Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
205
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 205 AS 11726/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Aufhebung und endgültige Festsetzung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum 28. März 2008 bis 31. Oktober 2008 und die Erstattung der überzahlten Leistungen in Höhe von 1.566,84 EUR.
Am 28. März 2008 beantragte die am ... März 19 ... geborene, erwerbsfähige Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Schreiben vom 6. Mai 2008 forderte der Beklagte die Klägerin auf, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen. Der Beklagte bat um Übersendung der vom Arbeitgeber der Klägerin auszufüllenden Einkommensbescheinigung bis spätestens zum 23. Mai 2008. Am 21. Mai 2008 reichte die Klägerin eine Einkommensbescheinigung der M. & K. GmbH & Co. KG vom 20. Mai 2008 ein. Nach dieser Einkommensbescheinigung ist das Einkommen der Klägerin monatlich nicht gleich hoch.
Mit Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn, P. H., für die Zeit vom 28. März 2008 bis 31. August 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i. V. m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufig. Für den Zeitraum vom 28. März 2008 bis 31. März 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 20,39 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 28,46 EUR, für den Zeitraum 1. April 2008 bis 30. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 152,95 EUR monatlich und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR monatlich sowie für den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 31. August 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 157,15 EUR monatlich und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR monatlich. Zur Begründung der Vorläufigkeit der Bewilligung der Leistungen führte der Beklagte an, dass die Klägerin monatlich schwankendes Einkommen erhalte.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Juni 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum 29. März bis 30. April 2008 in gleicher Höhe wie mit Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 2008. Für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 31. Mai 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin nunmehr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe 203,66 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR sowie für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 82,18 EUR und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 12. Juni 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 64,69 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR und für den Zeitraum 1. August 2008 bis 31. August 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 84,74 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR.
Während der Änderungsbescheid vom 12. Juni 2008 betreffend den Zeitraum 28. März 2008 bis 30. Juni 2008 keinen Hinweis auf die Vorläufigkeit der Bewilligung enthält, wird in dem Änderungsbescheid betreffend den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 31. August 2008 darauf hingewiesen, dass der Leistungsanspruch und auch die Leistungshöhe aufgrund des monatlich schwankenden Einkommens der Klägerin bisher unter Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens vorläufig festgesetzt wurde.
Am 14. August 2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Unter dem 15. August 2008 reichte die Klägerin eine Einkommensbescheinigung der M. & K. GmbH & Co. KG vom 14. August 2008 ein. Hiernach ist das von der Klägerin erzielte Einkommen monatlich nicht gleich hoch.
Mit Änderungsbescheid vom 29. September 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 53,18 EUR monatlich und für den Zeitraum 1. August 2008 bis 31. August 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 14,34 EUR. Dieser Änderungsbescheid beinhaltet keinen Hinweis darauf, dass die Bewilligung der Leistungen vorläufig erfolgte.
Mit Bewilligungsbescheid vom 29. September 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis 28. Februar 2009 gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und zwar für den Zeitraum 1. September 2008 bis 30. September 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 175,94 EUR und für den Zeitraum 1. Oktober 2008 bis 28. Februar 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 46,46 EUR monatlich. Zur Begründung der Vorläufigkeit der Bewilligung führte Beklagte an, dass vorerst ein Einkommen in fiktiver Höhe angesetzt würde und zur Nachberechnung die Lohnnachweise zu übersenden seien.
Mit Schreiben vom 29. September 2008 hörte der Beklagte die Klägerin gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu vermeintlich zu Unrecht bezahlter Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2008 in Höhe von 768,70 EUR an.
Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 dahingehend Stellung, dass sie unverzüglich die Arbeitsverträge und die entsprechenden Verdienstbescheinigungen dem Beklagten habe zukommen lassen und sie ihren Mitwirkungspflichten vollständig nachgekommen sei.
Mit Schreiben vom 19. November 2008 hörte der Beklagte die Klägerin erneut nach § 24 SGB X zu einer Überzahlung von Leistungen nach dem SGB II an, diesmal jedoch für den Zeitraum 28. März 2008 bis 31. Oktober 2008. Betroffen seien die Bescheide vom 23. Mai 2008, 12. Juni 2008 und 29. September 2008. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Klägerin seit 1. Juli 2008 Einkommen aus einer weiteren Arbeit erziele. Darüber hinaus habe der Lebensgefährte der Klägerin, Herr D. T., neben Bafög weiteres Einkommen aus einer Arbeit erzielt. Dieses Erwerbseinkommen sei bei Antragstellung am 28. März 2008 nicht angegeben worden. Für die Zeit vom 28 März 2008 bis 30. Juni 2008 bestehe daher nur ein geringerer Leistungsanspruch; für die Zeit ab 1. Juli 2008 entfalle der Leistungsanspruch ganz. Der Beklagte berechnete die zu erwartende Erstattung mit einem Betrag in Höhe von insgesamt 1.566,84 EUR.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 hob der Beklagte die Entscheidungen vom 23. Mai 2008, 12. Juni 2008 und 29. September 2008 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 28. März 2008 bis 31. Oktober 2008 ganz auf und forderte die Klägerin zu einer Erstattung einer Gesamtforderung in Höhe von 2.467,66 EUR bestehend aus Arbeitslosengeld II in Höhe von 608,61 EUR und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.159,05 EUR auf.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008. Zur Begründung führte sie aus, dass sie ihren Mitwirkungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen sei. Sie habe sämtliche Unterlagen regelmäßig und vollständig beim Beklagten eingereicht. Sie habe die Überzahlung nicht verschuldet. Jedenfalls sei sie entreichert.
Am 12. März 2009 erließ der Beklagte einen endgültigen Festsetzung- und Erstattungsbescheid für den Zeitraum 28. März 2008 bis 31. Oktober 2008. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Klägerin mit Bescheiden vom 23. Mai 2008, 12. Juni 2008 und 29. September 2008 Leistungen vorläufig bewilligt worden seien und mit der endgültigen Entscheidung festgestellt worden sei, dass nur ein geringerer Leistungsanspruch bestehe. Im Hinblick auf die Klägerin sei eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 1.566,84 EUR zu erstatten. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 werde hiermit aufgehoben. Der endgültige Festsetzung- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 (W 5/09) wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 9. Januar 2009 "nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 12. März 2009" als unbegründet zurück. In der Begründung des Widerspruchsbescheides führt der Beklagte aus, dass mit den ursprünglichen Bewilligungsbescheidem Leistungen vorläufig bis zum Nachweis des Einkommens bewilligt worden seien und sich der Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 richte. Dieser Widerspruch sei seit Erlass des Änderungsbescheides vom 12. März 2009 unbegründet. Die angefochtene Entscheidung sei mit Bescheid vom 12. März 2009 dahingehend abgeändert, dass eine endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs unter Berücksichtigung des Gesamteinkommens der Bedarfsgemeinschaft erfolgte. Der Bescheid vom 12. Dezember 2008 sei aufgehoben. Der Bescheid vom 12. März 2009 sei nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.
Mit Klageschrift vom 19. April 2009, eingegangen bei Gericht am gleichen Tage, erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. März 2009.
Die Klägerin behauptet, sie habe die Lohn- und Gehaltsnachweise ihres Lebensgefährten, unter anderem mit belegenden Kontoauszügen, am 11. April 2008 eingereicht. Sie sei nicht in der Lage, den geltend gemachten Erstattungsbetrag zurückzuzahlen. Die Leistungen habe sie für ihren Lebensunterhalt und den ihres Kindes aufgebraucht.
Die Klägerin meint, sie müsse die überzahlten Leistungen nicht zurückzahlen, da ihr ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden könne.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. März 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Im Übrigen meint der Beklagte, ein Verschulden sei bei einer endgültigen Festsetzung nicht zu prüfen. Der endgültige Festsetzung- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 sei nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 geworden, da dieser jenen Bescheid ersetze und § 86 SGG auch die Ersetzung erfasse. Es sei unschädlich, dass hinsichtlich des Bewilligungszeitraums vom 28. März 2008 bis 31. August 2008 Leistungen bereits endgültig bewilligt worden seien, da der endgültige Festsetzung- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 insoweit in eine Rücknahmeentscheidung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III, § 45 Abs. 1 SGB X umgedeutet werden könne, da die Klägerin bösgläubig gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Sitzungsniederschrift des Termins zur Erörterung des Sachverhaltes am 29. Juni 2011 sowie die Leistungsakte des Beklagten, die der Kammer bei Entscheidung vorlag, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben hierfür ihr Einverständnis erteilt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Alt. 1 SGG statthafte Klage ist unzulässig.
1.) Soweit sich die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 (W ...5/09) richtet, ist sie bereits mangels Klagebefugnis unzulässig. Eine Anfechtungsklage setzt das Bestehen eines Verwaltungsaktes voraus. Die Klage ist daher unzulässig, wenn der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben wurde (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Aufl. § 54 Rn. 8). Hier ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 vom Beklagten mit endgültigem Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 aufgehoben worden.
2.) Soweit sich die Klage gegen den endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 12. März 2009 richtet, ist die Klage mangels Durchführung des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG unzulässig.
a) Der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 12. März 2009 ist nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 geworden.
aa) Nach § 86 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn dieser während des Vorverfahrens den mit dem Widerspruch angefochtenen Verwaltungsakt abgeändert hat. Eine Änderung liegt nur dann vor, wenn die Regelung des Ausgangsbescheides durch den neuen Bescheid geändert wird (BSG, Urt. v. 19.04.2011 - B 13 R 79/09 R, Rn. 17; Hintz, in Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.03.2012, § 86 Rn. 3). Eine Änderung liegt vor, wenn sich durch den Folgebescheid die durch den ursprünglichen Bescheid gesetzte Beschwer geändert, dh erhöht oder gemindert hat (Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl., Rn. 209). Entspricht der neue Verwaltungsakt dem Begehren des Widersprechenden, liegt keine Änderung vor (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 86 Rn. 3). Eine Ersetzung liegt vor, wenn der Erstbescheid vollständig aufgehoben und der Folgebescheid ganz an dessen Stelle tritt (Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl., Rn. 209).
Hier liegt keine Änderung vor. Der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 12. März 2009 hebt den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 vollumfänglich auf.
bb) Die Rechtsauffassung des Beklagten, § 86 SGG erfasse trotz des unterschiedlichen Wortlautes wie § 96 Abs. 1 SGG auch den Fall der vollumfänglichen Ersetzung, überzeugt angesichts der klar divergierenden Regelungen nicht. Für die Anwendung des § 86 SGG ist dann kein Raum mehr, wenn der ursprünglich durch Widerspruch angefochtene Bescheid nicht nur abgeändert, sondern vollständig ersetzt und damit im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X "anderweitig aufgehoben" und wirkungslos wird (vgl. BSG, Urt. v. 19.11.2009 - B 13 R 113/08 R, Rn. 12 a. E; Hk-Binder, SGG, 2. Aufl., § 86 Rn. 2; a. A. Bayerisches LSG, B. v. 02.12.2011 - L 16 AS 877/11 B ER, Rn. 34, juris, mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Zwar ist zuzugeben, dass auch eine Auslegung dahingehend, dass eine Ersetzung als radikalste Form der Änderung noch mit dem Wortlaut des § 86 SGG vereinbar wäre (vgl. Bayerisches LSG, aaO). Indes ist die systematische Auslegung aufgrund der divergierenden Wortlaute des § 86 SGG einerseits und § 96 Abs. 1 SGG andererseits eindeutig. In Anbetracht des Umstandes, dass der Gesetzgeber bewusst die analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG verhindern wollte und sich im Rahmen dessen umfangreich mit dem Wortlaut des § 96 Abs. 1 SGG auseinandergesetzt hat (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 18f.), erscheint es nicht plausibel, dass dem Gesetzgeber der unterschiedliche Wortlaut der beiden Vorschriften nicht aufgefallen wäre und er gleichsam versehentlich die Einfügung des Wortes "ersetzt” in § 86 SGG unterlassen hat.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte den endgütligen Festsetzungs- und Erstattungsbescheid im Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 als "Änderungsbescheid” bezeichnet, denn entscheidend sind die tatsächlich getroffenen Regelungen, nicht ihre Bezeichnung.
cc) Für eine analoge Anwendung des § 86 SGG auf Fälle der Ersetzung besteht kein Raum mehr, nachdem sich der Gesetzgeber jüngst mit der Vorschrift bzw. der Parallelvorschrift des § 96 Abs. 1 SGG auseinandergesetz hat (Hintz, aaO, § 86 Rn. 3, a. A. Leitherer, aaO, § 86 Rn. 3).
dd) Selbst wenn man § 86 SGG analog auf den Fall der Ersetzung anwenden würde, wäre der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 12. März 2009 nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 geworden. Voraussetzung hierfür wäre schließlich, dass dieser in seinem Verfügungssatz denselben Gegenstand regelt wie der Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides (Hdb SGG-Udsching, 6. Aufl. VII. Rn. 84; Leitherer, aaO, § 96 Rn. 4a, jeweils mwN). Bei § 86 SGG soll dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes im Falle der (wohl analogen) Anwendung nur dann der Fall sein, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt unter Aufrechterhaltung seiner Belastungswirkung ersetzt wird (BSG, Urt. v. 23.02.2005 - B 6 KA 45/03 R, Rn. 17, juris).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Dabei sind die Verfügungssätze zunächst sorgfältig zu trennen (Bienert, NZS 2011, 732, 734). Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist auf seiner ersten Stufe, der Aufhebung, ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt. Demgegenüber ist der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid auf der ersten Stufe, der endgültigen Festsetzung, ein begünstigender Verwaltungsakt. Schon dies zeigt auf, dass die Regelungen nicht miteinander korrespondieren können. Der Aufhebungsbescheid sah in seinem Verfügungssatz die Aufhebung früherer Bewilligungsbescheide vor. Demgegenüber enthält der endgültige Festsetzungsbescheid das genaue Gegenteil, nämlich die erstmalige (endgültige) Bewilligung von Leistungen. Es handelt sich also auf der ersten Ebene um keine Änderung der Beschwer, sondern – im ersten Schritt – um eine eine Totalabhilfe, bei der die §§ 86, 96 SGG nicht anzuwenden sind (BSG, Urt. v. 10. 10. 1978 - 7 RAr 65/77; Leitherer, aaO, § 96 Rn. 4b; a. A. Bienert, NZS 2011, 732, 734). Die vollumfängliche Abhilfe liegt in der kompletten Aufhebung des angefochtenen belastenden Verwaltungsaktes. Dass der Beklagte daneben im gleichen Schreiben die erstmalige endgültige Bewilligung von Leistungen regelt, ändert an diesem Umstand nichts. Die Beschwer, die in der Aufhebung der ursprünglich vorläufigen Bewilligung lag, ist komplett entfallen. Der endgültige Bewilligungsbescheid mag den vorläufigen im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG ersetzen (vgl BSG, Urt. v. 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R, Rn. 11), er ändert hingegen in keiner Weise die Beschwer der angefochtenen Aufhebung der vorläufigen Bewilligung.
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die beiden Verfügungssätze im Hinblick auf die jeweiligen Erstattungsentscheidungen miteinander korrespondieren. Es wäre prozessökonomisch widersinnig, dass der nach endgültiger Festsetzung ergehende Erstattungsbescheid den nach vorangegangener Aufhebung erlassenen Erstattungsbescheid ersetzt, da in diesem Prozess – wie aufgezeigt – nicht über die Rechtmäßigkeit der endgültigen Festsetzung zu entscheiden ist.
Die Kammer hält die Notwendigkeit der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht für eine "sinnlose Förmelei” (so auch Zeihe, SGG, § 78 Rn. 6e). Wenn schon eine sich im Laufe der Gerichtsverfahrens als notwendig erweisende Anhörung nicht als sinnlos erachtet werden darf, weil die Behörde außerhalb des Gerichtsverfahrens zu einem anderen Ergebnis kommen könnte als im Rahmen des Prozesses (vgl. BSG, Urt. v. 19.11.2010 - B 4 AS 37/09 R, Rn. 16), dann muss dies erst Recht für die notwendige Durchführung des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG gelten.
b) Die hiernach unzulässig Klage ist als solche abzuweisen. Eine Aussetzung des Verfahrens analog § 114 SGG kommt nach zutreffender neuerer Rechtsprechung wider der überkommenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht mehr in Betracht (SG Stuttgart, GB v. 09.05.2011 – S 20 SO 1922/11, a. A. noch BSGE 25, 66, 68). Die insoweit unzulässige Klage wird nicht dadurch zulässig, dass das fehlende Widerspruchsverfahren nach Erhebung der Klage nachgeholt wird (vgl. BayLSG, B. v. 20.1.2009 – L 15 VG 20/08; Hintz, aaO, § 78 Rn. 4).
aa) Eine analoge Anwendung des § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die fehlende Durchführung des als Sachurteilsvoraussetzung notwendigen Vorverfahrens nicht mit dem in § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG genannten Sachverhalt vergleichbar ist (so auch Hintz, aaO, § 78 SGG Rn. 4). § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG setzt eine Vorgreiflichkeit des anderen, bereits anhängigen Verwaltungsverfahrens voraus. Vorgreiflichkeit bedeutet, dass die Entscheidung des Rechtsstreits vom Bestehen oder Nichtbestehen des im anderen Rechtstreit streitigen Rechtsverhältnisses abhängt (Hintz, aaO, § 114 SGG Rn. 3). Dies ist im Hinblick auf den noch zu erlassenden Widerspruchsbescheid gewiss nicht der Fall. Das Gericht hat diesen mitsamt der Ausgangsentscheidung der Behörde nach § 95 SGG zu überprüfen. Mithin hat die Entscheidung der Widerspruchsbehörde über den Widerspruch keine präjudizielle Wirkung, denn das Gericht ist mitnichten an den Widerspruchsbescheid und die darin enthaltenen Feststellungen der Behörde gebunden.
bb) Eine analoge Anwendung des § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG scheitert zudem an einer planwidrigen Regelungslücke, denn das Gesetz gibt den Betroffenen die Möglichkeit, die Bescheidung des Widerspruchs zu erzwingen, um eine zulässige Klage in der Sache erheben zu können. § 88 Abs. 2 SGG regelt daher den Fall, wenn die Behörde nicht in angemessener Zeit über einen Widerspruch entscheiden und damit rechtswidrig die Erhebung einer Klage in der Sache verhindert. Wenn es also bisher an der Sachurteilsvoraussetzung der Durchführung des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG fehlt, sieht das Gesetz für diesen Fall die Untätigkeitsklage vor. Es sieht demgegenüber nicht vor, dass der Kläger eine unzulässige Anfechtungsklage erheben darf. Es existiert damit keine Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung einer anderen Vorschrift geschlossen werden müsste (so auch Zeihe, aaO, § 78 Rn. 6e; SG Stuttgart, aaO, Rn. 22, juris). Wäre dies anders und ließe man – wie die herrschende Meinung – eine Anfechtungsklage zu, wären die beim angerufenen Gericht vielzähligen Untätigkeitsklagen nach § 88 Abs. 2 SGG unzulässig. Dieser Untätigkeitsklage wäre das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn eine gerichtliche Entscheidung über die Klage offensichtlich nicht geeignet ist, den Rechtsstreit zwischen den Parteien endgültig zu beenden. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Klage "nicht weit genug reicht", weil der Kläger sein eigentliches Klageziel mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht erreicht (instruktiv Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink, Verwaltungsprozess, 3. Aufl., D Rn. 22; vgl. BSG, NZS 1999, 346, 348, bei Möglichkeit einer Klage, die "umfassender” ist). Eine isolierte Anfechtungsklage oder eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sind im Verhältnis zur Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG zweifelsfrei umfassender, da sie eine Entscheidung in der Sache durch das Gericht ermöglichen, während eine Untätigkeitsklage lediglich auf Bescheidung gerichtet ist.
cc) Ohnehin käme eine Aussetzung nur dann in Betracht, wenn die Widerspruchsfrist im laufenden Klageverfahren noch offen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Erhebung der Klage hält die Widerspruchsfrist nicht offen, da zwischen Widerspruchseinlegung und Klageerhebung zu unterscheiden ist (Hintz, aaO, § 78 Rn. 5; Zeihe, aaO, § 84 Rn. 1b; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 22. EL 2011, § 69, Rn. 5; Schoch, Jura 2003, 752, 753 vgl. Bayerisches LSG, B. v. 11.04.2011 - L 7 AS 214/11 B ER; VG München, Urt. v. 6.12.2007 – M 10 K 07.2583; a. A. BSGE 20, 199, 201; Hdb SGG-Udsching, aaO, IV. Rn. 23). Dies ergibt sich daraus, dass der Adressat der verschiedenen Rechtsbehelfe jeweils ein anderer ist: Die Klage beinhaltet das Begehren auf Überprüfung durch das Gericht, während der Widerspruch auf Überprüfung durch die Widerspruchsbehörde gerichtet ist. Eine Klage ist in erster Linie für das Gericht bestimmt und kann demnach nur dann zugleich als an die Behörde gerichteter Widerspruch gewertet werden, wenn nicht darin mit hinlänglicher Deutlichkeit zugleich der Wunsch nach Einleitung und Durchführung des förmlichen Widerspruchsverfahrens bei der Behörde zum Ausdruck gebracht wird (OVG Hamburg, NVwZ-RR 1996, 397, 398f.). Bei einer Erklärung, die nicht unmittelbar an die Behörde gerichtet ist, um deren Verwaltungsakt es geht, kann im Hinblick auf die für eine verfahrenseinleitende Handlung notwendige Klarheit auf dieses Erfordernis nicht verzichtet werden (OVG Hamburg, aaO). Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin neben der Klage zugleich Widerspruch gegen den endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 erheben wollte, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Aufhebung und endgültige Festsetzung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum 28. März 2008 bis 31. Oktober 2008 und die Erstattung der überzahlten Leistungen in Höhe von 1.566,84 EUR.
Am 28. März 2008 beantragte die am ... März 19 ... geborene, erwerbsfähige Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Schreiben vom 6. Mai 2008 forderte der Beklagte die Klägerin auf, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen. Der Beklagte bat um Übersendung der vom Arbeitgeber der Klägerin auszufüllenden Einkommensbescheinigung bis spätestens zum 23. Mai 2008. Am 21. Mai 2008 reichte die Klägerin eine Einkommensbescheinigung der M. & K. GmbH & Co. KG vom 20. Mai 2008 ein. Nach dieser Einkommensbescheinigung ist das Einkommen der Klägerin monatlich nicht gleich hoch.
Mit Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn, P. H., für die Zeit vom 28. März 2008 bis 31. August 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i. V. m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufig. Für den Zeitraum vom 28. März 2008 bis 31. März 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 20,39 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 28,46 EUR, für den Zeitraum 1. April 2008 bis 30. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 152,95 EUR monatlich und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR monatlich sowie für den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 31. August 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 157,15 EUR monatlich und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR monatlich. Zur Begründung der Vorläufigkeit der Bewilligung der Leistungen führte der Beklagte an, dass die Klägerin monatlich schwankendes Einkommen erhalte.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Juni 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum 29. März bis 30. April 2008 in gleicher Höhe wie mit Bewilligungsbescheid vom 23. Mai 2008. Für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 31. Mai 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin nunmehr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe 203,66 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR sowie für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 82,18 EUR und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 12. Juni 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 64,69 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR und für den Zeitraum 1. August 2008 bis 31. August 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 84,74 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 213,44 EUR.
Während der Änderungsbescheid vom 12. Juni 2008 betreffend den Zeitraum 28. März 2008 bis 30. Juni 2008 keinen Hinweis auf die Vorläufigkeit der Bewilligung enthält, wird in dem Änderungsbescheid betreffend den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 31. August 2008 darauf hingewiesen, dass der Leistungsanspruch und auch die Leistungshöhe aufgrund des monatlich schwankenden Einkommens der Klägerin bisher unter Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens vorläufig festgesetzt wurde.
Am 14. August 2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Unter dem 15. August 2008 reichte die Klägerin eine Einkommensbescheinigung der M. & K. GmbH & Co. KG vom 14. August 2008 ein. Hiernach ist das von der Klägerin erzielte Einkommen monatlich nicht gleich hoch.
Mit Änderungsbescheid vom 29. September 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 53,18 EUR monatlich und für den Zeitraum 1. August 2008 bis 31. August 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 14,34 EUR. Dieser Änderungsbescheid beinhaltet keinen Hinweis darauf, dass die Bewilligung der Leistungen vorläufig erfolgte.
Mit Bewilligungsbescheid vom 29. September 2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis 28. Februar 2009 gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und zwar für den Zeitraum 1. September 2008 bis 30. September 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 175,94 EUR und für den Zeitraum 1. Oktober 2008 bis 28. Februar 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 46,46 EUR monatlich. Zur Begründung der Vorläufigkeit der Bewilligung führte Beklagte an, dass vorerst ein Einkommen in fiktiver Höhe angesetzt würde und zur Nachberechnung die Lohnnachweise zu übersenden seien.
Mit Schreiben vom 29. September 2008 hörte der Beklagte die Klägerin gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu vermeintlich zu Unrecht bezahlter Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2008 in Höhe von 768,70 EUR an.
Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 dahingehend Stellung, dass sie unverzüglich die Arbeitsverträge und die entsprechenden Verdienstbescheinigungen dem Beklagten habe zukommen lassen und sie ihren Mitwirkungspflichten vollständig nachgekommen sei.
Mit Schreiben vom 19. November 2008 hörte der Beklagte die Klägerin erneut nach § 24 SGB X zu einer Überzahlung von Leistungen nach dem SGB II an, diesmal jedoch für den Zeitraum 28. März 2008 bis 31. Oktober 2008. Betroffen seien die Bescheide vom 23. Mai 2008, 12. Juni 2008 und 29. September 2008. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Klägerin seit 1. Juli 2008 Einkommen aus einer weiteren Arbeit erziele. Darüber hinaus habe der Lebensgefährte der Klägerin, Herr D. T., neben Bafög weiteres Einkommen aus einer Arbeit erzielt. Dieses Erwerbseinkommen sei bei Antragstellung am 28. März 2008 nicht angegeben worden. Für die Zeit vom 28 März 2008 bis 30. Juni 2008 bestehe daher nur ein geringerer Leistungsanspruch; für die Zeit ab 1. Juli 2008 entfalle der Leistungsanspruch ganz. Der Beklagte berechnete die zu erwartende Erstattung mit einem Betrag in Höhe von insgesamt 1.566,84 EUR.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 hob der Beklagte die Entscheidungen vom 23. Mai 2008, 12. Juni 2008 und 29. September 2008 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 28. März 2008 bis 31. Oktober 2008 ganz auf und forderte die Klägerin zu einer Erstattung einer Gesamtforderung in Höhe von 2.467,66 EUR bestehend aus Arbeitslosengeld II in Höhe von 608,61 EUR und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.159,05 EUR auf.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008. Zur Begründung führte sie aus, dass sie ihren Mitwirkungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen sei. Sie habe sämtliche Unterlagen regelmäßig und vollständig beim Beklagten eingereicht. Sie habe die Überzahlung nicht verschuldet. Jedenfalls sei sie entreichert.
Am 12. März 2009 erließ der Beklagte einen endgültigen Festsetzung- und Erstattungsbescheid für den Zeitraum 28. März 2008 bis 31. Oktober 2008. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Klägerin mit Bescheiden vom 23. Mai 2008, 12. Juni 2008 und 29. September 2008 Leistungen vorläufig bewilligt worden seien und mit der endgültigen Entscheidung festgestellt worden sei, dass nur ein geringerer Leistungsanspruch bestehe. Im Hinblick auf die Klägerin sei eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 1.566,84 EUR zu erstatten. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 werde hiermit aufgehoben. Der endgültige Festsetzung- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 (W 5/09) wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 9. Januar 2009 "nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 12. März 2009" als unbegründet zurück. In der Begründung des Widerspruchsbescheides führt der Beklagte aus, dass mit den ursprünglichen Bewilligungsbescheidem Leistungen vorläufig bis zum Nachweis des Einkommens bewilligt worden seien und sich der Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 richte. Dieser Widerspruch sei seit Erlass des Änderungsbescheides vom 12. März 2009 unbegründet. Die angefochtene Entscheidung sei mit Bescheid vom 12. März 2009 dahingehend abgeändert, dass eine endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs unter Berücksichtigung des Gesamteinkommens der Bedarfsgemeinschaft erfolgte. Der Bescheid vom 12. Dezember 2008 sei aufgehoben. Der Bescheid vom 12. März 2009 sei nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.
Mit Klageschrift vom 19. April 2009, eingegangen bei Gericht am gleichen Tage, erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. März 2009.
Die Klägerin behauptet, sie habe die Lohn- und Gehaltsnachweise ihres Lebensgefährten, unter anderem mit belegenden Kontoauszügen, am 11. April 2008 eingereicht. Sie sei nicht in der Lage, den geltend gemachten Erstattungsbetrag zurückzuzahlen. Die Leistungen habe sie für ihren Lebensunterhalt und den ihres Kindes aufgebraucht.
Die Klägerin meint, sie müsse die überzahlten Leistungen nicht zurückzahlen, da ihr ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden könne.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. März 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Im Übrigen meint der Beklagte, ein Verschulden sei bei einer endgültigen Festsetzung nicht zu prüfen. Der endgültige Festsetzung- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 sei nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 geworden, da dieser jenen Bescheid ersetze und § 86 SGG auch die Ersetzung erfasse. Es sei unschädlich, dass hinsichtlich des Bewilligungszeitraums vom 28. März 2008 bis 31. August 2008 Leistungen bereits endgültig bewilligt worden seien, da der endgültige Festsetzung- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 insoweit in eine Rücknahmeentscheidung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III, § 45 Abs. 1 SGB X umgedeutet werden könne, da die Klägerin bösgläubig gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Sitzungsniederschrift des Termins zur Erörterung des Sachverhaltes am 29. Juni 2011 sowie die Leistungsakte des Beklagten, die der Kammer bei Entscheidung vorlag, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben hierfür ihr Einverständnis erteilt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Alt. 1 SGG statthafte Klage ist unzulässig.
1.) Soweit sich die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 (W ...5/09) richtet, ist sie bereits mangels Klagebefugnis unzulässig. Eine Anfechtungsklage setzt das Bestehen eines Verwaltungsaktes voraus. Die Klage ist daher unzulässig, wenn der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben wurde (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Aufl. § 54 Rn. 8). Hier ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 vom Beklagten mit endgültigem Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 aufgehoben worden.
2.) Soweit sich die Klage gegen den endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 12. März 2009 richtet, ist die Klage mangels Durchführung des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG unzulässig.
a) Der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 12. März 2009 ist nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 geworden.
aa) Nach § 86 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn dieser während des Vorverfahrens den mit dem Widerspruch angefochtenen Verwaltungsakt abgeändert hat. Eine Änderung liegt nur dann vor, wenn die Regelung des Ausgangsbescheides durch den neuen Bescheid geändert wird (BSG, Urt. v. 19.04.2011 - B 13 R 79/09 R, Rn. 17; Hintz, in Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.03.2012, § 86 Rn. 3). Eine Änderung liegt vor, wenn sich durch den Folgebescheid die durch den ursprünglichen Bescheid gesetzte Beschwer geändert, dh erhöht oder gemindert hat (Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl., Rn. 209). Entspricht der neue Verwaltungsakt dem Begehren des Widersprechenden, liegt keine Änderung vor (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 86 Rn. 3). Eine Ersetzung liegt vor, wenn der Erstbescheid vollständig aufgehoben und der Folgebescheid ganz an dessen Stelle tritt (Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl., Rn. 209).
Hier liegt keine Änderung vor. Der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 12. März 2009 hebt den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Dezember 2008 vollumfänglich auf.
bb) Die Rechtsauffassung des Beklagten, § 86 SGG erfasse trotz des unterschiedlichen Wortlautes wie § 96 Abs. 1 SGG auch den Fall der vollumfänglichen Ersetzung, überzeugt angesichts der klar divergierenden Regelungen nicht. Für die Anwendung des § 86 SGG ist dann kein Raum mehr, wenn der ursprünglich durch Widerspruch angefochtene Bescheid nicht nur abgeändert, sondern vollständig ersetzt und damit im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X "anderweitig aufgehoben" und wirkungslos wird (vgl. BSG, Urt. v. 19.11.2009 - B 13 R 113/08 R, Rn. 12 a. E; Hk-Binder, SGG, 2. Aufl., § 86 Rn. 2; a. A. Bayerisches LSG, B. v. 02.12.2011 - L 16 AS 877/11 B ER, Rn. 34, juris, mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Zwar ist zuzugeben, dass auch eine Auslegung dahingehend, dass eine Ersetzung als radikalste Form der Änderung noch mit dem Wortlaut des § 86 SGG vereinbar wäre (vgl. Bayerisches LSG, aaO). Indes ist die systematische Auslegung aufgrund der divergierenden Wortlaute des § 86 SGG einerseits und § 96 Abs. 1 SGG andererseits eindeutig. In Anbetracht des Umstandes, dass der Gesetzgeber bewusst die analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG verhindern wollte und sich im Rahmen dessen umfangreich mit dem Wortlaut des § 96 Abs. 1 SGG auseinandergesetzt hat (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 18f.), erscheint es nicht plausibel, dass dem Gesetzgeber der unterschiedliche Wortlaut der beiden Vorschriften nicht aufgefallen wäre und er gleichsam versehentlich die Einfügung des Wortes "ersetzt” in § 86 SGG unterlassen hat.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte den endgütligen Festsetzungs- und Erstattungsbescheid im Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 als "Änderungsbescheid” bezeichnet, denn entscheidend sind die tatsächlich getroffenen Regelungen, nicht ihre Bezeichnung.
cc) Für eine analoge Anwendung des § 86 SGG auf Fälle der Ersetzung besteht kein Raum mehr, nachdem sich der Gesetzgeber jüngst mit der Vorschrift bzw. der Parallelvorschrift des § 96 Abs. 1 SGG auseinandergesetz hat (Hintz, aaO, § 86 Rn. 3, a. A. Leitherer, aaO, § 86 Rn. 3).
dd) Selbst wenn man § 86 SGG analog auf den Fall der Ersetzung anwenden würde, wäre der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 12. März 2009 nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2008 geworden. Voraussetzung hierfür wäre schließlich, dass dieser in seinem Verfügungssatz denselben Gegenstand regelt wie der Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides (Hdb SGG-Udsching, 6. Aufl. VII. Rn. 84; Leitherer, aaO, § 96 Rn. 4a, jeweils mwN). Bei § 86 SGG soll dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes im Falle der (wohl analogen) Anwendung nur dann der Fall sein, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt unter Aufrechterhaltung seiner Belastungswirkung ersetzt wird (BSG, Urt. v. 23.02.2005 - B 6 KA 45/03 R, Rn. 17, juris).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Dabei sind die Verfügungssätze zunächst sorgfältig zu trennen (Bienert, NZS 2011, 732, 734). Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist auf seiner ersten Stufe, der Aufhebung, ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt. Demgegenüber ist der endgültige Festsetzungs- und Erstattungsbescheid auf der ersten Stufe, der endgültigen Festsetzung, ein begünstigender Verwaltungsakt. Schon dies zeigt auf, dass die Regelungen nicht miteinander korrespondieren können. Der Aufhebungsbescheid sah in seinem Verfügungssatz die Aufhebung früherer Bewilligungsbescheide vor. Demgegenüber enthält der endgültige Festsetzungsbescheid das genaue Gegenteil, nämlich die erstmalige (endgültige) Bewilligung von Leistungen. Es handelt sich also auf der ersten Ebene um keine Änderung der Beschwer, sondern – im ersten Schritt – um eine eine Totalabhilfe, bei der die §§ 86, 96 SGG nicht anzuwenden sind (BSG, Urt. v. 10. 10. 1978 - 7 RAr 65/77; Leitherer, aaO, § 96 Rn. 4b; a. A. Bienert, NZS 2011, 732, 734). Die vollumfängliche Abhilfe liegt in der kompletten Aufhebung des angefochtenen belastenden Verwaltungsaktes. Dass der Beklagte daneben im gleichen Schreiben die erstmalige endgültige Bewilligung von Leistungen regelt, ändert an diesem Umstand nichts. Die Beschwer, die in der Aufhebung der ursprünglich vorläufigen Bewilligung lag, ist komplett entfallen. Der endgültige Bewilligungsbescheid mag den vorläufigen im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG ersetzen (vgl BSG, Urt. v. 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R, Rn. 11), er ändert hingegen in keiner Weise die Beschwer der angefochtenen Aufhebung der vorläufigen Bewilligung.
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die beiden Verfügungssätze im Hinblick auf die jeweiligen Erstattungsentscheidungen miteinander korrespondieren. Es wäre prozessökonomisch widersinnig, dass der nach endgültiger Festsetzung ergehende Erstattungsbescheid den nach vorangegangener Aufhebung erlassenen Erstattungsbescheid ersetzt, da in diesem Prozess – wie aufgezeigt – nicht über die Rechtmäßigkeit der endgültigen Festsetzung zu entscheiden ist.
Die Kammer hält die Notwendigkeit der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht für eine "sinnlose Förmelei” (so auch Zeihe, SGG, § 78 Rn. 6e). Wenn schon eine sich im Laufe der Gerichtsverfahrens als notwendig erweisende Anhörung nicht als sinnlos erachtet werden darf, weil die Behörde außerhalb des Gerichtsverfahrens zu einem anderen Ergebnis kommen könnte als im Rahmen des Prozesses (vgl. BSG, Urt. v. 19.11.2010 - B 4 AS 37/09 R, Rn. 16), dann muss dies erst Recht für die notwendige Durchführung des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG gelten.
b) Die hiernach unzulässig Klage ist als solche abzuweisen. Eine Aussetzung des Verfahrens analog § 114 SGG kommt nach zutreffender neuerer Rechtsprechung wider der überkommenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht mehr in Betracht (SG Stuttgart, GB v. 09.05.2011 – S 20 SO 1922/11, a. A. noch BSGE 25, 66, 68). Die insoweit unzulässige Klage wird nicht dadurch zulässig, dass das fehlende Widerspruchsverfahren nach Erhebung der Klage nachgeholt wird (vgl. BayLSG, B. v. 20.1.2009 – L 15 VG 20/08; Hintz, aaO, § 78 Rn. 4).
aa) Eine analoge Anwendung des § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die fehlende Durchführung des als Sachurteilsvoraussetzung notwendigen Vorverfahrens nicht mit dem in § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG genannten Sachverhalt vergleichbar ist (so auch Hintz, aaO, § 78 SGG Rn. 4). § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG setzt eine Vorgreiflichkeit des anderen, bereits anhängigen Verwaltungsverfahrens voraus. Vorgreiflichkeit bedeutet, dass die Entscheidung des Rechtsstreits vom Bestehen oder Nichtbestehen des im anderen Rechtstreit streitigen Rechtsverhältnisses abhängt (Hintz, aaO, § 114 SGG Rn. 3). Dies ist im Hinblick auf den noch zu erlassenden Widerspruchsbescheid gewiss nicht der Fall. Das Gericht hat diesen mitsamt der Ausgangsentscheidung der Behörde nach § 95 SGG zu überprüfen. Mithin hat die Entscheidung der Widerspruchsbehörde über den Widerspruch keine präjudizielle Wirkung, denn das Gericht ist mitnichten an den Widerspruchsbescheid und die darin enthaltenen Feststellungen der Behörde gebunden.
bb) Eine analoge Anwendung des § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG scheitert zudem an einer planwidrigen Regelungslücke, denn das Gesetz gibt den Betroffenen die Möglichkeit, die Bescheidung des Widerspruchs zu erzwingen, um eine zulässige Klage in der Sache erheben zu können. § 88 Abs. 2 SGG regelt daher den Fall, wenn die Behörde nicht in angemessener Zeit über einen Widerspruch entscheiden und damit rechtswidrig die Erhebung einer Klage in der Sache verhindert. Wenn es also bisher an der Sachurteilsvoraussetzung der Durchführung des Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG fehlt, sieht das Gesetz für diesen Fall die Untätigkeitsklage vor. Es sieht demgegenüber nicht vor, dass der Kläger eine unzulässige Anfechtungsklage erheben darf. Es existiert damit keine Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung einer anderen Vorschrift geschlossen werden müsste (so auch Zeihe, aaO, § 78 Rn. 6e; SG Stuttgart, aaO, Rn. 22, juris). Wäre dies anders und ließe man – wie die herrschende Meinung – eine Anfechtungsklage zu, wären die beim angerufenen Gericht vielzähligen Untätigkeitsklagen nach § 88 Abs. 2 SGG unzulässig. Dieser Untätigkeitsklage wäre das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn eine gerichtliche Entscheidung über die Klage offensichtlich nicht geeignet ist, den Rechtsstreit zwischen den Parteien endgültig zu beenden. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Klage "nicht weit genug reicht", weil der Kläger sein eigentliches Klageziel mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht erreicht (instruktiv Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink, Verwaltungsprozess, 3. Aufl., D Rn. 22; vgl. BSG, NZS 1999, 346, 348, bei Möglichkeit einer Klage, die "umfassender” ist). Eine isolierte Anfechtungsklage oder eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sind im Verhältnis zur Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG zweifelsfrei umfassender, da sie eine Entscheidung in der Sache durch das Gericht ermöglichen, während eine Untätigkeitsklage lediglich auf Bescheidung gerichtet ist.
cc) Ohnehin käme eine Aussetzung nur dann in Betracht, wenn die Widerspruchsfrist im laufenden Klageverfahren noch offen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Erhebung der Klage hält die Widerspruchsfrist nicht offen, da zwischen Widerspruchseinlegung und Klageerhebung zu unterscheiden ist (Hintz, aaO, § 78 Rn. 5; Zeihe, aaO, § 84 Rn. 1b; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 22. EL 2011, § 69, Rn. 5; Schoch, Jura 2003, 752, 753 vgl. Bayerisches LSG, B. v. 11.04.2011 - L 7 AS 214/11 B ER; VG München, Urt. v. 6.12.2007 – M 10 K 07.2583; a. A. BSGE 20, 199, 201; Hdb SGG-Udsching, aaO, IV. Rn. 23). Dies ergibt sich daraus, dass der Adressat der verschiedenen Rechtsbehelfe jeweils ein anderer ist: Die Klage beinhaltet das Begehren auf Überprüfung durch das Gericht, während der Widerspruch auf Überprüfung durch die Widerspruchsbehörde gerichtet ist. Eine Klage ist in erster Linie für das Gericht bestimmt und kann demnach nur dann zugleich als an die Behörde gerichteter Widerspruch gewertet werden, wenn nicht darin mit hinlänglicher Deutlichkeit zugleich der Wunsch nach Einleitung und Durchführung des förmlichen Widerspruchsverfahrens bei der Behörde zum Ausdruck gebracht wird (OVG Hamburg, NVwZ-RR 1996, 397, 398f.). Bei einer Erklärung, die nicht unmittelbar an die Behörde gerichtet ist, um deren Verwaltungsakt es geht, kann im Hinblick auf die für eine verfahrenseinleitende Handlung notwendige Klarheit auf dieses Erfordernis nicht verzichtet werden (OVG Hamburg, aaO). Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin neben der Klage zugleich Widerspruch gegen den endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 12. März 2009 erheben wollte, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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