Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AS 1559/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1397/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.06.2011 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2010 und Änderung des Bescheides vom 04.01.2010 verurteilt, der Klägerin eine Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 364,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2010 zu gewähren. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Regeleistung als Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2010 im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Seit 1999 wohnt die am 00.00.1966 geborene, geschiedene Klägerin mit der am 00.00.1974 geborenen Zeugin I (I.) zusammen. Seit dem 01.06.2001 nutzen sie die 69 qm große Wohnung, O-weg 00, X, bestehend aus drei Zimmern, einer Küche und Bad. Den Mietvertrag haben sie beide als Mieter unterschrieben.
Bis zum 10.11.2003 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld I und anschließend Arbeitslosenhilfe bis zum 01.02.2004 und wieder ab dem 01.08.2004. Die Zeugin I. bezog im Jahr 2004 Arbeitslosenhilfe.
Am 28.09.2004 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagter) die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. In dem Antragsformular gab sie unter Ziffer III. "persönliche Verhältnisse der mit dem Antragsteller/Antragstellerin in einem Haushalt lebenden weiteren Personen" an, dass in der Wohnung die Zeugin I. wohne. In der Zeile Verwandtschaftsverhältnis zum Antragsteller/Partner gab die Klägerin an, dass sie eine Wohngemeinschaft bildeten.
Die Zeugin I. beantragte am 28.09.2004, getrennt von der Klägerin, die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. In ihrem Antragsformular war unter Ziffer III eingetragen " S, WG-Mitglied, gemeinsames Konto, aus Kostengründen, getrennte Räume".
Der Beklagte bewilligte der Klägerin sowie der Zeugin I. ab dem 01.01.2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Bei der Berechnung des Bedarfs der Klägerin und der Zeugin I. legte er jeweils die Regelleistung für Alleinstehende sowie die Hälfte der Kosten für Unterkunft und Heizung bei der Berechnung der Leistungen zugrunde. Der Beklagte überwies die der Klägerin bewilligten Beträge bis zum 31.12.2009 auf das Konto der Zeugin I., über das die Klägerin Kontovollmacht hatte. Die Klägerin verfügte über kein eigenes Konto. Ab Januar 2010 richtete sie ein eigenes Konto bei der Sparkasse S ein.
Im Fragebogen zur Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft vom 18.10.2008 gab die Klägerin an, dass sie die Zeugin I. seit 1997 kenne und 1999 mit ihr zusammengezogen sei. Grund für das Zusammenziehen sei die Gründung einer Wohngemeinschaft gewesen, um die Kosten zu senken. Es erfolge ein gemeinsamer Einkauf der täglichen Bedarfsgüter für beide von beiden. Teilweise würden die Mahlzeiten für beide von beiden gemeinsam zubereitet. Es würden Haushaltsgeräte und Gegenstände gemeinsam genutzt. Beide würden für die Reinigung der Kleidung und Wäsche sorgen. Beide würden für die Reinhaltung der Wohnung sorgen. Sie würden teilweise ihre Freizeit gemeinsam gestalten, wie es sich ergäbe. Sie würden manchmal Weihnachten gemeinsam verbringen, und manchmal Geburtstage gemeinsam verbringen. Sie hätten kein gemeinsames Girokonto oder ein anderes Konto. Jeder habe Bank- oder Kontovollmacht für beide. Sie hätten sich in der Hausratsversicherung gegenseitig als Begünstigte registrieren lassen. Der Pkw werde ihr von der Zeugin I. leihweise zur Verfügung gestellt. Beide würden die Miete, die Stromrechnung, die Heizkosten und die Telefonrechnung überweisen. In einem Notfall, z.B. Krankheit, Pflege würden sie füreinander einstehen.
In dem Fortzahlungsantrag aus Juni 2009 gab die Klägerin an, dass sie mit der Zeugin I. eine Wohngemeinschaft bilde. Bei einer persönlichen Vorsprache am 29.06.2009 erklärte die Klägerin, dass sie mit der Zeugin I. in der Wohnung O-weg 00 in X im Rahmen einer Wohngemeinschaft zusammenlebe. Sie lebe mit der Zeugin I. nicht - wie von Dritten angegeben - im Rahmen einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft in einer Einstandsgemeinschaft zusammen. Am 06.07.2009 führte der Zentrale Außendienst des Beklagten eine Wohnungsbesichtigung durch. Zum 21.01.2009 nahm die Zeugin I. eine Teilzeitbeschäftigung auf. Wegen des Wegfalls der Hilfebedürftigkeit hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen an die Zeugin I. mit Wirkung zum 01.07.2009 auf. Auf Aufforderung des Beklagten übersandte die Zeugin I. Gehaltsabrechnungen für Juli und August 2009 und Kontoauszüge. In dem Schreiben vom 15.09.2009 heißt es u.a.: "Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich darauf hinweisen, dass mein Antrag mit Wirkung zum 01.07.2009 aufgehoben wurde (siehe Ihr Schreiben vom 08.06.2009) und ich auch keinen neuen Antrag gestellt habe. Ich gehe also davon aus, dass die angeforderten Unterlagen für den Antrag von Frau S benötigt werden." Sie übersandte Gehaltsabrechnungen für die Monate September bis Dezember 2009.
Für die Zeit vom 01.07.2009 bis 31.12.2009 bewilligte der Beklagte einer Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und der Zeugin I., Kosten für Unterkunft und Heizung. Bei der Berechnung des Gesamtbedarfs legte der Beklagte eine Regelleistung für einen Partner zugrunde und rechnete das Erwerbseinkommen der Zeugin I. auf den Gesamtbedarf an. Die Bewilligungsbescheide waren an die Klägerin adressiert und sind bestandskräftig.
Im Fortzahlungsantrag der Klägerin für die Zeit ab 01.01.2010 ist unter dem Punkt 1. "Angaben zu den Personen der Bedarfsgemeinschaft" der Name "I,." eingetragen. Durch Bescheid vom 04.01.2010, adressiert an die Klägerin, bewilligte der Beklagte der Klägerin und der Zeugin I. als Bedarfsgemeinschaft Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 454,78 EUR mtl. für die Zeit vom 01.01 bis 30.06.2010. Der Beklagte ging von einem Gesamtbedarf von 1.116,99 EUR aus (323,00 EUR Regelleistung Klägerin + 323,00 EUR Regelleistung Zeugin I. + 470,99 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) und rechnete hierauf Einkommen der Zeugin I. in Höhe von 662,21 EUR an. Im Januar 2010 floss der Zeugin I. Nettoeinkommen zu von 1.658,60 EUR, im Februar 2010 von 1.146,29 EUR, im März 2001 von 1.151,48 EUR, im April 2010 von 1.421,50 EUR, im Mai 2010 von 1.104,22 EUR, und im Juni 2010 von 1.112,45 EUR. Seit dem 01.07.2010 übt die Zeugin I. eine Vollzeitbeschäftigung aus.
Am 09.03.2010 legte die Klägerin gegen den Bescheid über die Feststellung einer Bedarfsgemeinschaft Widerspruch ein. Sie führte aus, der Beklagte unterstelle eine Bedarfsgemeinschaft und rechne das Einkommen ihrer Mitbewohnerin an. Ihre Mitbewohnerin sei aber finanziell nicht in der Lage und auch nicht willens, sie in der vom Beklagten unterstellten Weise zu unterstützen und ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Aufgrund dessen sei ihre Mitbewohnerin auch nicht weiter willens, ihre Einkommens- bzw. Gehaltsabrechnungen einzureichen. In der Vergangenheit habe diese ihre Gehaltsabrechnungen nur deshalb eingereicht, weil sie schon eine Leistungssperre von einem Monat gehabt habe. Sie habe nicht mehr ohne existenzsichernde staatliche Leistungen länger ein menschenwürdiges Leben führen können, da sie auch auf keinerlei finanzielle Unterstützung anderer Quellen zurückgreifen könne. Ihr ständiger Hinweis, dass es sich um eine reine Zweck-/Wohngemeinschaft handele, das Bestehen einer reinen Wohngemeinschaft, der fehlende gegenseitige Einstandswille, die fehlende Verfügungsmacht über das Einkommen und Vermögen des anderen, das fehlende Wirtschaften aus einem Topf, der getrennte Einkauf bzw. die Abrechnung des Einkaufs untereinander, die Aufteilung der Wohnung, die Feststellungen des Außendienstes des Beklagten sprächen gegen das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft. In einem Schreiben vom 07.03.2010 wandte sich die Zeugin I. auch gegen die Annahme des Beklagten, dass es sich bei der Wohngemeinschaft mit der Klägerin um eine Bedarfsgemeinschaft handele. Durch Bescheid vom 31.03.2010 verwarf der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 04.01.2010 als unzulässig.
Der Beklagte fasste den verfristeten Widerspruch der Klägerin als Antrag nach § 44 SGB X auf, den er durch Bescheid vom 08.04.2010 ablehnte. Durch ihre Ausführungen vom 07.03.2010 habe die Klägerin die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 und 4 SGB II ausgelöste Vermutung nicht glaubhaft entkräften können.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2010 zurückwies.
Am 06.07.2010 beantragte die Klägerin im Verfahren S 4 AS 1425/10 ER vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen den Erlass einer Regelungsanordnung auf Gewährung von ungekürzten Leistungen. Sie trug vor, sie könne über das Einkommen der Zeugin I. nicht verfügen. Es existierten zwei getrennte Konten. Es würde getrennt gehaushaltet. Die Einkäufe würden getrennt erledigt. Die Zeugin I. unterstütze sie finanziell nicht. Die Tagesabläufe seien sehr unterschiedlich. Wenn die Zeugin I. morgens gegen 6:30 Uhr zur Arbeit gehe, schlafe sie noch. Sie wisse auch nicht, wann ihre Mitbewohnerin an den einzelnen Tagen zuhause sein werde. Es bestehe kein gemeinsamer Tagesablauf. Die Zeugin I. sei nicht verpflichtet, sie zu unterhalten. Dies tue sie tatsächlich auch nicht.
Der Beklagte trug vor, dass für eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft ein gemeinsamer Umzug, die teilweise gemeinsame Zubereitung von Mahlzeiten, die teilweise gemeinsame Teilnahme an Familienfesten, das Bestehen einer gemeinsamen Hausratversicherung, die gemeinsame Nutzung eines Kraftfahrzeuges, die fehlende Trennung der Intimsphäre, die gemeinsame Aufbewahrung der Garderobe in einem Kleiderschrank im Schlafzimmer, die gemeinsame Antragstellung am 12.02.2009 für eine Beihilfe für eine Wohnungsrenovierung, das Bestehen einer Kontovollmacht der Klägerin bezüglich des Kontos der Zeugin I. sowie die Zahlungen für Strom über das Konto der Zeugin I. ohne Dokumentation eines Ausgleichs im Innenverhältnis sprächen. Im Erörterungstermin vom 29.07.2010 vernahm das Sozialgericht die Zeugin I. Es lehnte durch rechtskräftigen Beschluss vom 29.07.2010 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab.
Am 21.07.2010 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie hat vorgetragen, dass sie mit der Zeugin I. zwar länger als ein Jahr in der selben Wohnung wohne. Sie bildeten jedoch keine gleichgeschlechtliche Partnerschaft, sondern lediglich eine Wohngemeinschaft. Der Ermittlungsdienst des Beklagten habe festgehalten, dass grundsätzlich eine Trennung der Schlafräume, der Hygieneartikel etc. vorliege. Sie und die Zeugin I. führten zwei getrennte Konten. Sie könne nicht über das Erwerbseinkommen der Zeugin I. verfügen. Es werde getrennt gehaushaltet. Die Einkäufe würden getrennt erledigt. Die Zeugin I. unterstütze sie finanziell nicht. Sie habe keinerlei Ansprüche auf Unterhalt gegen ihre Mitbewohnerin. Dies führe praktisch dazu, dass sie zurzeit ohne jede Einnahme sei. Auch der Fragebogen zur Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft, den sie im Oktober 2009 ausgefüllt habe, ändere die Beurteilung nicht. Zwei Menschen, die sich kennen und möglicherweise sogar fremd seien, würden und sollten im Notfall stets füreinander da sein. Wie weit diese Fürsorge dann letztlich gehe, hänge wiederum von der Tiefe der Beziehung zueinander ab. Danach werde jedoch im Fragebogen nicht differenziert. Die Frage sei ungeeignet, um auf die Voraussetzungen für eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft zu schließen.
Der Beklagte hat vorgetragen, dass eine Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und der Zeugin I. bestehe. Aus dem Erwerbseinkommen der Zeugin I. ergäbe sich ein bereinigtes anzurechnendes Einkommen von 1.378,60 EUR für Januar 2010, von 866,29 EUR für Februar 2010, von 871,48 EUR für März 2010, von 1.141,50 EUR für April 2010, von 824,22 EUR für Mai 2010 und von 832,45 EUR für Juni 2010.
Durch Urteil vom 30.06.2011 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 15.07.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.08.2011 Berufung eingelegt.
Sie verfolgt ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.06.2011 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2010 und Änderung des Bescheides vom 04.01.2010 zu verurteilen, ihr eine Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 364,00 EUR mtl. für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2010 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die Zeugin I. vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.06.2012 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 4 AS 1425/10 ER Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 08.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2010, mit dem der Beklagte die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 04.01.2010 betreffend der Höhe des Individualanspruchs der Klägerin auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2010 nach § 44 SGB X abgelehnt hat. Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung eine vergleichsweise Regelung getroffen und die Klägerin ihr Begehren auf die Gewährung einer Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 364,00 EUR mtl. im streitbefangenen Zeitraum beschränkt. Die Beschränkung des Berufungsbegehrens auf Leistungen nach §§ 20, 21, 23 Abs. 1 SGB II sowie die betragsmäßige Begrenzung des Klagebegehrens ist zulässig.
Richtiger Beklagter ist die Stadt X, die nach § 6d SGB II als Jobcenter zu bezeichnen ist. Sie ist Rechtsträgerin der Leistungen nach dem SGB II gemäß § 6b Abs. 1 SGB II. Die Stadt X ist kreisangehörige Stadt des Kreises S. Dieser gehört zu den Kreisen und kreisfreien Städte, die ab dem 01.01.2012 als kommunaler Träger i.S.v. § 6a Abs. 2 SGB II zugelassen sind (Anlage zu § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 14.04.2011, BGBl. I, 645, in Kraft ab dem 01.01.2012 nach Artikel 2 der Verordnung) und ist damit nach § 6b Abs. 1 Nr. 2 SGB II alleiniger Träger der Leistungen nach dem SGB II in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich. Als Funktionsnachfolger nach § 76 Abs. 3 SGB II hat der Kreis S die Aufgaben des Jobcenters W Arbeit Kreis S als gemeinsame Einrichtung i.S.v. § 44b Abs.1 SGB II zum 01.01.2012 übernommen und ist damit Rechtsträger der Aufgaben nach § 6 Abs. 1 SGB II. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW) i. d. F. ab dem 01.01.2011 und § 5 Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW i.d.F. vom 14.07.1994, GVBl. NRW 646) hat der Kreis S durch § 2 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Kreis S vom 27.10.2011 (Heranziehungssatzung SGB II) die Durchführung der ihm als Träger der Grundsicherung für Arbeit obliegenden Aufgaben, vorbehaltlich abweichender Regelungen in §§ 2 Abs. 3, 3 der Heranziehungssatzung SGB II im eigenen Namen übertragen. Mithin wird die Stadt X bei der Durchführung der Aufgaben nach § 2 Abs. 1 der Heranziehungssatzung SGB II eigenverantwortlich für den Kreis S im eigenen Namen tätig (vgl. hierzu: BSG Urteil vom 09.06.2011 - B 8 SO 11/10 R = juris 12 m.w.N. zur Abgrenzung zwischen der Heranziehung einer kreisangehörigen Gemeinde zur Durchführung einer dem Kreis obliegenden Aufgabe im Rahmen eines auftragsähnlichen Verhältnisses zum Handeln in eigenem Namen und einer bloßen Heranziehung durch Satzung). Dem steht § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 der Heranziehungssatzung SGB II nicht entgegen, wonach der Kreis S die Prozessvertretung in Klageverfahren und für Anträge im einstweiligen Rechtschutzverfahren vor den Sozialgerichten übernimmt. Diese Regelung betrifft ausschließlich die Vertretung im gerichtlichen Verfahren, nicht dagegen die Rückgängigmachung der durch die Satzung übertragenen Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende (vgl. BSG Urteil vom 19.05.2006 - B 8 SO 4/08 R = juris Rn 9 m.w.N.). Der Streitgegenstand des Verfahrens - Gewährung von ungekürzten Leistungen nach § 20 SGB II - gehört zu den in § 2 Abs. 1 der Heranziehungssatzung SGB II übertragenen Aufgaben. Bei einer Funktionsnachfolge - wie im vorliegenden Fall - ist ein Beklagtenwechsel zulässig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 99 Rn 6a m.w.N.).
Die Klägerin ist beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der angefochtene Bescheid vom 08.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2010 ist insoweit rechtswidrig, als der Beklagte die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 04.01.2010 betreffend die Höhe des Individualanspruchs der Klägerin nach § 44 SGB X abgelehnt hat.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Der Bewilligungsbescheid vom 04.01.2010 ist insofern rechtswidrig, als in ihm der Beklagte konkludent die Gewährung einer Regelleistung als Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010 (a. F.) ohne Anrechnung von Einkommen der Zeugin I. für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2010 abgelehnt hat. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten im streitbefangenen Zeitraum aber ungekürzte Regelleistung zu.
Die Klägerin hat die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II insofern dem Grunde nach erfüllt, als sie in diesem Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. Satz 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie ist erwerbsfähig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II gewesen ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nicht in der Lage gewesen ist, eine Erwerbstätigkeit mit einer Dauer von mindestens 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu verrichten.
Des Weiteren ist die Klägerin hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II gewesen. Die Klägerin hat im streitbefangenen Zeitraum weder über ein eigenes Einkommen noch über ein anrechenbares Vermögen verfügt. Der Hilfebedarf der Klägerin ist auch nicht durch das Erwerbseinkommen der Zeugin I. nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB II (teilweise) gedeckt gewesen. Danach ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zwischen der Klägerin und der Zeugin I. hat im streitbefangenen Zeitraum zur Überzeugung des Senats keine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II i. d. F. bis zum 31.12.2010 (a.F.) bestanden.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II a. F. (i.d.F des Gesetzes vom 20.07.2006, BGBl. I, 1706) gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitigen Willen anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II i.d.F. ab dem 01.08.2006 knüpft an die von der Rechtsprechung anerkannten Einstandspflichten von Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft im Bereich der Sozialhilfe und des Arbeitsförderungsrechts an und erweitert den Anwendungsbereich auf nicht eingetragene gleichgeschlechtliche ("partnerschaftsähnliche") Partnerschaften (vgl. BT-Drs. 16/1410 S. 19f; vgl. auch BSG Urteil vom 27.02.2008 - B 14 AS 23/07 R). Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht, wenn die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftgemeinschaft hinausgehen (BVerfG Urteil vom 17.12.1992 - 1 BvL 8/87 = BVerfGE 87, 234; BVerfG Beschluss vom 02.09.2004 - 1 BvR 1962/04 = info also 2004, 260; BSG Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R = BSGE 90, 90; BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 52/06 R = juris 17; BVerwG Urteil vom 17.05.1995 - 5 C 16/93 = BVerwGE 98, 195; BVerwG Beschluss vom 24.06.1999 - 5 B 114/98). Eine Entscheidung hierüber ist nur anhand bestimmter "Hilfstatsachen" möglich, wobei als Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung insbesondere deren Dauerhaftigkeit und Kontinuität und eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft heranzuziehen sind. Als Hinweistatsachen kommen die Dauer und Intensität der Bekanntschaft der Partner vor der Wohngemeinschaft, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation während des streitgegenständlichen Zeitraums und die - nach außen erkennbare - Intensität der gelebten Gemeinschaft in Betracht. Demnach setzt die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II voraus, dass eine auf Dauer angelegte eheähnliche oder nicht eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft besteht, die Partner einen wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen haben und in einem gemeinsamen Haushalt i.S. einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammenleben (vgl. LSG Sachsen Urteil vom 07.01.2011 - L 7 AS 115/06 = juris Rn 31).
Unter Würdigung der Gesamtumstände nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat im streitbefangenen Zeitraum zwischen der Klägerin und der Zeugin I. keine partnerschaftsähnliche Beziehung i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II bestanden.
Zweifelhaft ist schon, ob zwischen der Klägerin und der Zeugin I. im streitbefangenen Zeitraum eine Haushaltsgemeinschaft in Form einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestanden hat. Neben einer Wohngemeinschaft muss bei einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II der Haushalt im Sinne einer Wirtschaftsgemeinschaft gemeinsam geführt werden, es muss "aus einem Topf" gewirtschaftet werden. Die Anforderungen an ein gemeinsame Wirtschaften gehen über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet danach noch keine Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. BSG Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 6/08 R = juris Rn 15).
Vorliegend gibt es zwar Anhaltspunkte, die für das Bestehen einer partiellen Wirtschaftsgemeinschaft sprechen. Anzuführen ist die gemeinsame Hausratversicherung und die Tatsache, dass die Klägerin anfangs, solange sie kein eigenes Konto hatte, über eine Kontovollmacht für das Konto der Zeugin I. verfügte. Bereits Ende 2009 hat die Klägerin jedoch ein eigenes Konto eingerichtet. Gegen ein "gemeinsames Wirtschaften aus einem Topf" sprechen aber die konkreten Umstände der Aufteilung der Wohnung und der Wohnungskosten. Die Zeugin I. hat glaubhaft bekundet, dass die Klägerin und die Zeugin I. in der Wohnung immer getrennte Lebensbereiche gehabt haben. Jede der beiden Frauen nutzt ein eigenes Zimmer. Das Bad, die Küche nutzen sie gemeinsam. Das dritte Zimmer diente zunächst beiden Frauen zur Haltung von Katzen, wobei die Katzen jeweils einer der Frauen als Halterin zugeordnet gewesen sind. Nach dem Tod der Katzen der Klägerin wird das dritte Zimmer nur noch von der Zeugin I. zur Katzenhaltung genutzt. Soweit das Sozialgericht unter Berücksichtigung der Feststellungen des Ermittlungsdienstes aus Juli 2009 und dem im Februar 2009 beim Beklagten eingereichten Wohnungsgrundriss von einer Widersprüchlichkeit des Vortrags der Klägerin hinsichtlich der Aufteilung der Zimmer ausgeht, ist dieser Widerspruch durch die Vernehmung der Zeugin I. vor dem Senat ausgeräumt worden. Die Zeugin I. hat nachvollziehbar erläutert, dass sie mit ihrer Mitbewohnerin im Hinblick auf ihren Schichtdienst und die Lärmbelastung tagsüber im Jahr 2009 die Zimmer getauscht habe. Die Tatsache, dass im Kleiderschrank, der im Zimmer der Zeugin I. steht, saisonal nicht genutzte Kleidung der Klägerin aufbewahrt wird, bedeutet auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des Zentralen Außendienstes des Beklagten im Juli 2009 nicht, dass es generell keine getrennten Lebensbereiche gegeben hätte. Entsprechend der Aufteilung der Wohnung haben die Klägerin und die Zeugin I. die Kosten der Wohnung je zur Hälfte getragen. Nachdem eine Nutzung des dritten Zimmers durch die Klägerin entfallen ist, ist der Mietanteil der Klägerin nach den Bekundungen der Zeugin I. auf einen Warmmietanteil von 220,00 EUR reduziert worden. Diese Bekundung der Zeugin I. wird bestätigt durch den in der Gesamtschuldenaufstellung über die Schulden der Klägerin bei der Zeugin I. ausgewiesenen Mietanteil von 220,00 EUR im Jahr 2011 sowie der Angabe der Klägerin in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 03.08.2011 über eine Mietzahlung von 212,46 EUR. Des Weiteren ist durch die Vorlage der Kontoauszüge belegt, dass die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum ihren hälftigen Mietanteil an die Zeugin I., von deren Konto die volle Miete abgebucht wurde, gezahlt hat. Mithin sind eine Trennung der Lebenshaltungskosten im streitbefangenen Zeitraum und eine Anpassung des zu tragenden Mietanteils an geänderte Nutzungsverhältnisse in der Wohnung festzustellen. Eine abschließende Entscheidung, ob zwischen der Klägerin und der Zeugin I. eine Wirtschaftsgemeinschaft in Form des Wirtschaftens aus einem gemeinsamen Topf im streitbefangenen Zeitraum bestanden hat, kann dahinstehen.
Jedenfalls handelt es sich bei der Klägerin und der Zeugin nicht um Partner i.S.v. § 7 Abs. 3 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Zwischen ihnen hat keine auf Dauer angelegte, auf eine Ausschließlichkeit abzielende, d. h. eine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art nicht zulassende Beziehung bestanden (vgl. zum Erfordernis der "Ausschließlichkeit der Beziehung" in § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II: BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R = juris Rn 30; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl., § 7 Rn 45; Thie/Schoch in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 7 Rn 67f; vgl. zum Begriff des Partners auch: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 09.05.2012 - L 13 AS 105/11 -; LSG Sachsen Urteil vom 07.01.2011 - L 7 AS 115/06). Vielmehr handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine freundschaftlich geprägte Zweckgemeinschaft. Der Senat stützt sich auf die glaubhaften Bekundungen der Zeugin I. Diese hat das Bestehen einer zwischen ihr und der Klägerin auf Ausschließlichkeit abzielenden Beziehung verneint. Hierbei handelt es sich nach Überzeugung des Senats nicht um eine Schutzbehauptung. Die Zeugin I. hat erklärt, dass sie während des Zusammenwohnens mit der Klägerin gleichgeschlechtliche partnerschaftliche Beziehungen zu anderen Personen gehabt hat, insbesondere eine etwa einjährige Beziehung in den Jahren 2007 oder 2008. Dies spricht gegen eine auf Ausschließlichkeit angelegte Beziehung. Die Zeugin hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass sie mit der Klägerin im Jahr 1999 aus finanziellen Erwägungen eine gemeinsame Wohnung angemietet habe. Wegen des Auslaufens des BAföG sei sie selbst nicht in der Lage gewesen, ihre bisherige Wohnung zu halten. Wegen der Größe und des Zuschnitts der beiden Wohnungen, die eine Aufteilung in getrennte Lebensbereiche nicht zugelassen hätten, hätten sie sich entschlossen, eine gemeinsame Wohnung anzumieten, die ihren Bedürfnissen, einschließlich der Haltung von Katzen in einem separaten Zimmer, entsprochen habe. Für den gemeinsamen Umzug in eine andere Wohnung im Jahr 2001 sind nach den Bekundungen der Zeugin ebenfalls finanziellen Erwägungen sowie die Tatsache, dass die Wohnung O-weg 00, X, eine Haltung von Katzen, einem gemeinsamen Hobby der Klägerin und der Zeugin I., in einem separaten Zimmer ermöglichte, maßgebend gewesen. Der von der Zeugin I. geschilderte Grund für das Zusammenziehen und die Motivation für das Zusammenwohnen - die Möglichkeit der Finanzierung einer größeren Wohnung infolge Aufteilung anfallender Kosten, verbunden mit der Möglichkeit einer Katzenhaltung von bis zu fünf Tieren sowie die schlechte finanziellen Situation beider Frauen - ist für den Senat im Hinblick darauf, dass die finanziellen Verhältnisse beider Frauen aufgrund ihrer langjährigen Arbeitslosigkeit eingeschränkt gewesen sind, nachvollziehbar.
Die Aussage der Zeugin I. über den Charakter der Beziehung steht auch nicht in Widerspruch zu dem übrigen Akteninhalt. Die Angaben der Klägerin im Fragenbogen zur Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft vom 18.10.2008 über die Dauer der Bekanntschaft mit der Zeugin I. vor dem gemeinsamen Einzug in eine Wohnung - seit 1997 - und den Grund des Einzugs in eine gemeinsame Wohnung - Bildung einer Wohngemeinschaft zwecks Kostensenkung - stimmen mit den Angaben der Zeugin I. vor dem Senat überein. Auch haben die Klägerin und die Zeugin I. sich gegenüber dem Beklagten zu keinem Zeitpunkt als Partner bezeichnet. Sie haben nicht gemeinsam Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beim Beklagten beantragt, sondern die Antragstellung erfolgte jeweils getrennt voneinander. Beim Erstantrag im Jahr 2004 haben sie übereinstimmend angegeben, dass sie jeweils mit einer anderen Person in Form einer Wohngemeinschaft zusammenwohnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der damaligen Gesetzeslage, d.h. bis zum 01.08.2006 eine nicht eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft keine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.v., § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II begründet hat, so dass Angaben zum Charakter des Zusammenwohnens für die Begründung eines Leistungsanspruchs nicht erforderlich gewesen sind. Auch die Tatsache, dass die Klägerin und die Zeugin I. unter dem 12.02.2009 gemeinsam eine Beihilfe bzw. Darlehen zur Wohnungsrenovierung beim Beklagten beantragt haben, belegt keine Partnerschaft. Denn auch für Mitglieder einer Wohngemeinschaft, die sämtlich Leistungen nach dem SGB II beziehen, ist es schon im Hinblick auf die gemeinsame Nutzung von Räumen, wie etwa Küche und Bad, sachgerecht, Mittel zur Wohnungsrenovierung, die auch gemeinsam genutzte Räume, wie etwa Küche, Bad, umfasst, beim Beklagten gemeinsam zu beantragen. Auch den schriftlichen Stellungnahmen der Zeugin I. gegenüber dem Beklagten im Herbst 2009 kann nicht das Bestehen einer Partnerschaft zwischen der Zeugin und der Klägerin entnommen werden, vielmehr betont die Zeugin in diesen Schreiben gerade die getrennte Lebensführung. Der Senat hat - auch unter Berücksichtigung eines wirtschaftlichen Interesses der Zeugin I. am Ausgang des Verfahrens, dass sie nämlich im Falle des Obsiegens der Klägerin das dieser vorgestreckte Geld zurückbekommt - keinen Anlass gefunden, an einer Glaubwürdigkeit der Zeugin zu zweifeln. Allein die Tatsache, dass die Zeugin I. mit der Klägerin langjährig zusammenwohnt, begründet keine solchen Zweifel.
Des Weiteren ist ein wechselseitiger Wille der Klägerin und der Zeugin I., Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, nicht erwiesen. Ein solcher ist gegeben, wenn sich die Partner so füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst ihren gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden (BVerwG, Urteil vom 17.05.1005 - 5 C 16/93 = juris Rn 12). Der Senat sieht hier die Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II, wonach ein solcher Wille bei Partner, die länger als ein Jahr zusammenleben, vermutet wird, als widerlegt an. Bei dem durchgängigen Vortrag der Klägerin und der Zeugin I, dass ein solcher Wille nicht besteht, im Verwaltungsverfahren und Gerichtsverfahren handelt es sich nicht nur um eine bloßes Bestreiten, das zur Widerlegung der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II nicht ausreicht. Der Sachverhalt ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass mit der Arbeitsaufnahme der Zeugin I. und der damit verbundenen Entwicklung der unterschiedlichen finanziellen Leistungskraft der beiden Frauen eine formale Trennung der finanziellen Verhältnisse - Eröffnung eines eigenen Kontos durch die Klägerin - erfolgt ist und seitdem eine interne Abrechnung der von der Zeugin I. für die Klägerin darlehensweise vorgestreckten Beträge erfolgt. Insofern hat die Zeugin I. nachvollziehbar dargelegt, dass sie über die für die Klägerin in Jahren 2010 bis 2012 aufgebrachten Beträge Buch geführt hat und diese Beträge als Darlehen zur Überbrückung der Notlage der Klägerin bis zur Klärung ihrer Ansprüche mit dem Beklagten ansieht. Die von ihr geschilderte Buchführung hat die Zeugin I. durch die Vorlage einer Gesamtschuldenaufstellung ab 03.06.2011 belegt. Der Senat glaubt ihr, dass die Schuldenaufstellung für das Jahr 2010 infolge eines Festplattenverlustes verloren gegangen ist. Auch die dokumentierte Höhe der Schulden ist unter Berücksichtigung der von der Klägerin in den Jahren 2010/11 von dem Beklagten bezogenen Leistungen und des in Jahren 2010/2011 erzielten Erwerbseinkommens nachvollziehbar. Das Sozialgericht hat aus der Tatsache, dass die Klägerin die für die Zeugin I. bestimmten, auf ihr Konto überwiesenen Kosten für Unterkunft und Heizung für eigene Zwecke verwendet hat, geschlossen, dass diese Verhaltensweise für einen wechselseitigen Einstandswillen spricht. Diese Schlussfolgerung ist aber unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Zeugin I. seit 2009 das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft gegenüber dem Beklagten bestritten und selbst keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten mehr geltend gemacht hat, nicht überzeugend. Vielmehr wird aus dem Verhalten der Klägerin und der Zeugin I. erkennbar, dass sie der Auffassung gewesen sind, dass der Klägerin ein Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten ohne Anrechnung des Einkommens der Zeugin I. zusteht. Damit übereinstimmend haben sie die überwiesenen Beträge, die betragsmäßig geringer als der Leistungsanspruch der Klägerin als Alleinstehende gewesen sind, intern ausschließlich der Klägerin zugeordnet. Dass die Zeugin I. nach ihrer Arbeitsaufnahme, insbesondere nach Aufnahme einer Vollzeittätigkeit ab dem 01.06.2010, noch nicht aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht Ausdruck ihres Einstandswillens. Die Zeugin hat bekundet, sie habe zunächst von einem Auszug abgesehen, da sie im Hinblick auf ihre langjährige Arbeitslosigkeit Rücklagen bilden wollte, um den Umzug, insbesondere die Umzugskosten und die Kosten für die Anschaffung neuer Möbel, zu finanzieren. Zudem hat die Klägerin seit dem 19.08.2010 Erwerbseinkommen aus einer Nebentätigkeit erzielt und das Verfahren gegen den Beklagten auf Gewährung von ungekürzten Leistungen geführt. Für die Zeugin I. ist auch nicht absehbar gewesen, dass sich durch die Krebserkrankung der Klägerin im Jahr 2011, die den Fortfall des Erwerbseinkommens zur Folge gehabt hat, deren finanzielle Situation wesentlich verschlechtern würde. Die Zeugin I. beabsichtigt überdies, in absehbarer Zeit in eine Wohnung in der Nähe ihres Arbeitsortes umzuziehen. Die Zeugin hat für den Senat plausibel dargelegt, dass sie ihrer langjährigen Mitbewohnerin in einer aus ihrer Sicht vorübergehenden Situation aushelfen wollte und ihr deshalb Geld vorgestreckt hat. Der Senat wertet dies als die Gewährung eines Darlehens zur Überbrückung einer Notlage und nicht als Ausdruck betätigten Einstandswillens, weshalb die betreffenden Zuwendungen auch nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs.1 SGB II zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R und vom 06.10.2011 - B 14 AS 66/11 R). Auch hat die Klägerin in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 03.0.82011 angegeben, dass die Zeugin I. sie im Wege der Nothilfe unterstützt.
Mithin handelt es sich bei der Klägerin um eine Alleinstehende i.S.v. § 20 Abs. 2 SGB II a.F., so dass ihr für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2010 ein Anspruch auf Gewährung einer Regelleistung als Alleinstehende zusteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Regeleistung als Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2010 im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Seit 1999 wohnt die am 00.00.1966 geborene, geschiedene Klägerin mit der am 00.00.1974 geborenen Zeugin I (I.) zusammen. Seit dem 01.06.2001 nutzen sie die 69 qm große Wohnung, O-weg 00, X, bestehend aus drei Zimmern, einer Küche und Bad. Den Mietvertrag haben sie beide als Mieter unterschrieben.
Bis zum 10.11.2003 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld I und anschließend Arbeitslosenhilfe bis zum 01.02.2004 und wieder ab dem 01.08.2004. Die Zeugin I. bezog im Jahr 2004 Arbeitslosenhilfe.
Am 28.09.2004 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagter) die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. In dem Antragsformular gab sie unter Ziffer III. "persönliche Verhältnisse der mit dem Antragsteller/Antragstellerin in einem Haushalt lebenden weiteren Personen" an, dass in der Wohnung die Zeugin I. wohne. In der Zeile Verwandtschaftsverhältnis zum Antragsteller/Partner gab die Klägerin an, dass sie eine Wohngemeinschaft bildeten.
Die Zeugin I. beantragte am 28.09.2004, getrennt von der Klägerin, die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. In ihrem Antragsformular war unter Ziffer III eingetragen " S, WG-Mitglied, gemeinsames Konto, aus Kostengründen, getrennte Räume".
Der Beklagte bewilligte der Klägerin sowie der Zeugin I. ab dem 01.01.2005 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Bei der Berechnung des Bedarfs der Klägerin und der Zeugin I. legte er jeweils die Regelleistung für Alleinstehende sowie die Hälfte der Kosten für Unterkunft und Heizung bei der Berechnung der Leistungen zugrunde. Der Beklagte überwies die der Klägerin bewilligten Beträge bis zum 31.12.2009 auf das Konto der Zeugin I., über das die Klägerin Kontovollmacht hatte. Die Klägerin verfügte über kein eigenes Konto. Ab Januar 2010 richtete sie ein eigenes Konto bei der Sparkasse S ein.
Im Fragebogen zur Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft vom 18.10.2008 gab die Klägerin an, dass sie die Zeugin I. seit 1997 kenne und 1999 mit ihr zusammengezogen sei. Grund für das Zusammenziehen sei die Gründung einer Wohngemeinschaft gewesen, um die Kosten zu senken. Es erfolge ein gemeinsamer Einkauf der täglichen Bedarfsgüter für beide von beiden. Teilweise würden die Mahlzeiten für beide von beiden gemeinsam zubereitet. Es würden Haushaltsgeräte und Gegenstände gemeinsam genutzt. Beide würden für die Reinigung der Kleidung und Wäsche sorgen. Beide würden für die Reinhaltung der Wohnung sorgen. Sie würden teilweise ihre Freizeit gemeinsam gestalten, wie es sich ergäbe. Sie würden manchmal Weihnachten gemeinsam verbringen, und manchmal Geburtstage gemeinsam verbringen. Sie hätten kein gemeinsames Girokonto oder ein anderes Konto. Jeder habe Bank- oder Kontovollmacht für beide. Sie hätten sich in der Hausratsversicherung gegenseitig als Begünstigte registrieren lassen. Der Pkw werde ihr von der Zeugin I. leihweise zur Verfügung gestellt. Beide würden die Miete, die Stromrechnung, die Heizkosten und die Telefonrechnung überweisen. In einem Notfall, z.B. Krankheit, Pflege würden sie füreinander einstehen.
In dem Fortzahlungsantrag aus Juni 2009 gab die Klägerin an, dass sie mit der Zeugin I. eine Wohngemeinschaft bilde. Bei einer persönlichen Vorsprache am 29.06.2009 erklärte die Klägerin, dass sie mit der Zeugin I. in der Wohnung O-weg 00 in X im Rahmen einer Wohngemeinschaft zusammenlebe. Sie lebe mit der Zeugin I. nicht - wie von Dritten angegeben - im Rahmen einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft in einer Einstandsgemeinschaft zusammen. Am 06.07.2009 führte der Zentrale Außendienst des Beklagten eine Wohnungsbesichtigung durch. Zum 21.01.2009 nahm die Zeugin I. eine Teilzeitbeschäftigung auf. Wegen des Wegfalls der Hilfebedürftigkeit hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen an die Zeugin I. mit Wirkung zum 01.07.2009 auf. Auf Aufforderung des Beklagten übersandte die Zeugin I. Gehaltsabrechnungen für Juli und August 2009 und Kontoauszüge. In dem Schreiben vom 15.09.2009 heißt es u.a.: "Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich darauf hinweisen, dass mein Antrag mit Wirkung zum 01.07.2009 aufgehoben wurde (siehe Ihr Schreiben vom 08.06.2009) und ich auch keinen neuen Antrag gestellt habe. Ich gehe also davon aus, dass die angeforderten Unterlagen für den Antrag von Frau S benötigt werden." Sie übersandte Gehaltsabrechnungen für die Monate September bis Dezember 2009.
Für die Zeit vom 01.07.2009 bis 31.12.2009 bewilligte der Beklagte einer Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und der Zeugin I., Kosten für Unterkunft und Heizung. Bei der Berechnung des Gesamtbedarfs legte der Beklagte eine Regelleistung für einen Partner zugrunde und rechnete das Erwerbseinkommen der Zeugin I. auf den Gesamtbedarf an. Die Bewilligungsbescheide waren an die Klägerin adressiert und sind bestandskräftig.
Im Fortzahlungsantrag der Klägerin für die Zeit ab 01.01.2010 ist unter dem Punkt 1. "Angaben zu den Personen der Bedarfsgemeinschaft" der Name "I,." eingetragen. Durch Bescheid vom 04.01.2010, adressiert an die Klägerin, bewilligte der Beklagte der Klägerin und der Zeugin I. als Bedarfsgemeinschaft Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 454,78 EUR mtl. für die Zeit vom 01.01 bis 30.06.2010. Der Beklagte ging von einem Gesamtbedarf von 1.116,99 EUR aus (323,00 EUR Regelleistung Klägerin + 323,00 EUR Regelleistung Zeugin I. + 470,99 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) und rechnete hierauf Einkommen der Zeugin I. in Höhe von 662,21 EUR an. Im Januar 2010 floss der Zeugin I. Nettoeinkommen zu von 1.658,60 EUR, im Februar 2010 von 1.146,29 EUR, im März 2001 von 1.151,48 EUR, im April 2010 von 1.421,50 EUR, im Mai 2010 von 1.104,22 EUR, und im Juni 2010 von 1.112,45 EUR. Seit dem 01.07.2010 übt die Zeugin I. eine Vollzeitbeschäftigung aus.
Am 09.03.2010 legte die Klägerin gegen den Bescheid über die Feststellung einer Bedarfsgemeinschaft Widerspruch ein. Sie führte aus, der Beklagte unterstelle eine Bedarfsgemeinschaft und rechne das Einkommen ihrer Mitbewohnerin an. Ihre Mitbewohnerin sei aber finanziell nicht in der Lage und auch nicht willens, sie in der vom Beklagten unterstellten Weise zu unterstützen und ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Aufgrund dessen sei ihre Mitbewohnerin auch nicht weiter willens, ihre Einkommens- bzw. Gehaltsabrechnungen einzureichen. In der Vergangenheit habe diese ihre Gehaltsabrechnungen nur deshalb eingereicht, weil sie schon eine Leistungssperre von einem Monat gehabt habe. Sie habe nicht mehr ohne existenzsichernde staatliche Leistungen länger ein menschenwürdiges Leben führen können, da sie auch auf keinerlei finanzielle Unterstützung anderer Quellen zurückgreifen könne. Ihr ständiger Hinweis, dass es sich um eine reine Zweck-/Wohngemeinschaft handele, das Bestehen einer reinen Wohngemeinschaft, der fehlende gegenseitige Einstandswille, die fehlende Verfügungsmacht über das Einkommen und Vermögen des anderen, das fehlende Wirtschaften aus einem Topf, der getrennte Einkauf bzw. die Abrechnung des Einkaufs untereinander, die Aufteilung der Wohnung, die Feststellungen des Außendienstes des Beklagten sprächen gegen das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft. In einem Schreiben vom 07.03.2010 wandte sich die Zeugin I. auch gegen die Annahme des Beklagten, dass es sich bei der Wohngemeinschaft mit der Klägerin um eine Bedarfsgemeinschaft handele. Durch Bescheid vom 31.03.2010 verwarf der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 04.01.2010 als unzulässig.
Der Beklagte fasste den verfristeten Widerspruch der Klägerin als Antrag nach § 44 SGB X auf, den er durch Bescheid vom 08.04.2010 ablehnte. Durch ihre Ausführungen vom 07.03.2010 habe die Klägerin die durch § 7 Abs. 3a Nr. 1 und 4 SGB II ausgelöste Vermutung nicht glaubhaft entkräften können.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2010 zurückwies.
Am 06.07.2010 beantragte die Klägerin im Verfahren S 4 AS 1425/10 ER vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen den Erlass einer Regelungsanordnung auf Gewährung von ungekürzten Leistungen. Sie trug vor, sie könne über das Einkommen der Zeugin I. nicht verfügen. Es existierten zwei getrennte Konten. Es würde getrennt gehaushaltet. Die Einkäufe würden getrennt erledigt. Die Zeugin I. unterstütze sie finanziell nicht. Die Tagesabläufe seien sehr unterschiedlich. Wenn die Zeugin I. morgens gegen 6:30 Uhr zur Arbeit gehe, schlafe sie noch. Sie wisse auch nicht, wann ihre Mitbewohnerin an den einzelnen Tagen zuhause sein werde. Es bestehe kein gemeinsamer Tagesablauf. Die Zeugin I. sei nicht verpflichtet, sie zu unterhalten. Dies tue sie tatsächlich auch nicht.
Der Beklagte trug vor, dass für eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft ein gemeinsamer Umzug, die teilweise gemeinsame Zubereitung von Mahlzeiten, die teilweise gemeinsame Teilnahme an Familienfesten, das Bestehen einer gemeinsamen Hausratversicherung, die gemeinsame Nutzung eines Kraftfahrzeuges, die fehlende Trennung der Intimsphäre, die gemeinsame Aufbewahrung der Garderobe in einem Kleiderschrank im Schlafzimmer, die gemeinsame Antragstellung am 12.02.2009 für eine Beihilfe für eine Wohnungsrenovierung, das Bestehen einer Kontovollmacht der Klägerin bezüglich des Kontos der Zeugin I. sowie die Zahlungen für Strom über das Konto der Zeugin I. ohne Dokumentation eines Ausgleichs im Innenverhältnis sprächen. Im Erörterungstermin vom 29.07.2010 vernahm das Sozialgericht die Zeugin I. Es lehnte durch rechtskräftigen Beschluss vom 29.07.2010 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab.
Am 21.07.2010 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie hat vorgetragen, dass sie mit der Zeugin I. zwar länger als ein Jahr in der selben Wohnung wohne. Sie bildeten jedoch keine gleichgeschlechtliche Partnerschaft, sondern lediglich eine Wohngemeinschaft. Der Ermittlungsdienst des Beklagten habe festgehalten, dass grundsätzlich eine Trennung der Schlafräume, der Hygieneartikel etc. vorliege. Sie und die Zeugin I. führten zwei getrennte Konten. Sie könne nicht über das Erwerbseinkommen der Zeugin I. verfügen. Es werde getrennt gehaushaltet. Die Einkäufe würden getrennt erledigt. Die Zeugin I. unterstütze sie finanziell nicht. Sie habe keinerlei Ansprüche auf Unterhalt gegen ihre Mitbewohnerin. Dies führe praktisch dazu, dass sie zurzeit ohne jede Einnahme sei. Auch der Fragebogen zur Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft, den sie im Oktober 2009 ausgefüllt habe, ändere die Beurteilung nicht. Zwei Menschen, die sich kennen und möglicherweise sogar fremd seien, würden und sollten im Notfall stets füreinander da sein. Wie weit diese Fürsorge dann letztlich gehe, hänge wiederum von der Tiefe der Beziehung zueinander ab. Danach werde jedoch im Fragebogen nicht differenziert. Die Frage sei ungeeignet, um auf die Voraussetzungen für eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft zu schließen.
Der Beklagte hat vorgetragen, dass eine Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und der Zeugin I. bestehe. Aus dem Erwerbseinkommen der Zeugin I. ergäbe sich ein bereinigtes anzurechnendes Einkommen von 1.378,60 EUR für Januar 2010, von 866,29 EUR für Februar 2010, von 871,48 EUR für März 2010, von 1.141,50 EUR für April 2010, von 824,22 EUR für Mai 2010 und von 832,45 EUR für Juni 2010.
Durch Urteil vom 30.06.2011 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 15.07.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.08.2011 Berufung eingelegt.
Sie verfolgt ihr Begehren weiter.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.06.2011 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2010 und Änderung des Bescheides vom 04.01.2010 zu verurteilen, ihr eine Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 364,00 EUR mtl. für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2010 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die Zeugin I. vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.06.2012 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Gelsenkirchen S 4 AS 1425/10 ER Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 08.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2010, mit dem der Beklagte die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 04.01.2010 betreffend der Höhe des Individualanspruchs der Klägerin auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2010 nach § 44 SGB X abgelehnt hat. Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung eine vergleichsweise Regelung getroffen und die Klägerin ihr Begehren auf die Gewährung einer Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 364,00 EUR mtl. im streitbefangenen Zeitraum beschränkt. Die Beschränkung des Berufungsbegehrens auf Leistungen nach §§ 20, 21, 23 Abs. 1 SGB II sowie die betragsmäßige Begrenzung des Klagebegehrens ist zulässig.
Richtiger Beklagter ist die Stadt X, die nach § 6d SGB II als Jobcenter zu bezeichnen ist. Sie ist Rechtsträgerin der Leistungen nach dem SGB II gemäß § 6b Abs. 1 SGB II. Die Stadt X ist kreisangehörige Stadt des Kreises S. Dieser gehört zu den Kreisen und kreisfreien Städte, die ab dem 01.01.2012 als kommunaler Träger i.S.v. § 6a Abs. 2 SGB II zugelassen sind (Anlage zu § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 14.04.2011, BGBl. I, 645, in Kraft ab dem 01.01.2012 nach Artikel 2 der Verordnung) und ist damit nach § 6b Abs. 1 Nr. 2 SGB II alleiniger Träger der Leistungen nach dem SGB II in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich. Als Funktionsnachfolger nach § 76 Abs. 3 SGB II hat der Kreis S die Aufgaben des Jobcenters W Arbeit Kreis S als gemeinsame Einrichtung i.S.v. § 44b Abs.1 SGB II zum 01.01.2012 übernommen und ist damit Rechtsträger der Aufgaben nach § 6 Abs. 1 SGB II. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.V.m. § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB II NRW) i. d. F. ab dem 01.01.2011 und § 5 Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO NRW i.d.F. vom 14.07.1994, GVBl. NRW 646) hat der Kreis S durch § 2 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Kreis S vom 27.10.2011 (Heranziehungssatzung SGB II) die Durchführung der ihm als Träger der Grundsicherung für Arbeit obliegenden Aufgaben, vorbehaltlich abweichender Regelungen in §§ 2 Abs. 3, 3 der Heranziehungssatzung SGB II im eigenen Namen übertragen. Mithin wird die Stadt X bei der Durchführung der Aufgaben nach § 2 Abs. 1 der Heranziehungssatzung SGB II eigenverantwortlich für den Kreis S im eigenen Namen tätig (vgl. hierzu: BSG Urteil vom 09.06.2011 - B 8 SO 11/10 R = juris 12 m.w.N. zur Abgrenzung zwischen der Heranziehung einer kreisangehörigen Gemeinde zur Durchführung einer dem Kreis obliegenden Aufgabe im Rahmen eines auftragsähnlichen Verhältnisses zum Handeln in eigenem Namen und einer bloßen Heranziehung durch Satzung). Dem steht § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 der Heranziehungssatzung SGB II nicht entgegen, wonach der Kreis S die Prozessvertretung in Klageverfahren und für Anträge im einstweiligen Rechtschutzverfahren vor den Sozialgerichten übernimmt. Diese Regelung betrifft ausschließlich die Vertretung im gerichtlichen Verfahren, nicht dagegen die Rückgängigmachung der durch die Satzung übertragenen Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende (vgl. BSG Urteil vom 19.05.2006 - B 8 SO 4/08 R = juris Rn 9 m.w.N.). Der Streitgegenstand des Verfahrens - Gewährung von ungekürzten Leistungen nach § 20 SGB II - gehört zu den in § 2 Abs. 1 der Heranziehungssatzung SGB II übertragenen Aufgaben. Bei einer Funktionsnachfolge - wie im vorliegenden Fall - ist ein Beklagtenwechsel zulässig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10.Aufl., § 99 Rn 6a m.w.N.).
Die Klägerin ist beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der angefochtene Bescheid vom 08.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2010 ist insoweit rechtswidrig, als der Beklagte die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 04.01.2010 betreffend die Höhe des Individualanspruchs der Klägerin nach § 44 SGB X abgelehnt hat.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Der Bewilligungsbescheid vom 04.01.2010 ist insofern rechtswidrig, als in ihm der Beklagte konkludent die Gewährung einer Regelleistung als Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010 (a. F.) ohne Anrechnung von Einkommen der Zeugin I. für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2010 abgelehnt hat. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten im streitbefangenen Zeitraum aber ungekürzte Regelleistung zu.
Die Klägerin hat die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II insofern dem Grunde nach erfüllt, als sie in diesem Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. Satz 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie ist erwerbsfähig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II gewesen ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nicht in der Lage gewesen ist, eine Erwerbstätigkeit mit einer Dauer von mindestens 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu verrichten.
Des Weiteren ist die Klägerin hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II gewesen. Die Klägerin hat im streitbefangenen Zeitraum weder über ein eigenes Einkommen noch über ein anrechenbares Vermögen verfügt. Der Hilfebedarf der Klägerin ist auch nicht durch das Erwerbseinkommen der Zeugin I. nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB II (teilweise) gedeckt gewesen. Danach ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zwischen der Klägerin und der Zeugin I. hat im streitbefangenen Zeitraum zur Überzeugung des Senats keine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II i. d. F. bis zum 31.12.2010 (a.F.) bestanden.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II a. F. (i.d.F des Gesetzes vom 20.07.2006, BGBl. I, 1706) gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitigen Willen anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II i.d.F. ab dem 01.08.2006 knüpft an die von der Rechtsprechung anerkannten Einstandspflichten von Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft im Bereich der Sozialhilfe und des Arbeitsförderungsrechts an und erweitert den Anwendungsbereich auf nicht eingetragene gleichgeschlechtliche ("partnerschaftsähnliche") Partnerschaften (vgl. BT-Drs. 16/1410 S. 19f; vgl. auch BSG Urteil vom 27.02.2008 - B 14 AS 23/07 R). Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft besteht, wenn die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftgemeinschaft hinausgehen (BVerfG Urteil vom 17.12.1992 - 1 BvL 8/87 = BVerfGE 87, 234; BVerfG Beschluss vom 02.09.2004 - 1 BvR 1962/04 = info also 2004, 260; BSG Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R = BSGE 90, 90; BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 52/06 R = juris 17; BVerwG Urteil vom 17.05.1995 - 5 C 16/93 = BVerwGE 98, 195; BVerwG Beschluss vom 24.06.1999 - 5 B 114/98). Eine Entscheidung hierüber ist nur anhand bestimmter "Hilfstatsachen" möglich, wobei als Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung insbesondere deren Dauerhaftigkeit und Kontinuität und eine bestehende Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft heranzuziehen sind. Als Hinweistatsachen kommen die Dauer und Intensität der Bekanntschaft der Partner vor der Wohngemeinschaft, der Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation während des streitgegenständlichen Zeitraums und die - nach außen erkennbare - Intensität der gelebten Gemeinschaft in Betracht. Demnach setzt die Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II voraus, dass eine auf Dauer angelegte eheähnliche oder nicht eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft besteht, die Partner einen wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen haben und in einem gemeinsamen Haushalt i.S. einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammenleben (vgl. LSG Sachsen Urteil vom 07.01.2011 - L 7 AS 115/06 = juris Rn 31).
Unter Würdigung der Gesamtumstände nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat im streitbefangenen Zeitraum zwischen der Klägerin und der Zeugin I. keine partnerschaftsähnliche Beziehung i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II bestanden.
Zweifelhaft ist schon, ob zwischen der Klägerin und der Zeugin I. im streitbefangenen Zeitraum eine Haushaltsgemeinschaft in Form einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestanden hat. Neben einer Wohngemeinschaft muss bei einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II der Haushalt im Sinne einer Wirtschaftsgemeinschaft gemeinsam geführt werden, es muss "aus einem Topf" gewirtschaftet werden. Die Anforderungen an ein gemeinsame Wirtschaften gehen über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet danach noch keine Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. BSG Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 6/08 R = juris Rn 15).
Vorliegend gibt es zwar Anhaltspunkte, die für das Bestehen einer partiellen Wirtschaftsgemeinschaft sprechen. Anzuführen ist die gemeinsame Hausratversicherung und die Tatsache, dass die Klägerin anfangs, solange sie kein eigenes Konto hatte, über eine Kontovollmacht für das Konto der Zeugin I. verfügte. Bereits Ende 2009 hat die Klägerin jedoch ein eigenes Konto eingerichtet. Gegen ein "gemeinsames Wirtschaften aus einem Topf" sprechen aber die konkreten Umstände der Aufteilung der Wohnung und der Wohnungskosten. Die Zeugin I. hat glaubhaft bekundet, dass die Klägerin und die Zeugin I. in der Wohnung immer getrennte Lebensbereiche gehabt haben. Jede der beiden Frauen nutzt ein eigenes Zimmer. Das Bad, die Küche nutzen sie gemeinsam. Das dritte Zimmer diente zunächst beiden Frauen zur Haltung von Katzen, wobei die Katzen jeweils einer der Frauen als Halterin zugeordnet gewesen sind. Nach dem Tod der Katzen der Klägerin wird das dritte Zimmer nur noch von der Zeugin I. zur Katzenhaltung genutzt. Soweit das Sozialgericht unter Berücksichtigung der Feststellungen des Ermittlungsdienstes aus Juli 2009 und dem im Februar 2009 beim Beklagten eingereichten Wohnungsgrundriss von einer Widersprüchlichkeit des Vortrags der Klägerin hinsichtlich der Aufteilung der Zimmer ausgeht, ist dieser Widerspruch durch die Vernehmung der Zeugin I. vor dem Senat ausgeräumt worden. Die Zeugin I. hat nachvollziehbar erläutert, dass sie mit ihrer Mitbewohnerin im Hinblick auf ihren Schichtdienst und die Lärmbelastung tagsüber im Jahr 2009 die Zimmer getauscht habe. Die Tatsache, dass im Kleiderschrank, der im Zimmer der Zeugin I. steht, saisonal nicht genutzte Kleidung der Klägerin aufbewahrt wird, bedeutet auch unter Berücksichtigung der Feststellungen des Zentralen Außendienstes des Beklagten im Juli 2009 nicht, dass es generell keine getrennten Lebensbereiche gegeben hätte. Entsprechend der Aufteilung der Wohnung haben die Klägerin und die Zeugin I. die Kosten der Wohnung je zur Hälfte getragen. Nachdem eine Nutzung des dritten Zimmers durch die Klägerin entfallen ist, ist der Mietanteil der Klägerin nach den Bekundungen der Zeugin I. auf einen Warmmietanteil von 220,00 EUR reduziert worden. Diese Bekundung der Zeugin I. wird bestätigt durch den in der Gesamtschuldenaufstellung über die Schulden der Klägerin bei der Zeugin I. ausgewiesenen Mietanteil von 220,00 EUR im Jahr 2011 sowie der Angabe der Klägerin in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 03.08.2011 über eine Mietzahlung von 212,46 EUR. Des Weiteren ist durch die Vorlage der Kontoauszüge belegt, dass die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum ihren hälftigen Mietanteil an die Zeugin I., von deren Konto die volle Miete abgebucht wurde, gezahlt hat. Mithin sind eine Trennung der Lebenshaltungskosten im streitbefangenen Zeitraum und eine Anpassung des zu tragenden Mietanteils an geänderte Nutzungsverhältnisse in der Wohnung festzustellen. Eine abschließende Entscheidung, ob zwischen der Klägerin und der Zeugin I. eine Wirtschaftsgemeinschaft in Form des Wirtschaftens aus einem gemeinsamen Topf im streitbefangenen Zeitraum bestanden hat, kann dahinstehen.
Jedenfalls handelt es sich bei der Klägerin und der Zeugin nicht um Partner i.S.v. § 7 Abs. 3 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Zwischen ihnen hat keine auf Dauer angelegte, auf eine Ausschließlichkeit abzielende, d. h. eine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art nicht zulassende Beziehung bestanden (vgl. zum Erfordernis der "Ausschließlichkeit der Beziehung" in § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II: BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R = juris Rn 30; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl., § 7 Rn 45; Thie/Schoch in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 7 Rn 67f; vgl. zum Begriff des Partners auch: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 09.05.2012 - L 13 AS 105/11 -; LSG Sachsen Urteil vom 07.01.2011 - L 7 AS 115/06). Vielmehr handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine freundschaftlich geprägte Zweckgemeinschaft. Der Senat stützt sich auf die glaubhaften Bekundungen der Zeugin I. Diese hat das Bestehen einer zwischen ihr und der Klägerin auf Ausschließlichkeit abzielenden Beziehung verneint. Hierbei handelt es sich nach Überzeugung des Senats nicht um eine Schutzbehauptung. Die Zeugin I. hat erklärt, dass sie während des Zusammenwohnens mit der Klägerin gleichgeschlechtliche partnerschaftliche Beziehungen zu anderen Personen gehabt hat, insbesondere eine etwa einjährige Beziehung in den Jahren 2007 oder 2008. Dies spricht gegen eine auf Ausschließlichkeit angelegte Beziehung. Die Zeugin hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass sie mit der Klägerin im Jahr 1999 aus finanziellen Erwägungen eine gemeinsame Wohnung angemietet habe. Wegen des Auslaufens des BAföG sei sie selbst nicht in der Lage gewesen, ihre bisherige Wohnung zu halten. Wegen der Größe und des Zuschnitts der beiden Wohnungen, die eine Aufteilung in getrennte Lebensbereiche nicht zugelassen hätten, hätten sie sich entschlossen, eine gemeinsame Wohnung anzumieten, die ihren Bedürfnissen, einschließlich der Haltung von Katzen in einem separaten Zimmer, entsprochen habe. Für den gemeinsamen Umzug in eine andere Wohnung im Jahr 2001 sind nach den Bekundungen der Zeugin ebenfalls finanziellen Erwägungen sowie die Tatsache, dass die Wohnung O-weg 00, X, eine Haltung von Katzen, einem gemeinsamen Hobby der Klägerin und der Zeugin I., in einem separaten Zimmer ermöglichte, maßgebend gewesen. Der von der Zeugin I. geschilderte Grund für das Zusammenziehen und die Motivation für das Zusammenwohnen - die Möglichkeit der Finanzierung einer größeren Wohnung infolge Aufteilung anfallender Kosten, verbunden mit der Möglichkeit einer Katzenhaltung von bis zu fünf Tieren sowie die schlechte finanziellen Situation beider Frauen - ist für den Senat im Hinblick darauf, dass die finanziellen Verhältnisse beider Frauen aufgrund ihrer langjährigen Arbeitslosigkeit eingeschränkt gewesen sind, nachvollziehbar.
Die Aussage der Zeugin I. über den Charakter der Beziehung steht auch nicht in Widerspruch zu dem übrigen Akteninhalt. Die Angaben der Klägerin im Fragenbogen zur Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft vom 18.10.2008 über die Dauer der Bekanntschaft mit der Zeugin I. vor dem gemeinsamen Einzug in eine Wohnung - seit 1997 - und den Grund des Einzugs in eine gemeinsame Wohnung - Bildung einer Wohngemeinschaft zwecks Kostensenkung - stimmen mit den Angaben der Zeugin I. vor dem Senat überein. Auch haben die Klägerin und die Zeugin I. sich gegenüber dem Beklagten zu keinem Zeitpunkt als Partner bezeichnet. Sie haben nicht gemeinsam Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beim Beklagten beantragt, sondern die Antragstellung erfolgte jeweils getrennt voneinander. Beim Erstantrag im Jahr 2004 haben sie übereinstimmend angegeben, dass sie jeweils mit einer anderen Person in Form einer Wohngemeinschaft zusammenwohnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der damaligen Gesetzeslage, d.h. bis zum 01.08.2006 eine nicht eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft keine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.v., § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II begründet hat, so dass Angaben zum Charakter des Zusammenwohnens für die Begründung eines Leistungsanspruchs nicht erforderlich gewesen sind. Auch die Tatsache, dass die Klägerin und die Zeugin I. unter dem 12.02.2009 gemeinsam eine Beihilfe bzw. Darlehen zur Wohnungsrenovierung beim Beklagten beantragt haben, belegt keine Partnerschaft. Denn auch für Mitglieder einer Wohngemeinschaft, die sämtlich Leistungen nach dem SGB II beziehen, ist es schon im Hinblick auf die gemeinsame Nutzung von Räumen, wie etwa Küche und Bad, sachgerecht, Mittel zur Wohnungsrenovierung, die auch gemeinsam genutzte Räume, wie etwa Küche, Bad, umfasst, beim Beklagten gemeinsam zu beantragen. Auch den schriftlichen Stellungnahmen der Zeugin I. gegenüber dem Beklagten im Herbst 2009 kann nicht das Bestehen einer Partnerschaft zwischen der Zeugin und der Klägerin entnommen werden, vielmehr betont die Zeugin in diesen Schreiben gerade die getrennte Lebensführung. Der Senat hat - auch unter Berücksichtigung eines wirtschaftlichen Interesses der Zeugin I. am Ausgang des Verfahrens, dass sie nämlich im Falle des Obsiegens der Klägerin das dieser vorgestreckte Geld zurückbekommt - keinen Anlass gefunden, an einer Glaubwürdigkeit der Zeugin zu zweifeln. Allein die Tatsache, dass die Zeugin I. mit der Klägerin langjährig zusammenwohnt, begründet keine solchen Zweifel.
Des Weiteren ist ein wechselseitiger Wille der Klägerin und der Zeugin I., Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, nicht erwiesen. Ein solcher ist gegeben, wenn sich die Partner so füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst ihren gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden (BVerwG, Urteil vom 17.05.1005 - 5 C 16/93 = juris Rn 12). Der Senat sieht hier die Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II, wonach ein solcher Wille bei Partner, die länger als ein Jahr zusammenleben, vermutet wird, als widerlegt an. Bei dem durchgängigen Vortrag der Klägerin und der Zeugin I, dass ein solcher Wille nicht besteht, im Verwaltungsverfahren und Gerichtsverfahren handelt es sich nicht nur um eine bloßes Bestreiten, das zur Widerlegung der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II nicht ausreicht. Der Sachverhalt ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass mit der Arbeitsaufnahme der Zeugin I. und der damit verbundenen Entwicklung der unterschiedlichen finanziellen Leistungskraft der beiden Frauen eine formale Trennung der finanziellen Verhältnisse - Eröffnung eines eigenen Kontos durch die Klägerin - erfolgt ist und seitdem eine interne Abrechnung der von der Zeugin I. für die Klägerin darlehensweise vorgestreckten Beträge erfolgt. Insofern hat die Zeugin I. nachvollziehbar dargelegt, dass sie über die für die Klägerin in Jahren 2010 bis 2012 aufgebrachten Beträge Buch geführt hat und diese Beträge als Darlehen zur Überbrückung der Notlage der Klägerin bis zur Klärung ihrer Ansprüche mit dem Beklagten ansieht. Die von ihr geschilderte Buchführung hat die Zeugin I. durch die Vorlage einer Gesamtschuldenaufstellung ab 03.06.2011 belegt. Der Senat glaubt ihr, dass die Schuldenaufstellung für das Jahr 2010 infolge eines Festplattenverlustes verloren gegangen ist. Auch die dokumentierte Höhe der Schulden ist unter Berücksichtigung der von der Klägerin in den Jahren 2010/11 von dem Beklagten bezogenen Leistungen und des in Jahren 2010/2011 erzielten Erwerbseinkommens nachvollziehbar. Das Sozialgericht hat aus der Tatsache, dass die Klägerin die für die Zeugin I. bestimmten, auf ihr Konto überwiesenen Kosten für Unterkunft und Heizung für eigene Zwecke verwendet hat, geschlossen, dass diese Verhaltensweise für einen wechselseitigen Einstandswillen spricht. Diese Schlussfolgerung ist aber unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Zeugin I. seit 2009 das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft gegenüber dem Beklagten bestritten und selbst keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten mehr geltend gemacht hat, nicht überzeugend. Vielmehr wird aus dem Verhalten der Klägerin und der Zeugin I. erkennbar, dass sie der Auffassung gewesen sind, dass der Klägerin ein Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten ohne Anrechnung des Einkommens der Zeugin I. zusteht. Damit übereinstimmend haben sie die überwiesenen Beträge, die betragsmäßig geringer als der Leistungsanspruch der Klägerin als Alleinstehende gewesen sind, intern ausschließlich der Klägerin zugeordnet. Dass die Zeugin I. nach ihrer Arbeitsaufnahme, insbesondere nach Aufnahme einer Vollzeittätigkeit ab dem 01.06.2010, noch nicht aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht Ausdruck ihres Einstandswillens. Die Zeugin hat bekundet, sie habe zunächst von einem Auszug abgesehen, da sie im Hinblick auf ihre langjährige Arbeitslosigkeit Rücklagen bilden wollte, um den Umzug, insbesondere die Umzugskosten und die Kosten für die Anschaffung neuer Möbel, zu finanzieren. Zudem hat die Klägerin seit dem 19.08.2010 Erwerbseinkommen aus einer Nebentätigkeit erzielt und das Verfahren gegen den Beklagten auf Gewährung von ungekürzten Leistungen geführt. Für die Zeugin I. ist auch nicht absehbar gewesen, dass sich durch die Krebserkrankung der Klägerin im Jahr 2011, die den Fortfall des Erwerbseinkommens zur Folge gehabt hat, deren finanzielle Situation wesentlich verschlechtern würde. Die Zeugin I. beabsichtigt überdies, in absehbarer Zeit in eine Wohnung in der Nähe ihres Arbeitsortes umzuziehen. Die Zeugin hat für den Senat plausibel dargelegt, dass sie ihrer langjährigen Mitbewohnerin in einer aus ihrer Sicht vorübergehenden Situation aushelfen wollte und ihr deshalb Geld vorgestreckt hat. Der Senat wertet dies als die Gewährung eines Darlehens zur Überbrückung einer Notlage und nicht als Ausdruck betätigten Einstandswillens, weshalb die betreffenden Zuwendungen auch nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs.1 SGB II zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R und vom 06.10.2011 - B 14 AS 66/11 R). Auch hat die Klägerin in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 03.0.82011 angegeben, dass die Zeugin I. sie im Wege der Nothilfe unterstützt.
Mithin handelt es sich bei der Klägerin um eine Alleinstehende i.S.v. § 20 Abs. 2 SGB II a.F., so dass ihr für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.06.2010 ein Anspruch auf Gewährung einer Regelleistung als Alleinstehende zusteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
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