Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 52/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 347/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere als die bewilligten Regelleistungen der Grundsicherung (GSi) im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), insbesondere wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung, für die Zeit vom 01.09.2010 bis 30.06.2011 hat.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin leidet an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung im Sinne eines Asthma bronchiale, Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, Schulter- und Kniegelenke, Bluthochdruck, Übergewicht, einer somatoformen Schmerzstörung und einer Neigung zu Allergien. Sie ist als Schwerbehinderte anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 60 und dem Merkzeichen "G". Sie ist seit 14.05.2009 dauerhaft voll erwerbsgemindert, hat seit 01.06.2009 Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und erhält diese laufend seit 01.09.2010 (Bewilligungsbescheid der DRV Bund vom 14.07.2010). Bis 31.08.2010 erhielt die Klägerin Leistungen der GSi für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 72,00 EUR.
Am 02.08.2010 beantragte die Klägerin ergänzende GSi-Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung u.a. eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung, speziell für kuhmilcheiweißfreie Kost wegen einer "Kuhmilcheiweißintoleranz". Sie legte eine ärztliche Stellungnahme des Allgemeinmediziners Dr. K. vor, wonach dieses Krankheitsbild mit deutlichen Mehrkosten verbunden sei, da eine Vollkost nicht ausreiche.
Durch Bescheid vom 11.08.2010 bewilligte die Beklagte GSi-Regelleistungen unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs wegen voller Erwerbsminderung und nachgewiesenem Merkzeichen G gemäß §§ 42 Satz 1 Nr. 3, 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII, desweiteren für Unterkunft und Heizkosten.
Gegen die Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung legte die Klägerin am 23.08.2010 Widerspruch ein. Die Beklagte holte eine Stellungnahme der Gesundheitsamtsärztin Dr. O. ein; diese legte unter dem 08.09.2010 dar, welche Prinzipien eine Diätempfehlung bei laktoseintoleranten Patienten berücksichtigen sollte; sie kam zum Ergebnis, dass bei einer solchen Ernährung keine Mehrkosten entstehen.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15.09.2010 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung ab; Vollkosternährung sei ausreichend.
Dagegen erhob die Klägerin am 10.10.2010 Widerspruch. Sie meinte, sie dürfe nicht schlechter gestellt werden als bisher; sie habe im Rahmen der SGB II-Leistungen einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung erhalten. Eine laktosefreie Diät wegen der Kuhmilcheiweißintoleranz sei mit Mehrkosten verbunden. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Klinik für Manuelle Therapie vor, wo sie jeweils drei Wochen in den Jahren 2007 und 2008 behandelt worden war. Im Entlassungsschein dieser Klinik wird unter den Nebenbefunden ("NB") u.a. eine Neurodermitis und eine Kuhmilcheiweißintoleranz aufgelistet.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 23.03.2011 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 14.04.2011 Klage erhoben. Sie trägt vor, sie sei auf laktosefreie Nahrung angewiesen, damit sie keine gesundheitlichen Schäden erleide; die dafür aufzuwendenden Mittel gingen weit über den in den Regelleistungen enthaltenen Normbetrag für Ernährung hinaus. Aber auch wegen Neurodermitis, Schuppenflechte, vielfältigen Allergien und einer Gallenkrankheit sei sie gezwungen, nur ausgewählte und teurere Lebensmittel zu sich zu nehmen; sie habe dadurch monatliche Mehrkosten von "ca. 166,23 EUR". Die Klägerin hat eine Auflistung ihrer monatlichen Ausgaben für Lebensmittel vorgelegt. Zu dem im gerichtlichen Verfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten hat die Klägerin ausgeführt, dieses Gutachten sei im wesentlichen Punkten falsch: eine Kalorienmenge von 6000 kcal/Tag sei in keiner Weise nachvollziehbar; so viel nehme sie keinesfalls zu sich. Sie sei verwundert, dass es "eine Kuhmilcheiweiß-Allergie als solche" nicht geben solle. Sie nehme nicht bis zu neun Litern Flüssigkeit, sondern drei bis vier Liter pro Tag zu sich. Warum die Sachverständige in Bezug auf die Neurodermitis und Schuppenflechte nur von einer Verdachtsdiagnose ausgehe, erschließe sich nicht; die Klägerin verweist hierzu nochmals auf den Entlassungsbericht der Klinik für Manuelle Therapie vom 27.05.2008. Diverse Ärzte hätten bei ihr eine "Kuhmilcheiweißintoleranz" festgestellt.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 11.08.2010 und Aufhebung des Bescheides vom 15.09.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2011 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.09.2010 bis 30.06.2011 höhere Grundsicherungs-Regelleistungen unter Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung.
Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 27.09.2011 mit diversen Arztberichten und einen Befundbericht der Klinik für Manuelle Therapie vom 16.09.2011 eingeholt. Es hat drei von der DRV Bund im Erwerbsminderungsrentenverfahren eingeholte Gutachten sowie die Sozialgerichtsakte S 23 R 25/08 betreffend das Erwerbsminderungsrentenverfahren beigezogen. Sodann hat das Gericht ein medizinisches Sachverständigengutachten von der Ärztin für Allgemein- und Ernährungsmedizin und Biologin Dr. I. eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen und das Gutachten vom 13.04.2012 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sie die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat den Anspruch auf GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII nach Grund und Höhe für den streitbefangenen Zeitraum zutreffend ermittelt und bewilligt. Dies gilt sowohl in Bezug auf den Regelbedarf als auch den Mehrbedarf wegen Erwerbsminderung bei Nachweis des Merkzeichen G als auch der Kosten der Unterkunft (Miete) als auch der Heizungskosten. Von dem ermittelten Bedarf hat sie zutreffend die Erwerbsminderungsrente als Einkommen abgezogen und so die GSi-Leistung bewilligt. Einen Anspruch auf höhere Sozialhilfe wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung hat die Klägerin nicht.
Gemäß §§ 42 Satz 1 Nr. 3, 30 Abs. 5 SGB XII umfassen die Leistungen der GSi im Alter und bei Erwerbsminderung auch einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Nach § 30 Abs. 5 SGB XII wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkungen der Fall ist. Nur krankheitsbedingte Gründe können einen Mehrbedarf rechtfertigen; es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen (vgl. zu der ähnlichen Vorschrift des § 21 Abs. 5 SGB II: BSG, Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 100/10 R; Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 138/10 R m.w.N.). Die Kammer ist aufgrund des von Amts wegen eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dr. I. zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin keiner Ernährung bedarf, deren Kosten über den üblichen Bedarf hinausgehen.
Die Sachverständige hat nach Auswertung des Akteninhalts, der darin befindlichen medizinischen Berichte und einer Untersuchung der Klägerin festgestellt, dass – neben den bekannten orthopädischen Beschwerden – ein Übergewicht, ein erhöhter Blutdruck, eine Lungenerkrankung, eine Fettstoffwechselstörung ohne offensichtlich pathologische Relevanz, ein Schmerzsyndrom, Beinödeme und Depressionen bestehen. Eine Neurodermitis und eine Schuppenflechte, wie sie im Entlassungsschein der Klinik für Manuelle Therapie aus dem Jahre 2008 als Nebenbefunde aufgeführt waren, vermochte die Sachverständige nicht zu verifizieren. Sie hat sich sodann ausführlich mit den Krankheitsbildern und den Begrifflichkeiten, die die Klägerin für den von ihr behaupteten Ernährungsmehrbedarf angeführt hat, auseinandergesetzt. Sie hat festgestellt, dass es eine "Kuhmilcheiweißintoleranz" als solche gar nicht gibt. Zu unterscheiden ist zwischen einer "Laktoseintoleranz" (Laktose = Milchzucker) und einer "(Kuh-)Milcheiweiß-Allergie" im Sinne einer sog. echten Allergie. Eine Milcheiweiß-Allergie hat die Sachverständige ausschließen können, der RAST-Test ergab das Ergebnis Null. Ob bei der Klägerin tatsächlich eine Laktoseintoleranz besteht, hat weder einer der Ärzte, die die Klägerin bisher behandelt haben, noch die Sachverständige Dr. I. festgestellt. Ein entsprechender Toleranztest ist bislang offensichtlich nicht durchgeführt worden. Dies war aber auch für Beantwortung der Beweisfragen nicht erforderlich. Denn selbst wenn bei der Klägerin eine Laktoseintoleranz bestünde, begründet auch diese ebenso wie die weiteren Gesundheitsstörungen keine Ernährung, deren Kosten über den üblichen Bedarf eines Gesunden hinausgehen.
Die Sachverständige hat die Klägerin ein Ernährungsprotokoll führen lassen. Auf der Basis der von der Klägerin mitgeteilten Ernährungsgewohnheiten hat die Sachverständige anhand einer EDV-gestützten Nährstoffanalyse eine Kalorienaufnahme von knapp 6040 kcal pro Tag ermittelt. Danach bestand die Nahrung zu 37 % aus Kohlenhydraten und hatte einen Fettanteil von 42 %. Der Eiweißanteil betrug täglich 20 % bzw. 3,4 g pro Kilogramm Körpergewicht (normal sind 0,8 bis 1 g pro Kilogramm Körpergewicht). Die täglich aufgenommen Flüssigkeitsmenge betrug knapp neun Liter. Soweit die Klägerin hierzu vorgetragen hat, dass eine tägliche Zufuhr von ca. 6000 kcal nicht nachvollziehbar sei, kann dies allenfalls daran liegen, dass sie gegenüber der Sachverständigen nicht den tatsächlichen Lebensmittelumsatz pro Tag dargestellt hat. Die im Ernährungsprotokoll von der Klägerin mitgeteilten Mengen ergeben jedenfalls – EDV-gestützt – den von der Sachverständigen ermittelten Wert. Diese Lebensmittelmengen deuten nach Auffassung der Sachverständigen auf eine Binge-eating-Essstörung. Die Sachverständige hat dargelegt, dass durch eine solche Kalorienzufuhr das Übergewicht bedingt ist. Dies sollte mit einer drastisch reduzierten Mischkost behandelt werden, um das Gewicht entsprechend zu reduzieren. Damit würde sie die bekannten Folge- bzw. Begleiterkrankungen wie ca. Hypertonie, Diabetes oder Hyperleptinämie (erhöhte Blutfettwerte) verbessern bzw. vermeiden helfen. Eine drastische Reduzierung der Kost begründet jedoch keinen Kostenmehraufwand, sondern im Gegenteil geringere Kosten für Lebensmittel. Die Sachverständige hat weiterhin ausgeführt, dass die Hypertonie ebenfalls mit einer Reduktionsdiät zur Senkung der Adipositas behandelt werden sollte unter Bevorzugung frischer Lebensmittel statt stark verarbeiteter bzw. Fertigprodukten. Asthma, Neurodermitis und Psoriasis, soweit sie vorgelegen haben, lassen sich – so die Sachverständige – in der Regel mit einer Weglass-Diät positiv behandeln. Dabei sollten Lebensmittel, die unverträglich bzw. allergen für den Patienten sind, gemieden werden. Zumindest Milcheiweiß, das im Kindesalter als relativ häufiger Allergieauslöser gilt, konnte im Rahmen der Begutachtung als Verursacher einer so genannten echten Allergie ausgeschlossen werden. Der über der Norm liegende Cholesteringesamtwert kann nach Darstellung der Gutachterin bei einer deutlich geringeren Cholesterinzufuhr über die Nahrung und einem geringeren Körpergewicht sowie einer gemäßigten Zuckerzufuhr vermindert werden; der erhöhte Cholesterinwert weist aber auch keine pathologische Relevanz auf. Depressionen und Schmerzen erforderten keine besondere Ernährungsform, die von der allgemein empfohlenen Mischkost für Erwachsene abweichen. Diese Ausführungen der Sachverständigen Dr. I. sind ausführlich, nachvollziehbar und überzeugend.
Dr. I. ist Biologin und Fachärztin für Ernährungsmedizin und dem Gericht aus zahlreichen Gutachten als erfahrene Sachverständige bekannt. Ihre Ausführungen insbesondere zu dem falsch verwendeten Begriff einer "Kuhmilcheiweißintoleranz" und den Krankheitsbildern "Milcheiweiß-Allergie" und "Laktoseintoleranz" sind schlüssig und halten einer wissenschaftlichen Nachprüfung stand. So überzeugt insbesondere, dass eine Milcheiweiß-Allergie durch den RAST-Test ausgeschlossen werden konnte. Bei der Laktoseintoleranz handelt es sich um eine Milchzuckerunverträglichkeit, nicht – wie die Klägerin wiederholt anführt – um eine Milcheiweißunverträglichkeit. Bei Laktoseintoleranz wird der mit der Nahrung aufgenommene Milchzucker (Laktose) als Folge von fehlender oder verminderter Produktion des Verdauungsenzyms Laktase nicht verdaut. Bleibt dies symptomlos, so spricht von einer Lactosemalabsorption. Mit Symptomen wird es hingegen als Laktoseintoleranz bezeichnet. Für etwa 75 % der erwachsenen Weltbevölkerung ist Laktoseintoleranz der Normalfall, nur einige Populationen verfügen über eine Persistenz der Laktaseaktivität im Erwachsenenalter. In Deutschland leiden nach Schätzungen 15 bis 25 % der Gesamtbevölkerung an einer Milchzuckerunverträglichkeit. Die Laktoseintoleranz als Enzymmangel darf nicht mit der bei Erwachsenen selteneren Milcheiweißallergie verwechselt werden, bei der es sich um eine aktive Immunreaktion aufgrund einer echten Allergie gegen Kuhmilch-Eiweiß handelt (aus: Wikipedia, der freien Enzyklopädie, Stichwort: "Laktoseintoleranz"). Eine solche Kuhmilch-Eiweiß-Allergie besteht, wie festgestellt, bei der Klägerin gerade nicht. Eine Laktoseintoleranz aber begründet, selbst wenn sie bei der Klägerin bestünde, keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, wie die Sachverständige ausführlich und überzeugend dargelegt hat und wie es auch in der Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden worden ist (vgl. SG Detmold, Urteil vom 15.06.2010 – S 2 [6] SO 141/07; SG Karlsruhe, Urteil vom 31.03.2011 – S 4 AS 2616/09; LSG NRW, Beschluss vom 04.04.2011 – L 6 AS 2205/10 B ER und L 6 AS 2206/10 B). Inzwischen hat auch der SGB II-Leistungsträger, der bei der Klägerin bis August 2008 noch einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung anerkannt hat, zu diesem Krankheitsbild seine Auffassung und Bewilligungspraxis entsprechend geändert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da die Klägerin ihren Leistungsanspruch nicht beziffert hat, ließ sich der Berufungs-Beschwerdewert nicht ohne weiteres feststellen. Wenn die Klägerin den Mehrbedarf anerkannt haben wollte, wie er zuletzt im Rahmen der SGB II-Leistungen bis 31.08.2010 bewilligt worden war (72,00 EUR pro Monat), ergäbe dies für zehn Monate einen Wert von 720,00 EUR. Legt man dagegen monatliche Mehrkosten von "ca. 166,23 EUR" zugrunde, die die Klägerin im Rahmen der Klagebegründung angegeben hat, so ergäbe sich für den streitbefangenen Zeitraum von zehn Monaten ein Wert von 1.662,30 EUR. Unabhängig davon hat die Kammer die Berufung zugelassen, weil sie der Streitsache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere als die bewilligten Regelleistungen der Grundsicherung (GSi) im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), insbesondere wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung, für die Zeit vom 01.09.2010 bis 30.06.2011 hat.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin leidet an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung im Sinne eines Asthma bronchiale, Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, Schulter- und Kniegelenke, Bluthochdruck, Übergewicht, einer somatoformen Schmerzstörung und einer Neigung zu Allergien. Sie ist als Schwerbehinderte anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 60 und dem Merkzeichen "G". Sie ist seit 14.05.2009 dauerhaft voll erwerbsgemindert, hat seit 01.06.2009 Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und erhält diese laufend seit 01.09.2010 (Bewilligungsbescheid der DRV Bund vom 14.07.2010). Bis 31.08.2010 erhielt die Klägerin Leistungen der GSi für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 72,00 EUR.
Am 02.08.2010 beantragte die Klägerin ergänzende GSi-Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung u.a. eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung, speziell für kuhmilcheiweißfreie Kost wegen einer "Kuhmilcheiweißintoleranz". Sie legte eine ärztliche Stellungnahme des Allgemeinmediziners Dr. K. vor, wonach dieses Krankheitsbild mit deutlichen Mehrkosten verbunden sei, da eine Vollkost nicht ausreiche.
Durch Bescheid vom 11.08.2010 bewilligte die Beklagte GSi-Regelleistungen unter Einbeziehung eines Mehrbedarfs wegen voller Erwerbsminderung und nachgewiesenem Merkzeichen G gemäß §§ 42 Satz 1 Nr. 3, 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII, desweiteren für Unterkunft und Heizkosten.
Gegen die Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung legte die Klägerin am 23.08.2010 Widerspruch ein. Die Beklagte holte eine Stellungnahme der Gesundheitsamtsärztin Dr. O. ein; diese legte unter dem 08.09.2010 dar, welche Prinzipien eine Diätempfehlung bei laktoseintoleranten Patienten berücksichtigen sollte; sie kam zum Ergebnis, dass bei einer solchen Ernährung keine Mehrkosten entstehen.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15.09.2010 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung ab; Vollkosternährung sei ausreichend.
Dagegen erhob die Klägerin am 10.10.2010 Widerspruch. Sie meinte, sie dürfe nicht schlechter gestellt werden als bisher; sie habe im Rahmen der SGB II-Leistungen einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung erhalten. Eine laktosefreie Diät wegen der Kuhmilcheiweißintoleranz sei mit Mehrkosten verbunden. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Klinik für Manuelle Therapie vor, wo sie jeweils drei Wochen in den Jahren 2007 und 2008 behandelt worden war. Im Entlassungsschein dieser Klinik wird unter den Nebenbefunden ("NB") u.a. eine Neurodermitis und eine Kuhmilcheiweißintoleranz aufgelistet.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 23.03.2011 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 14.04.2011 Klage erhoben. Sie trägt vor, sie sei auf laktosefreie Nahrung angewiesen, damit sie keine gesundheitlichen Schäden erleide; die dafür aufzuwendenden Mittel gingen weit über den in den Regelleistungen enthaltenen Normbetrag für Ernährung hinaus. Aber auch wegen Neurodermitis, Schuppenflechte, vielfältigen Allergien und einer Gallenkrankheit sei sie gezwungen, nur ausgewählte und teurere Lebensmittel zu sich zu nehmen; sie habe dadurch monatliche Mehrkosten von "ca. 166,23 EUR". Die Klägerin hat eine Auflistung ihrer monatlichen Ausgaben für Lebensmittel vorgelegt. Zu dem im gerichtlichen Verfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten hat die Klägerin ausgeführt, dieses Gutachten sei im wesentlichen Punkten falsch: eine Kalorienmenge von 6000 kcal/Tag sei in keiner Weise nachvollziehbar; so viel nehme sie keinesfalls zu sich. Sie sei verwundert, dass es "eine Kuhmilcheiweiß-Allergie als solche" nicht geben solle. Sie nehme nicht bis zu neun Litern Flüssigkeit, sondern drei bis vier Liter pro Tag zu sich. Warum die Sachverständige in Bezug auf die Neurodermitis und Schuppenflechte nur von einer Verdachtsdiagnose ausgehe, erschließe sich nicht; die Klägerin verweist hierzu nochmals auf den Entlassungsbericht der Klinik für Manuelle Therapie vom 27.05.2008. Diverse Ärzte hätten bei ihr eine "Kuhmilcheiweißintoleranz" festgestellt.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 11.08.2010 und Aufhebung des Bescheides vom 15.09.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2011 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.09.2010 bis 30.06.2011 höhere Grundsicherungs-Regelleistungen unter Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung.
Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. K. vom 27.09.2011 mit diversen Arztberichten und einen Befundbericht der Klinik für Manuelle Therapie vom 16.09.2011 eingeholt. Es hat drei von der DRV Bund im Erwerbsminderungsrentenverfahren eingeholte Gutachten sowie die Sozialgerichtsakte S 23 R 25/08 betreffend das Erwerbsminderungsrentenverfahren beigezogen. Sodann hat das Gericht ein medizinisches Sachverständigengutachten von der Ärztin für Allgemein- und Ernährungsmedizin und Biologin Dr. I. eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen und das Gutachten vom 13.04.2012 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sie die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat den Anspruch auf GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII nach Grund und Höhe für den streitbefangenen Zeitraum zutreffend ermittelt und bewilligt. Dies gilt sowohl in Bezug auf den Regelbedarf als auch den Mehrbedarf wegen Erwerbsminderung bei Nachweis des Merkzeichen G als auch der Kosten der Unterkunft (Miete) als auch der Heizungskosten. Von dem ermittelten Bedarf hat sie zutreffend die Erwerbsminderungsrente als Einkommen abgezogen und so die GSi-Leistung bewilligt. Einen Anspruch auf höhere Sozialhilfe wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung hat die Klägerin nicht.
Gemäß §§ 42 Satz 1 Nr. 3, 30 Abs. 5 SGB XII umfassen die Leistungen der GSi im Alter und bei Erwerbsminderung auch einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Nach § 30 Abs. 5 SGB XII wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Voraussetzung für die Gewährung eines Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkungen der Fall ist. Nur krankheitsbedingte Gründe können einen Mehrbedarf rechtfertigen; es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen (vgl. zu der ähnlichen Vorschrift des § 21 Abs. 5 SGB II: BSG, Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 100/10 R; Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 138/10 R m.w.N.). Die Kammer ist aufgrund des von Amts wegen eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dr. I. zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin keiner Ernährung bedarf, deren Kosten über den üblichen Bedarf hinausgehen.
Die Sachverständige hat nach Auswertung des Akteninhalts, der darin befindlichen medizinischen Berichte und einer Untersuchung der Klägerin festgestellt, dass – neben den bekannten orthopädischen Beschwerden – ein Übergewicht, ein erhöhter Blutdruck, eine Lungenerkrankung, eine Fettstoffwechselstörung ohne offensichtlich pathologische Relevanz, ein Schmerzsyndrom, Beinödeme und Depressionen bestehen. Eine Neurodermitis und eine Schuppenflechte, wie sie im Entlassungsschein der Klinik für Manuelle Therapie aus dem Jahre 2008 als Nebenbefunde aufgeführt waren, vermochte die Sachverständige nicht zu verifizieren. Sie hat sich sodann ausführlich mit den Krankheitsbildern und den Begrifflichkeiten, die die Klägerin für den von ihr behaupteten Ernährungsmehrbedarf angeführt hat, auseinandergesetzt. Sie hat festgestellt, dass es eine "Kuhmilcheiweißintoleranz" als solche gar nicht gibt. Zu unterscheiden ist zwischen einer "Laktoseintoleranz" (Laktose = Milchzucker) und einer "(Kuh-)Milcheiweiß-Allergie" im Sinne einer sog. echten Allergie. Eine Milcheiweiß-Allergie hat die Sachverständige ausschließen können, der RAST-Test ergab das Ergebnis Null. Ob bei der Klägerin tatsächlich eine Laktoseintoleranz besteht, hat weder einer der Ärzte, die die Klägerin bisher behandelt haben, noch die Sachverständige Dr. I. festgestellt. Ein entsprechender Toleranztest ist bislang offensichtlich nicht durchgeführt worden. Dies war aber auch für Beantwortung der Beweisfragen nicht erforderlich. Denn selbst wenn bei der Klägerin eine Laktoseintoleranz bestünde, begründet auch diese ebenso wie die weiteren Gesundheitsstörungen keine Ernährung, deren Kosten über den üblichen Bedarf eines Gesunden hinausgehen.
Die Sachverständige hat die Klägerin ein Ernährungsprotokoll führen lassen. Auf der Basis der von der Klägerin mitgeteilten Ernährungsgewohnheiten hat die Sachverständige anhand einer EDV-gestützten Nährstoffanalyse eine Kalorienaufnahme von knapp 6040 kcal pro Tag ermittelt. Danach bestand die Nahrung zu 37 % aus Kohlenhydraten und hatte einen Fettanteil von 42 %. Der Eiweißanteil betrug täglich 20 % bzw. 3,4 g pro Kilogramm Körpergewicht (normal sind 0,8 bis 1 g pro Kilogramm Körpergewicht). Die täglich aufgenommen Flüssigkeitsmenge betrug knapp neun Liter. Soweit die Klägerin hierzu vorgetragen hat, dass eine tägliche Zufuhr von ca. 6000 kcal nicht nachvollziehbar sei, kann dies allenfalls daran liegen, dass sie gegenüber der Sachverständigen nicht den tatsächlichen Lebensmittelumsatz pro Tag dargestellt hat. Die im Ernährungsprotokoll von der Klägerin mitgeteilten Mengen ergeben jedenfalls – EDV-gestützt – den von der Sachverständigen ermittelten Wert. Diese Lebensmittelmengen deuten nach Auffassung der Sachverständigen auf eine Binge-eating-Essstörung. Die Sachverständige hat dargelegt, dass durch eine solche Kalorienzufuhr das Übergewicht bedingt ist. Dies sollte mit einer drastisch reduzierten Mischkost behandelt werden, um das Gewicht entsprechend zu reduzieren. Damit würde sie die bekannten Folge- bzw. Begleiterkrankungen wie ca. Hypertonie, Diabetes oder Hyperleptinämie (erhöhte Blutfettwerte) verbessern bzw. vermeiden helfen. Eine drastische Reduzierung der Kost begründet jedoch keinen Kostenmehraufwand, sondern im Gegenteil geringere Kosten für Lebensmittel. Die Sachverständige hat weiterhin ausgeführt, dass die Hypertonie ebenfalls mit einer Reduktionsdiät zur Senkung der Adipositas behandelt werden sollte unter Bevorzugung frischer Lebensmittel statt stark verarbeiteter bzw. Fertigprodukten. Asthma, Neurodermitis und Psoriasis, soweit sie vorgelegen haben, lassen sich – so die Sachverständige – in der Regel mit einer Weglass-Diät positiv behandeln. Dabei sollten Lebensmittel, die unverträglich bzw. allergen für den Patienten sind, gemieden werden. Zumindest Milcheiweiß, das im Kindesalter als relativ häufiger Allergieauslöser gilt, konnte im Rahmen der Begutachtung als Verursacher einer so genannten echten Allergie ausgeschlossen werden. Der über der Norm liegende Cholesteringesamtwert kann nach Darstellung der Gutachterin bei einer deutlich geringeren Cholesterinzufuhr über die Nahrung und einem geringeren Körpergewicht sowie einer gemäßigten Zuckerzufuhr vermindert werden; der erhöhte Cholesterinwert weist aber auch keine pathologische Relevanz auf. Depressionen und Schmerzen erforderten keine besondere Ernährungsform, die von der allgemein empfohlenen Mischkost für Erwachsene abweichen. Diese Ausführungen der Sachverständigen Dr. I. sind ausführlich, nachvollziehbar und überzeugend.
Dr. I. ist Biologin und Fachärztin für Ernährungsmedizin und dem Gericht aus zahlreichen Gutachten als erfahrene Sachverständige bekannt. Ihre Ausführungen insbesondere zu dem falsch verwendeten Begriff einer "Kuhmilcheiweißintoleranz" und den Krankheitsbildern "Milcheiweiß-Allergie" und "Laktoseintoleranz" sind schlüssig und halten einer wissenschaftlichen Nachprüfung stand. So überzeugt insbesondere, dass eine Milcheiweiß-Allergie durch den RAST-Test ausgeschlossen werden konnte. Bei der Laktoseintoleranz handelt es sich um eine Milchzuckerunverträglichkeit, nicht – wie die Klägerin wiederholt anführt – um eine Milcheiweißunverträglichkeit. Bei Laktoseintoleranz wird der mit der Nahrung aufgenommene Milchzucker (Laktose) als Folge von fehlender oder verminderter Produktion des Verdauungsenzyms Laktase nicht verdaut. Bleibt dies symptomlos, so spricht von einer Lactosemalabsorption. Mit Symptomen wird es hingegen als Laktoseintoleranz bezeichnet. Für etwa 75 % der erwachsenen Weltbevölkerung ist Laktoseintoleranz der Normalfall, nur einige Populationen verfügen über eine Persistenz der Laktaseaktivität im Erwachsenenalter. In Deutschland leiden nach Schätzungen 15 bis 25 % der Gesamtbevölkerung an einer Milchzuckerunverträglichkeit. Die Laktoseintoleranz als Enzymmangel darf nicht mit der bei Erwachsenen selteneren Milcheiweißallergie verwechselt werden, bei der es sich um eine aktive Immunreaktion aufgrund einer echten Allergie gegen Kuhmilch-Eiweiß handelt (aus: Wikipedia, der freien Enzyklopädie, Stichwort: "Laktoseintoleranz"). Eine solche Kuhmilch-Eiweiß-Allergie besteht, wie festgestellt, bei der Klägerin gerade nicht. Eine Laktoseintoleranz aber begründet, selbst wenn sie bei der Klägerin bestünde, keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, wie die Sachverständige ausführlich und überzeugend dargelegt hat und wie es auch in der Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden worden ist (vgl. SG Detmold, Urteil vom 15.06.2010 – S 2 [6] SO 141/07; SG Karlsruhe, Urteil vom 31.03.2011 – S 4 AS 2616/09; LSG NRW, Beschluss vom 04.04.2011 – L 6 AS 2205/10 B ER und L 6 AS 2206/10 B). Inzwischen hat auch der SGB II-Leistungsträger, der bei der Klägerin bis August 2008 noch einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung anerkannt hat, zu diesem Krankheitsbild seine Auffassung und Bewilligungspraxis entsprechend geändert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da die Klägerin ihren Leistungsanspruch nicht beziffert hat, ließ sich der Berufungs-Beschwerdewert nicht ohne weiteres feststellen. Wenn die Klägerin den Mehrbedarf anerkannt haben wollte, wie er zuletzt im Rahmen der SGB II-Leistungen bis 31.08.2010 bewilligt worden war (72,00 EUR pro Monat), ergäbe dies für zehn Monate einen Wert von 720,00 EUR. Legt man dagegen monatliche Mehrkosten von "ca. 166,23 EUR" zugrunde, die die Klägerin im Rahmen der Klagebegründung angegeben hat, so ergäbe sich für den streitbefangenen Zeitraum von zehn Monaten ein Wert von 1.662,30 EUR. Unabhängig davon hat die Kammer die Berufung zugelassen, weil sie der Streitsache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
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