Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
124
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 124 AS 7164/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung dem Grunde nach verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 14.5.2012 bis zum 31.10.2012 - längstens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am.1988 geborene Antragsteller ist spanischer Staatsangehöriger. Seit Januar 2012 hält er sich in der Bundesrepublik Deutschland auf. Der Antragsteller ist Inhaber einer Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) des Bezirksamts Lichtenberg von Berlin vom 20.1.2012; als Zeitpunkt der Anmeldung ist der 16.1.2012 angegeben.
Am 3.2.2012 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner erstmals die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 7.3.2012 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab, da der Antragsteller lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland habe. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, der bei dem Antragsgegner unter dem Aktenzeichen W /12 geführt wird.
Am 16.3.2012 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz ersucht, mit dem er sein Begehren weiter verfolgt. Im Januar 2012 sei er aus Spanien nach B gezogen, um hier Arbeit zu finden. Er sei völlig mittellos. Der Anspruch leite sich aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) ab. Der von der Bundesregierung angemeldete Ausschluss des SGB II vom Anwendungsbereich des EFA verstoße gegen Völkerrecht und sei daher als unwirksam zu betrachten. Zudem ergebe sich der Anspruch des Antragstellers bereits aus der EG VO Nr. 883/2004.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er darauf, dass nach seiner Auffassung die Leistungsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II widerspreche nicht europäischem Recht.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen weiterer Einzelheiten betreffend den Sachverhalt wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist – entsprechend dem Tenor – begründet.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Nach § 86b Abs 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Nach diesen Grundsätzen ist hier eine einstweilige Anordnung, wie dem Tenor zu entnehmen ist, zu erlassen. Dem Antragsteller sind vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 14.5.2012 bis 31.10.2012 auf Grund einer Folgenabwägung zu bewilligen. Eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage erscheint angesichts der mit der Anwendung der Ausschlussnorm des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II verbundenen Problematik, insbesondere der in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Frage der Europarechtskonformität dieser Vorschrift, gegenwärtig nicht möglich. Dem Antragsteller steht vorsaussichtlich ein Recht auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu. Die deshalb vorzunehmende Folgenabwägung geht zu Gunsten des Antragstellers aus. Da er nicht in der Lage ist, den Lebensunterhalt anderweitig zu sichern, sind die Nachteile, die ihm entstünden, wenn dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nachgekommen würde, sehr viel gravierender als die Nachteile der öffentlichen Hand, die rein fiskalischer Natur sind und entstehen, wenn dem Antragsteller vorläufig Leistungen bewilligt würden.
Rechtsgrundlage für die begehrte Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 19 SGB II.
Nach des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung ab 1.4.2011) erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4) (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Der Antragsteller erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Er ist 23 Jahre alt. Zudem ist er erwerbsfähig und hilfebedürftig, was unstreitig sein dürfte. Er hat gemäß § 7 Abs 1 Satz Nr. 4 SGB II seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist im Januar 2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Seitdem hält er sich hier auf. Der Antragsteller besitzt eine Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU (vgl. hierzu: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 23/10 R, Rz. 13,14).
Der Antragsteller ist jedoch nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen.
Nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II sind ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, 3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Gemäß § 7 Abs 1 Satz 3 SGB II gilt Satz 2 Nummer 1 nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs 1 Satz 4 SGB II).
Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nrn. 1 und 3 SGB II ist nicht gegeben, da der Antragsteller sich bereits länger als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und auch nicht zum Personenkreis des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II gehört.
Der Antragsteller unterfällt jedoch dem Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Sein Aufenthaltsrecht ergibt sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Es beruht auf § 2 Abs 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Danach sind Unionsbürger gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Die übrigen in § 2 Abs 2 FreizügG/EU genannten Aufenthaltsgründe kommen nicht in Betracht. Insbesondere ist ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs 2 Nr. 7, § 4a FreizügG/EU nicht ersichtlich. Nach eigenen Angaben hält sich der Antragsteller erst seit Januar 2012 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zudem hat der Antragsteller nach eigenem Vortrag zu keinem Zeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden oder ist selbständig tätig gewesen. Hierzu hat der Antragsteller vorgetragen, dass er nach Deutschland gekommen sei, um hier Arbeit zu suchen.
Die Regelung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist trotz des Gleichbehandlungsgebots des Art 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, S. 564) im vorliegenden Fall anwendbar (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 23/10 R, Rz. 21, 23, 33 ff). Zwar hat Spanien dieses Abkommen ratifiziert. Da aber die Bundesregierung gemäß Art 16 lit b) EFA mit Wirkung ab dem 19.12.2011 einen entsprechenden Vorbehalt notifiziert hat (vgl. unter www.conventions.coe.int zu "Full List" – Vertrag Nr. 14; in deutscher Übersetzung: Bundesagentur für Arbeit, Geschäftsanweisung SGB II Nr. 8 vom 23.2.2012, www.arbeitsagentur.de), findet die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II weiterhin Anwendung (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.4.2012, Az. L 5 AS 2157/11 B ER, L 5 AS 2177/11 B PKH, in juris, und Beschluss vom 29.2.2012, Az. L 20 AS 2347/11 B ER, in juris). Der Vorbehalt lautet (in deutscher Übersetzung: www.arbeitsagentur.de): "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernimmt keine Verpflichtung, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden." Dieser Vorbehalt stützt sich völkerrechtlich auf Art 16 lit b Satz 2 EFA. Nach Art 16 lit a EFA haben die Vertragschließenden den Generalsekretär des Europarates über jede Änderung ihrer Gesetzgebung zu unterrichten, die den Inhalt von Anhang I und III berührt. Gemäß Art 16 lit b EFA hat jeder Vertragschließende dem Generalsekretär des Europarates alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen, die in Anhang I noch nicht aufgeführt sind (Satz 1); gleichzeitig mit dieser Mitteilung kann der Vertragschließende Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden machen (Satz 2). Der Verpflichtung gemäß Art 16 lit b Satz 1 EFA ist die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer am 19.12.2011 bei dem Generalsekretariat eingegangenen Erklärung nachgekommen. Als neue Rechtsvorschriften wurden sowohl das SGB II als auch das SGB XII mitgeteilt. Gleichzeitig hat die Bundesrepublik Deutschland von dem ihr gemäß Art 16 lit b Satz 2 EFA eingeräumten Recht, Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden zu machen, Gebrauch gemacht. Das Recht, einen nachträglichen Vorbehalt zu dem EFA zu machen, beruht damit unmittelbar auf einer Vorschrift des Abkommens selbst. Ein Verstoß gegen Art 19 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) scheidet aus, da diese Vorschrift allein Vorbehalte bei Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages regelt, während Art 16 lit b Satz 2 EFA ausdrücklich auch nachträgliche Vorbehalte erlaubt. Dieser nachträgliche Vorbehalt, basierend auf der Vorschrift des Art 16 lit b EFA, bedarf nach dem Grundgesetz (GG) keines Zustimmungsgesetzes. Nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG bedürfen Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Die Erklärung eines Vorbehalts ermöglicht es der Partei eines völkerrechtlichen Vertrages, die Rechtswirkungen einzelner Vertragsbestimmungen für diese Vertragspartei auszuschließen oder zu ändern (Art 2 Abs 1 lit d WVRK). Es handelt sich um eine einseitige Willenserklärung völkerrechtlicher Art (vgl. Nettesheim in Maunz-Dürig, GG, Stand Januar 2009; Art 59 Rz. 119). Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich das Zustimmungserfordernis nicht auf die Erklärung des Vorbehalts vom 19.12.2011 erstreckt. Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 18.12.1984 (Az. 2 BvE 13/83; in BVerfGE 68,1,80,83 ff; aA Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 11. Auflage 2011, Art 59 GG Rz. 10,11 unter Bezugnahme auf die abweichende Meinung in BVerfGE 68,1,127) entschieden, dass einseitige völkerrechtliche Willenserklärungen im Rahmen bestehender zwei- oder mehrseitiger Verträge grundsätzlich nicht einem derartigen Zustimmungserfordernis unterworfen sind. Weiter legte das Bundesverfassungsgericht dar, dass eine Ausdehnung des Zustimmungserfordernisses nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG auf andere Akte als Vertragsabschlußerklärungen mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar sei und auch eine analoge Anwendung von Art 59 Abs 2 Satz 1 GG hierauf ausscheide. Zwar kann bei Nichteinbeziehung des Vorbehalts in das Zustimmungserfordernis die Gefahr einer Umgehung des Art 59 Abs 2 Satz 2 GG bestehen, wenn der seine Anwendung begründende Vertragsinhalt erst durch den Vorbehalt eingeführt wird (vgl. Pernice in Dreier, GG Art 59 Rz. 39). Entscheidend ist jedoch, ob das Vertragsgesetz nach dem Zweck des Art 59 Abs 2 Satz 1 GG durch den späteren Vorbehalt ausgehöhlt oder beeinträchtigt wird; daran fehlt es regelmäßig, weil und soweit der Vorbehalt von bestimmten vertraglichen Pflichten befreit und damit zu einem "minus" an innerstaatlicher Vollzugslast führt; nur wo der Vorbehalt etwa durch den Vertrag sonst begründete individuelle Rechte oder ihren Schutz durch internationale Verfahren beseitigt, würde der im Vertragsgesetz begründete positive Wille der Legislative beeinträchtigt (vgl. Pernice in Dreier, GG Art 59 Rz. 39; Nettesheim in Maunz-Dürig, GG Art 59 Rz. 122). Bei dem am 19.12.2011 erklärten Vorbehalt ist jedoch festzustellen, dass dieser sich unmittelbar auf das EFA stützt, das durch ein Zustimmungsgesetz gebilligt worden ist. Der Gesetzgeber hat damit im Voraus sein Einverständnis zu entsprechenden Vorbehalten erklärt. Im Übrigen bestand schon während der Geltungszeit des Bundessozialhilfegesetzes für dieses ein Vorbehalt. Das Bundessozialhilfegesetz ist mit dem 31.12.2004 außer Kraft getreten. Nachfolgend ist insbesondere zum 1.1.2005 das SGB II in Kraft getreten. Angesichts dessen war es folgerichtig, das SGB II als neue Rechtsvorschrift im Sinne von Art 16 lit b EFA mitzuteilen und einen Vorbehalt anzugeben. Fristen für die Mitteilung und für die Erklärung von Vorbehalten enthält Art 16 EFA nicht.
Nach Auffassung der Kammer könnte der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II jedoch primäres Gemeinschaftsrecht verletzen, und zwar das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV, so dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Folgenabwägung zu treffen ist. Ein Verstoß gegen die in Art 45 AEUV geregelte Arbeitnehmerfreizügigkeit mit dem speziellen Diskriminierungsverbot des Art 45 Abs 2 AEUV besteht dagegen nicht. Auch mit sekundärem Gemeinschaftsrecht ist die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach Auffassung der Kammer vereinbar.
Ein Verstoß gegen Art 45 AEUV (ex Art 39 EGV) liegt nicht vor. Nach Art 45 Abs 1 AEUV ist innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen (Abs 2). Sie gibt — vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen — den Arbeitnehmern insbesondere das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben (Art 45 Abs 3 lit a AEUV). Der Begriff des Arbeitnehmers ist im Vertrag selbst nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist "Arbeitnehmer" im Sinne von Art 45 AEUV ein Begriff des Unionsrechts, der nicht eng auszulegen ist; das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. EuGH, Urteil vom 4.6.2009, Az. C-22/08 und 23/08) – Vatsouras und Koupatantze; Khan in Geiger/Khan/Kotzur, 1. Auflage 2010, EUV/AEUV Art 45 AEUV Rz. 8). Nach dem genannten Urteil des EuGH vom 4.6.2009 fallen die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, in den Anwendungsbereich von Art 39 EGV (jetzt: Art 45 AEUV) und haben daher Anspruch auf die in Art 39 Abs 2 EGV vorgesehene Gleichbehandlung (EuGH, Urteil vom 15.9.2005, Az. C-258/04 –Ioannidis-). Wie der EuGH (unter Bezugnahme auf seine Urteile vom 23.3.2004 Az. C-138/02 – Collins – und vom 15.9.2005, Az. C-258/04 –Ioannidis-) ausführt, ist es angesichts der Einführung der Unionsbürgerschaft und der Auslegung, die das Recht der Unionsbürger auf Gleichbehandlung in der Rechtsprechung erfahren hat, nicht mehr möglich, vom Anwendungsbereich des Art 39 Abs 2 EGV eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern soll. Es sei jedoch legitim, dass ein Mitgliedstaat eine solche Beihilfe erst gewähre, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates festgestellt wurde. Das Bestehen einer solchen Verbindung könne sich unter anderem aus der Feststellung ergeben, dass der Betroffene während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedstaat gesucht hat (vgl. EuGH Urteil vom 23.3.2004, Az. C 138/02 –Collins-). Folglich könnten sich die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Art 39 Abs 2 EG berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Es sei Sache der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistung zu prüfen, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung (EuGH, Urteil vom 4.6.2009, Az. C-22/08 und 23/08 – Vatsouras und Koupatantze, Rz. 39 ff). Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art 45 Abs 2 AEUV liegt jedoch nicht vor, da vorliegend keine Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, streitig sind. Begehrt werden vielmehr Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums, demgemäß Leistungen der staatlichen Fürsorge. Der Regelbedarf nach § 20 SGB II als Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts stellt ein im Falle der Bedürftigkeit gewährtes "Mittel für den Lebensbedarf" dar (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 23/10 R Rz. 33 m.w.N., insbesondere Urteil vom 31.10.2007, Az. - B 14/11b AS 5/07 R, Rz. 35, wo im Hinblick auf das SGB II von einer "steuerfinanzierten Fürsorgeleistung" die Rede ist; vgl auch BT-Drucks 15/1516, S. 56: "nachrangige Fürsorgeleistung"). Das SGB II ist, so das Bundessozialgericht, - anders als bis zum 1.1.2005 die Arbeitslosenhilfe als Lohnersatzleistung- ein bedarfsabhängiges Leistungssystem (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2007, Az. B 14 AS 30/07 R, Rz. 19). Darüber hinaus ist die Fürsorgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes zum 1.1.2005 auch nicht auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII) beschränkt. Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende unterscheiden sich zwar nach ihrem Adressatenkreis. Das SGB II verliert dadurch aber nicht seinen Charakter als Fürsorgegesetz (vgl. BSG, Urteil vom19.10.2010, Rz. 33) Zudem ist der Antragsteller, obwohl er als Arbeitsuchender in den Schutzbereich des Art 45 Abs 2, 3 lit a, b AEUV aufgenommen ist, nicht als "Arbeitnehmer" im Sinne des Art 45 AEUV anzusehen. Wie ausgeführt, ist Voraussetzung, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Arbeitssuchende sind noch keine Arbeitnehmer, obwohl ihnen das Primär- und Sekundärrecht gewisse Rechte einräumt (vgl. Epiney in Vedder/ Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, 1. Auflage 2012, Art 45 AEUV Rz. 11). Vorliegend ist der Antragsteller im Januar 2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Seitdem ist er nach eigenen Angaben auf Arbeitssuche. Er hat nicht während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbracht, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhalten hat.
In Betracht kommt jedoch ein Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV. Nach Art 18 AEUV (ex-Artikel 12 EGV) ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten; das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Regelungen für das Verbot solcher Diskriminierungen treffen. Das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist unmittelbar anwendbar (vgl. Khan in Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV Art 18 AEUV Rz. 7; Folz in Vedder/ Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art 18 AEUV Rz. 2). Das Diskriminierungsverbot eröffnet grundsätzlich den Zugang zu sozialen Leistungen unter den gleichen Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige des Aufenthaltstaates (vgl. Folz a.a.O. Rz. 2). Wie der EuGH in seinem Urteil vom 7.9.2004 (Az. C-456/02 – Trojani –Rz. 42 ff – ; vgl. auch EuGH, Urteil vom 20.9.2001, Az. C 184/99 –Grzelczyk-, insbes Rz. 46) entschieden hat, fällt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Leistung der Sozialhilfe in den Anwendungsbereich des Vertrages. Im Fall Trojani ging es um einen Anspruch auf ein Existenzminimum, auf das jeder volljährige Belgier – erweitert um den Personenkreis, auf den die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 anwendbar ist -, der seinen tatsächlichen Aufenthalt in Belgien hat, nicht über ausreichende Mittel verfügt und sich diese Mittel nicht aus eigener Kraft oder in anderer Weise beschaffen kann, Anspruch hat. Nach dem genannten Urteil des EuGH in Sachen Trojani (a.a.O.) kann sich ein nicht wirtschaftlich aktiver Unionsbürger bei solchen Leistungen auf Art 12 EGV (jetzt Art 18 AEUV) berufen, wenn er sich im Aufnahmemitgliedstaat für eine bestimmte Dauer rechtmäßig aufgehalten hat oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Eine nationale Regelung stelle insofern eine nach Artikel 12 EGV verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, als sie den Unionsbürgern, die sich in dem Mitgliedstaat rechtmäßig aufhalten, ohne seine Staatsangehörigkeit zu besitzen, die Leistung von Sozialhilfe auch dann nicht gewährt, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gelten. Der EuGH fügt hinzu, dass es dem Aufnahmemitgliedstaat unbenommen bleibt, festzustellen, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, die Voraussetzungen für sein Aufenthaltsrecht nicht mehr erfüllt. Der Aufnahmemitgliedstaat könne in einem solchen Fall unter Einhaltung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen eine Ausweisungsmaßnahme vornehmen; die Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems durch einen Unionsbürger dürfe jedoch nicht automatisch eine solche Maßnahme zur Folge haben. Die EuGH weist ferner darauf hin, dass einem Unionsbürger, der im Aufnahmemitgliedstaat nicht kraft Artikel 39 EGV, 43 EGV oder 49 EGV ein Aufenthaltsrecht besitze, dort bereits aufgrund seiner Unionsbürgerschaft in unmittelbarer Anwendung von Art 18 Absatz 1 EGV ein Aufenthaltsrecht zustehen könne. Die Wahrnehmung dieses Rechts unterliege den in dieser Bestimmung genannten Beschränkungen und Bedingungen, jedoch hätten die zuständigen Behörden dafür Sorge zu tragen, dass bei der Anwendung dieser Beschränkungen und Bedingungen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet würden. Sobald eine Person, die sich in einer Situation wie der des dortigen Klägers befinde, jedoch eine Aufenthaltserlaubnis besitze, könne sie unter Berufung auf Art 12 EGV eine Leistung der Sozialhilfe beanspruchen. Vorliegend besitzt der Antragsteller kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer im Sinne von Art 45 Abs 1 AEUV, da er – wie ausgeführt – nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist. Aufenthaltsrechte nach Art 49 oder 56 AEUV (ex-Art 43 oder 49 EGV) sind nicht ersichtlich. Dem Antragsteller dürfte jedoch ein Aufenthaltsrecht als Arbeitssuchender gemäß Art 45 Abs 3 lit a, b AEUV zugute kommen. Außerdem ist er Inhaber einer Freizügigkeitsbescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU. Eine Pflicht zur Ausreise gemäß § 7 FreizügG/EU ist nicht ersichtlich. Damit hält sich der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig auf. Gegen eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts spricht auch nicht, dass der Freizügigkeitsbescheinigung nach dem Wortlaut der Vorschrift ("über das Aufenthaltsrecht ausgestellt") nur deklaratorischer Charakter im Hinblick auf das sich unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergebende Freizügigkeitsrecht zukommt und es sich um keinen Aufenthaltstitel handelt; denn es entspricht der gesetzlichen Konzeption des Freizügigkeitsrechts, von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen, solange die Ausländerbehörde nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Verlust oder das Nichtbestehen des Aufenthaltsrechts nach § 5 FreizügG/EU festzustellen und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht einzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, Rz. 14.) In der Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II könnte nach Auffassung der Kammer eine nach Art 18 AEUV verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu sehen sein, da sie Unionsbürgern, die sich in dem Mitgliedstaat rechtmäßig aufhalten, ohne ihre Staatsangehörigkeit zu besitzen, die Leistung von Sozialhilfe auch dann nicht gewährt, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gelten (vgl. Schreiber info also 2008, S. 3 ff; Schreiber info also 2009, 195,200). Der Ausschluss von aufenthaltsberechtigten Unionsbürgern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dürfte danach mit primärem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar sein, sofern – wie in der Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II – der Ausschluss allein auf die Staatsangehörigkeit gestützt wird. Wie der EuGH jedoch in einem Urteil vom 18.11.2008 (Az. C 158/07 -Förster-, Rz. 60) ausgeführt hat, ist es nach dem allgemeinen Diskriminierungsverbot nicht unzulässig, von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten einen vorherigen Aufenthalt von fünf Jahren zu verlangen. Bereits im Urteil vom 15.3.2005 (Az. C-209/03 –Bidar-, Rz. 56 f) hatte der EuGH darauf hingewiesen, dass - auch wenn die Mitgliedstaaten aufgerufen sind, bei der Organisation und Anwendung ihres Sozialhilfesystems eine gewisse finanzielle Solidarität mit den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten zu zeigen – es jedem Mitgliedstaat frei stehe, darauf zu achten, dass die Gewährung von Beihilfen zur Deckung des Unterhalts von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten nicht zu einer übermäßigen Belastung werde, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte, die dieser Staat gewähren könne; hinsichtlich einer dort streitigen Beihilfe zur Deckung der Unterhaltskosten der Studenten sei es somit legitim, dass ein Mitgliedstaat eine derartige Beihilfe nur solchen Studenten gewähre, die nachgewiesen hätten, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staates integriert hätten. Eine solche leistungseinschränkende Regelung sieht die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aber nicht vor. Die unterschiedliche Behandlung von deutschen Staatsangehörigen und Angehörigen der EU-Mitgliedstaaten dürfte nicht gerechtfertigt sein. Eine nach Art 18 AEUV verbotene Diskriminierung würde nur dann nicht vorliegen, wenn die unterschiedliche Behandlung durch objektive, von der Staatsangehörigkeit unabhängige Erwägungen gerechtfertigt ist (vgl. Khan a.a.O. Art 18 AEUV Rz. 9 m.w.N.). Die unterschiedliche Behandlung von deutschen Bürgern und Unionsbürgern könnte dadurch als gerechtfertigt angesehen werden, dass die Regelung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II den sachlichen Zweck verfolgen könnte, sozialleistungsorientierte Wanderungsbewegungen zu vermeiden (so: SG Dresden, Beschluss vom 5.8.2011, Az. S 36 AS 3461/11 ER unter Bezugnahme auf LSG Hessen, Beschluss vom 3.4.2008, Az. L 9 AS 59/08 ER). Nach Auffassung der Kammer dürfte dies jedoch eine unterschiedliche Behandlung allein aufgrund der Staatsangehörigkeit nicht rechtfertigen. Der AEUV räumt den Arbeitnehmern und auch den Arbeitsuchenden gerade die Freizügigkeit ein. Außerdem kommt in der Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II – anders als in der Vorschrift des § 23 Abs 3 SGB II ("Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen") - nicht zum Ausdruck, dass sozialleistungsorientierte Wanderungsbewegungen durch diese Vorschrift ausgeschlossen werden sollen. Sie beruht auf Art 24 Abs 2 der RL 2004/38/EG (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 13) und dient dem Ausschluss von Leistungen für EU-Bürger und ihren Familienangehörigen, die zuvor nicht in Deutschland gearbeitet haben, sondern zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen (S. 2). Bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II wohl nur EU-Bürger betreffen dürfte, da Staatsangehörige aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten ein Aufenthaltsrecht, das sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, nicht zukommen dürfte. Eine abschließende Entscheidung der Frage, ob Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Behandlung von deutschen Bürgern und EU-Bürgern bestehen, ist jedoch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich, so dass – wie bereits dargelegt – eine Folgenabwägung zu treffen ist.
Nach Auffassung der Kammer ist der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II jedoch mit sekundärem Gemeinschaftsrecht vereinbar, sofern er solche Leistungen nach dem SGB II betrifft, die nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, sondern den Lebensunterhalt sichern sollen.
Ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004 – Unionsbürgerrichtlinie – besteht nach Auffassung der Kammer nicht. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II beruht auf Art 24 Abs 2 der RL 2004/38/EG (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 13). Nach dieser Vorschrift ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Nach Art 14 Abs 4 lit b RL 2004/38/EG darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Aufgrund dieser Richtlinie sind die Mitgliedstaaten berechtigt, einem Unionsbürger die Sozialhilfe zu versagen, wenn er zum Zwecke der Arbeitssuche eingereist ist. Nach dem bereits genannten Urteil des EuGH vom 4.6.2009 (Rz.44) ist die Vorschrift des Art 24 Abs 2 RL 2004/38 im Einklang mit Art 39 Abs 2 EGV (jetzt: Art 45 Abs 2 AEUV) auszulegen. Die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, können – so der EuGH – sich auf Art 39 Abs 2 EG berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistung zu prüfen, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung. Der Zweck der Leistung ist nach Maßgabe ihrer Ergebnisse und nicht anhand ihrer formalen Struktur zu untersuchen. Finanzielle Leistungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, können somit nicht als "Sozialhilfeleistungen" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38 angesehen werden. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei den hier streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelbedarfe gemäß §§ 19, 20, 22 SGB II) um Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art 24 Abs 2 der RL 2004/38. Diese Leistungen haben nicht den Zweck, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, sondern die Existenzsicherung zu gewährleisten. Dass die Richtlinie noch die Möglichkeit eines Ausschlusses von "Sozialhilfe" vorsah, führt nicht zu einer anderen Beurteilung hinsichtlich der bereits dargelegten Verletzung des allgemeinen Diskriminierungsverbots. Die Richtlinie wurde am 29.4.2004 erlassen. Das maßgebliche Urteil des EuGH, das den Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbots auch für die Sozialhilfe eröffnet sah, ist erst später, nämlich am 7.9.2005, ergangen.
Des Weiteren besteht nach Auffassung der Kammer ein Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (in Kraft seit 1.5.2010) nicht. Es liegt weder eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 4 der Verordnung noch ein Verstoß gegen die Vorschrift des Art 3 Abs 3 i.V.m. Art 70 der Verordnung vor.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist in Art 4 VO (EG) Nr. 883/2004 geregelt. Er lautet: "Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates." In ihrem sachlichen Anwendungsbereich findet die Verordnung nur für "Rechtsvorschriften" im Sinne des Art 1 lit l VO (EG) Nr. 883/2004 Anwendung (vgl. Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Kommentierung II/12, Art 4 Rz. 9; Art 1 Rz. 41). Gemäß Art 1 lit l bezeichnet für die Zwecke dieser Verordnung der Ausdruck "Rechtsvorschriften" für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 3 Abs 1 VO (EG) Nr. 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit mit Ausnahme bestimmter tarifvertraglicher Vereinbarungen. Nach Art 3 Abs 1 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt die Verordnung für alle Rechtsvorschriften, die die angegebenen Zweige der sozialen Sicherheit betreffen. Erfasst sind hier insbesondere Leistungen bei Arbeitslosigkeit (unter lit h). Art 61 bis 65 VO (EG) 883/2004 treffen Regelungen zu "Leistungen bei Arbeitslosigkeit". Eine Leistung ist nur dann eine Leistung bei Arbeitslosigkeit in diesem Sinne, wenn sie den aufgrund der Arbeitslosigkeit entgehenden Arbeitslohn ersetzen soll und für den Unterhalt des arbeitslosen Arbeitnehmers bestimmt ist (vgl Schlegel in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Kommentierung V/10, Art 61 Rz. 43 m.N.). Das Arbeitslosengeld II (ohne Anspruch auf Zuschlag nach § 24 SGB II a.F., seit 1.1.2011 nicht mehr in Kraft) gehört zu den besonderen beitragsunabhängigen Leistungen (vgl. Schlegel in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Art 61 Rz. 49 m.N.), ist aber keine Leistung bei Arbeitslosigkeit. Danach werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 4 VO (EG) 883/2004 erfasst. Damit findet der Gleichbehandlungsgrundsatz der Verordnung nicht auf die Sozialhilfe Anwendung (vgl. Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Art 4 Rz. 9). Im Übrigen bestimmt Art 3 Abs 5 lit a VO (EG) Nr. 883/2004 ausdrücklich, dass diese Verordnung nicht für die soziale und medizinische Fürsorge gilt.
Eine Verletzung des Art 3 Abs 3 i.V.m. Art 70 VO (EG) Nr. 883/2004 durch die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Vorschrift des Art 3 Abs 3 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass die Verordnung auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt. Art 70 VO (EG) Nr. 883/2004 trifft Regelungen zu den besonderen beitragsunabhängigen Leistungen. Absatz 1 dieser Vorschrift legt als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Sonderregelung des Art 70 VO (EG) Nr. 883/2004 fest, dass es sich um eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung handelt, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Art 3 Abs 1 VO (EG) 883/2004 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweist, aber nicht gemäß Art 3 Abs 5 VO (EG) Nr. 883/2004 von der Verordnung erfasst wird (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Kommentierung V/10, Art 70 Rz. 8); es handelt sich somit um "Mischleistungen" (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht Art 70 Rz. 1). In Art 70 Abs 2 wird der Begriff der "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistung" definiert (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht Art 70 Rz. 9). Für die von Art 70 Abs 1 und 2 VO (EG) 883/2004 erfassten Leistungen trifft nun Absatz 3 eine Regelung: Auf die mit Art 70 Abs 1 und 2 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmten Geldleistungen finden die Regelungen des Art 7 VO (EG) 883/2004 und damit die sonst für Leistungen der sozialen Sicherheit geltende Exportverpflichtung keine Anwendung; auch die übrigen Vorschriften des Titels III der Verordnung gelten für diese Leistungen nicht (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht Art 70 Rz. 24). Für die besonderen beitragsunabhängigen Leistung gemäß Art 70 Abs 1 und 2 VO (EG) Nr. 883/2004, also Leistungen die sowohl Merkmale der in Art 3 Abs 1 VO (EG) Nr. 883/2004 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen, werden damit insbesondere separate Regelungen für den Leistungsexport getroffen. Für die besonderen beitragsunabhängigen gelten nicht die allgemeinen Koordinierungsregelungen, sondern allein die Sonderregelung des Art 70 VO (EG) Nr. 883/2004 (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Kommentierung V/10, Art 3 Rz. 47). Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 4 VO (EG) Nr. 883/2004 wird für diese Leistungen gerade nicht bestimmt.
Angesichts dessen kann sich ein Anspruch des Antragstellers möglicherweise unmittelbar aus primärem Gemeinschaftsrecht ergeben. Aufgrund der Komplexität der Rechtsfragen kann die Rechtslage in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilt werden. Eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage ist im Eilverfahren nicht möglich, so dass anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden ist. Die Folgenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus. Ohne die beantragten Leistungen drohen existentielle Nachteile, die er aus eigener Kraft nicht abwenden kann. Demgegenüber hat der Antragsgegner allein finanzielle Nachteile. Daher geht die vorzunehmende Folgenabwägung der Folgen des Ausbleibens der Zahlung für den Antragsteller (Nichtgewährung des Existenzminimums) gegenüber den Folgen der Zahlung für die Allgemeinheit (eventuelle Überzahlung von Leistungen) zu Gunsten des Antragstellers aus.
Danach sind dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorläufig dem Grunde nach zuzusprechen. Für die Zeit vom 14.5.2012 bis zum 31.10.2012 hat der Antragsteller Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, und zwar in Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende gemäß § 20 SGB II sowie des Bedarfs für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II; allerdings hat der Antragsteller laut Angaben bei Antragstellung bei dem Antragsgegner keine Mietkosten zu tragen. Zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen besteht nicht.
Für die Zeit vor der Beschlussfassung fehlt es an einem Anordnungsgrund. Es ist dem Antragsteller auch im Hinblick auf das in Art. 19 Abs 4 GG verankerte Gebot effektiven Rechtsschutzes insoweit zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Denn schwere und unwiederbringliche Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage sein könnte, sind nicht ersichtlich und auch nicht glaubhaft vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs 1, Abs 3 Nr. 1, § 144 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,- Euro übersteigt.
Gründe:
I.
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am.1988 geborene Antragsteller ist spanischer Staatsangehöriger. Seit Januar 2012 hält er sich in der Bundesrepublik Deutschland auf. Der Antragsteller ist Inhaber einer Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) des Bezirksamts Lichtenberg von Berlin vom 20.1.2012; als Zeitpunkt der Anmeldung ist der 16.1.2012 angegeben.
Am 3.2.2012 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner erstmals die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 7.3.2012 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab, da der Antragsteller lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland habe. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, der bei dem Antragsgegner unter dem Aktenzeichen W /12 geführt wird.
Am 16.3.2012 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin um einstweiligen Rechtsschutz ersucht, mit dem er sein Begehren weiter verfolgt. Im Januar 2012 sei er aus Spanien nach B gezogen, um hier Arbeit zu finden. Er sei völlig mittellos. Der Anspruch leite sich aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) ab. Der von der Bundesregierung angemeldete Ausschluss des SGB II vom Anwendungsbereich des EFA verstoße gegen Völkerrecht und sei daher als unwirksam zu betrachten. Zudem ergebe sich der Anspruch des Antragstellers bereits aus der EG VO Nr. 883/2004.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er darauf, dass nach seiner Auffassung die Leistungsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II widerspreche nicht europäischem Recht.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen weiterer Einzelheiten betreffend den Sachverhalt wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist – entsprechend dem Tenor – begründet.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Nach § 86b Abs 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Nach diesen Grundsätzen ist hier eine einstweilige Anordnung, wie dem Tenor zu entnehmen ist, zu erlassen. Dem Antragsteller sind vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 14.5.2012 bis 31.10.2012 auf Grund einer Folgenabwägung zu bewilligen. Eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage erscheint angesichts der mit der Anwendung der Ausschlussnorm des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II verbundenen Problematik, insbesondere der in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Frage der Europarechtskonformität dieser Vorschrift, gegenwärtig nicht möglich. Dem Antragsteller steht vorsaussichtlich ein Recht auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu. Die deshalb vorzunehmende Folgenabwägung geht zu Gunsten des Antragstellers aus. Da er nicht in der Lage ist, den Lebensunterhalt anderweitig zu sichern, sind die Nachteile, die ihm entstünden, wenn dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht nachgekommen würde, sehr viel gravierender als die Nachteile der öffentlichen Hand, die rein fiskalischer Natur sind und entstehen, wenn dem Antragsteller vorläufig Leistungen bewilligt würden.
Rechtsgrundlage für die begehrte Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 19 SGB II.
Nach des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung ab 1.4.2011) erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4) (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Der Antragsteller erfüllt die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Er ist 23 Jahre alt. Zudem ist er erwerbsfähig und hilfebedürftig, was unstreitig sein dürfte. Er hat gemäß § 7 Abs 1 Satz Nr. 4 SGB II seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist im Januar 2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Seitdem hält er sich hier auf. Der Antragsteller besitzt eine Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU (vgl. hierzu: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 23/10 R, Rz. 13,14).
Der Antragsteller ist jedoch nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen.
Nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II sind ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, 3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Gemäß § 7 Abs 1 Satz 3 SGB II gilt Satz 2 Nummer 1 nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs 1 Satz 4 SGB II).
Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nrn. 1 und 3 SGB II ist nicht gegeben, da der Antragsteller sich bereits länger als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und auch nicht zum Personenkreis des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II gehört.
Der Antragsteller unterfällt jedoch dem Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Sein Aufenthaltsrecht ergibt sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Es beruht auf § 2 Abs 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Danach sind Unionsbürger gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Die übrigen in § 2 Abs 2 FreizügG/EU genannten Aufenthaltsgründe kommen nicht in Betracht. Insbesondere ist ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs 2 Nr. 7, § 4a FreizügG/EU nicht ersichtlich. Nach eigenen Angaben hält sich der Antragsteller erst seit Januar 2012 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Zudem hat der Antragsteller nach eigenem Vortrag zu keinem Zeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden oder ist selbständig tätig gewesen. Hierzu hat der Antragsteller vorgetragen, dass er nach Deutschland gekommen sei, um hier Arbeit zu suchen.
Die Regelung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist trotz des Gleichbehandlungsgebots des Art 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, S. 564) im vorliegenden Fall anwendbar (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 23/10 R, Rz. 21, 23, 33 ff). Zwar hat Spanien dieses Abkommen ratifiziert. Da aber die Bundesregierung gemäß Art 16 lit b) EFA mit Wirkung ab dem 19.12.2011 einen entsprechenden Vorbehalt notifiziert hat (vgl. unter www.conventions.coe.int zu "Full List" – Vertrag Nr. 14; in deutscher Übersetzung: Bundesagentur für Arbeit, Geschäftsanweisung SGB II Nr. 8 vom 23.2.2012, www.arbeitsagentur.de), findet die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II weiterhin Anwendung (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3.4.2012, Az. L 5 AS 2157/11 B ER, L 5 AS 2177/11 B PKH, in juris, und Beschluss vom 29.2.2012, Az. L 20 AS 2347/11 B ER, in juris). Der Vorbehalt lautet (in deutscher Übersetzung: www.arbeitsagentur.de): "Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland übernimmt keine Verpflichtung, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden." Dieser Vorbehalt stützt sich völkerrechtlich auf Art 16 lit b Satz 2 EFA. Nach Art 16 lit a EFA haben die Vertragschließenden den Generalsekretär des Europarates über jede Änderung ihrer Gesetzgebung zu unterrichten, die den Inhalt von Anhang I und III berührt. Gemäß Art 16 lit b EFA hat jeder Vertragschließende dem Generalsekretär des Europarates alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen, die in Anhang I noch nicht aufgeführt sind (Satz 1); gleichzeitig mit dieser Mitteilung kann der Vertragschließende Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden machen (Satz 2). Der Verpflichtung gemäß Art 16 lit b Satz 1 EFA ist die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer am 19.12.2011 bei dem Generalsekretariat eingegangenen Erklärung nachgekommen. Als neue Rechtsvorschriften wurden sowohl das SGB II als auch das SGB XII mitgeteilt. Gleichzeitig hat die Bundesrepublik Deutschland von dem ihr gemäß Art 16 lit b Satz 2 EFA eingeräumten Recht, Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden zu machen, Gebrauch gemacht. Das Recht, einen nachträglichen Vorbehalt zu dem EFA zu machen, beruht damit unmittelbar auf einer Vorschrift des Abkommens selbst. Ein Verstoß gegen Art 19 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) scheidet aus, da diese Vorschrift allein Vorbehalte bei Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages regelt, während Art 16 lit b Satz 2 EFA ausdrücklich auch nachträgliche Vorbehalte erlaubt. Dieser nachträgliche Vorbehalt, basierend auf der Vorschrift des Art 16 lit b EFA, bedarf nach dem Grundgesetz (GG) keines Zustimmungsgesetzes. Nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG bedürfen Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Die Erklärung eines Vorbehalts ermöglicht es der Partei eines völkerrechtlichen Vertrages, die Rechtswirkungen einzelner Vertragsbestimmungen für diese Vertragspartei auszuschließen oder zu ändern (Art 2 Abs 1 lit d WVRK). Es handelt sich um eine einseitige Willenserklärung völkerrechtlicher Art (vgl. Nettesheim in Maunz-Dürig, GG, Stand Januar 2009; Art 59 Rz. 119). Vorliegend ist davon auszugehen, dass sich das Zustimmungserfordernis nicht auf die Erklärung des Vorbehalts vom 19.12.2011 erstreckt. Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 18.12.1984 (Az. 2 BvE 13/83; in BVerfGE 68,1,80,83 ff; aA Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 11. Auflage 2011, Art 59 GG Rz. 10,11 unter Bezugnahme auf die abweichende Meinung in BVerfGE 68,1,127) entschieden, dass einseitige völkerrechtliche Willenserklärungen im Rahmen bestehender zwei- oder mehrseitiger Verträge grundsätzlich nicht einem derartigen Zustimmungserfordernis unterworfen sind. Weiter legte das Bundesverfassungsgericht dar, dass eine Ausdehnung des Zustimmungserfordernisses nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG auf andere Akte als Vertragsabschlußerklärungen mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar sei und auch eine analoge Anwendung von Art 59 Abs 2 Satz 1 GG hierauf ausscheide. Zwar kann bei Nichteinbeziehung des Vorbehalts in das Zustimmungserfordernis die Gefahr einer Umgehung des Art 59 Abs 2 Satz 2 GG bestehen, wenn der seine Anwendung begründende Vertragsinhalt erst durch den Vorbehalt eingeführt wird (vgl. Pernice in Dreier, GG Art 59 Rz. 39). Entscheidend ist jedoch, ob das Vertragsgesetz nach dem Zweck des Art 59 Abs 2 Satz 1 GG durch den späteren Vorbehalt ausgehöhlt oder beeinträchtigt wird; daran fehlt es regelmäßig, weil und soweit der Vorbehalt von bestimmten vertraglichen Pflichten befreit und damit zu einem "minus" an innerstaatlicher Vollzugslast führt; nur wo der Vorbehalt etwa durch den Vertrag sonst begründete individuelle Rechte oder ihren Schutz durch internationale Verfahren beseitigt, würde der im Vertragsgesetz begründete positive Wille der Legislative beeinträchtigt (vgl. Pernice in Dreier, GG Art 59 Rz. 39; Nettesheim in Maunz-Dürig, GG Art 59 Rz. 122). Bei dem am 19.12.2011 erklärten Vorbehalt ist jedoch festzustellen, dass dieser sich unmittelbar auf das EFA stützt, das durch ein Zustimmungsgesetz gebilligt worden ist. Der Gesetzgeber hat damit im Voraus sein Einverständnis zu entsprechenden Vorbehalten erklärt. Im Übrigen bestand schon während der Geltungszeit des Bundessozialhilfegesetzes für dieses ein Vorbehalt. Das Bundessozialhilfegesetz ist mit dem 31.12.2004 außer Kraft getreten. Nachfolgend ist insbesondere zum 1.1.2005 das SGB II in Kraft getreten. Angesichts dessen war es folgerichtig, das SGB II als neue Rechtsvorschrift im Sinne von Art 16 lit b EFA mitzuteilen und einen Vorbehalt anzugeben. Fristen für die Mitteilung und für die Erklärung von Vorbehalten enthält Art 16 EFA nicht.
Nach Auffassung der Kammer könnte der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II jedoch primäres Gemeinschaftsrecht verletzen, und zwar das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV, so dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Folgenabwägung zu treffen ist. Ein Verstoß gegen die in Art 45 AEUV geregelte Arbeitnehmerfreizügigkeit mit dem speziellen Diskriminierungsverbot des Art 45 Abs 2 AEUV besteht dagegen nicht. Auch mit sekundärem Gemeinschaftsrecht ist die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach Auffassung der Kammer vereinbar.
Ein Verstoß gegen Art 45 AEUV (ex Art 39 EGV) liegt nicht vor. Nach Art 45 Abs 1 AEUV ist innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen (Abs 2). Sie gibt — vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen — den Arbeitnehmern insbesondere das Recht, sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben (Art 45 Abs 3 lit a AEUV). Der Begriff des Arbeitnehmers ist im Vertrag selbst nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist "Arbeitnehmer" im Sinne von Art 45 AEUV ein Begriff des Unionsrechts, der nicht eng auszulegen ist; das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. EuGH, Urteil vom 4.6.2009, Az. C-22/08 und 23/08) – Vatsouras und Koupatantze; Khan in Geiger/Khan/Kotzur, 1. Auflage 2010, EUV/AEUV Art 45 AEUV Rz. 8). Nach dem genannten Urteil des EuGH vom 4.6.2009 fallen die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, in den Anwendungsbereich von Art 39 EGV (jetzt: Art 45 AEUV) und haben daher Anspruch auf die in Art 39 Abs 2 EGV vorgesehene Gleichbehandlung (EuGH, Urteil vom 15.9.2005, Az. C-258/04 –Ioannidis-). Wie der EuGH (unter Bezugnahme auf seine Urteile vom 23.3.2004 Az. C-138/02 – Collins – und vom 15.9.2005, Az. C-258/04 –Ioannidis-) ausführt, ist es angesichts der Einführung der Unionsbürgerschaft und der Auslegung, die das Recht der Unionsbürger auf Gleichbehandlung in der Rechtsprechung erfahren hat, nicht mehr möglich, vom Anwendungsbereich des Art 39 Abs 2 EGV eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern soll. Es sei jedoch legitim, dass ein Mitgliedstaat eine solche Beihilfe erst gewähre, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates festgestellt wurde. Das Bestehen einer solchen Verbindung könne sich unter anderem aus der Feststellung ergeben, dass der Betroffene während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedstaat gesucht hat (vgl. EuGH Urteil vom 23.3.2004, Az. C 138/02 –Collins-). Folglich könnten sich die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Art 39 Abs 2 EG berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Es sei Sache der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistung zu prüfen, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung (EuGH, Urteil vom 4.6.2009, Az. C-22/08 und 23/08 – Vatsouras und Koupatantze, Rz. 39 ff). Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art 45 Abs 2 AEUV liegt jedoch nicht vor, da vorliegend keine Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, streitig sind. Begehrt werden vielmehr Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums, demgemäß Leistungen der staatlichen Fürsorge. Der Regelbedarf nach § 20 SGB II als Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts stellt ein im Falle der Bedürftigkeit gewährtes "Mittel für den Lebensbedarf" dar (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 23/10 R Rz. 33 m.w.N., insbesondere Urteil vom 31.10.2007, Az. - B 14/11b AS 5/07 R, Rz. 35, wo im Hinblick auf das SGB II von einer "steuerfinanzierten Fürsorgeleistung" die Rede ist; vgl auch BT-Drucks 15/1516, S. 56: "nachrangige Fürsorgeleistung"). Das SGB II ist, so das Bundessozialgericht, - anders als bis zum 1.1.2005 die Arbeitslosenhilfe als Lohnersatzleistung- ein bedarfsabhängiges Leistungssystem (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2007, Az. B 14 AS 30/07 R, Rz. 19). Darüber hinaus ist die Fürsorgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes zum 1.1.2005 auch nicht auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Sozialgesetzbuches (SGB XII) beschränkt. Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende unterscheiden sich zwar nach ihrem Adressatenkreis. Das SGB II verliert dadurch aber nicht seinen Charakter als Fürsorgegesetz (vgl. BSG, Urteil vom19.10.2010, Rz. 33) Zudem ist der Antragsteller, obwohl er als Arbeitsuchender in den Schutzbereich des Art 45 Abs 2, 3 lit a, b AEUV aufgenommen ist, nicht als "Arbeitnehmer" im Sinne des Art 45 AEUV anzusehen. Wie ausgeführt, ist Voraussetzung, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Arbeitssuchende sind noch keine Arbeitnehmer, obwohl ihnen das Primär- und Sekundärrecht gewisse Rechte einräumt (vgl. Epiney in Vedder/ Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, 1. Auflage 2012, Art 45 AEUV Rz. 11). Vorliegend ist der Antragsteller im Januar 2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Seitdem ist er nach eigenen Angaben auf Arbeitssuche. Er hat nicht während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbracht, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhalten hat.
In Betracht kommt jedoch ein Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV. Nach Art 18 AEUV (ex-Artikel 12 EGV) ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten; das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Regelungen für das Verbot solcher Diskriminierungen treffen. Das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist unmittelbar anwendbar (vgl. Khan in Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV Art 18 AEUV Rz. 7; Folz in Vedder/ Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, Art 18 AEUV Rz. 2). Das Diskriminierungsverbot eröffnet grundsätzlich den Zugang zu sozialen Leistungen unter den gleichen Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige des Aufenthaltstaates (vgl. Folz a.a.O. Rz. 2). Wie der EuGH in seinem Urteil vom 7.9.2004 (Az. C-456/02 – Trojani –Rz. 42 ff – ; vgl. auch EuGH, Urteil vom 20.9.2001, Az. C 184/99 –Grzelczyk-, insbes Rz. 46) entschieden hat, fällt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Leistung der Sozialhilfe in den Anwendungsbereich des Vertrages. Im Fall Trojani ging es um einen Anspruch auf ein Existenzminimum, auf das jeder volljährige Belgier – erweitert um den Personenkreis, auf den die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 anwendbar ist -, der seinen tatsächlichen Aufenthalt in Belgien hat, nicht über ausreichende Mittel verfügt und sich diese Mittel nicht aus eigener Kraft oder in anderer Weise beschaffen kann, Anspruch hat. Nach dem genannten Urteil des EuGH in Sachen Trojani (a.a.O.) kann sich ein nicht wirtschaftlich aktiver Unionsbürger bei solchen Leistungen auf Art 12 EGV (jetzt Art 18 AEUV) berufen, wenn er sich im Aufnahmemitgliedstaat für eine bestimmte Dauer rechtmäßig aufgehalten hat oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Eine nationale Regelung stelle insofern eine nach Artikel 12 EGV verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, als sie den Unionsbürgern, die sich in dem Mitgliedstaat rechtmäßig aufhalten, ohne seine Staatsangehörigkeit zu besitzen, die Leistung von Sozialhilfe auch dann nicht gewährt, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gelten. Der EuGH fügt hinzu, dass es dem Aufnahmemitgliedstaat unbenommen bleibt, festzustellen, dass ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, die Voraussetzungen für sein Aufenthaltsrecht nicht mehr erfüllt. Der Aufnahmemitgliedstaat könne in einem solchen Fall unter Einhaltung der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen eine Ausweisungsmaßnahme vornehmen; die Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems durch einen Unionsbürger dürfe jedoch nicht automatisch eine solche Maßnahme zur Folge haben. Die EuGH weist ferner darauf hin, dass einem Unionsbürger, der im Aufnahmemitgliedstaat nicht kraft Artikel 39 EGV, 43 EGV oder 49 EGV ein Aufenthaltsrecht besitze, dort bereits aufgrund seiner Unionsbürgerschaft in unmittelbarer Anwendung von Art 18 Absatz 1 EGV ein Aufenthaltsrecht zustehen könne. Die Wahrnehmung dieses Rechts unterliege den in dieser Bestimmung genannten Beschränkungen und Bedingungen, jedoch hätten die zuständigen Behörden dafür Sorge zu tragen, dass bei der Anwendung dieser Beschränkungen und Bedingungen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet würden. Sobald eine Person, die sich in einer Situation wie der des dortigen Klägers befinde, jedoch eine Aufenthaltserlaubnis besitze, könne sie unter Berufung auf Art 12 EGV eine Leistung der Sozialhilfe beanspruchen. Vorliegend besitzt der Antragsteller kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer im Sinne von Art 45 Abs 1 AEUV, da er – wie ausgeführt – nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist. Aufenthaltsrechte nach Art 49 oder 56 AEUV (ex-Art 43 oder 49 EGV) sind nicht ersichtlich. Dem Antragsteller dürfte jedoch ein Aufenthaltsrecht als Arbeitssuchender gemäß Art 45 Abs 3 lit a, b AEUV zugute kommen. Außerdem ist er Inhaber einer Freizügigkeitsbescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU. Eine Pflicht zur Ausreise gemäß § 7 FreizügG/EU ist nicht ersichtlich. Damit hält sich der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland rechtmäßig auf. Gegen eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts spricht auch nicht, dass der Freizügigkeitsbescheinigung nach dem Wortlaut der Vorschrift ("über das Aufenthaltsrecht ausgestellt") nur deklaratorischer Charakter im Hinblick auf das sich unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergebende Freizügigkeitsrecht zukommt und es sich um keinen Aufenthaltstitel handelt; denn es entspricht der gesetzlichen Konzeption des Freizügigkeitsrechts, von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen, solange die Ausländerbehörde nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Verlust oder das Nichtbestehen des Aufenthaltsrechts nach § 5 FreizügG/EU festzustellen und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht einzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, Rz. 14.) In der Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II könnte nach Auffassung der Kammer eine nach Art 18 AEUV verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu sehen sein, da sie Unionsbürgern, die sich in dem Mitgliedstaat rechtmäßig aufhalten, ohne ihre Staatsangehörigkeit zu besitzen, die Leistung von Sozialhilfe auch dann nicht gewährt, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats gelten (vgl. Schreiber info also 2008, S. 3 ff; Schreiber info also 2009, 195,200). Der Ausschluss von aufenthaltsberechtigten Unionsbürgern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dürfte danach mit primärem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar sein, sofern – wie in der Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II – der Ausschluss allein auf die Staatsangehörigkeit gestützt wird. Wie der EuGH jedoch in einem Urteil vom 18.11.2008 (Az. C 158/07 -Förster-, Rz. 60) ausgeführt hat, ist es nach dem allgemeinen Diskriminierungsverbot nicht unzulässig, von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten einen vorherigen Aufenthalt von fünf Jahren zu verlangen. Bereits im Urteil vom 15.3.2005 (Az. C-209/03 –Bidar-, Rz. 56 f) hatte der EuGH darauf hingewiesen, dass - auch wenn die Mitgliedstaaten aufgerufen sind, bei der Organisation und Anwendung ihres Sozialhilfesystems eine gewisse finanzielle Solidarität mit den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten zu zeigen – es jedem Mitgliedstaat frei stehe, darauf zu achten, dass die Gewährung von Beihilfen zur Deckung des Unterhalts von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten nicht zu einer übermäßigen Belastung werde, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte, die dieser Staat gewähren könne; hinsichtlich einer dort streitigen Beihilfe zur Deckung der Unterhaltskosten der Studenten sei es somit legitim, dass ein Mitgliedstaat eine derartige Beihilfe nur solchen Studenten gewähre, die nachgewiesen hätten, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staates integriert hätten. Eine solche leistungseinschränkende Regelung sieht die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aber nicht vor. Die unterschiedliche Behandlung von deutschen Staatsangehörigen und Angehörigen der EU-Mitgliedstaaten dürfte nicht gerechtfertigt sein. Eine nach Art 18 AEUV verbotene Diskriminierung würde nur dann nicht vorliegen, wenn die unterschiedliche Behandlung durch objektive, von der Staatsangehörigkeit unabhängige Erwägungen gerechtfertigt ist (vgl. Khan a.a.O. Art 18 AEUV Rz. 9 m.w.N.). Die unterschiedliche Behandlung von deutschen Bürgern und Unionsbürgern könnte dadurch als gerechtfertigt angesehen werden, dass die Regelung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II den sachlichen Zweck verfolgen könnte, sozialleistungsorientierte Wanderungsbewegungen zu vermeiden (so: SG Dresden, Beschluss vom 5.8.2011, Az. S 36 AS 3461/11 ER unter Bezugnahme auf LSG Hessen, Beschluss vom 3.4.2008, Az. L 9 AS 59/08 ER). Nach Auffassung der Kammer dürfte dies jedoch eine unterschiedliche Behandlung allein aufgrund der Staatsangehörigkeit nicht rechtfertigen. Der AEUV räumt den Arbeitnehmern und auch den Arbeitsuchenden gerade die Freizügigkeit ein. Außerdem kommt in der Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II – anders als in der Vorschrift des § 23 Abs 3 SGB II ("Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen") - nicht zum Ausdruck, dass sozialleistungsorientierte Wanderungsbewegungen durch diese Vorschrift ausgeschlossen werden sollen. Sie beruht auf Art 24 Abs 2 der RL 2004/38/EG (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 13) und dient dem Ausschluss von Leistungen für EU-Bürger und ihren Familienangehörigen, die zuvor nicht in Deutschland gearbeitet haben, sondern zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen (S. 2). Bedenklich erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II wohl nur EU-Bürger betreffen dürfte, da Staatsangehörige aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten ein Aufenthaltsrecht, das sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, nicht zukommen dürfte. Eine abschließende Entscheidung der Frage, ob Rechtfertigungsgründe für eine unterschiedliche Behandlung von deutschen Bürgern und EU-Bürgern bestehen, ist jedoch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich, so dass – wie bereits dargelegt – eine Folgenabwägung zu treffen ist.
Nach Auffassung der Kammer ist der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II jedoch mit sekundärem Gemeinschaftsrecht vereinbar, sofern er solche Leistungen nach dem SGB II betrifft, die nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, sondern den Lebensunterhalt sichern sollen.
Ein Verstoß gegen die Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004 – Unionsbürgerrichtlinie – besteht nach Auffassung der Kammer nicht. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II beruht auf Art 24 Abs 2 der RL 2004/38/EG (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 13). Nach dieser Vorschrift ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Nach Art 14 Abs 4 lit b RL 2004/38/EG darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Aufgrund dieser Richtlinie sind die Mitgliedstaaten berechtigt, einem Unionsbürger die Sozialhilfe zu versagen, wenn er zum Zwecke der Arbeitssuche eingereist ist. Nach dem bereits genannten Urteil des EuGH vom 4.6.2009 (Rz.44) ist die Vorschrift des Art 24 Abs 2 RL 2004/38 im Einklang mit Art 39 Abs 2 EGV (jetzt: Art 45 Abs 2 AEUV) auszulegen. Die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, können – so der EuGH – sich auf Art 39 Abs 2 EG berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistung zu prüfen, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung. Der Zweck der Leistung ist nach Maßgabe ihrer Ergebnisse und nicht anhand ihrer formalen Struktur zu untersuchen. Finanzielle Leistungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, können somit nicht als "Sozialhilfeleistungen" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38 angesehen werden. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei den hier streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelbedarfe gemäß §§ 19, 20, 22 SGB II) um Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art 24 Abs 2 der RL 2004/38. Diese Leistungen haben nicht den Zweck, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, sondern die Existenzsicherung zu gewährleisten. Dass die Richtlinie noch die Möglichkeit eines Ausschlusses von "Sozialhilfe" vorsah, führt nicht zu einer anderen Beurteilung hinsichtlich der bereits dargelegten Verletzung des allgemeinen Diskriminierungsverbots. Die Richtlinie wurde am 29.4.2004 erlassen. Das maßgebliche Urteil des EuGH, das den Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbots auch für die Sozialhilfe eröffnet sah, ist erst später, nämlich am 7.9.2005, ergangen.
Des Weiteren besteht nach Auffassung der Kammer ein Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (in Kraft seit 1.5.2010) nicht. Es liegt weder eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 4 der Verordnung noch ein Verstoß gegen die Vorschrift des Art 3 Abs 3 i.V.m. Art 70 der Verordnung vor.
Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist in Art 4 VO (EG) Nr. 883/2004 geregelt. Er lautet: "Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates." In ihrem sachlichen Anwendungsbereich findet die Verordnung nur für "Rechtsvorschriften" im Sinne des Art 1 lit l VO (EG) Nr. 883/2004 Anwendung (vgl. Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Kommentierung II/12, Art 4 Rz. 9; Art 1 Rz. 41). Gemäß Art 1 lit l bezeichnet für die Zwecke dieser Verordnung der Ausdruck "Rechtsvorschriften" für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 3 Abs 1 VO (EG) Nr. 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit mit Ausnahme bestimmter tarifvertraglicher Vereinbarungen. Nach Art 3 Abs 1 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt die Verordnung für alle Rechtsvorschriften, die die angegebenen Zweige der sozialen Sicherheit betreffen. Erfasst sind hier insbesondere Leistungen bei Arbeitslosigkeit (unter lit h). Art 61 bis 65 VO (EG) 883/2004 treffen Regelungen zu "Leistungen bei Arbeitslosigkeit". Eine Leistung ist nur dann eine Leistung bei Arbeitslosigkeit in diesem Sinne, wenn sie den aufgrund der Arbeitslosigkeit entgehenden Arbeitslohn ersetzen soll und für den Unterhalt des arbeitslosen Arbeitnehmers bestimmt ist (vgl Schlegel in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Kommentierung V/10, Art 61 Rz. 43 m.N.). Das Arbeitslosengeld II (ohne Anspruch auf Zuschlag nach § 24 SGB II a.F., seit 1.1.2011 nicht mehr in Kraft) gehört zu den besonderen beitragsunabhängigen Leistungen (vgl. Schlegel in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Art 61 Rz. 49 m.N.), ist aber keine Leistung bei Arbeitslosigkeit. Danach werden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 4 VO (EG) 883/2004 erfasst. Damit findet der Gleichbehandlungsgrundsatz der Verordnung nicht auf die Sozialhilfe Anwendung (vgl. Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Art 4 Rz. 9). Im Übrigen bestimmt Art 3 Abs 5 lit a VO (EG) Nr. 883/2004 ausdrücklich, dass diese Verordnung nicht für die soziale und medizinische Fürsorge gilt.
Eine Verletzung des Art 3 Abs 3 i.V.m. Art 70 VO (EG) Nr. 883/2004 durch die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Vorschrift des Art 3 Abs 3 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmt, dass die Verordnung auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt. Art 70 VO (EG) Nr. 883/2004 trifft Regelungen zu den besonderen beitragsunabhängigen Leistungen. Absatz 1 dieser Vorschrift legt als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Sonderregelung des Art 70 VO (EG) Nr. 883/2004 fest, dass es sich um eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung handelt, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Art 3 Abs 1 VO (EG) 883/2004 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweist, aber nicht gemäß Art 3 Abs 5 VO (EG) Nr. 883/2004 von der Verordnung erfasst wird (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Kommentierung V/10, Art 70 Rz. 8); es handelt sich somit um "Mischleistungen" (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht Art 70 Rz. 1). In Art 70 Abs 2 wird der Begriff der "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistung" definiert (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht Art 70 Rz. 9). Für die von Art 70 Abs 1 und 2 VO (EG) 883/2004 erfassten Leistungen trifft nun Absatz 3 eine Regelung: Auf die mit Art 70 Abs 1 und 2 VO (EG) Nr. 883/2004 bestimmten Geldleistungen finden die Regelungen des Art 7 VO (EG) 883/2004 und damit die sonst für Leistungen der sozialen Sicherheit geltende Exportverpflichtung keine Anwendung; auch die übrigen Vorschriften des Titels III der Verordnung gelten für diese Leistungen nicht (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht Art 70 Rz. 24). Für die besonderen beitragsunabhängigen Leistung gemäß Art 70 Abs 1 und 2 VO (EG) Nr. 883/2004, also Leistungen die sowohl Merkmale der in Art 3 Abs 1 VO (EG) Nr. 883/2004 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen, werden damit insbesondere separate Regelungen für den Leistungsexport getroffen. Für die besonderen beitragsunabhängigen gelten nicht die allgemeinen Koordinierungsregelungen, sondern allein die Sonderregelung des Art 70 VO (EG) Nr. 883/2004 (Otting in Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Kommentierung V/10, Art 3 Rz. 47). Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 4 VO (EG) Nr. 883/2004 wird für diese Leistungen gerade nicht bestimmt.
Angesichts dessen kann sich ein Anspruch des Antragstellers möglicherweise unmittelbar aus primärem Gemeinschaftsrecht ergeben. Aufgrund der Komplexität der Rechtsfragen kann die Rechtslage in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilt werden. Eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage ist im Eilverfahren nicht möglich, so dass anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden ist. Die Folgenabwägung fällt zugunsten des Antragstellers aus. Ohne die beantragten Leistungen drohen existentielle Nachteile, die er aus eigener Kraft nicht abwenden kann. Demgegenüber hat der Antragsgegner allein finanzielle Nachteile. Daher geht die vorzunehmende Folgenabwägung der Folgen des Ausbleibens der Zahlung für den Antragsteller (Nichtgewährung des Existenzminimums) gegenüber den Folgen der Zahlung für die Allgemeinheit (eventuelle Überzahlung von Leistungen) zu Gunsten des Antragstellers aus.
Danach sind dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorläufig dem Grunde nach zuzusprechen. Für die Zeit vom 14.5.2012 bis zum 31.10.2012 hat der Antragsteller Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, und zwar in Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende gemäß § 20 SGB II sowie des Bedarfs für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II; allerdings hat der Antragsteller laut Angaben bei Antragstellung bei dem Antragsgegner keine Mietkosten zu tragen. Zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen besteht nicht.
Für die Zeit vor der Beschlussfassung fehlt es an einem Anordnungsgrund. Es ist dem Antragsteller auch im Hinblick auf das in Art. 19 Abs 4 GG verankerte Gebot effektiven Rechtsschutzes insoweit zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Denn schwere und unwiederbringliche Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage sein könnte, sind nicht ersichtlich und auch nicht glaubhaft vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs 1, Abs 3 Nr. 1, § 144 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,- Euro übersteigt.
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