Der Gesetzgeber hat gegen die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass Haushalte, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der Grundsicherungsleistungen liegt, aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden müssen, verstoßen, indem er sämtliche Haushalte mit Erwerbseinkommen in die Referenzgruppe einbezogen hat.
6. Bei der Bestimmung der Referenzgruppe hat der Gesetzgeber methodisch fehlerhaft die 2008 geltenden Grundsicherungsbedarfssätze angewandt, weil diese verfassungswidrig entsprechend den Rentenanpassungen von den Daten der EVS 1998 abgeleitet waren.
7. Der Einkommensfreibetrag von 100 EUR nach § 11b Abs 2 S 1 SGB 2 ist als im Rahmen zulässiger Typisierung und Pauschalierung unter Betrachtung des Regelfalles gebildet derzeit nicht zu beanstanden.
8. Nachdem der Gesetzgeber nicht mehr konsequent die Haushalte aus der Referenzgruppe heraushält, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Grundsicherungsleistungen bestritten haben, kann es schwerlich noch als vertretbar angesehen werden, die "verdeckt armen Haushalte" in der Referenzgruppe zu belassen, obwohl das statistische Instrumentarium zum Ausschluss dieser Haushalte annäherungsweise mit tendenzieller Unterschätzung dieser Haushaltsgruppe bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Verfügung stand.
9. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Bedarfe für langlebige Gebrauchsgüter, die über das vom Gesetzgeber geforderte Ansparmodell vom Bedarf erfasst sein sollen, beruhen die Festsetzungen auf nicht realitätsgerechten Daten und hätten im Gesetzgebungsverfahren schon aus statistischer Sicht ernsthaft hinterfragt werden müssen. Wegen der Darlehensregelungen und der Aufrechnungsmöglichkeiten nach §§ 24 Abs 1 S 1, 42a Abs 2 S 1 SGB 2 handelt es sich um einen nicht unwesentlichen Fehler des Gesetzgebers.
10. Voraussetzung einer verfassungsgerichtlichen Klärung der Regelbedarfe ist eine erhebliche und betragsmäßig beachtliche Abweichung vom verfassungsgemäßen Zustand im Sinne einer verfassungsrechtlichen Beschwer.
Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird die folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Sind §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II (in der Fassung von Art 2 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I vom 29.03.2011, S 453) i.V.m. §§ 28a SGB XII (in der Fassung von Art 3 des Gesetzes vom 24. März 2011, BGBl I vom 29.03.2011, S 453) und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG (Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, verkündet als Art 1 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011, BGBl I vom 29.03.2011, S 453) insoweit mit Art 1 Abs 1 GG i.V.m. Art 20 Abs 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, als die für die Höhe der Grundsicherungsleistungen maßgeblichen Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte für das Kalenderjahr 2011 auf einen Betrag von 364,00 EUR und für das Kalenderjahr 2012 durch die Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 138 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2012 (RBSFV 2012) vom 17. Oktober 2011 auf einen Betrag von 374,00 EUR festgelegt wurden?
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II für die Zeiträume von September 2011 bis August 2012, wobei der Kläger davon ausgeht, dass die Regelungen der §§ 19 Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1 SGB II über die Höhe des Regelbedarfs für alleinstehende Leistungsberechtigte verfassungswidrig sind.
Der 1961 geborene, geschiedene Kläger ist schwerbehindert, der Grad der Behinderung beträgt 50. Er bewohnt allein eine Wohnung mit 51,7 m2. Die Kosten für die Unterkunft und deren Beheizung betragen 307,61 EUR. Das Warmwasser wird durch elektrischen Warmwasserspeicher über den Haushaltsstrom erzeugt.
Bis zum 30. Juni 2011 übte der Kläger eine geringfügige Beschäftigung mit einem Bruttoeinkommen von 120 EUR aus. Er hat wegen Vermögenslosigkeit und bestehender Schulden Dritten gegenüber wiederholt eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, zuletzt im Dezember 2010 (zugunsten der BKK-VBU). Unterhalt bezieht er weder von seiner geschiedenen Ehefrau noch von seinem geschiedenen Lebenspartner. Vom 14. Juni 2011 bis 18. Januar 2012 nahm er an einer von der Beklagten geförderten Bildungsmaßnahme teil und erfüllte im Zeitraum von Oktober 2011 bis Januar 2012 zwei Praktikumsverträge. Auf seinen Antrag vom 26. Juli 2011 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 9. August 2011 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis 29. Februar 2012. Die Leistungshöhe betrug dabei in den Monaten des Jahres 2011 jeweils 676,46 EUR und für Januar und Februar 2012 monatlich 676,83 EUR. Die Beklagte hatte den Bewilligungen jeweils einen Regelbedarf von monatlich 364 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung von 307,61 EUR und für 2011 eine Warmwasserpauschale von 8,00 Euro, und für Januar und Februar 2012 von 8,37 EUR zugrunde gelegt. Zudem rechnete sie Einkommen in einer Höhe von 3,15 EUR an.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 18. August 2011. Er begründete dies damit, dass er seit Ende Juni 2011 kein Nebeneinkommen mehr habe. Außerdem sei der Regelsatz verfassungswidrig. Die Beklagte korrigierte mit Bescheid vom 31. August 2011 die Leistungen und rechnete kein Einkommen mehr an. Sie wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2011 zurück. Die Pauschalierung des Regelbetrags sei vom Bundesverfassungsgericht der Struktur nach bestätigt worden. Der gesetzlich vorgesehene pauschalierte Regelbedarf von 364,00 EUR sei dem Kläger bewilligt worden.
Mit seiner Klage vom 7. November 2011 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Regelbedarf sei verfassungswidrig festgelegt worden, weil der Gesetzgeber methodisch fehlerhaft vorgegangen sei. Er habe zum einen die Referenzgruppe unzulässig festgelegt und dabei zu Unrecht die Empfänger von BAföG und Aufstocker selbst mit kleinen Einkommen sowie "verdeckt Arme" einbezogen. Außerdem sei die Grenzziehung willkürlich. Überdies sei die Gruppengröße statistisch unzureichend. Tatsächlich habe der Gesetzgeber nur 10,9 Prozent der befragten Haushalte in die Referenzgruppe einbezogen.
Daher sei zum Zweiten die Datengrundlage auch nicht ausreichend. Es bestünden Auffälligkeiten z.B. darin, dass Haushalte ohne Ausgaben für Nahrung oder für Strom erfasst seien. Zudem sei das Datenmaterial nicht hinreichend transparent gewesen, weil viele Werte nicht mitgeteilt wurden, obwohl sie Eingang in die Berechnung gefunden hätten.
Zum Dritten habe der Gesetzgeber unzulässig das Statistikmodell mit dem Warenkorbmodell vermischt und Streichungen in einem Gesamtumfang von ca 130 EUR vorgenommen. Damit sei ein interner Ausgleich nicht mehr möglich. Anstelle der Streichung der Einzelposition der Ausgaben für Tabak hätte eine Sonderauswertung der Teilgruppe ohne Tabakkonsum durchgeführt werden müssen, zumal nach den Angaben des Gesetzgebers nur ein Viertel der Referenzgruppe solche Ausgaben hatte. Zudem sei der Strom- und Verkehrsbedarf falsch errechnet worden. Ein ungerechtfertigt hoher Abschlag sei hinsichtlich der Ausgaben für Besuche in Restaurants, Cafés und Imbissständen erfolgt.
Insgesamt müsse der Regelbedarf für den Kläger mindestens 37,73 EUR höher sein.
Der bewilligte Bedarf sei auch für den Fall des Klägers unzureichend. Insbesondere seien die im Bedarf vorgesehenen Ausgaben für den Verkehr ungenügend, weil der Kläger öfters Arzttermine und Termine bei der Psychotherapie sowie familiäre Kontakte wahrnehme, bei denen er auf die öffentlichen Nahverkehrsmittel angewiesen sei. Das Sozialticket sei mit der in der Position Verkehr vorgesehenen Größenordnung nicht zu finanzieren. Ein Einsparpotenzial bestehe auch bei anderen Positionen nicht. Insbesondere sei eine Einsparung im Bereich der Ernährung und der Ausgaben für Medizin nicht möglich, weil er in diesen Bereichen wegen seiner Erkrankungen und Behinderungen ohnehin höhere Ausgaben habe, als die Regelbedarfe dies vorsehen.
Die Beklagte hat mit dem Änderungsbescheid vom 7. Dezember 2011 den Leistungen für die Monate Januar und Februar 2012 den Regelbedarf von 374 EUR und einen Warmwasserbedarf von monatlich 8,60 EUR zu Grunde gelegt und entsprechend die Leistungshöhe korrigiert.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 31. Januar 2012 für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2012 Arbeitslosengeld II in einer monatlichen Höhe von 690,21 EUR, wobei sie einen Regelbedarf von 374 EUR, einen Warmwasserbedarf von 8,60 EUR und Bedarfe für Unterkunft und Heizung von 307,61 EUR zu Grunde legte. Den dagegen im Hinblick auf die fehlerhafte Regelbedarfsbestimmung eingelegten Widerspruch vom 6. Februar 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2012 unter Verweis auf die Gesetzeslage zurück.
Die dagegen am 5. März 2012 zum Aktenzeichen S 172 AS /12 erhobene Klage wurde durch Beschluss vom 16. April 2012 zum hiesigen Rechtsstreit verbunden.
Für den Zeitraum des Besuchs der Bildungsmaßnahme hat der Kläger einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II geltend gemacht. Er hat das insofern von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgegebene Teilanerkenntnis angenommen.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 9. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2011 in der Form des Änderungsbescheides vom 7. Dezember 2011 zu ändern, 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger monatlich Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 2011 auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 487,00 EUR, eines Unterkunftsbedarfs von 307,61 EUR und eines Warmwasserbedarfs von 8,00 EUR sowie eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II von 127,00 EUR zu gewähren, 3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. bis 31. Januar 2012 auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 487,00 EUR, eines Unterkunftsbedarfs von 307,61 EUR und eines Warmwasserbedarfs von 8,60 EUR, eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II von 131,00 EUR zu gewähren, 4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. bis 29. Februar 2012 auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 487,00 EUR, eines Unterkunftsbedarfs von 307,61 EUR und eines Warmwasserbedarfs von 8,60 EUR zu gewähren, 5. den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2012 zu ändern, 6. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2012 auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 487,00 EUR, eines Unterkunftsbedarfs von 307,61 EUR und eines Warmwasserbedarfs von 8,60 EUR zu gewähren.
Die Beklagte hält die Entscheidungen in der Fassung ihres Anerkenntnisses für zutreffend und beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Der Kammer haben außer den Prozessakten auszugsweise die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, die Niederschrift und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer kann über die zulässigen Klagen nicht abschließend entscheiden. Dem Kläger könnten höhere Leistungen nach dem SGB II zustehen, wenn die in §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG für die Höhe der Grundsicherungsleistungen neben den Unterkunftskosten maßgeblichen Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte vom Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise festgelegt worden sind und wegen des Verstoßes gegen das Grundgesetz so nicht angewendet werden dürfen.
Der Rechtsstreit ist gemäß Art 100 Abs 1 Satz 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 des Gesetzes über das BVerfG auszusetzen und es ist eine Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG hinsichtlich der Leistungshöhe des Arbeitslosengeldes II gültig sind. Die Kammer hält diese Vorschriften für unvereinbar mit Art 1 Abs 1, 20 Abs 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Klärung der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fragen ist zur abschließenden Beurteilung des Falles unerlässlich. Es kommt auf die Gültigkeit der genannten Vorschriften an, weil ohne sie der grundsicherungsrechtliche Bedarf des Klägers nicht bestimmt und die Höhe der Grundsicherungsleistungen nicht festgesetzt werden kann. Sie sind zur Überzeugung der Kammer unter Verletzung der genannten übergeordneten Rechtsnormen fehlerhaft gesetzt worden und hinsichtlich der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil eine erhebliche und betragsmäßig beachtliche Abweichung vom verfassungsgemäßen Zustand anzunehmen ist. Dem Gesetzgeber war vom BVerfG in dessen Urteil vom 9. Februar 2010 aufgegeben worden, einen verfassungskonformen Zustand ab 1. Januar 2011 herzustellen. Dies ist nicht geschehen. Für den gesamten im vorliegenden Rechtstreit betroffenen Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 kann eine endgültige Entscheidung nicht getroffen werden, weil sich die verfassungswidrigen Regelungen unmittelbar auf die streitgegenständlichen Ansprüche der Kläger auswirken und ein verfassungskonformer Zustand durch Auslegung der anzuwendenden Vorschriften nicht herzustellen ist. Insofern ist der Kläger jedenfalls für die Zeiträume vom 1. Februar bis 31. August 2012 auch in seinem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzt.
1. Entscheidungserheblich ist, ob §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, 20 Abs 1, 2 Satz 1 und 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG mit den darin und durch die Fortschreibung durch die RBSFV 2012 festgesetzten Beträgen gültig sind. Sollten die Vorschriften gültig sein, so wären die Klagen abzuweisen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2011 in der Form des Änderungsbescheides vom 7. Dezember 2011 und des Anerkenntnisses der Beklagten und der Bescheid vom 31. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2012 wären dann rechtmäßig und höhere Leistungen könnten nicht beansprucht werden. Dagegen müsste die Kammer die angefochtenen Bescheide der Beklagten nach einer gesetzlichen Neuregelung ändern und die in den Bescheiden festgesetzten Leistungshöchstwerte korrigieren, falls die Vorschriften wegen zu gering bemessener Regelbedarfe gegen das Grundgesetz verstoßen und das BVerfG dem Gesetzgeber aufgibt, einen verfassungskonformen Zustand herzustellen und dafür neue Regelungen zu erlassen, oder selbst vorläufig oder abschließend für den hier relevanten Zeitraum Regelungen vorgeben sollte.
1.1. Die Klagen sind zulässig. Das Gericht ist zur Sachentscheidung berufen.
Der Kläger hat seine Klagen gegen die Beklagte jeweils frist- und formgerecht erhoben. Das Widerspruchsverfahren war jeweils durchgeführt und abgeschlossen worden.
Die kombinierten Anfechtungsklagen und Leistungsklagen, mit denen der Kläger die Änderung der Leistungshöchstwertfestsetzungen der Bewilligungsbescheide und höhere Leistungen verlangt, sind statthaft (§ 54 Abs 4 SGG). Die Streitgegenstände wurden im Sinne von § 92 Abs 1 Satz 1 SGG hinreichend bestimmt.
Der Kläger ist klagebefugt im Sinne von § 54 Abs 1 Satz 2, Abs 2 SGG. Er behauptet eine Verletzung seines Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 und 20 GG) als prozessrechtlich relevante Beschwer. Zugleich mit der Bestimmung der Leistungshöhe begrenzt die Behörde den Leistungsumfang verbindlich. Diese Leistungshöchstwertfestsetzung greift der Kläger mit seinen Anfechtungsklagen an und macht wegen der Versagung höherer Leistungen eine Verletzung seines Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums geltend. Die Verletzung dieses Grundrechts erscheint angesichts der Bedeutung der maßgeblichen Vorschriften für die Gewährung existenzsichernder Leistungen jeweils ernsthaft möglich. Für gebundene Entscheidungen über Sozialleistungen besteht ein Rechtsanspruch des Bürgers auf die Leistung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 38 SGB I). Dieser Rechtsanspruch muss insbesondere bei existenzsichernden Leistungen auch dann aktuell realisiert werden, wenn der Behörde – zulässigerweise – ein Ermessen bei vorläufiger Gewährung der Leistungen eingeräumt ist. Bei der Leistungsgewährung für sämtliche Zeiträume von September 2011 bis August 2012 hat die Behörde indes Leistungen endgültig bewilligt, so dass der unmittelbare Rechtsanspruch des Klägers und nicht etwa nur ein solcher auf pflichtgemäße Ermessensausübung Streitgegenstand ist.
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. Es ist nicht zu erkennen, wie der Kläger wirksamer seine Ansprüche verfolgen können sollte.
1.2. Die Klagen wären in der Sache unbegründet, wenn §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, 20 Abs 1, 2 Satz 1 und 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG mit den darin und durch die Fortschreibung durch die RBSFV 2012 festgesetzten Beträgen gültig sein sollten.
1.2.1. Die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Vorschriften liegen, deren Gültigkeit unterstellt, vor.
Weder die Regelungen des SGB XII, noch des AsylBewLG oder des WohnGG kommen in Betracht. Die Vorschriften kommen hinsichtlich des räumlichen und persönlichen Anwendungsbereichs gemäß § 7 Abs 1 SGB II zum Tragen. Der Kläger ist erwerbsfähiger Leistungsberechtigter.
1.2.1.1. Leistungen des SGB XII zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem dritten oder vierten Kapitel scheiden aus.
Ansprüche nach dem Vierten Kapitel des SGB XII scheiden aus; der Kläger ist im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II zur Überzeugung der Kammer erwerbsfähig. Die vorhandenen Erkrankungen und Behinderungen, schränken das Leistungsvermögen des Klägers für die Tätigkeiten entsprechend der erfolgten modularen Fortbildung (Assistant Hotelmanagement), und damit auch für solche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder qualitativ noch quantitativ ein. Dies folgt aus der bis Juni erfolgten Erwerbstätigkeit und seiner erfolgreichen Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme mit der Teilnahme an den Praktika. Auch nach dem persönlichen Eindruck des Klägers auf die Kammer in der mündlichen Verhandlung ergaben sich keine Anhaltspunkte für ein derart reduziertes Leistungsvermögen, das nur noch einen Umfang von weniger als drei Stunden arbeitstäglich zulassen würde. Vielmehr ist eine vollschichtige Tätigkeit des Klägers insbesondere im Bereich der erfolgten Weiterbildung im Hotelmanagement, aber auch als Rezeptionist aus gesundheitlichen Gesichtspunkten möglich. So wurde im Zeugnis über das Praktikum von Oktober 2011 bis Januar 2012 durch das Hotel C vom 19. Januar 2012 eine Belastbarkeit in hohem Maße bestätigt.
Leistungen nach dem dritten Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt) kommen nicht in Betracht, weil insoweit der Ausschluss durch § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II wirksam ist. (Dazu, dass die weiteren Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II erfüllt sind: weiter unten 1.2.1.3 und 1.2.1.4.)
1.2.1.2. Ein Anspruch auf Wohngeld nach dem WoGG besteht nicht, weil dieser bei Leistungsansprüchen nach dem SGB II ausgeschlossen ist (§ 7 Abs 1 Nr 1 WoGG). Es kommt auch nicht über § 5 SGB II ein vorrangig zu verfolgender Anspruch auf Wohngeld in Betracht, weil dieser die Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht beseitigen würde, denn ein Wohngeldanspruch des Klägers könnte sich nur auf den Bedarf für die Unterkunftskosten auswirken, die weiteren Bedarfe, insbesondere der Regelbedarf bliebe unverändert bestehen, so dass ein Wohngeldbezug die Bedürftigkeit im Sinne des SGB II nicht beenden würde, zumal dem Kläger Mittel zu Deckung dieser Bedarfe mangels anderen Einkommens nicht zur Verfügung stehen.
Ein Anspruch nach dem AsylBewLG besteht ersichtlich nicht, so dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II nicht greift.
1.2.1.3. Der Kläger ist vom persönlichen Geltungsbereich der Grundsicherungsleistungen des SGB II nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II erfasst.
Der 1961 geborene Kläger hat im Sinne von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 7a SGB II während der hier streitigen Zeiträume vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 jeweils das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht.
Er war im Sinne von §§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2, 8 Abs 1 SGB II erwerbsfähig (s o 1.2.1.1.). Für den deutschen Staatsangehörigen spielt § 8 Abs 2 SGB II keine Rolle.
1.2.1.4. Auch der räumliche Geltungsbereich der Vorschriften erfasst wegen § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II den Fall des Klägers. Dieser hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes.
1.2.1.5. Der Kläger ist hilfebedürftig im Sinne von §§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, 9 Abs 1 SGB II.
Ihm steht für den gesamten streitigen Zeitraum kein anderweitiges Einkommen zur Verfügung. Unterhaltszahlungen erfolgen weder von der geschiedenen Ehefrau noch vom geschiedenen Lebenspartner. Sofern Unterhaltsansprüche bestehen sollten, hätten diese auf den Leistungsanspruch keine Auswirkungen, weil sie aktuell nicht zufließen und wegen der deshalb notwendigen aktuellen Leistungsgewährung gemäß § 33 SGB II auf die Beklagten übergehen.
Ansprüche auf andere Sozialleistungen oder gegen weitere Angehörige bestehen nicht.
Auf Vermögen kann der Kläger, der die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, nicht zurückgreifen. Dies ist zwischen den Beteiligten zutreffend unstreitig. Soweit der Kläger gegenüber einem früheren Auftraggeber noch offene Ansprüche hatte (Vergleich vom 05.12.2006 über eine Forderung von 27.500 EUR), lassen diese sich wegen der Insolvenz des Auftraggebers nicht realisieren. Auch diese Forderungen sind wegen der Leistungen der Beklagten in der Vergangenheit gemäß § 33 SGB II kraft Gesetzes seit Januar 2007 auf die Beklagte übergegangen. Im Hinblick auf die erhebliche Dauer des Leistungsbezuges und den fortlaufenden gesetzlichen Forderungsübergang besteht kein Forderungsrest mehr, dessen Realisierung der Kläger zu seinen Gunsten durchsetzen könnte.
1.2.2. Die angefochtenen Bescheide sind – die Gültigkeit des geltenden Rechts unterstellt –nach dem erfolgten Anerkenntnis rechtmäßig auch hinsichtlich der Leistungshöchstwertfestsetzungen.
Als erwerbsfähiger Leistungsberechtigter im Sinne des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II hat der Kläger dem Grunde nach wegen § 19 Abs 1 Satz 1 SGB II Anspruch auf Arbeitslosengeld II für die in Satz 3 genannten Bedarfe (Regelbedarf, Mehrbedarfe, Bedarf für Unterkunft und Heizung). Die Leistungshöhe ergibt sich aus § 19 Abs 3 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Bedarfe nach den Absätzen 1 und 2 erbracht, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind. Nach § 19 Abs 1 Satz 3 und Abs 3 SGB II umfassen die Leistungen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Die gesetzliche Neuregelung zum 1. Januar 2011 untergliedert die Ansprüche auf Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nicht mehr in separate Leistungsanteile, der Regelleistung und der Leistung für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Vielmehr handelt es sich nunmehr um einen einheitlichen Anspruch (BT-Drs 17/3404 S 9; Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungsrecht, Baden-Baden 2011, RdNr 186), zu dessen Ermittlung die einzelnen Bedarfe und das diese Bedarfe (ggf teilweise) deckende Einkommen und Vermögen festzustellen sind. Aus dieser Regelung erschließt sich, dass die Höhe der gesetzlich vorgegebenen Regelbedarfe unmittelbar Einfluss auf die Leistungshöhe haben. Davon ist auch das BVerfG in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 ausgegangen (vgl RdNr 159).
Die in §§ 20 Abs 2 SGB II vorgesehenen Regelbedarfe stehen nach der gesetzlichen Neuregelung in einem System von Vorschriften, die weitestgehend einen Gleichklang zu den sozialhilferechtlichen Vorschriften bewirken sollen. Dies wird durch den Verweis in § 20 Abs 5 Satz 2 SGB II auf die Anpassungsvorschrift des § 28a SGB XII und die Verordnung nach § 40 Satz 1 Nr 1 SGB XII gewährleistet (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 324). Dass es sich um eine lediglich "entsprechende" Anwendung dieser Vorschriften handelt, steht dem engen systematischen Zusammenhang nicht entgegen. Die Relevanz der Bedarfe für die Leistungshöchstwertfestsetzungen und damit für die praktische Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich mithin aus §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, 20 Abs 1, 4 und 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG und die RBSFV 2012. Durch den Rückgriff auf die in § 28 SGB XII vorgesehen Regelbedarfsstufen in § 28a Abs 1 Satz 1 SGB XII erfolgt der Verweis auf § 8 RBEG. Ergibt sich der Regelbedarf Alleinstehender für 2011 noch unmittelbar aus den Vorgaben von § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II, kann der Regelbedarf bereits für 2012 nur über die Regelungen der §§ 20 Abs 5, 28a SGB XII, 8 RBEG der RBSFV 2012 entnommen werden; er beträgt danach 374,00 EUR.
Die Beklagte hat jeweils die zutreffenden Regelbedarfe angewandt: im Jahr 2011 monatlich 364,00 EUR und im Jahr 2012 monatlich 374,00 EUR.
Die Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung sind in Höhe der tatsächlichen Kosten von 307,61 EUR zutreffend festgestellt.
Für die Zeit der Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme war beim Kläger ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II anzuerkennen. Voraussetzung ist nach Satz 1 dieser Vorschrift, dass es sich um einen erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten handelt, dem Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX erbracht werden. Wegen § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II (Fassung bis 31. März 2012) gelten für die Eingliederungsleistungen an erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte die §§ 97 bis 99, 100 Nummer 1 und 4, § 101 Absatz 1, 2 und 5, die §§ 102, 103 Satz 1 Nummer 3, Satz 2 und die §§ 109 und 111 des SGB III (Fassung bis 31.03.2012 - aF) entsprechend. § 100 Nr 4 SGB III aF gewährt als allgemeine Leistung die Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung. Für diese gilt ebenso wie für die besonderen Leistungen § 33 SGB IX. Weil der Kläger im Sinne des Arbeitsförderungsrechts (§ 19 Abs 1 SGB III) behindert, im Sinne des SGB IX mehr noch schwerbehindert ist, konnten die Weiterbildungsmaßnahmen an ihn deshalb nur als solche nach §§ 16 Abs 1 Satz 2 SGB II, 100 Nr 4 SGB III, 33 Abs 3 Nr 23 SGB IX erbracht werden. Die Voraussetzungen des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II waren deshalb – als zwingende Regelung – erfüllt. Das Anerkenntnis der Beklagten in der Verhandlung war daher gesetzlich geboten. Die Höhe des Mehrbedarfs beträgt 35 Prozent des Regelbedarfs, also für 2011 monatlich 127,00 EUR und für 2012 monatlich 131,00 EUR:
Ein Ernährungsmehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II kommt für den Kläger nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist für Leistungsberechtigte, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anzuerkennen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Regelbedarf die Aufwendungen für die Ernährung in pauschalierter Form enthalten sind. Dies bedeutet, dass die in einem verfassungskonform bemessenen Regelbedarf berücksichtigten Ernährungskosten im Regelfall den Bedarf decken, Abweichungen im Bedarf jedoch grundsätzlich unbeachtlich zu bleiben haben, auch wenn höhere Aufwendungen im konkreten Einzelfall erforderlich sind. Dies ist ein nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG mit zulässiger Pauschalierung durch den Gesetzgeber notwendig verbundener und hinzunehmender Nachteil. Insoweit ist auch das Anliegen des Gesetzgebers zu respektieren, dass in gewisser Weise ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Positionen innerhalb des Regelbedarfes den Leistungsempfängern eingeräumt ist, was gewisse Härten auszugleichen vermag. Abweichungen wegen des Alters und besonderer physischer Belastung (Sport, Arbeit etc) und auch aus medizinischen Gründen sind deswegen grundsätzlich als von der Grundsicherungsleistung abgedeckt zu betrachten. Die Vorschrift des § 21 Abs 5 SGB II hat daher die Funktion, solche Fälle aufzufangen, in denen krankheitsbedingt der im Einzelfall entstehende Mehrbedarf die im Rahmen der Pauschalierung zulässigen Nachteile unzumutbar werden lässt. Die Stellung der Vorschrift im Gesetz, insbesondere die weiteren Bestimmungen des § 21 SGB II bestätigen diesen Hintergrund und Regelungszweck der Vorschrift. Nach zutreffender ständiger Rechtsprechung des BSG kommt ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nur bei der Erforderlichkeit von Krankenkost in Frage (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 100/10 R, RdNr 25 mwN).
Diese Voraussetzungen lassen sich im Falle des Klägers nicht annehmen. Ein hinreichender Vortrag des Klägers, der Anlass für Ermittlungen von Amts wegen geben würde, ist nicht zu verzeichnen. Er selbst verfolgt das in früheren Bewilligungszeiträumen bereits erfolglos geltend gemachte Begehren nicht weiter. Weder ist erkennbar, dass er eine besondere ärztlich verordnete Krankenkost zusichnehmen soll. Insofern wurde lediglich fettarme Kost (Bl 95 Gerichtsakte) empfohlen. Noch sind Anhaltspunkte ersichtlich, die unzumutbar erhöhte Ernährungsaufwendungen möglich erscheinen lassen. Sofern der Regelbedarf angemessen bestimmt sein sollte, reicht er für die nach derzeit herrschender medizinischer Auffassung gebotene abwechslungsreiche Vollkost mit preisgünstigen Lebensmitteln (Zweifel daran, dass der aktuelle Regelbedarf eine solche abwechslungsreiche Vollkost abdecken können soll, äußern jedoch plausibel Bruckermann/Izkowskij in Sozialrecht aktuell, 2011, 15 ff). Dies schließt eine gesunde fettarme Kost mit ein.
Zutreffend hat die Beklagte auch einen Mehrbedarf für die Warmwasserbereitung nach § 21 Abs 7 SGB II in die Berechung der Leistungshöhe eingestellt. Nach § 21 Abs 7 Satz 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt nach Satz 2 der Regelung für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils 2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 SGB II. Daraus ergibt sich für 2012 für den Kläger ein Warmwasser-mehrbedarf von jeweils 8,60 EUR. Für 2011 galt ein gerundeter Pauschalbetrag von 8,00 EUR (Brehm/Schifferdecker in SGb 2011, 505, 509 f). Die Pauschalen sind anzuwenden, weil Warmwasser durch in der Wohnung des Kläger installierte Vorrichtungen (elektrische Warmwasserspeicher) erzeugt wird und eine separate Verbrauchserfassung nicht erfolgt, denn als Energieträger wird der einheitlich gemessene Haushaltsstrom des Klägers genutzt.
Weil Einkommen nicht erzielt wurde und wird und verwertbares Vermögen nicht vorhanden ist, wird die Leistungshöhe durch die Höhe der Bedarfe ohne weitere Abzüge bestimmt. Eine Erhöhung der Bedarfe führt automatisch zu einer Steigerung der Leistungshöhe.
1.2.3. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die lediglich unübersichtlichen und rechnerisch schwer nachvollziehbaren, im Ergebnis jedoch richtigen Begründungen der Bewilligungsbescheide lösen keinen Aufhebungsanspruch nach § 42 Satz 1 SGB X aus. Sofern der Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II zunächst nicht für die Monate bis Januar 2012 für die Leistungshöhe wirksam gemacht wurde, hat die Beklagte dies durch ihr Teilanerkenntnis korrigiert. Ein rechtlicher Nachteil zuungunsten des Klägers, auch lediglich in verfahrensrechtlicher Hinsicht, lässt sich nunmehr nicht mehr feststellen.
1.2.4. Höhere Leistungsansprüche für den Kläger können nicht durch Ausschöpfung von Auslegungsspielräumen, auch unter systematischer Berücksichtigung grundgesetzlicher Vorgaben, festgestellt werden. Die Verwendung der zahlenmäßig fixierten Beträge der Regelbedarfe durch die Vorschriften setzt der Auslegung Grenzen. Die besondere Herstellung der systematischen Zusammenhänge von § 20 Abs 5 SGB II mit §§ 28a SGB XII und 8 RBEG sowie RBSFV 2012 schränkt die Auslegungsmöglichkeiten dieser bezifferten Beträge ein. Es ist kein Weg ersichtlich – ein solcher wird in Rechtsprechung und Literatur (vgl etwa LSG Stuttgart, Urteil vom 21.10.2011, L 12 AS 3445/11; Münder: Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung, Soziale Sicherheit, Sonderheft September 2011, 63 ff; Rixen Sozialrecht aktuell 2011, 121 ff; Rothkegel ZFSH/SGB 2011, 69 ff; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323 ff; Groth NZS 2011, 571 ff; Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungs-recht, Baden-Baden 2011, § 10, RdNr 191 ff; Neškovic/Erdem SGb 2012, 134 ff; Lenze in NVwZ 2011, 1104 ff; Lenze in LPK-SGB II § 20, RdNr 45; Hannes in Gagel: SGB II/SGB III, 44EL 2012, § 20 SGB II RdNr 3 ff; Breitkreuz in BOK § 22 SGB II, Stand 01.03.2012, RdNr 7 ff) auch nicht aufgezeigt –, wie diese Vorschriften darüber hinaus verfassungskonform ausgelegt werden könnten, weil die angeordneten Rechtsfolgen eindeutig formuliert sind und parallel anzuwendende vorrangige Vorschriften nicht existieren. Der gesetzgeberische Wille kommt im genannten Regelungsgefüge hinreichend deutlich zum Ausdruck, so dass davon abweichende Auslegungen die Grenze verfassungsrechtlich zulässigen (Art 20 Abs 3 und 97 Abs 1 GG) methodischen Vorgehens überschreiten würden. Vielmehr hat der Gesetzgeber bzw. der Verordnungsgeber der RBSFV 2012 hinsichtlich der Festlegung des Regelbedarfs etwa für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren das bestehende Auslegungspotenzial bereits zugunsten der Betroffenen ausgeschöpft (siehe Beschluss der Kammer vom 25.04.2012, S 55 AS 9238/12) die bereits für die Sozialhilfe geltenden höheren Regelbedarfe auch für das SGB II wirksam gemacht.
Nach geltendem Recht kann der Kläger also höhere als die festgesetzten Leistungen nicht beanspruchen.
2. Die Kammer ist davon überzeugt, dass §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG und die RBSFV 2012 verfassungswidrig sind, weil sie gegen Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstoßen. Sie sind nur unzureichend im Rahmen des vom BVerfG geforderten Verfahrens gesetzt worden und hinsichtlich der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil eine erhebliche und betragsmäßig beachtliche Abweichung vom verfassungsgemäßen Zustand anzunehmen ist. Dem Gesetzgeber war vom BVerfG in dessen Urteil vom 9. Februar 2010 aufgegeben worden, einen verfassungskonformen Zustand ab 1. Januar 2011 herzustellen. Dies ist nicht geschehen.
2.1. Die Vorschriften der §§ 19 Abs 1 Sätze 1 und 3, Abs 3 Satz 1, 20 Abs 1, 2 Satz 1, Abs 5 SGB II iVm §§ 28a SGB XII und 8 Abs 1 Nr 1 RBEG und die RBSFV 2012 über die Regelbedarfswerte für alleinstehende Leistungsberechtigte verstoßen in mehrfacher Hinsicht gegen Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG – Sozialstaatlichkeit – und das sich daraus ergebende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.
2.1.1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG (BVerfG Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, RdNr 133). Art 1 Abs 1 GG begründet den Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art 20 Abs 1 GG beauftragt den Gesetzgeber, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern, wobei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen Wertungen zukommt, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden sind (BVerfG ebd). Dieses Grundrecht hat als Gewährleistungsrecht aus Art 1 Abs 1 GG in seiner Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art 1 Abs 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat (BVerfG ebd). Dem Schutzauftrag des Staates aus Art 1 Abs 1 GG korrespondiert ein Leistungsanspruch des Grundrechtsträgers (BVerfG ebd RdNr 134).
Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt. Wenn der Gesetzgeber seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Bestimmung des Existenzminimums nicht hinreichend nachkommt, ist das einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig (BVerfG ebd RdNr 137). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind; er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst (BVerfG ebd RdNr 135). Bemerkenswert an diesen Ausführungen des BVerfG ist die Differenzierung zwischen der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und dem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Damit hebt das BVerfG den Aspekt der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen gegenüber dem sonst weit gefassten Verständnis der Teilhabe besonders heraus.
Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen (BVerfG ebd RdNr 139 mwN). Hierzu hat er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen. Das Grundgesetz schreibt ihm dafür keine bestimmte Methode vor; er darf sie vielmehr im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auswählen. Abweichungen von der gewählten Methode bedürfen allerdings der sachlichen Rechtfertigung (BVerfG ebd). Dem Gesetzgeber ist bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dieser umfasst die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs und ist zudem von unterschiedlicher Weite: Er ist enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG ebd RdNr 138). Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG ebd RdNr 141).
Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt, beschränkt sich – bezogen auf das Ergebnis – die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (BVerfG ebd). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfordert aber eine Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden (BVerfG ebd RdNr 142). Um eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, müssen die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig sein (BVerfG ebd); die festgelegten Sätze müssen sich auf der Grundlage belastbarer Zahlen und vertretbarer Wertungen rechtfertigen lassen (BVerfG ebd RdNr 161). Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art 1 Abs 1 in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat (BVerfG ebd RdNr 143). Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen (BVerfG ebd RdNr 144). Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit dem GG in Einklang (BVerfG ebd).
Das BVerfG gibt also eine Prüfung in zwei Stufen vor. Es verlangt zunächst eine Negativevidenzprüfung mit der Klärung, ob die Leistungshöhe nach ihrem Ergebnis evident unzureichend ist. Sodann ist in mehreren Schritten das Verfahren zur Ermittlung der Leistungshöhe zu untersuchen. Dazu verlangt das BVerfG eine Offenlegung der die Leistungsfestsetzung rechtfertigenden Wertungen und tatsächlichen Umstände. Zwar findet sich im Urteil vom 9. Februar 2010 des BVerfG keine ausdrückliche Formulierung, die die Offenbarung auch der erfolgten Wertungen verlangt. Allerdings besteht das BVerfG auf der nachvollziehbaren Offenlegung der im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte (BVerfG ebd). Dies ist ohne die Darstellung der wertenden Aspekte, die bei der Auswertung und Verwendung der Ermittlungen und Erlangung von "verlässlichen Zahlen" sowie deren Einbeziehung in die einzelnen Berechnungsschritte, damit die daraufhin erfolgten Festsetzungen der Leistungen tragfähig vor dem Zweck des Grundrechts gerechtfertigt sind (BVerfG ebd RdNr 142) nicht zu denken. Die geforderte Schlüssigkeit/Folgerichtigkeit und Nachvollziehbarkeit kann ohne die Verdeutlichung der notwendigen und tatsächlich erfolgten wertenden Entscheidungen nicht erlangt werden. Gerade auch auf diese Wertungen muss sich die Transparenzforderung des BVerfG (ebd RdNr 139) beziehen.
Soweit dem BVerfG entgegen gehalten wird, das Verlangen nach einer derartigen Begründung der gesetzgeberischen Entscheidungen finde keine Grundlage im Grundgesetz (Hebeler in DÖV 2010, 754; Groth in NZS 2011, 571, 572), weil die Verfassungsgerichte auf die materiell-rechtliche Prüfung beschränkt seien und mit einer Begründungspflicht eine Schwächung der gesetzgebenden Körperschaften, insbesondere der Opposition verbunden sei, folgt dem die Kammer nicht. Die Annahme, die Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsgemäße Ordnung überlasse diesem im Übrigen einen freien Willen (Hebeler aaO S 761), greift insoweit zu kurz, als sie außer Acht lässt, dass wesentliche Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere die Sozialstaatlichkeit wie auch die Rechtsstaatlichkeit, diesem freien Willen keinen Raum für Willkür lassen. Deshalb ist es zu Recht ständige Rechtsprechung des BVerfG, dass die gesetzgeberischen Zwecke bei der einzelgesetzlichen Ausgestaltung der Grundrechte erkennbar sein müssen. Dem entspricht bei einem Grundrecht, das aus Grundgesetznormen, die für unsere Verfassung in ihrem Kern prägend sind und deshalb unter dem besonderen Schutz von Art 79 Abs 3 GG stehen, unmittelbar abzuleiten ist, ein Verbot zu willkürlicher und realitätsferner Entscheidung. Das innere Gesetzgebungsverfahren muss deshalb in einem solchen Maße transparent gemacht werden, dass erkennbar wird, inwieweit der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum eingehalten bleibt. Den völlig freien Willen des Gesetzgebers (ggf nur in weit verstandenen verfassungsrechtlichen Grenzen) kennt nach Abschaffung der Monarchie die demokratische, republikanische Verfassung des Grundgesetzes nicht. Der demokratische Prozess ist auf rationale Entscheidung und Transparenz angelegt (vgl. Schwerdtfeger: Optimale Methodik der Gesetzgebung, Festschrift Ipsen, 1977, S 177 und 185, Berlit in KJ 2010, 145, 149) und daher auch auf inhaltliche Nachvollziehbarkeit. Dies wird durch Begründungsobliegenheiten des Gesetzgebers, zumal bei der Ausgestaltung von Regelungen mit unmittelbarem Grundrechtsbezug, verfassungsrechtlich handhabbar. Wieso durch höhere Rationalität und Transparenz die Arbeit gerade der Opposition beeinträchtigt werden können soll, erschließt sich der Kammer nicht. Für eine hinreichende Gesetzesbegründung bedarf es der Hilfestellung der Exekutive nicht (das ist wohl eine Sorge von Groth aaO); wäre dies der Fall, müssten ernstzunehmende demokratisch-parlamentarische Defizite konstatiert werden. Insbesondere hat auch die Opposition Zugriff auf das jeweils relevante Datenmaterial und kann sich sachverständig in das Gesetzgebungsverfahren einbringen.
2.1.2. Der Gesetzgeber hat das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art 1 Abs 1 in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG und dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gerecht werdenden Weise grundsätzlich zutreffend erfasst und umschrieben. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des Inhalts der Regelbedarfe durch §§ 19, 20 Abs 1 Sätze 1 und 2 SGB II. Der Gesetzgeber gewährt die Leistungen auf der Grundlage von Regelbedarfen, Mehrbedarfen, Bedarfen für die Unterkunft und Heizung und stellt eine ausreichende Sicherung gegen die Risiken von Krankheit und Pflegebedürftigkeit zur Verfügung (vgl zu den vergleichbaren Vorgängerregelungen BVerfG aaO RdNr 148). Damit sind die Ziele der physischen Existenzsicherung wie auch der angemessenen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben grundrechtskonform erfasst.
2.1.3. Die verfassungsrechtliche Negativevidenzprüfung führt nicht zur Annahme evident unzureichender Leistungsansprüche im Sinne dieser Zwecksetzung. Dabei ist die Kammer der Auffassung, dass eine evidente Unterversorgung auch schon dann anzunehmen ist, wenn erkennbar ausschließlich die physische Seite des Existenzminimums abgedeckt ist. Dann fehlte es vollständig an der Teilhabekomponente. Angesichts der Vorgabe des BVerfG, dass auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu gewährleisten ist (RdNr 135), wäre der Leistungsumfang trotz des für die Teilhabeaspekte deutlich weiteren Gestaltungsspielraums evident unzureichend.
Dennoch ist der Maßstab der Negativevidenzprüfung ein strenger. Mit diesem Maßstab allein kann sich die Kammer keine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfssätze bilden. Das BVerfG konnte den bis 2010 geltenden Regelbedarfen eine evidente Bedarfsunterdeckung nicht entnehmen. Es hat in nicht unerheblichem Umfang trotz der beanstandeten Fehler Teilhabeanteile festgestellt. Dies muss auch für die ab Januar 2011 geltenden Regelbedarfe angesichts der ausführlichen Darstellungen in den Gesetzesmaterialien (insbesondere in der BT-Drs 17/3404) angenommen werden. Zudem wurde der Leistungsumfang nicht unbeachtlich erhöht. Denn neben der numerischen Anhebung des Regelbedarfs um 5,00 EUR für Alleinstehende erfolgte eine ergänzende effektive Erhöhung durch die Herausnahme der Bedarfe für die Warmwasserbereitung aus den Regelbedarfen und deren separate Berücksichtigung im Rahmen der §§ 21 Abs 7, 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (Brehm/Schifferdecker SGb 2011, 505, 506). Dies bewirkt für Alleinstehende eine zusätzliche Erhöhung des individuellen Bedarfs um jeweils etwa 8,00 EUR (2011, für 2012: 8,60 EUR), wenn man die Pauschale nach § 21 Abs 7 SGB II als Maßstab nimmt. Effektiv wurde der Regelbedarf damit für Alleinstehende zunächst um 13,00 EUR erhöht. Diese Steigerung überschreitet deutlich das Niveau einer nur aufgrund der Inflation erforderlichen Erhöhung gegenüber 2010. Konnte das BVerfG 2010 keine evidente Bedarfsunterdeckung feststellen und wurden die Bedarfe um 13,00 EUR erhöht, vermag auch die Kammer für die aktuelle Regelung keine evidente Bedarfsunterdeckung anzunehmen.
2.1.4. Der Gesetzgeber hat im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auch ein zur Bemessung des Existenzminimums grundsätzlich taugliches Berechnungsverfahren gewählt. Das nach §§ 20 Abs 5 SGB II, 28, 28a SGB XII und RBEG maßgebliche Statistikmodell (BT-Drs 17/3404 S 50 f) ist eine verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare Methode zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums (BVerfG aaO RdNr 162). Damit hat der Gesetzgeber an die vom BVerfG ausdrücklich bestätigte Methode angeknüpft (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 328). Dem Statistikmodell liegen bei der Erfassung des regelleistungsrelevanten Verbrauchs die Überlegungen zugrunde, dass einerseits über die Verbrauchsstatistik der existenznotwendige Bedarf erfasst werden kann (BVerfG aaO RdNr 165 f; Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungsrecht, Baden-Baden 2011, RdNr 205) und andererseits der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen in einzelnen Ausgabepositionen vom durchschnittlichen Verbrauch abweichen kann, der Gesamtbetrag der Regelleistung es aber ermöglicht, einen überdurchschnittlichen Bedarf in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer anderen auszugleichen (BVerfG aaO RdNr 172). Der Gesetzgeber muss deshalb die regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen und -beträge so bestimmen, dass ein interner Ausgleich möglich bleibt (BVerfG ebd).
Im Ergebnis verfassungsrechtlich noch vertretbar ist auch sein Vorgehen, die sozialhilferechtliche Bestimmung des Existenzminimums als Referenzsystem (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 324) für eine weitgehend einheitliche Bemessung der Regelbedarfe anzuwenden (vgl. BVerfG aaO RdNr 160). Dieses Vorgehen erscheint zwar methodisch fragwürdig, kann aber bei konsequenter Beachtung seiner Nachteile im Gesetzgebungsverfahren im Rahmen des bestehenden Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers noch als sachgerecht angesehen werden. Die Bedenken gegen das methodische Vorgehen mit einem sozialhilferechtlichen Ausgangspunkt ergeben sich daraus, dass der Gesetzgeber bei Betrachtung der Regel-Ausnahme-Situation mit dem sozialhilferechtlichen Grundmaßstab ersichtlich vom quantitativen und qualitativen Ausnahmefall ausgegangen ist. Bei der gesetzlichen Regelung im Rahmen zulässiger Generalisierung, Typisierung und Pauschalierung darf der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG jedoch grundsätzlich nicht vom atypischen Fall ausgehen (BVerfG Urteil vom 09.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, RdNr 60 mwN und 77).
Der sozialhilferechtliche Bedarf ist nach der völligen Umstrukturierung des Grundsicherungsrechts zum 1. Januar 2005 dadurch geprägt, dass die jeweiligen Leistungsberechtigten aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, insbesondere weil sie wegen voller Erwerbsminderung oder Alters dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihren Lebensunterhalt nicht zu decken vermögen. Die ganze Entwicklung des Grundsicherungsrechts der Bundesrepublik mit ihrem sanktionsbewehrten Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe betrachtet diese Hilfebedürftigkeitssituation als Ausnahmefall, wenn auch nicht als atypische Sondersituation. Laufende Leistungen nach dem SGB XII bezogen am Jahresende 2010 rund 895.000 Menschen (außerhalb von Einrichtungen), davon erhielten rund 797.000 Personen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII; 98.354 Personen empfingen 2010 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen; im Laufe des Jahres 2009 erhielten knapp 1,2 Millionen Personen Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel des SGB XII (dabei sind teilweise die bereits genannten Personen außerhalb von Einrichtungen miterfasst). Dagegen bezogen insgesamt über 6,7 Millionen Menschen 2010 Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem SGB II (Quellen: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 393 vom 21.10.2011 und Jahresbericht 2010 der Bundesagentur für Arbeit). Es drängt sich auf, dass Personen ohne Bezug zum Erwerbsleben andere Bedarfe haben als solche, die in das Erwerbsleben eingegliedert werden sollen oder (Kinder, Jugendliche, Studenten) darauf vorbereitet werden.
Das Vorgehen des Gesetzgebers, vom quantitativen wie auch vom qualitativen Ausnahmefall auszugehen, birgt die große Gefahr in sich, dass für den Regelfall relevante Bedarfe nicht angemessen berücksichtigt werden (ein darauf basierender Fehler wird im Folgenden Induktionsfehler genannt). Dies hat sich in der Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 sehr deutlich daran gezeigt, dass der Gesetzgeber Aufwendungen für Bildung und Fortbildung seinerzeit völlig ignoriert hatte (BVerfG ebd RdNr 180).
Das Grundkonzept des Gesetzgebers, im Rahmen verfassungsrechtlich zulässiger Generalisierung einheitliche Werte für die Bestimmung der Existenzsicherungsbedarfe unabhängig von der aktuellen Lebenssituation zu ermitteln (die dann auch für andere Bereiche – z B Steuer- und Unterhaltsrecht – Bedeutung haben), ist nicht zu beanstanden. Indes muss der Gesetzgeber dabei Werte finden, die für die verschiedenen Gruppen, für welche existenzsichernde Leistungen zu erbringen sind, deren Bedarfe realitätsgerecht abbilden. Dazu muss er gegebenenfalls die besonderen Bedarfe einer näheren Betrachtung und Würdigung unterziehen und entweder zusätzliche Bedarfe normieren oder die Werte der generellen Regelbedarfe hinreichend bedarfsgerecht an der bedarfsintensivsten Gruppe messen. Unter Beachtung dieser Maßstäbe kann die gewählte Methode als noch verfassungsrechtlich zulässig angesehen werden.
2.1.5. Der Gesetzgeber hat jedoch den Regelbedarf für Alleinstehende von 364 Euro (2011) bzw durch Fortschreibung 374 EUR (2012) nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II nicht in verfassungsgemäßer Weise ermittelt, weil von den Strukturprinzipien des Statistikmodells, das er selbst gewählt und zur Grundlage seiner Bemessung des notwendigen Existenzminimums gemacht hat, ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen wurde und wesentliche wertende Entscheidungen unter Missachtung des Gestaltungsspielraums fehlerhaft getroffen wurden. Der festgesetzte Regelbedarf – und damit zugleich regelleistungsrelevante Verbrauch – beruht nicht auf einer tragfähigen und folgerichtigen Auswertung der EVS 2008 und nicht vollumfänglich anhand von Wertungen, die sich an den Zwecken der Bedarfsfestlegung hätten orientieren müssen. Der Gesetzgeber hat die erforderlichen Tatsachen nicht im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und er hat sich nicht in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt. Teilweise beruht die Festsetzung nicht auf belastbaren Zahlen (so die Forderung des BVerfG aaO RdNr 161).
2.1.5.1. Die Referenzgruppe für die Ableitung der Bedarfe für Alleinstehende wurde fehlerhaft festgelegt.
Der Gesetzgeber hat den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht genutzt, indem er als Referenzgruppe die unteren 15 Prozent der Alleinstehenden-Haushalte gewählt hat. Besteht ein Gestaltungsspielraum, ist er (BVerfG aaO RdNr 133: "unausweichlich") wertend auszufüllen (so auch zutreffend Groth in NZS 2011, 571, 574; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 326). Allein dem parlamentarischen Gesetzgeber kommen die erforderlichen Wertungen zu (BVerfG aaO RdNr 138). Dies ist zugleich Befugnis und Pflicht. Die Bedarfsdeckung und Sicherung des Existenzminimums sind keine für die Politik beliebig verfügbaren Größen (Berlit in KJ 2010, 145, 154). Die vom Gesetzgeber auch insofern zu verlangende Offenlegung seiner Entscheidungsgründe (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 72) muss nicht restlos überzeugend sein. Sie hat jedoch schlüssig und mit vertretbaren Argumenten zu zeigen, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum erkannt und wertend genutzt hat. Die bloße Regelung, ohne deren Grundlagen hinreichend und vertretbar zu verdeutlichen, entspricht nicht den Vorgaben des BVerfG, die die Leistungsfestsetzung rechtfertigenden Wertungen offenzulegen. Dies gilt erst recht, wenn die Festlegung an einer derart wichtigen "Stellschraube" erfolgt, wie die Festlegung des Maßstabs der Referenzgruppe.
Die für die Festsetzung der Referenzgruppe maßgebenden Gründe des Gesetzgebers werden nicht erkennbar (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 71). Die mitgeteilten Motive sind als Begründung nicht schlüssig oder tragfähig. Insofern ist über die reine Festsetzung der Begrenzung für die Referenzgruppe hinaus ein totaler Wertungsausfall festzustellen, weil nicht nachvollziehbar wird, wieso die Daten dieser Referenzgruppe geeignet sein sollen, Werte abzuleiten, die aus dem Ausgabenverhalten dieser Haushaltsgruppe auf eine Bedarfsdeckung für die Leistungsberechtigten schließen ließen. Die Festsetzung der Referenzgruppe erscheint daher willkürlich. Lenze (NVwZ 2011, 1104, 1107) meint, es sei kein statistischer Zufall, dass die Berechungen genau den Betrag von 364 EUR ergeben hätten, der bereits 2008 im 7. Existenzminimumbericht für 2010 in Aussicht gestellt worden sei (vgl. BT-Drs 16/11065 S 3). Die Vermutung, dass die Festsetzung der Referenzgruppe erfolgte, um eine relevante Erhöhung des Regelsatzes zu vermeiden und weitestgehend fiskalisch motiviert – also nicht sachorientiert und daher nicht realitätsgerecht – war (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 72; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 326 mwN), wird nicht mit dem Argument entkräftet, dass mit der erfolgten Begrenzung eine "Aufwärtsspirale" vermieden werden könne. Dieses Argument wurde im Gesetzgebungsverfahren (nicht aber im Gesetzesentwurf) von der Bundesregierung angeführt (BT-Drs 17/3982 S 2), ist aber nicht erkennbar vom Gesetzgeber aufgegriffen worden (siehe BT-Drs 17/4095 – Ausschussbericht – S 26 ff). Es beruht auf der Befürchtung, dass ein unveränderter Ansatz der unteren 20 Prozent der Haushalte zu höheren Bedarfen, damit zu umfangreicheren Haushaltsausschlüssen und deshalb mit einem Aufrücken der Referenzgruppe in Gruppen von Haushalten mit höheren Einkommen, somit wieder zur höheren Ausgabenwerten und dadurch zur Feststellung höherer Bedarfe führe usw (BReg, BT-Drs 17/3982 S 2; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 326 f). Es bestehe die Sorge, dass so auch Haushalte mittlerer Einkommen in die Referenzgruppe einbezogen werden könnten (Mogwitz ebd S 327). Eine solche "Aufwärtspirale" ist bislang nicht belegt und kann gerade bei einer ersten verfassungskonformen Ermittlung des Regelsatzes kaum ernsthaft ins Feld geführt werden. Zudem ist nicht ersichtlich, warum dieser Effekt bei einer Begrenzung der Referenzgruppe anhand der unteren 20 Prozent auftreten soll, nicht aber bei einer anderen Grenzziehung, wie etwa 12, 15 oder 23 Prozent. Zudem definieren Mogwitz, wie auch der Gesetzgeber nicht, was sie unter Haushalten "mittlerer Einkünfte" verstehen. Es lässt sich mit der Sorge einer Aufwärtsspirale nicht begründen, warum durch die Bezugnahme auf die Ausgaben der unter unteren 15 Prozent der Haushalte auf eine existenzsichernde Bedarfsdeckung geschlossen werden könnte. Dieses Argument ist daher nicht tragfähig und bestätigt eher die Vermutung rein fiskalischer und daher sachwidriger Erwägungen, als dass es diese widerlegen würde.
Neben dem selbstverständlich zutreffenden Argument (Rixen in Sozialrecht aktuell 2011, 121, 122), dass nur Haushalte mit niedrigem Einkommen/einkommensschwache Haushalte und nicht solche erheblich höherer Einkünfte in die Referenzgruppe einzubeziehen sind (BT-Drs 17/3404 S 87), waren für den Gesetzgeber zwei Argumente für die Bestimmung der Referenzgruppe bei den unteren 15 Prozent in ausdrücklicher Abweichung zur vom BVerfG bestätigten Wahl der unteren 20 Prozent (des unteren Quintils) bei den Bewertungen der EVS 1998 und 2003 wesentlich. Angeführt wird zum einen, dass eine hinreichende Datenbreite vorhanden sei (BT-Drs 17/3404 S 89; Groth in NZS 2011, 571, 574; Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungsrecht, Baden-Baden 2011, RdNr 233). Zweites Argument ist, dass mit den erfolgten Ausschlüssen von Haushalten aus der Referenzgruppe die Obergrenze der berücksichtigten Referenzhaushalte bei 22,3 Prozent aller nach dem Nettoeinkommen geschichteter Haushalte und damit höher als bei Auswertung der EVS 2003 liege (BT-Drs 17/3404 S 89; Groth in NZS 2011, 571, 574).
Die hinreichende statistische Datenbreite ist im Rahmen der Statistikmethode zwar ein wichtiges Kriterium, es ist indes nicht hinreichend (Rixen aaO S 122). Nach dieser Argumentation könnte ebenso auf das untere Prozent zurückgegriffen werden, wenn die Datenbasis nur ausreichend breit ist. Dies genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben jedoch nicht, weil der Gesetzgeber wertend die Entscheidung zu treffen hat, inwieweit realitätsgerecht die tatsächliche Ausgabenstruktur der Referenzhaushalte eine Absicherung der Bedarfe erlaubt. Dabei ist die Budgetrestriktion zu berücksichtigen, dass bei sehr armen Haushalten die Ausgabenstruktur wegen der prekären finanziellen Situation von den laufenden Einkünften bestimmt wird, aber durchaus nicht den tatsächlich bestehenden Bedarf widerspiegeln wird (Becker, Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung, Soziale Sicherheit, Sonderheft September 2011, S 9). Deshalb trägt auch allein das richtige Argument der Notwendigkeit des Rückgriffs auf die unteren, nicht aber mittleren Haushaltseinkommen die Entscheidung nicht.
Der Vergleich in der Begründung des Fraktionsentwurfs mit den Daten der EVS 2003 ersetzt eine eigene wertende Entscheidung des Gesetzgebers nicht. Er hat inhaltlich für die erforderliche Wertung keinen Erkenntniswert. Er trägt schon auch deshalb nicht, weil die EVS 2003 für die Regelbedarfe des SGB II zu keinem Zeitpunkt maßgeblich wurden. Das SGB II basierte ausschließlich auf den hochgerechneten Werten der EVS 1998 (BVerfG Urteil vom 09.02.2010, RdNr 169; BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 8/09 R; Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331). Der Verweis auf die frühere Erhebung und die darauf gestützten (verfassungswidrig bemessenen) sozialhilferechtlichen Regelsätze macht nicht deutlich, wieso aus dem Ausgabenverhalten dieser Haushalte am unteren Ende der Einkommensverteilung die Deckung der Bedarfe zu schließen ist. Selbst nach den Angaben des Fraktionsentwurfs waren um ein Vielfaches mehr Haushalte als 2003 (8,6 % gegenüber 0,5 % - BT-Drs 17/3403 S 89 – das ist eine Steigerung auf das mehr als 17-fache) aus der Referenzgruppe herauszurechnen, um Zirkelschlüsse zu vermeiden, die entstehen, wenn der sozialhilferechtliche Bedarf durch die Ausgaben von Grundsicherungsleistungen beziehenden Haushalten bestimmt würde. Dies spricht dafür, dass sich die Einkommensstruktur bei den unteren Haushalten dramatisch verändert haben musste (oder aber schon bei den auf der EVS 2003 basierenden Berechnungen eklatant fehlerhaft gewesen sein mussten, weshalb sich erst recht ein Vergleich mit den seinerzeit abgeleiteten Werten verbieten würde. Die massive Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse seit den Hartz-Reformen spricht aber für einen deutlichen Wandel der Einkommensstrukturen bei den unterdurchschnittlichen Haushalten). Solche Veränderungen machen einen derartigen Vergleich wertlos, zumal das BVerfG insbesondere dem sozialstaatlichen Aspekt des Grundrechts die Pflicht des Gesetzgebers zur Beobachtungen der Veränderungen entnommen hat (BVerfG aaO RdNr 133, 138). Schon ein Rückgriff auf die unteren 20 Prozent musste angesichts der beachtlichen Veränderungen eine entsprechende Begründung vorsehen. Mogwitz (ZFSH/SGB 2011, 323, 326) verweist zutreffend darauf, dass die konkrete Größe der Referenzgruppe kein allgemeiner, dauerhaft gültiger Maßstab sein könne. Der Fraktionsentwurf teilt zudem mit, dass sich die insgesamt höheren Durchschnittsausgaben "zu einem guten Teil" aus einem deutlichen Anstieg der Mieten und der Wohnungsnebenkosten ergaben (ebd). Berücksichtigt man weiter, dass die Ableitung der SGB-II-Regelsätze verfassungswidrig mit den grundsicherungsrechtlich unerheblichen rentenrechtlichen Anpassungsfaktoren aus der EVS 1998 erfolgte und auch die Anpassungen seit 2005 auf dieser unzulässigen Anpassung beruhten (BVerfG aaO RdNr 184), verbleibt einem Vergleich der Bestimmung der Referenzgruppe durch Vergleich mit den früheren Berechungen keinerlei Aussagewert, der die notwendige wertende Ausfüllung des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraumes belegen könnte.
Soweit ersichtlich wurde nur noch ein weiteres Argument für die Bestimmung der Referenzgruppe herangezogen. Es handelt sich um das Anliegen, grundsicherungsrechtlich zu vermeiden, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB XII ein monatliches Budget zur Verfügung haben, das über demjenigen von Personen liegt, die im unteren Einkommenssegment für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen (BT-Drs 17/3404 S 87, Brauksiepe in BT 17. Wahlperiode 64. Sitzung, Plenarprotokolle S 6728 B). Das dahinter stehende Lohnabstandsgebot (Brauksiepe ebd) ist vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 nicht als denkbares Kriterium erwähnt worden (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 73; Berlit in KJ 2010, 145, 158 spricht überzeugend von "beredtem Schweigen" des BVerfG). Es kann eine willkürfreie Ausfüllung des Gestaltungsspielraums auch nicht belegen, sofern kein Maßstab für diesen Abstand oder einen Bezugslohn mitgeteilt wird – und ein solcher findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht. Ein Lohnabstandsgebot ist nach den Vorgaben des BVerfG auch deshalb nicht tragfähiges Argument, weil es weder qualitativ noch quantitativ zum zwingend zu deckenden Bedarf für die physische Existenzsicherung noch für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben irgendeinen Bezug hat (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 73, Berlit in KJ 2010, 145, 158). Das BVerfG führt wörtlich aus: "Über die Veränderungen des notwendigen Bedarfs zur Deckung des Existenzminimums vermag die Entwicklung der Bruttolöhne jedoch keine Auskunft zu geben." (RdNr 184) Vielmehr ist es wesentliche Aufgabe der Grundsicherungsleistungen, die durch eigene Erwerbsarbeit nicht zu erbringende Sicherung der Existenz der Bedarfsgemeinschaft zu gewährleisten. Das Konzept des Statistikmodells würde seiner sachlichen Legitimation beraubt, wollte man den Lohnabstandsgedanken dadurch realisieren, den Regelbedarf unter die statistisch ermittelten Daten aus dem Konsumverhalten abzusenken (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 74).
Im Hinblick auf die Bewertung, welches Perzentil in die Referenzgruppe einbezogen werden soll, gilt zu beachten, dass je tiefer die Grenze angesetzt wird, der Spielraum desto geringer dafür ist, Ausgabenpositionen aus dem Bedarfsspektrum zu streichen, weil damit der interne Ausgleich, wie ihn das BVerfG fordert, nicht mehr gewährleistet wird.
Die Referenzgruppe ist auch insofern fehlerhaft bestimmt, als sie Haushaltsgruppen enthält, die nach den Vorgaben des BVerfG zur Vermeidung von Zirkelschlüssen (RdNr 168) nicht hätten einbezogen werden dürfen. Unzulässige Zirkelschlüsse würden daraus resultieren, dass das Ausgabeverhalten der Adressaten von Grundsicherungsleistungen selbst zum Ausgangspunkt der Bestimmung der Höhe der Leistungen gemacht würde. Damit würde ein selbstreferenzielles/sich selbst definierendes Bemessungssystem verwendet (Siebel-Huffmann in Groth/Luik/Siebel-Huffmann: Das neue Grundsicherungsrecht, Baden-Baden 2011, RdNr 225). Dazu hat das BVerfG den Maßstab klar vorgegeben (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 324 f). Der Gesetzgeber hat darauf zu achten, "dass Haushalte, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch und dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch inklusive der Leistungen für Unterkunft und Heizung liegt, aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden." (BVerfG aaO RdNr 169) Diese Vorgabe bezieht sich auf die Auswertung "künftiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben". Es ist aber nicht anzunehmen, dass dieser Maßstab bei der vom BVerfG verlangten, bis zum 1. Januar 2011 zu schaffenden Regelung unberücksichtigt zu bleiben hätte. Allenfalls lässt sich aus dem Zusammenhang der Äußerung mit der Berücksichtigung der "versteckten Armut" annehmen, dass für die im Zeitpunkt des Urteils bereits bekannte, aber noch nicht hinreichend ausgewertete EVS 2008 bei einem nur unzureichenden Instrumentarium "empirisch unsicherer" Schätzungen ein Spielraum eingeräumt sei. Dieser kann aber grundsätzlich nicht den vom BVerfG formulierten Maßstab selbst betreffen.
Damit scheint das BVerfG den bisher im Sozialhilferecht geltenden Maßstab verworfen zu haben, dass nur die Haushalte nicht zu berücksichtigen seien, die ihren Lebensunterhalt "überwiegend" aus Transferleistungen beziehen. Diesen Ansatz hat der Gesetzgeber nunmehr jedenfalls ausdrücklich aufgegeben (BT-Drs 17/3404 S 88). Die Vorgabe des BVerfG folgt konsequent der Funktion des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, die dann wirksam werden muss, "wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit, noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann" (BVerfG aaO RdNr 134). Zwar ist der vom BVerfG für den Ausschluss aus der Referenzgruppe vorgegebene Maßstab von Nettoeinkommen unter dem Grundsicherungsleistungsniveau nicht völlig klar. Offen bleibt insbesondere, wie mit den bundesweit unterschiedlichen Unterkunftskosten zu verfahren ist. Hier wäre der Gesetzgeber gehalten gewesen, sachgerechte Kriterien anzuwenden oder zu entwickeln, etwa die Heranziehung der Angemessenheitswerte nach dem Wohngeldrecht. Unklar ist auch, ob das BVerfG mit dem Begriff des "Niveaus" der Grundsicherungsleistungen ein abstraktes Merkmal – also eine allgemeine Existenzsicherungsgrenze – oder einen individuellen Wert derart im Auge hatte, dass die Nettoeinkommen im jeweiligen Einzelfall betragsmäßig geringer zu sein haben als die tatsächlich gewährten Grundsicherungsleistungen. Für ein Verständnis im Sinne eines generell-abstrakten Merkmals spricht der Äußerungszusammenhang mit der "verdeckten" Armut, weil dabei ja gerade keine Transferleistungen im Sinne des individuellen Vergleiches zur Verfügung stehen. Für ein solches Verständnis spricht auch der ausdrückliche Hinweis auf die Bildung des Grenzwertes aus allen relevanten Bedarfsbereichen als Summe. Gewiss fallen aber unter die vom BVerfG erwähnten "Nettoeinkommen" solche aus Erwerbstätigkeit. Ebenso klar ist, dass mit den Nettoeinkommen gerade nicht die Leistungen der Grundsicherungssysteme gemeint gewesen sein können, weil es Haushalte mit Nettoeinkommen (inkl Grundsicherungsleistungen) unter dem Grundsicherungsleistungsniveau gerade nicht geben können soll.
Evident hat der Gesetzgeber gegen diesen Maßstab verstoßen, indem er sämtliche Haushalte mit Erwerbseinkommen in die Referenzgruppe eingegliedert hat. Dass bereits ab dem ersten Euro Erwerbseinkommen eine Einbeziehung erfolgte, war ausdrücklich erklärter Wille des Gesetzgebers (BT-Drs 17/3404 S 87). Nach § 3 Abs 1 RBEG sind diejenigen Haushalte nicht als Referenzhaushalte im Sinne des § 2 RBEG zu berücksichtigten, die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezogen haben. Damit hat der Gesetzgeber aber gerade nicht sichergestellt, dass das Verbrauchsverhalten von Beziehern existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II und SGB XII (auch neben dem Bezug anderer Sozialleistungen) nicht zur Grundlage der Bedarfsermittlung gemacht wird (so aber LSG BaWü. Urteil vom 21.10.2011, L 12 AS 3445/11, Juris-RdNr 26), denn wegen Abs 2 Nr 1 der Vorschrift werden Haushalte mit Erwerbseinkommen (weil die ersten 100 EUR "nicht als Einkommen berücksichtigt" werden) stets in die Referenzhaushalte einbezogen (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 325). Sofern der Gesetzgeber davon ausgeht, dass damit in der Referenzgruppe nur Haushalte verbleiben, die von Einkünften oberhalb der "Sozialhilfeschwelle" leben (LSG BaWü aaO JurisRdNr 26; Siebel-Huffmann aaO RdNr 224, 231), so entspricht das gerade nicht der Vorgabe des BVerfG. Soweit das Vorgehen des Gesetzgebers für vertretbar gehalten wird (Siebel-Huffmann aaO RdNr 224, 231; Mogwitz aaO S 325), ist zu bemerken, dass ein Vergleich der Begriffe Nettoeinkommen und des Grundsicherungsniveaus im Sinne "reiner Hilfeleistungen" – also ohne Freibeträge – nicht angestellt und insbesondere der Begriff des Nettoeinkommens nicht definiert werden. Die Umstellung des vom BVerfG verwendeten Begriffs des Nettoeinkommens, welcher erkennbar die Grundsicherungsleistungen nicht umfasst, auf den Begriff der dem Haushalt insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel einschließlich der Grundsicherungsleistungen, ohne die Bedeutungsdifferenz zu verdeutlichen, ist argumentativ unzulässig. Für das BVerfG war unerheblich, ob die Haushalte mit der Summe von Erwerbseinkommen und Grundsicherungsleistungen über das Niveau derjenigen der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch und dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch inklusive der Leistungen für Unterkunft und Heizung gelangen; maßgeblich ist für das BVerfG ausschließlich, dass die Nettoeinkommen das Grundsicherungsniveau unterschreiten. Vielmehr noch hatte das BVerfG die frühere Referenzgruppenbestimmung gerade deshalb für verfassungsrechtlich gerechtfertigt gehalten, weil der Gesetzgeber habe vertretbar davon ausgehen können, dass die bei der EVS 1998 "zugrundegelegte Referenzgruppe statistisch zuverlässig über der Sozialhilfeschwelle lag" (BVerfG aaO RdNr 169 diesem Kriterium mwN) und zwar, weil diejenigen Personen, die während des Zeitraums der statistischen Erhebungen ihren Lebensunterhalt "überwiegend aus Leistungen der Sozialhilfe bestritten haben, konsequent ausgeschlossen wurden" (BVerfg ebd). Auch wenn das BVerfG diesen Maßstab anscheinend nicht mehr weiterverwendet wissen will, so war er doch zur Rechtfertigung der bisherigen Bemessung tragend. Diesen Maßstab hat der Gesetzgeber jedoch nunmehr verlassen und bei Bezug von Erwerbseinkommen von einem EUR an aufwärts auch bei höheren Grundsicherungsleistungen als Erwerbseinkommen (ohne Berücksichtigung der Freibeträge) die Haushalte in die Referenzgruppe einbezogen. Auf die Bestätigung des früheren Vorgehens durch das BVerfG kann sich der Gesetzgeber daher nicht mehr berufen, schon gar nicht, wenn es um die Ausklammerung der Haushalte "versteckter Armut" geht.
Allein aus der unzulässigen Einbeziehung von Haushalten mit Erwerbseinkommen folgt eine massive Reduzierung des festgelegten Bedarfs gegenüber dem verfassungsrechtlich korrekten Bedarf. Dabei wäre der Gesetzgeber schon nach den eigenen Maßstäben verpflichtet gewesen, eine höhere Grenze für erzieltes Erwerbseinkommen anzusetzen, um einen Ausschluss aus der Referenzgruppe zu bewirken. Er hat sich nämlich bei der Auswertung der EVS 2008 auf die 2008 geltenden Grundsicherungswerte bezogen. Deren Richtigkeit hatte das BVerfG aus methodischen und inhaltlichen Gründen aber gerade beanstandet, so dass sie als Grenzwerte methodisch ungeeignet waren. Insbesondere waren sie schon deshalb evident falsch, weil die Anpassung bezogen auf Werte von 1998 – also über einen Zeitraum von 10 Jahren – fehlerhaft mit den rentenrechtlichen Maßstäben erfolgt war. Schließlich erfolgte eine Erhöhung der Leistungen um 13,00 EUR, also in einem Umfang, der über die neue Anpassungsmethode deutlich hinausreichte. Damit steht aber fest, dass in der Referenzgruppe Haushalte gewesen sein mussten, die (trotz sehr geringer Einkünfte) unter dem neu ermittelten Grundsicherungsniveau lagen, also hätten ausgeklammert sein müssen. Zweifel daran, dass derartige Fälle praktisch vorkommen können sollen (Brauksiepe aaO S 6728), erscheinen unberechtigt, weil auch Lohnnachzahlungen in der EVS zu erfassen waren und kontinuierliche Zuflüsse für den Ausschluss aus der Referenzgruppe nicht maßgeblich waren.
Der Einwand von Becker, dass jedenfalls Einkünfte bis 100,00 EUR zum Ausschluss aus der Referenzgruppe hätten führen müssen (Gutachten, aaO S 19, Münder stellt – wenig schlüssig, weil er auf eine von ihm selbst als unzulässig bewertete Differenzierung des Gesetzgebers und deren Ermittlung nach Auswertung der Daten der EVS Bezug nimmt – auf einen Betrag von lediglich 73 EUR ab: Münder, Gutachten aaO S 72 f), wird der Vorgabe des BVerfG schon nicht gerecht. Er ist aber insofern sachlich richtig, als nach der eigenen gesetzgeberischen Bewertung (zunächst in § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF, nunmehr in § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II) dieser Betrag – und zwar bei Einkünften unter 400 EUR unwiderleglich – die mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Aufwendungen abdecken soll. Diese Aufwendungen stehen zur Sicherung des Existenzminimums aber gerade nicht zur Verfügung, können als leistungsminderndes Einkommen deshalb nicht berücksichtigt werden und sind deshalb zur Vermeidung von Zirkelschlüssen nicht im Rahmen der Referenzhaushalte berücksichtigungsfähig. Soweit Groth meint, die Grenze von 100,00 EUR sei willkürlich (aaO S 573), ist das ein nicht minder schwerer Vorwurf gegen den Gesetzgeber bei der Normierung des § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II. Nach Auffassung der Kammer ist dieser Wert jedoch im Rahmen zulässiger Typisierung und Pauschalierung unter Betrachtung des Regelfalles derzeit nicht zu beanstanden, wenn man die typischen Aufwendungen wie Fahrtkosten, Werbungsaufwendungen (wie Berufskleidung, eigene Arbeitsmittel), die Absicherung durch die gesetzlich erwarteten und als für Arbeitnehmer angemessen angesehenen Versicherungen und Vorsorgesystem wie die Riester-Rente, Haftpflicht- sowie Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherungen berücksichtigt. In Berlin werden allein mit einer Monatskarte – nur AB – im Abo, der Versicherungspauschale und der Werbungskostenpauschale (also noch ohne Riester-Vorsorge) 100 Euro überschritten. Nutzt man das Sozialticket und betreibt Riester-Vorsorge, werden 100 EUR ebenfalls "spielend" erreicht. Immerhin teilt Groth mit, dass bei Ausschluss von Haushalten mit einem Einkommen bis zu 100,00 EUR der Regelbedarf für Alleinstehende um 6 EUR auf 370 EUR gestiegen wäre (ebd S 573). Ein vollständiger Ausschluss der Aufstocker (Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 73) lässt sich mit dem Maßstab des BVerfG nicht begründen und erscheint im Hinblick auf die weiteren Freibeträge auch nicht zwingend.
Das BVerfG hat es in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 für die Bestimmung der 2005 maßgeblichen Werte genügen lassen, dass "verdeckt arme" Haushalte (also solche, die durch Auflösung von Vermögen und Zuwendungen Dritter unter dem Sicherungsniveau ohne Transferleistungsempfang leben) nicht im Rahmen empirisch unsicherer Schätzungen aus der Berechnung herausgehalten wurden (RdNr 169). Wesentlicher Grund war neben der empirischen Ungewissheit, dass die Haushalte, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Leistungen der Sozialhilfe bestritten, konsequent aus der Referenzgruppe ausgeschlossen worden waren (ebd). Es hat insofern jedoch dem Gesetzgeber bei der Fortentwicklung entsprechende Prüfungs- und Beobachtungsaufgaben gestellt (ebd). Soweit Becker (Gutachten, aaO S 20 ff), Münder (Gutachten aaO S 70 ff) und Lenze (NVwZ 2011, 1104, 1105) ausführen, dass bereits im Gesetzgebungsverfahren statistische Verfahren zur Verfügung standen, die Berechnungsansätze mit tendenzieller Unterschätzung verdeckter Armut implizieren und deren Einsatz bei der Berechnung der Bedarfe dem Sicherstellungsauftrag des Gesetzgebers und der Notwendigkeit des Ausschlusses von Haushalten mit Einkommen unter dem Niveau der existenzsichernden Leistungen besser gerecht würden, hält die Kammer diese Argumentation für überzeugend. Mit dem von Becker vorgeschlagenen Verfahren würden zwar nicht alle "verdeckt armen" Haushalte herausgefiltert, aber zumindest die eindeutig in verdeckter Armut lebenden Haushalte könnten aus der Bedarfsermittlung ausgeklammert werden (Becker aaO S 23). Der Vorschlag lässt in praktikabler Weise die Umsetzung der Forderung des BVerfG zu, dass Haushalte mit Nettoeinkommen unter dem Niveau der Grundsicherungsleistungen aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden. Das wären nach Becker ca. 15 Prozent der Referenzgruppe (ebd S 24). Bezogen auf die Referenzgruppe der unteren 15 Prozent der Haushalte ergebe sich ein um 18 EUR höherer Regelbedarf (ebd). Nachdem der Gesetzgeber nun jedoch nicht mehr konsequent die Haushalte aus der Referenzgruppe heraushält, die ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Grundsicherungsleistungen bestritten haben (so das BVerfG bei der Bestätigung der früheren Vorgehensweise RdNr 169), kann es schwerlich noch als vertretbar angesehen werden, die "verdeckt armen Haushalte" zumindest mit dem vorhandenen statistischen Instrumentarium annäherungsweise mit tendenzieller Unterschätzung dieser Gruppe in der Referenzgruppe zu belassen.
Nicht überzeugend ist die Einbeziehung der studentischen Haushalte in die Referenzgruppe und die weitere Behandlung der erhobenen Daten dieser Gruppe. Es handelt sich dabei um eine relevante Gruppe mit 318 von 1.678 Haushalten (18,95 %, also fast ein Fünftel). Aus dieser Gruppe sind die Bezieher von Leistungen nach dem BAföG nicht ausgeschieden worden. Dies ist nach den methodischen Vorgaben des BVerfG unzulässig, weil das BAföG neben seiner ausbildungsfördernden Funktion eine existenzsichernde Aufgabe zu erfüllen hat (BSG, Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, RdNr 25). Beide Funktionen stehen nach der Rechtsprechung des BSG gleichwertig nebeneinander (BSG ebd). Als existenzsichernde Leistungen mussten sie aber zum Ausschluss der Empfänger dieser Leistungen aus der Referenzgruppe führen, um die Bedarfsbestimmung aus einem selbstreferenziellen System heraus zu vermeiden. Die Argumentation im Fraktionsentwurf, der Bezug von Leistungen nach dem BAföG lasse keine Rückschlüsse auf die Einkommenshöhe zu, da diese ausbildungsspezifische Bedarfe abdecken und auf die besondere Situation während der Ausbildung zugeschnitten seien (BT-Drs 17/3404 S 88), stellt nicht nur keine Begründung der Einbeziehung der Haushalte dar, sondern müsste erst recht zum Ausschluss der studentischen Einpersonenhaushalte führen. Als relevante Teilmenge der Referenzgruppe bewirken die studentischen Haushalte eine deutliche Verzerrung des statistischen Ergebnisses.
Tatsächlich ist der Bezug von BAföG-Leistungen noch nicht einmal existenzsichernd. Das Leistungsniveau ist so gering, dass ein Ausschluss der Empfänger dieser Leistungen aus der Referenzgruppe auch deswegen erforderlich war. Die Kammer ist der Überzeugung, dass die Leistungen des BAföG hinsichtlich ihres existenzsichernden Charakters nicht den Vorgaben des BVerfG in dessen Urteil vom 9. Februar 2010 entsprechen, weil sie nicht in einem entsprechenden Verfahren bestimmt wurden, das dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums entsprochen hätte. So erwähnen die Gesetzesmaterialien der BAföG-Novelle 2010 den grundsichernden Charakter der Leistung nicht und erörtern einen realitätsgerecht bemessenen Leistungsumfang nicht (BT-Drs 17/1551 S 14) – und zwar nach dem Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil dem Grunde nach BAföG-Berechtigte wegen § 7 Abs 5 SGB II grundsätzlich von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen sind. Die Neuregelungen in § 27 SGB II erfassen weitestgehend nur Unterkunftskosten und Sonderbedarfe. Für den Regelfall und hinsichtlich der Regelbedarfe sieht das Gesetz Leistungen nach dem SGB II nicht vor. Als monatlichen Höchstbedarf ohne Unterkunftskosten gibt § 13 Abs 1 Nr 2 BAföG für Studierende an Hochschulen seit der BAföG-Novelle 2010 einen Betrag von 373 EUR vor. Dies scheint zwar dem aktuellen Regelbedarf fast zu entsprechen. Allerdings enthält dieser Wert in deutlich größerem Umfang einen ausbildungsbezogenen Bedarf (Semester-/Prüfungsgebühren, Lehrbücher, Studienmaterial etc). Dieser ausbildungsspezifische Bedarf besteht nach der Rechtsprechung des BSG in einem Umfang von 20 Prozent der BAföG-Gesamtleistung (BSG Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, RdNr 30), aktuell 119,40 EUR. Damit können die BAföG-Leistungen praktisch nicht als existenzsichernd angesehen werden. Sofern auf die Möglichkeit der Abzweigung des Kindergeldes, das auf die Leistungshöhe wegen des Freibetrages nach § 23 Abs 1 Nr 1 BAföG nicht anzurechnen ist, verwiesen wird, ist zu beachten, dass Kindergeld nur bis zum 25. Lebensjahr gewährt wird (§§ 2 Abs 2 Nr 2 BKGG, 62, 63 Abs 1 Nr 1, 32 Abs 4 Nr 2 EStG). Diese Möglichkeit ist einem Großteil der Studierenden, insbesondere solchen im zweiten Bildungsweg und im Masterstudium daher verschlossen.
Die besonders ungünstige Situation der Studenten innerhalb der Referenzgruppe wird auch daran deutlich, dass das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen der Studenten mit 658 EUR signifikant unter dem Durchschnitt der Referenzgruppe (705 EUR) liegt (vgl Becker, Gutachten S 26). Damit befindet sich das durchschnittliche studentische Einkommen zugleich unter der Grenze der Grundsicherungsleistungen (bei einem abstrakt zu verstehenden Niveau der Grundsicherungsleistungen i s d Vorgaben des BVerfG), insbesondere wenn man die Steigerungen bei den Unterkunftskosten seit 2008 berücksichtigt. Allein dies rechtfertigte den Ausschluss dieser Haushalte aus der Referenzgruppe. Da es sich um eine beachtliche Gruppe innerhalb der Referenzgruppe handelt, wird der Durchschnitt der Referenzgruppe dadurch wesentlich mitbestimmt. Die Herausrechnung der Studenten aus der Referenzgruppe würde zu einer Erhöhung des Regelbedarfs um 6 EUR führen (Becker - siehe Beschluss der Kammer vom 25.04.2012, S 55 AS 9238/12). Dabei ist noch nicht der Effekt berücksichtigt, dass wegen der Entfernung eines knappen Achtels der Referenzgruppe, diese (nach oben) um eine entsprechende Zahl von Haushalten zu erweitern wäre, was wohl ebenfalls eine weitere Erhöhung des Regelbedarfs bewirken würde.
Hinsichtlich der Studentengruppe unterläuft dem Gesetzgeber dann im Weiteren ein Induktionsfehler, wenn er, obwohl die Aufwendungen der studentischen Gruppe für Ernährung und Beherbungs-/Gaststättendienstleistungen/Mensaessen als Summe deutlich geringer sind als im Durchschnitt der Referenzgruppe, die Aufwendungen für Gaststättendienstleistungen und Mensaversorgung auf den reinen Wert der Anschaffungskosten für Lebensmittel kürzt. Dies bewirkt eine Reduzierung der bei Studenten berücksichtigten Aufwendungen um ca 40 EUR, während die Ernährungsaufwendungen ohnehin schon 45 EUR unter denen des Referenzgruppendurchschnitts liegen (Becker, Gutachten S 26). Selbstverständlich ist für einen erwerbsunfähigen Sozialhilfeempfänger die Mensaversorgung nicht typisch und grundsätzlich auch nicht notwendig. Studenten können im Rahmen des laufenden Studienbetriebes indes nicht darauf verwiesen werden, sich ihr Essen täglich selbst zu kochen und das (günstige) Mensaessen zu verschmähen. Sollen die Studenten in die Ermittlung des Bedarfs einbezogen werden und haben die so ermittelten Werte wegen ihres generellen Ansatzes auch Auswirkungen auf die Existenzsicherung der Studenten, müssen die besonderen Umstände und Bedarfe der Existenzsicherung der Studenten beachtet werden und in den Regelsatz einfließen, nicht aber aus diesem eliminiert werden.
Diese massiven Fehler bei der Bestimmung der Referenzgruppe begründen bereits ohne Beachtung der weiteren Fehler (dazu sogleich) die Verfassungswidrigkeit der festgelegten Regelbedarfe und deren Fortschreibung.
2.1.5.2. Wesentliches Legitimationsmoment der vom Gesetzgeber gewählten Methode ist die statistische Signifikanz der erhobenen Daten. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Bedarfe für langlebige Konsumgüter, die über das vom Gesetzgeber geforderte Ansparmodell vom Bedarf erfasst sein sollen, lässt sich das nicht annehmen. Vielmehr beruhen die Festsetzungen insoweit und, soweit damit das Ansparmodell weiterverfolgt wird (vgl § 24 Abs 1 SGB II), auf nicht belastbaren oder verlässlichen Zahlen. Das BVerfG hat es ausdrücklich für zulässig gehalten, dass der Gesetzgeber im Rahmen pauschalierter Leistungsgewährung ein solches Ansparen im Regelsatz eingepreist hat (BVerfG aaO RdNr 150). Trotz der recht großen Gruppengröße von 1.678 Einzelpersonenhaushalten (BT-Drs 17/3982 S 1) weist indes die EVS 2008 bei den langlebigen Konsumgütern Waschmaschine, Kühlschrank, Geschirrspüler, Fahrrad nur Fallzahlen unter 25 auf (siehe Symbol " / " bei den jeweiligen Positionen in BT-Drs 17/3404 S 52, 56, 59). Dies ist statistisch nicht signifikant; durch die EVS 2008 ist die Bedarfsdeckung bei langlebigen Gebrauchsgütern nicht belegt (Becker, Gutachten aaO S 10, 32 f: "Die im Reformgesetz implizite Annahme, mit dem angewandten Verfahren könnten auch die Bedarfe an der Nutzung von langlebigen Gebrauchsgütern erfasst werden, ist nicht haltbar."; Münder, Gutachten aaO S 68). Nach den statistischen Daten sollen nur höchstens 1,43 Prozent der Haushalte (24:1678) innerhalb eines Jahres die als grundsicherungsrelevant angegebenen Gebrauchsgüter (z.B. Waschmaschine oder Kühlschrank) angeschafft haben. Dies würde bedeuten, dass – statistisch – ein Haushalt der Referenzgruppe sich nur alle 70 Jahre einen Kühlschrank oder eine Waschmaschine anschafft, sollten nur 12 Haushalte in der Referenzgruppe entsprechende Anschaffungen getätigt haben (die genaue Zahl wird ja auch nicht mitgeteilt), verlängert sich der Zeitraum auf 140 Jahre. Dies hält die Kammer angesichts der sehr hohen Ausstattungsquote auch der ärmeren Haushalte mit diesen Produkten nicht ansatzweise für glaubhaft. Immerhin sind in den Daten auch Anschaffungen gebrauchter Ware enthalten. Die der gesetzgeberischen Entscheidung zugrunde liegenden Daten sind daher evident nicht realitätsgerecht bzw verlässlich und mussten im Gesetzgebungsverfahren schon aus statistischer Sicht ernsthaft hinterfragt werden. Die Gesetzesbegründung äußert sich zu diesem Aspekt überhaupt nicht. Sie erläutert auch nicht, wie der im Ansparmodell für die genannten langlebigen Gebrauchsgüter bestehende Bedarf mit monatlich 2,66 EUR ausreichen können soll. Den Verfahrensvorgaben und der inhaltlichen Vorgabe des BVerfG, das der Bedarf realitätsgerecht bemessen werden müsse, hat der Gesetzgeber damit nicht genügt.
Unter diesen Umständen lässt sich auch nicht nachvollziehen, wie eine zehnprozentige Reduzierung der Leistungsauszahlungen durch Aufrechnung (§ 42a Abs 2 Satz 1 SGB II) mit Darlehen zur Anschaffung langlebiger Gebrauchsgegenstände nach §§ 24 Abs 1 Satz 1 SGB II gerechtfertigt sein kann. In diesem Umfang ist ein Ansparen angesichts eines Monatsbedarfs von lediglich 2,66 EUR schon nicht möglich und die Reduzierung der monatlich zur Verfügung gestellten Leistung um 10 % (2011 also 36,40 EUR) greift erheblich in die Gewährleistung der anderen Bedarfe ein, zumal der interne Ausgleich praktisch nicht mehr gewährleistet ist (dazu unten). Unter diesem Gesichtspunkt kann die Berechnung des Regelbedarfs nicht als "im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt" (BVerfG aaO RdNr 143) angesehen werden. Sofern das BVerfG eine gewisse Fehlerspanne zulassen will ("im Wesentlichen"), ist diese Grenze angesichts der gesetzgeberischen Regelungen im Kontext des Ansparmodells mit 10-prozentiger Leistungsreduzierung überschritten. Im Hinblick auf diesen Mangel vertritt Becker nach Auffassung der Kammer zu Recht die Auffassung, dass für diese Bedarfe wieder Einmalleistungen sachgerecht wären (Becker aaO S 33).
2.1.5.3. Der wertende Ausschluss bestimmter Güter und Dienstleistungen aus dem EVS-Katalog zur Ermittlung des Regelbedarfs ist hinsichtlich einzelner Güter und Dienstleistungen nicht hinreichend statistisch belegt oder sachgerecht nachvollziehbar begründet (a A Groth/Siebel-Huffmann in NJW 2011, 1105, 1110; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 333). Zwar ist der Gesetzgeber auch bei grundsätzlicher Anwendung des Statistikmodells nicht gehindert, einzelne Ausgabenpositionen zu kürzen oder zu streichen (so zutreffend Mogwitz aaO S 328). Ein solcher Eingriff in das System verlangt indes nach den überzeugenden Vorgaben des BVerfG einer besonderen Rechtfertigung. Diese muss sich in einer sachgerechten und nachvollziehbaren Begründung widerspiegeln. Aus ihr muss sich die ausfüllende Betätigung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ergeben, die aber gerade die Zwecke des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umzusetzen hat. Für die dabei erforderlichen Wertungen ist ausschließlich der parlamentarische Gesetzgeber berufen (Mogwitz ebd). Diesem ist Willkür dabei indes nicht gestattet (in diesem Sinne dürfte Rothkegel in ZFSH/SGB 2011, 69, 76 zu verstehen sein; vgl die harte Kritik von Mogwitz aaO S 329). Der Gesetzgeber hat daher die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen (BVerfG aaO RdNr 144). Bereits die Verletzung dieser Obliegenheitspflicht begründet die Verfassungswidrigkeit der konkreten Regelbedarfsbestimmung (BVerfG aaO RdNr 171).
Dies gilt zunächst für die Aufwendungen für Verkehr (Rixen in Sozialrecht aktuell 2011, 121, 123). Soweit der Gesetzgeber zulässig mit dem BVerfG (aaO RdNr 179) davon ausgegangen ist, dass die Unterhaltung eines Kfz nicht zum existenziellen Bedarf zählt, durfte er den durch die Nutzung des Kfz bestehenden Bedarf für den Transport von Personen und Lebensmitteln nicht außer Acht lassen (BVerfG ebd). Der im Rahmen der Neubemessung der Regelbedarfe vorgenommene normative Abschlag widerspricht dieser Vorgabe. Dass der Gesetzgeber diesen Verkehrsbedarf nicht sachgerecht erfasst hat, ergibt sich daraus, dass er zwar durch eine Sonderauswertung eine Vergleichsgruppe (die kein Kfz nutzt) gebildet hat und deren Bedarf ermittelte. Fehlerhaft hat er in die Vergleichsgruppe jedoch die Haushalte einbezogen, die keine Ausgaben für Verkehr hatten (BT-Drs 17/3404 S 59; Münder, Gutachten aaO S 76). Dies leuchtet nicht ein, weil es ja gerade um die Substitution eines reellen Mobilitätsbedarfs geht. In die Durchschnittsbildung der Gesamtgruppe können die Kfz-nutzenden Haushalte daher nur mit einem Durchschnittswert eingebunden werden, der aus der Gruppe der nicht Kfz-nutzenden Haushalte mit Verkehrsausgaben entnommen wird. Der Anteil der Personengruppe ohne Verkehrsaufwendungen darf innerhalb der Gesamtgruppe nicht dadurch erhöht werden, dass sie bei Personen mit Verkehrsaufwendungen anteilig berücksichtigt wird. Daraus resultiert im Regelbedarf ein Mobilitätsbedarf von 23,88 EUR statt der vom Gesetzgeber berücksichtigten 18,41 EUR bei "fremden Verkehrsdienstleistungen", so dass sich der Wert in § 5 RBEG Abteilung 7 (Verkehr) um 5,47 EUR erhöhen müsste (Münder, Gutachten aaO S 76), nach Anpassung zum 1. Januar 2011 genau 5,50 EUR.
Die Kammer teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die normative Reduzierung der Berücksichtigung von Ausgaben für alkoholische Getränke (Münder, Gutachten aaO S 75; Lenze in NVwZ 2011, 1104, 1106). Hier argumentiert der Fraktionsentwurf ausschließlich unter Berücksichtigung des Aspekts des physischen Existenzminimums (BT-Drs 17/3404 S 53). Auch nachdem der Gesetzgeber die hochprozentigen Spirituosen aus der Berechnung ausgeklammert hatte, substituiert er die verbliebenen 7,19 EUR durch den Wert von 2,99 EUR (Differenz: 4,20 EUR) für aus seiner Sicht angemessene alkoholfreie Getränke (12 Liter Flüssigkeit - BT-Drs 17/3404 S 53). Völlig außer Acht gelassen und deshalb im Ergebnis nicht überzeugend ist der mit dem (gemäßigten) Genuss von alkoholischen Getränken verbundene Teilhabe-Aspekt (Münder aaO, Lenze aaO). Auch die Flasche Wein oder Sekt als im deutschen Kulturkreis angemessenes Geschenk wird nicht im Rahmen der Teilhabe gewürdigt. Inwieweit nicht hochprozentige alkoholische Getränke für die Teilhabe relevant sind, wurde vom Gesetzgeber weder statistisch betrachtet noch wertend.
Für nicht nachvollziehbar hält die Kammer den normativen Ausschluss von Schnittblumen und Zimmerpflanzen (BT-Drs 17/3404 S 62), deren Umfang in der EVS 2008 mit 3,24 EUR notiert ist (BT-Drs 17/3404 S 141). Auch hier argumentiert die Begründung (S 62) ausschließlich damit, dass es sich dabei nicht um existenzsichernden Grundbedarf handele. Selbstverstänsdlich gehören derartige Anschaffungen nicht zum physischen Existenzminimum. Völlig verkannt wird die Teilhabekomponente, die insbesondere der Strauß Blumen oder ein Blumentopf mit Blühpflanzen als Geschenk im mitteleuropäischen Kulturraum besitzen. Hier übersieht der Gesetzgeber offensichtlich die vom BVerfG ausdrücklich hervorgehobene Komponente der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen im Rahmen der Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (BVerfG aaO RdNr 135). Hinsichtlich dieses Umstandes fehlt es an jeglicher Begründung der Streichung, so dass dieser normative Abschlag als unbegründete Abweichung vom Statistikmodell verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Dabei negiert die Kammer durchaus nicht, dass bei den genannten Anschaffungen solche für den Eigenbedarf, wie etwa auch die in der Position enthaltenen Weihnachtsbäume und Advents- oder Grabgestecke, enthalten sind, welche durchaus im Sinne wertender Entscheidung durch den Gesetzgeber aus dem Bedarfskatalog herausgenommen werden könnten. Aber auch dazu, welchen Anteil die Anschaffungen für den Eigenbedarf oder aber für Geschenke besitzen, finden sich keinerlei Angaben des Gesetzgebers. Diese Kritik setzt gerade nicht die eigene Einschätzung der Kammer an die Stelle der des Gesetzgebers (so aber Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 330), sondern besteht darauf, dass die vom BVerfG zu Recht geforderte tragfähige und nachvollziehbare Begründung erfolgen muss, um willkürliche Eingriffe in das methodische Vorgehen ausschließen zu können. Dem genügt hinsichtlich der Bedeutung des Teilhabeaspekts der bloße Hinweis, es handele sich nicht um existenzsichernden Grundbedarf (BT-Drs 17/3404 S 62), ersichtlich nicht.
Der Induktionsfehler für die Streichung von Kantinenaufwendungen wurde für die Studenten schon angesprochen. Er schlägt ebenso für die erwerbstätigen Angehörigen der Referenzgruppe durch (vgl. Münder aaO S 78). Insgesamt werden die Aufwendungen für Speisen und Getränke in Kantinen und Mensen von 4,12 EUR auf 1,17 EUR gekürzt (BT-Drs 17/3404 S 62 f), also um 2,95 EUR (rechnet man den Anteil der Studenten aus der Vergleichsgruppe von 18,95 % heraus, verbleibt eine Kürzung von 2,40 EUR, hochgerechnet um die Anpassung zum Januar 2011). Dabei wird ausschließlich, wie auch bei den Kürzungen für Speisen und Getränke in Restaurants, Cafés und an Imbissständen (BT-Drs ebd), mit Blick auf das physische Existenzminimum argumentiert (BT-Drs 17/3404 S 63). Dass der Besuch in Restaurants und Cafés und Imbissständen eine wesentliche Teilhabeseite hat, wird in der Begründung nicht angesprochen. Dies wiegt um so schwerer, als ebenfalls hier die vom BVerfG hervorgehobene Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen betroffen ist. Die Kürzung erfolgt insofern also ohne jegliche Begründung auf die für das Grundrecht relevante Teilhabeseite und ist bereits deshalb als unbegründeter Eingriff in das vom Gesetzgeber selbst gewählte Statistikmodell nach den Maßstäben des BVerfG nicht gerechtfertigt. Die Kürzungen für Speisen und Getränke in Restaurants, Cafés und an Imbissständen wegen der Reduzierung auf 28,5 Prozent (Groth/Siebel-Huffmann in NJW 2011, 1105, 1106) betreffen einen Betrag von 15,01 EUR (ohne Studentenanteil und hochgerechnet für 2011 ergibt das eine Kürzung von 12,23 EUR).
Nicht hinreichend begründet sind die Reduzierungen des Bedarfs hinsichtlich der Aufwendungen für Kosten der chemischen Reinigung, für Vorstellungsgespräche (Unterkunft/Bewerbungskleidung/Anzugsreinigung/Fahrtkosten), Prüfungsgebühren (vgl jeweils Münder aaO S 77 f) – weitestgehend Induktionsfehler – und Reparaturkosten für Einrichtungsgegenstände. Bei den Kosten der chemischen Reinigung ist schon die Annahme des Gesetzgebers nicht statistisch belegt, es handele sich dabei stets um höherwertige Kleidung, die nur wenige Kleidungsstücke betreffe (BT-Drs 17/3404 S 54 f) und nicht im Leistungsspektrum für bescheidene Lebensverhältnisse erfasst sei. Gerade Oberbekleidung ist sehr häufig nicht für Maschinenwäsche geeignet (Becker aaO S 38). Unzutreffend ist der Hinweis im Fraktionsentwurf, dass Reparaturaufwendungen entfallen könnten, weil diese durch die Erstausstattungsbedarfe gedeckt seien (BT-Drs 17/3404 S 57). Die Reparatur oder Ersatzanschaffung nach Verschleiß ist gerade nach zutreffender ständiger Rechtsprechung nicht durch die Möglichkeit von Erstanschaffungen (schon dem Wortlaut nach) gedeckt (ständige Rechtsprechung des BSG).
2.1.5.4. Durch die umfangreichen Streichungen von Gütern und Dienstleistungen aus dem EVS-Katalog zur Ermittlung des Regelbedarfs ist die vom BVerfG geforderte Möglichkeit zum internen Ausgleich (BVerfG aaO RdNr 172) nicht mehr gewährleistet. Auch dies ist ein Fehler, der bereits für sich die Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfsbestimmung bewirkt. Dies wirkt sich um so stärker aus, als die Referenzgruppe offensichtlich bedarfsreduzierend festgelegt wurde. Die Möglichkeit zum internen Ausgleich ist Kernelement der pauschalierenden Normierung und des Vorgehens über das Statistikmodell. Richtig ist deshalb, dass die einzelnen errechneten Detailbedarfe keine reellen Bedarfe eines idealtypischen Haushalts sind (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 331). Um so wichtiger ist, dass bei sehr erheblichen Reduzierungen gegenüber der Referenzgruppe als Maßstab, was einfache Lebensführung sein soll (§ 28 Abs 4 SGB XII), erkennbar bleibt, dass der internen Ausgleich realitätsgerecht berücksichtigt und keine gesetzgeberische Fiktion ist, die lediglich behauptet ist (an die aber Rechtsfolgen geknüpft werden – Aufrechnung mit Darlehen).
Becker und Münder addieren insgesamt normative Abschläge und Streichungen von insgesamt 151 EUR (Becker aaO S 44; Münder aaO S 79; Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 330 errechnet ca. 140 EUR). Dabei handelt es sich um einen sehr hohen Betrag, wenn man den nach diesen Abschlägen ermittelten Regelbedarf betrachtet und ein gewisser Bezug zur Referenzgruppe noch bestehen können soll. Bezogen auf den ermittelten Regelbedarf liegen Kürzungen von 41,73 Prozent vor. Während die Referenzgruppe die untersten 15 Prozent der Haushalte ohne Transferleistungen (aber mit BAföG) ausmacht, werden die daraus ermittelten Ausgaben zur physischen Existenzsicherung und zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zur gesellschaftlichen Teilhabe um weitere 30 Prozent gekürzt. Bei einem derart "auf Kante genähten" Regelbedarf kann von einem internen Ausgleich bei abweichenden Einzelbedarfen nicht ausgegangen werden. Bereits gezeigt wurde, dass ein Ansparen ausgeschlossen ist. Bei derart umfassenden Abschlägen ist eine Kontrollüberlegung des Gesetzgebers notwendig, ob angesichts zahlreicher Kürzungen der Einzelpositionen der interne Ausgleich noch gewährleistet ist. Dies ist nicht geschehen. Das Statistikmodell wird bei derartig umfassenden Streichungen angesichts sehr niedrig angesetzter Bestimmung der Referenzgruppe und der Unmöglichkeit zum internen Ausgleich seiner Funktion und seiner Legitimation beraubt.
2.2. Eine erhebliche und betragsmäßig beachtliche Abweichung vom verfassungsgemäßen Zustand ist anzunehmen. Diese Abweichung lässt sich im Hinblick auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, insbesondere im Teilhabebereich, weitgehend nicht als echte/reelle Regelbedarfskürzung sondern nur als normativer Fehlbetrag im Sinne einer verfassungsrechtlichen Beschwer erfassen, wiewohl viele der deutlich gemachten Fehler zur Überzeugung der Kammer zu einer Erhöhung der Regelbedarfe führen müssen. Sofern die Kammer damit ein über die Vorgaben des BVerfG hinausgehendes zusätzliches, restriktives Kriterium der verfassungsrechtlichen Beurteilung und der Möglichkeit einer verfassungsgerichtlichen Klärung vorsieht, findet dies seine Rechtfertigung darin, dass nicht jeder einzelne Fehler bei der insgesamt sehr komplizierten und komplexen Ermittlung der Regelbedarfe und angesichts der strengen methodischen Prüfung, die das BVerfG verlangt, bei betragsmäßiger Geringfügigkeit die verfassungsgerichtliche Klärung erlauben kann (Mogwitz in ZFSH/SGB 2011, 323, 334). Das BVerfG selbst gestattet dem Gesetzgeber Fehler in gewissen Grenzen, wenn es nur "im Wesentlichen" vollständige und zutreffende Ermittlungen verlangt (BVerfG aaO RdNr 143). Insofern ist dem Gesetzgeber im demokratischen Prozess und bei der ihm auferlegten kontinuierlichen Überprüfung der gesellschaftlichen Veränderungen und des methodischen Instrumentariums zu vertrauen. Indes ist angesichts der Vielzahl von Fehlern, deren Zusammenwirkung und deren Ausmaß das hier geprüfte einfache Recht im Umfang seiner defizitären Gestaltung verfassungswidrig.
Für alleinstehende Leistungsberechtigte muss gegenüber verfassungskonformer Bestimmung der Referenzgruppe und grundrechtskonformen Verzicht auf unzulässige normative Abschläge ein normativer Fehlbetrag von mindestens 35,37 EUR (für 2012 angepasst: 36,07 EUR) angenommen werden. In diesen Betrag sind eingeflossen 6,00 EUR für die Einbeziehung von Haushalten mit Erwerbseinkommen bis zu 100 EUR in die Referenzgruppe, 6,00 EUR wegen der fehlerhaften Einbeziehung der Studenten in die Referenzgruppe, 5,50 EUR wegen der fehlerhaften Ermittlung des Mobilitätsbedarfs, 12,23 EUR wegen der ungerechtfertigten Kürzung bei Speisen und Getränken in Restaurants, Cafés und Imbissen und 2,40 EUR Kantinenversorgung (dabei sind in einem Umfang von 3,42 EUR die entsprechenden Kürzungen für studentische Haushalte unberücksichtigt, die sich somit in den 6,00 EUR wegen der Einbeziehung der Studenten wieder finden) sowie 3,24 EUR wegen der Streichung der Schnittblumen/Blumentöpfe. Unberücksichtigt geblieben sind dabei die Einbeziehung "verdeckter Armut" und die unzulässige Einbeziehung von Erwerbstätigen mit Nettoeinkünften von mehr als 100 EUR, aber unterhalb der Bedarfssätze. Auch die weiteren Fehler bei der Feststellung der Referenzgruppe, die völlig unzureichende Erfassung des Bedarfs für langlebige Gebrauchsgüter, die einzelnen unzulässigen normativen Abschläge (alkoholische Getränke, chemische Reinigung ) und, dass wegen der Gesamtkürzungen der interne Ausgleich nicht mehr möglich ist, haben noch keinen Eingang in den angesprochenen normativen Fehlbetrag gefunden. Bei diesen weiteren Fehlern besteht teilweise ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der eine genauere Bezifferung durch die Kammer ausschließt. Insgesamt drängt sich ein Fehlerbereich im Sinne einer grundrechtlichen Beschwer jedenfalls von deutlich über 10 Prozent des Regelbedarfs auf. Dies ist ein im Verhältnis zum bislang festgesetzten Regelbedarf erhebliches und auch bei wertender Betrachtung beachtliches verfassungsrechtliches Defizit.
Für den Kläger ergeben sich insgesamt also monatliche normative Fehlbeträge von derzeit mindestens 36 EUR, die verfassungsrechtlich als nicht gerechtfertigt erscheinen. Auch dieser Betrag kann nicht mehr als unbeachtlich gelten.
Eine Korrektur der Fehler erst nach Weiterentwicklung der statistischen Methoden und neuer Bewertung bei der nächsten EVS erscheint im Hinblick auf den Umfang der Fehler und die Bedeutung des Grundrechts unzureichend (so auch Münder aaO S 84; Lenze in NVwZ 2011, 1104, 1108). Dem Gesetzgeber war aufgetragen worden, einen verfassungskonformen Zustand zum 1. Januar 2011 herzustellen.
2.3. Eine entsprechende Korrektur der Feststellungen der Entgelte hätte für die Leistungshöhe der Ansprüche auf Arbeitslosengeld II des Klägers unmittelbar Auswirkungen. Aufgrund der Regelung des § 19 Abs 3 Satz 1 SGB II würde die Erhöhung der Regelbedarfe unmittelbar zu höheren Leistungsansprüchen des Klägers in den im vorliegenden Rechtsstreit betroffenen Bewilligungszeiträumen führen. In diesem Sinne ist die erfragte Entscheidung des BVerfG für die abschließende Beurteilung der vorliegenden Klagen unverzichtbar. Im Hinblick darauf, dass dem Kläger monatlich mindestens 36 EUR normativ ungerechtfertigt bei der Bedarfsbemessung vorenthalten werden und er über kein Einkommen oder einsetzbares Vermögen verfügt, muss auch von einer Verletzung des Grundrechts des Klägers auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ausgegangen werden, jedenfalls für Zeiträume ab Februar 2012 nach Beendigung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II.
Eine verfassungskonforme Situation lässt sich für den Kläger auch nicht unter Anwendung der der Härtefallregelung des § 21 Abs 6 SGB II, der auf ausdrückliche Anordnung und strikt angelehnt an die Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 9. Februar 2010 geschaffen wurde, herstellen, weil die dafür erforderlichen strengen Voraussetzungen nicht vorliegen. Ein besonderer unabweisbarer laufender Bedarf im Sinne der restriktiven Vorgaben des BVerfG, die so auch vom Gesetzgeber übernommen wurden, lässt sich beim Kläger nicht erkennen.
3. Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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