Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 1489/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 261/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 29 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die am 1969 geborene Klägerin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern als Bedarfsgemeinschaft ab Januar 2005 zeitweise Leistungen nach dem SGB II bezogen. Auf den Weiterzahlungsantrag der Bedarfsgemeinschaft vom 14. November 2006 hatte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2006 bis Mai 2007 bewilligt.
Die Klägerin schloss am 15. November 2006 einen Arbeitsvertrag mit der I. •I. P. OHG als Produktionsarbeiterin. Das Arbeitsverhältnis war vom 16. November bis 22. Dezember 2006 befristet. Die regelmäßige durchschnittliche Wochenarbeitszeit betrug 35 Stunden bei einem Stundenlohn von 5,60 EUR brutto. Im Dezember 2006 wurde der Klägerin ein Nettolohn von 339,14 EUR und im Januar 2007 von 647,45 EUR, jeweils für den Vormonat, ausbezahlt.
Am 16. November 2006 sprach die Klägerin bei dem Beklagten vor und teilte die Aufnahme der befristeten Tätigkeit am selben Tag mit. Ferner beantragte sie die Bewilligung von Einstiegsgeld. Der Gesprächsvermerk des Sachbearbeiters wurde um 17:02 Uhr gefertigt. Mit Bescheid vom 20. November 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf Einstiegsgeld ab, da die Dauer der Beschäftigung nicht mindestens sechs Monate umfasse. Ausweislich eines Informationsblatts des Beklagten seien Voraussetzung für die Bewilligung von Einstiegsgeld u.a. Arbeitslosigkeit, die Aufnahme einer hauptberuflichen Erwerbstätigkeit mit einer Mindestarbeitszeit von 15 Stunden/Woche und von mindestens sechs Monaten Dauer sowie eine schriftliche Antragstellung spätestens im Folgemonat nach Aufnahme der Beschäftigung.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, seit sie die Arbeit aufgenommen habe, werde sie bestraft. Das erste vollständige Gehalt erhalte sie erst im Januar 2007 und sie habe große finanzielle Schwierigkeiten.
Am 22. Dezember 2006 schloss die Klägerin mit der I. für die Zeit ab 23. Dezember 2006 einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu unveränderten Vertragsbedingungen. Diesen legte sie dem Beklagten am 11. Januar 2007 vor. Die Bedarfsgemeinschaft verzichtete am 27. März 2007 ab Februar 2007 auf weitere Leistungen nach dem SGB II. Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid, Aufhebungsbescheid sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 17. Juli 2007 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für Dezember 2006 bis Januar 2007 unter Anrechnung des Einkommens der Klägerin ab, hob die Leistungsbewilligung ab Februar 2007 wegen der Abmeldung aus dem Leistungsbezug auf und forderte die für Dezember 2006 bis Januar 2007 zuviel bewilligten Leistungen zurück.
Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2007 - nach Erhebung einer Untätigkeitsklage der Klägerin am 31. Juli 2007 - den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Einstiegsgelds lägen nicht vor. Zwar gehöre die Klägerin grundsätzlich zum förderfähigen Personenkreis, jedoch müsse die aufgenommene Beschäftigung mindestens sechs Monate umfassen. Das befristete Arbeitsverhältnis erfülle diese Voraussetzung nicht. Unerheblich sei, dass mit demselben Arbeitgeber ab 23. Dezember 2006 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. Denn das Einstiegsgeld sei ausschließlich für das befristete Beschäftigungsverhältnis beantragt worden. Einen Antrag auf Einstiegsgeld für das neue Beschäftigungsverhältnis habe die Klägerin nicht gestellt. Eine unterlassene Beratungspflicht liege nicht vor, da bei Antragstellung eine umfassende Beratung und Aushändigung eines Merkblatts erfolge. Die Klägerin sei auch durch den ablehnenden Bescheid über die tragenden Gründe hinreichend informiert worden.
Daraufhin hat die Klägerin am 24. August 2007 die Untätigkeitsklage auf eine Bescheidungsklage umgestellt. Sie hat geltend gemacht, den Antrag für das ab 16. November 2006 begründete und weiterhin andauernde Beschäftigungsverhältnis gestellt zu haben. Außerdem sei eine Mindestbeschäftigungsdauer von sechs Monaten nicht im Gesetz vorgeschrieben. Zudem hätte der Beklagte auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids abstellen müssen; oder der Widerspruch wäre als neuer Antrag auszulegen gewesen. Ferner hat die Klägerin angegeben, bei der Vorlage des am gleichen Tag geschlossenen unbefristeten Arbeitsvertrags beim Beklagten habe man ihr gesagt, dass sie keinen neuen Antrag auf Einstiegsgeld stellen müsse. Der erklärte Verzicht der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach dem SGB II habe sich nicht auf das Einstiegsgeld bezogen.
Der Beklagte hat die Berechnung des Einstiegsgelds dargelegt und geltend gemacht, eine Vorsprache am 22. Dezember 2006 sei nicht erfolgt. Er hat ferner auf die fehlende Erforderlichkeit eines Einstiegsgelds bei Vertragsschluss vor Antragstellung verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Mai 2010 abgewiesen. Die Bewilligung von Einstiegsgeld sei nicht zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen. Denn die Beschäftigungsaufnahme wäre auch ohne diese Leistung erfolgt. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Erwerbstätigkeit ohne das Einstiegsgeld voraussichtlich nicht aufgenommen hätte. Sie habe den Antrag erst nach Abschluss des Arbeitsvertrags gestellt. Ein Anreiz zur Beschäftigungsaufnahme könne denknotwendig nur vor Abschluss des Arbeitsvertrags und vor Arbeitsaufnahme erfolgen. Sei der Hilfebedürftige bereits zur Arbeitsaufnahme entschlossen, könne er nicht mehr gesondert motiviert werden. Nicht notwendig sei, dass vor Abschluss des Arbeitsvertrags eine Entscheidung des Beklagten vorliege; der Antrag müsse jedoch rechtzeitig gestellt worden sein. Der Abschluss des unbefristeten Arbeitsvertrags nach dem Ablehnungsbescheid bestätige den Entschluss der Klägerin zur Arbeitsaufnahme unabhängig vom Einstiegsgeld. Da diese tarifvertraglich entlohnt werde und eine ortsübliche Entlohnung erhalte, sei ein zusätzlicher Anreiz zur Beschäftigungsaufnahme ebenfalls nicht gegeben. Zwar könne der Eindruck entstehen, das Einstiegsgeld werde für weniger motivierte Hilfeempfänger gewährt, während die sich selbst um Arbeit Bemühenden keines Anreizes mehr bedürften. Es müssten jedoch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit ausgeschöpft werden. Die enge Bestimmtheit der Erforderlichkeit sei schon aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Unerheblich sei, inwieweit ein einheitliches Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis vorliege. Da bereits der Tatbestand des § 29 SGB II nicht erfüllt sei, habe der Beklagte keine Ermessensentscheidung mehr treffen müssen. Hinsichtlich der Kosten hatte das Sozialgericht den Beklagten zur Übernahme von 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin wegen der begründeten Untätigkeitsklage verurteilt.
Gegen das ihr am 2. Juni 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Juni 2010 Berufung eingelegt. Ziel des Eingliederungsgelds sei es nicht nur, Anreize für antriebslose Leistungsbezieher zu schaffen. Es solle vielmehr auch Eigeninitiative prämiert werden; nach der Lesart des Sozialgerichts und des Beklagten würde jedoch eine solche bestraft. Es sei auch nicht auf eine subjektive Motivation zur Arbeitsaufnahme abzustellen, sondern darauf, ob andere, günstigere Mittel der Arbeitsmarktpolitik zur Arbeitsmarktintegration vorhanden seien. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. November 2006 (B 11b AS 3/05 R) sei ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen Arbeitsaufnahme und Antragstellung ausreichend, der hier vorliege. Ziel des Einstiegsgelds sei auch die Unterstützung der Beibehaltung der aufgenommenen Tätigkeit. Widersprüchlich sei die Auffassung des Sozialgerichts, dass zwar ein vorheriger Antrag erforderlich sei, nicht jedoch ein Leistungsbescheid. Im Übrigen habe der Beklagte ihre gesamten außergerichtlichen Kosten zu tragen. Im Widerspruchsbescheid sei nicht auf eine fehlende Erforderlichkeit, sondern auf eine weniger als dreimonatige Beschäftigungsdauer abgestellt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Mai 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über ihren Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Mai 2010 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, ihre außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
I.
1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden.
Sie ist auch statthaft im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Die Klägerin begehrt die Neubescheidung ihres Antrags und damit wirtschaftlich letztlich die Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 29 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, S. 1706). Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 SGB II wird das Einstiegsgeld, soweit für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht. Die Klägerin hatte ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen noch im Mai 2007 bei der I. gearbeitet. Nach der Verwaltungsvorschrift des Beklagten wurde das Einstiegsgeld in Höhe von mindestens 50 % der Regelleistung gewährt. Somit ist ein Betrag von mindestens 1.155 EUR im Streit (7 x 165 EUR).
2.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Verpflichtung des Beklagten zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über den Antrag auf Eingliederungsleistungen vom 16. November 2006. Es handelt sich hier um einen isoliert von den laufenden Leistungen der Grundsicherung abtrennbaren Streitgegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010, B 4 AS 7/10 R (18) zu Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
3.
Richtige Klageart ist hier eine Verpflichtungsbescheidungsklage i.S.v. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, da gemäß § 29 Abs. 1 und 2 SGB II die Frage der Bewilligung sowie der Dauer und Höhe des Einstiegsgelds in das pflichtgemäße Ermessen des Beklagten gestellt sind (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 77/08 R (10)). II. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 2007 ist - im Ergebnis - nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf das beantragte Einstiegsgeld für die ab dem 16. November 2006 aufgenommene Tätigkeit und somit auch nicht auf Neubescheidung ihres Antrags.
Nach § 16 Abs. 2 Ziffer 5 i.V.m. § 29 Abs. 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung kann zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, die arbeitslos sind, bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist.
1.
Die Klägerin war bei Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit ab dem 16. November 2006 erwerbsfähige Hilfebedürftige i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie war im entsprechenden Alter, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
2.
Sie war auch bei der Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit arbeitslos, denn bis zum 15. November 2006 war sie nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Unerheblich ist, dass sie die Beschäftigung am Tag der Antragstellung aufnahm und somit nicht mehr arbeitslos war. Aus dem Wortlaut von § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II (" bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ...") ergibt sich für den Senat eindeutig, dass hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Arbeitslosigkeit auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Erwerbstätigkeit abzustellen ist. Der Zeitpunkt der Antragstellung ist an dieser Stelle nicht entscheidend (a.A.: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. Mai 2011, L 13 AS 178/10, juris).
3.
Zu Recht hat das Sozialgericht jedoch die Erforderlichkeit des Einstiegsgelds zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt verneint.
a.
Bei der "Erforderlichkeit" gemäß § 29 Absatz 1 SGB II handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Beschluss vom 3. April 2008, B 11b AS 15/07 B (3) unter Hinweis auf die heranzuziehende Rechtsprechung zur Parallelvorschrift § 217 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) betreffend die Eingliederungszuschüsse).
b.
Ziel des Einstiegsgelds als Leistung zur Eingliederung in Arbeit ist es, dem Hilfebedürftigen einen finanziell attraktiven Anreiz für die Aufnahme einer unselbstständigen oder selbstständigen Tätigkeit zu schaffen (BT-Drucksache 15/1516, S. 59). Dies setzt voraus, dass das Einstiegsgeld und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Dies allein reicht aber noch nicht aus. Der erkennende Senat geht davon aus, dass Erforderlichkeit dann vorliegt, wenn zwischen der begehrten Förderung und der beabsichtigten Eingliederung in den Arbeitsmarkt ein kausaler Zusammenhang besteht (so auch BSG, Urteil vom 6. April 2006, B 7 AL 20/05 R (21) zur Förderungsbedürftigkeit i.S.v. § 217 Satz 2 SGB III i.d.F. bis 31. Dezember 2003; BSG, Urteil vom 6. Mai 2008, B 7/7a AL 16/07 R (21) zu § 217 SGB III i.d.F. ab dem 1. Januar 2004 mit der Maßgabe der Kausalitätsprüfung im Rahmen der Ermessensausübung). Erforderlichkeit setzt ferner voraus, dass eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit weniger kostspieligen Mitteln als der Bewilligung des Einstiegsgelds nicht erreicht werden kann (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2. Auflage, § 29 Rdnr. 19).
Demnach ist das Einstiegsgeld nicht erforderlich, wenn das Beschäftigungsverhältnis auch ohne die Bewilligung von Einstiegsgeld aufgenommen wird und somit die Eingliederung auch ohne Förderung erfolgt ist (vgl. BSG, Urteile vom 6. April 2006 und vom 6. Mai 2008, a.a.O., im Ergebnis ebenso: Bayerisches LSG, Urteil vom 20. November 2011, L 7 AS 643/11, juris, zur beantragten Förderung einer bereits ausgeübten Tätigkeit).
Der Senat ist der Überzeugung, dass im vorliegenden Fall das begehrte Einstiegsgeld nicht zur Eingliederung der Klägerin in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich war. Denn diese hatte - ohne vorherige Vorsprache bei dem Beklagten - am 15. November 2006 den zunächst befristeten Arbeitsvertrag unterschrieben und erst am Folgetag nach Ende des ersten Arbeitstags einen Antrag auf Einstiegsgeld gestellt. Weder ist vorgetragen worden noch ergibt sich aus den Verwaltungsakten, dass der Beklagte der Klägerin im Vorfeld des Vertragsabschlusses die Bewilligung eines Einstiegsgelds in Aussicht gestellt hätte. Das Sozialgericht hat zu Recht berücksichtigt, dass die Klägerin - trotz erhaltenen Ablehnungsbescheids - entschlossen war, ihre Hilfebedürftigkeit zu überwinden und deshalb am 22. Dezember 2006 einen unbefristeten Arbeitsvertrag abschloss. Dieser Umstand ist ein Indiz dafür, dass diese Motivationslage bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags und Aufnahme der Tätigkeit bestand. Der Senat geht somit davon aus, dass die Entscheidung der Klägerin, die Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses zu verringern oder zu überwinden, unabhängig von der Frage der Bewilligung eines Einstiegsgelds fiel.
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 23. November 2006 (B 11b AS 3/05 R (16)) meint, es genüge ein "zeitlicher und sachlicher Zusammenhang" des Antrags auf Einstiegsgeld mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit, ergibt sich für vorliegenden Fall nichts anderes. Die Formulierung ist im Kontext mit dem entschiedenen Sachverhalt zu sehen. Dort waren die Kläger bereits seit 20 Jahren selbstständig tätig und beantragten dann für diese Tätigkeit ein Einstiegsgeld. Maßgeblich ist im Hinblick auf die festzustellende Erforderlichkeit allein, ob sich aus dem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen Antragstellung und Aufnahme der Erwerbstätigkeit die Kausalität ableiten lässt. Fehlt dieser Zusammenhang, kommt die Gewährung von Einstiegsgeld nicht in Betracht, weil eine bereits ausgeübte Tätigkeit nicht gefördert wird. Auch bei vorliegen des "zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs" ist das Merkmal der Erforderlichkeit zusätzlich zu prüfen.
Hier kann offen bleiben, ob die Antragstellung am Tag nach der Aufnahme der Erwerbstätigkeit noch in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dieser stand. Denn ein solcher hatte vorliegend keine Auswirkungen auf die Motivationslage der Klägerin, die bereits zur Arbeitsaufnahme entschlossen war.
Soweit die Klägerin rügt, die Anspruchsvoraussetzung der Erforderlichkeit begünstige "antriebslose" Hilfebezieher, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn das Einstiegsgeld ist ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, das die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen oder versicherungspflichtigen Beschäftigung zum Ziel hat. Naturgemäß bedarf es einer Förderung nicht, wenn die Hilfebedürftigen aus eigenem Antrieb und unabhängig von einer etwaigen steuerfinanzierten Unterstützung die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt verwirklichen. Eine vom Gesetzgeber beabsichtigte "zusätzliche Prämierung" bei erfolgreicher Integration lässt sich aus dem Wesen des Einstiegsgelds nicht herleiten, wie sich auch aus dem Wortlaut ("erforderlich") ergibt.
Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit kann schließlich auch nicht durch die Verwaltungsvorschrift des Beklagten, die in den "Informationen zum Einstiegsgeld bei Aufnahme einer selbständigen oder sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit" niedergelegt ist, ersetzt werden. Zwar ist danach Voraussetzung u.a. eine schriftliche Antragstellung spätestens im Folgemonat nach Aufnahme der Beschäftigung im Jobcenter SGB II K. /A ... Eine Verwaltungsvorschrift kann gegebenenfalls zu einer Selbstbindung der Behörde im Rahmen einer Ermessensentscheidung führen, sie ersetzt aber nicht die erforderliche Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Leistungsbewilligung (BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 KG 2/09 R (11)).
c.
Der Senat kann gleichfalls dahin stehen lassen, ob in der Vorlage des unbefristeten Arbeitsvertrags beim Beklagten am 11. Januar 2007 ein neuer Antrag zu sehen ist. Denn für diesen Fall fehlte es erst recht an der Erforderlichkeit im o.g. Sinn. Die Klägerin war - bei Kenntnis des Ablehnungsbescheids - entschlossen, das zuvor befristete Beschäftigungsverhältnis als unbefristetes fortzuführen.
3.
Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausübung fehlen, war nicht zu prüfen, ob die Entscheidung des Beklagten, eine befristete Tätigkeit von weniger als sechs Monaten nicht zu fördern, ermessensfehlerfrei gewesen ist. Daher besteht auch kein Anspruch auf Neubescheidung des Antrags.
Desgleichen kann offen bleiben, ob es sich bei der zunächst befristeten und ab dem 23. Dezember 2006 unbefristeten Beschäftigung um ein einheitliches Arbeitsverhältnis von mindestens sechs Monaten Dauer i.S.d. Verwaltungsvorschrift des Beklagten gehandelt hat.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es gibt keinen Grund, die Kostenentscheidung des Sozialgerichts abzuändern. Die Berücksichtigung der zunächst erhobenen und erfolgreichen Untätigkeitsklage mit 1/4 der außergerichtlichen Kosten zu Lasten des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid zur Begründung der Ablehnung nicht auf die fehlende Erforderlichkeit des Einstiegsgelds, sondern auf eine notwendige mindestens sechsmonatige Beschäftigung abgestellt hat, führt nicht zu einem Abweichen von dem Grundsatz, wonach der Unterlegene in der Regel die Kosten trägt. Die - möglicherweise - fehlerhafte Begründung der Ablehnungsentscheidung war nicht der Grund für die Umstellung der Untätigkeits- in eine Verpflichtungsbescheidungsklage. Die Klägerin hat auch das Urteil des Sozialgerichts, das zutreffend auf die fehlende Erforderlichkeit abgestellt hat, nicht akzeptiert.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 29 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die am 1969 geborene Klägerin hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern als Bedarfsgemeinschaft ab Januar 2005 zeitweise Leistungen nach dem SGB II bezogen. Auf den Weiterzahlungsantrag der Bedarfsgemeinschaft vom 14. November 2006 hatte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2006 bis Mai 2007 bewilligt.
Die Klägerin schloss am 15. November 2006 einen Arbeitsvertrag mit der I. •I. P. OHG als Produktionsarbeiterin. Das Arbeitsverhältnis war vom 16. November bis 22. Dezember 2006 befristet. Die regelmäßige durchschnittliche Wochenarbeitszeit betrug 35 Stunden bei einem Stundenlohn von 5,60 EUR brutto. Im Dezember 2006 wurde der Klägerin ein Nettolohn von 339,14 EUR und im Januar 2007 von 647,45 EUR, jeweils für den Vormonat, ausbezahlt.
Am 16. November 2006 sprach die Klägerin bei dem Beklagten vor und teilte die Aufnahme der befristeten Tätigkeit am selben Tag mit. Ferner beantragte sie die Bewilligung von Einstiegsgeld. Der Gesprächsvermerk des Sachbearbeiters wurde um 17:02 Uhr gefertigt. Mit Bescheid vom 20. November 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf Einstiegsgeld ab, da die Dauer der Beschäftigung nicht mindestens sechs Monate umfasse. Ausweislich eines Informationsblatts des Beklagten seien Voraussetzung für die Bewilligung von Einstiegsgeld u.a. Arbeitslosigkeit, die Aufnahme einer hauptberuflichen Erwerbstätigkeit mit einer Mindestarbeitszeit von 15 Stunden/Woche und von mindestens sechs Monaten Dauer sowie eine schriftliche Antragstellung spätestens im Folgemonat nach Aufnahme der Beschäftigung.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, seit sie die Arbeit aufgenommen habe, werde sie bestraft. Das erste vollständige Gehalt erhalte sie erst im Januar 2007 und sie habe große finanzielle Schwierigkeiten.
Am 22. Dezember 2006 schloss die Klägerin mit der I. für die Zeit ab 23. Dezember 2006 einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu unveränderten Vertragsbedingungen. Diesen legte sie dem Beklagten am 11. Januar 2007 vor. Die Bedarfsgemeinschaft verzichtete am 27. März 2007 ab Februar 2007 auf weitere Leistungen nach dem SGB II. Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid, Aufhebungsbescheid sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 17. Juli 2007 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für Dezember 2006 bis Januar 2007 unter Anrechnung des Einkommens der Klägerin ab, hob die Leistungsbewilligung ab Februar 2007 wegen der Abmeldung aus dem Leistungsbezug auf und forderte die für Dezember 2006 bis Januar 2007 zuviel bewilligten Leistungen zurück.
Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2007 - nach Erhebung einer Untätigkeitsklage der Klägerin am 31. Juli 2007 - den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Einstiegsgelds lägen nicht vor. Zwar gehöre die Klägerin grundsätzlich zum förderfähigen Personenkreis, jedoch müsse die aufgenommene Beschäftigung mindestens sechs Monate umfassen. Das befristete Arbeitsverhältnis erfülle diese Voraussetzung nicht. Unerheblich sei, dass mit demselben Arbeitgeber ab 23. Dezember 2006 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geschlossen wurde. Denn das Einstiegsgeld sei ausschließlich für das befristete Beschäftigungsverhältnis beantragt worden. Einen Antrag auf Einstiegsgeld für das neue Beschäftigungsverhältnis habe die Klägerin nicht gestellt. Eine unterlassene Beratungspflicht liege nicht vor, da bei Antragstellung eine umfassende Beratung und Aushändigung eines Merkblatts erfolge. Die Klägerin sei auch durch den ablehnenden Bescheid über die tragenden Gründe hinreichend informiert worden.
Daraufhin hat die Klägerin am 24. August 2007 die Untätigkeitsklage auf eine Bescheidungsklage umgestellt. Sie hat geltend gemacht, den Antrag für das ab 16. November 2006 begründete und weiterhin andauernde Beschäftigungsverhältnis gestellt zu haben. Außerdem sei eine Mindestbeschäftigungsdauer von sechs Monaten nicht im Gesetz vorgeschrieben. Zudem hätte der Beklagte auf den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids abstellen müssen; oder der Widerspruch wäre als neuer Antrag auszulegen gewesen. Ferner hat die Klägerin angegeben, bei der Vorlage des am gleichen Tag geschlossenen unbefristeten Arbeitsvertrags beim Beklagten habe man ihr gesagt, dass sie keinen neuen Antrag auf Einstiegsgeld stellen müsse. Der erklärte Verzicht der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach dem SGB II habe sich nicht auf das Einstiegsgeld bezogen.
Der Beklagte hat die Berechnung des Einstiegsgelds dargelegt und geltend gemacht, eine Vorsprache am 22. Dezember 2006 sei nicht erfolgt. Er hat ferner auf die fehlende Erforderlichkeit eines Einstiegsgelds bei Vertragsschluss vor Antragstellung verwiesen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Mai 2010 abgewiesen. Die Bewilligung von Einstiegsgeld sei nicht zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen. Denn die Beschäftigungsaufnahme wäre auch ohne diese Leistung erfolgt. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Erwerbstätigkeit ohne das Einstiegsgeld voraussichtlich nicht aufgenommen hätte. Sie habe den Antrag erst nach Abschluss des Arbeitsvertrags gestellt. Ein Anreiz zur Beschäftigungsaufnahme könne denknotwendig nur vor Abschluss des Arbeitsvertrags und vor Arbeitsaufnahme erfolgen. Sei der Hilfebedürftige bereits zur Arbeitsaufnahme entschlossen, könne er nicht mehr gesondert motiviert werden. Nicht notwendig sei, dass vor Abschluss des Arbeitsvertrags eine Entscheidung des Beklagten vorliege; der Antrag müsse jedoch rechtzeitig gestellt worden sein. Der Abschluss des unbefristeten Arbeitsvertrags nach dem Ablehnungsbescheid bestätige den Entschluss der Klägerin zur Arbeitsaufnahme unabhängig vom Einstiegsgeld. Da diese tarifvertraglich entlohnt werde und eine ortsübliche Entlohnung erhalte, sei ein zusätzlicher Anreiz zur Beschäftigungsaufnahme ebenfalls nicht gegeben. Zwar könne der Eindruck entstehen, das Einstiegsgeld werde für weniger motivierte Hilfeempfänger gewährt, während die sich selbst um Arbeit Bemühenden keines Anreizes mehr bedürften. Es müssten jedoch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit ausgeschöpft werden. Die enge Bestimmtheit der Erforderlichkeit sei schon aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Unerheblich sei, inwieweit ein einheitliches Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis vorliege. Da bereits der Tatbestand des § 29 SGB II nicht erfüllt sei, habe der Beklagte keine Ermessensentscheidung mehr treffen müssen. Hinsichtlich der Kosten hatte das Sozialgericht den Beklagten zur Übernahme von 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin wegen der begründeten Untätigkeitsklage verurteilt.
Gegen das ihr am 2. Juni 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Juni 2010 Berufung eingelegt. Ziel des Eingliederungsgelds sei es nicht nur, Anreize für antriebslose Leistungsbezieher zu schaffen. Es solle vielmehr auch Eigeninitiative prämiert werden; nach der Lesart des Sozialgerichts und des Beklagten würde jedoch eine solche bestraft. Es sei auch nicht auf eine subjektive Motivation zur Arbeitsaufnahme abzustellen, sondern darauf, ob andere, günstigere Mittel der Arbeitsmarktpolitik zur Arbeitsmarktintegration vorhanden seien. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. November 2006 (B 11b AS 3/05 R) sei ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen Arbeitsaufnahme und Antragstellung ausreichend, der hier vorliege. Ziel des Einstiegsgelds sei auch die Unterstützung der Beibehaltung der aufgenommenen Tätigkeit. Widersprüchlich sei die Auffassung des Sozialgerichts, dass zwar ein vorheriger Antrag erforderlich sei, nicht jedoch ein Leistungsbescheid. Im Übrigen habe der Beklagte ihre gesamten außergerichtlichen Kosten zu tragen. Im Widerspruchsbescheid sei nicht auf eine fehlende Erforderlichkeit, sondern auf eine weniger als dreimonatige Beschäftigungsdauer abgestellt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Mai 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über ihren Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Mai 2010 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, ihre außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
I.
1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden.
Sie ist auch statthaft im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Die Klägerin begehrt die Neubescheidung ihres Antrags und damit wirtschaftlich letztlich die Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 29 SGB II i.d.F. vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, S. 1706). Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 SGB II wird das Einstiegsgeld, soweit für diesen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht. Die Klägerin hatte ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen noch im Mai 2007 bei der I. gearbeitet. Nach der Verwaltungsvorschrift des Beklagten wurde das Einstiegsgeld in Höhe von mindestens 50 % der Regelleistung gewährt. Somit ist ein Betrag von mindestens 1.155 EUR im Streit (7 x 165 EUR).
2.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Verpflichtung des Beklagten zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über den Antrag auf Eingliederungsleistungen vom 16. November 2006. Es handelt sich hier um einen isoliert von den laufenden Leistungen der Grundsicherung abtrennbaren Streitgegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010, B 4 AS 7/10 R (18) zu Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II).
3.
Richtige Klageart ist hier eine Verpflichtungsbescheidungsklage i.S.v. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, da gemäß § 29 Abs. 1 und 2 SGB II die Frage der Bewilligung sowie der Dauer und Höhe des Einstiegsgelds in das pflichtgemäße Ermessen des Beklagten gestellt sind (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 77/08 R (10)). II. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 2007 ist - im Ergebnis - nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf das beantragte Einstiegsgeld für die ab dem 16. November 2006 aufgenommene Tätigkeit und somit auch nicht auf Neubescheidung ihres Antrags.
Nach § 16 Abs. 2 Ziffer 5 i.V.m. § 29 Abs. 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung kann zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, die arbeitslos sind, bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist.
1.
Die Klägerin war bei Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit ab dem 16. November 2006 erwerbsfähige Hilfebedürftige i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie war im entsprechenden Alter, erwerbsfähig, hilfebedürftig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
2.
Sie war auch bei der Aufnahme der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit arbeitslos, denn bis zum 15. November 2006 war sie nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Unerheblich ist, dass sie die Beschäftigung am Tag der Antragstellung aufnahm und somit nicht mehr arbeitslos war. Aus dem Wortlaut von § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB II (" bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ...") ergibt sich für den Senat eindeutig, dass hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Arbeitslosigkeit auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Erwerbstätigkeit abzustellen ist. Der Zeitpunkt der Antragstellung ist an dieser Stelle nicht entscheidend (a.A.: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. Mai 2011, L 13 AS 178/10, juris).
3.
Zu Recht hat das Sozialgericht jedoch die Erforderlichkeit des Einstiegsgelds zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt verneint.
a.
Bei der "Erforderlichkeit" gemäß § 29 Absatz 1 SGB II handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Beschluss vom 3. April 2008, B 11b AS 15/07 B (3) unter Hinweis auf die heranzuziehende Rechtsprechung zur Parallelvorschrift § 217 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) betreffend die Eingliederungszuschüsse).
b.
Ziel des Einstiegsgelds als Leistung zur Eingliederung in Arbeit ist es, dem Hilfebedürftigen einen finanziell attraktiven Anreiz für die Aufnahme einer unselbstständigen oder selbstständigen Tätigkeit zu schaffen (BT-Drucksache 15/1516, S. 59). Dies setzt voraus, dass das Einstiegsgeld und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Dies allein reicht aber noch nicht aus. Der erkennende Senat geht davon aus, dass Erforderlichkeit dann vorliegt, wenn zwischen der begehrten Förderung und der beabsichtigten Eingliederung in den Arbeitsmarkt ein kausaler Zusammenhang besteht (so auch BSG, Urteil vom 6. April 2006, B 7 AL 20/05 R (21) zur Förderungsbedürftigkeit i.S.v. § 217 Satz 2 SGB III i.d.F. bis 31. Dezember 2003; BSG, Urteil vom 6. Mai 2008, B 7/7a AL 16/07 R (21) zu § 217 SGB III i.d.F. ab dem 1. Januar 2004 mit der Maßgabe der Kausalitätsprüfung im Rahmen der Ermessensausübung). Erforderlichkeit setzt ferner voraus, dass eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit weniger kostspieligen Mitteln als der Bewilligung des Einstiegsgelds nicht erreicht werden kann (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2. Auflage, § 29 Rdnr. 19).
Demnach ist das Einstiegsgeld nicht erforderlich, wenn das Beschäftigungsverhältnis auch ohne die Bewilligung von Einstiegsgeld aufgenommen wird und somit die Eingliederung auch ohne Förderung erfolgt ist (vgl. BSG, Urteile vom 6. April 2006 und vom 6. Mai 2008, a.a.O., im Ergebnis ebenso: Bayerisches LSG, Urteil vom 20. November 2011, L 7 AS 643/11, juris, zur beantragten Förderung einer bereits ausgeübten Tätigkeit).
Der Senat ist der Überzeugung, dass im vorliegenden Fall das begehrte Einstiegsgeld nicht zur Eingliederung der Klägerin in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich war. Denn diese hatte - ohne vorherige Vorsprache bei dem Beklagten - am 15. November 2006 den zunächst befristeten Arbeitsvertrag unterschrieben und erst am Folgetag nach Ende des ersten Arbeitstags einen Antrag auf Einstiegsgeld gestellt. Weder ist vorgetragen worden noch ergibt sich aus den Verwaltungsakten, dass der Beklagte der Klägerin im Vorfeld des Vertragsabschlusses die Bewilligung eines Einstiegsgelds in Aussicht gestellt hätte. Das Sozialgericht hat zu Recht berücksichtigt, dass die Klägerin - trotz erhaltenen Ablehnungsbescheids - entschlossen war, ihre Hilfebedürftigkeit zu überwinden und deshalb am 22. Dezember 2006 einen unbefristeten Arbeitsvertrag abschloss. Dieser Umstand ist ein Indiz dafür, dass diese Motivationslage bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags und Aufnahme der Tätigkeit bestand. Der Senat geht somit davon aus, dass die Entscheidung der Klägerin, die Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses zu verringern oder zu überwinden, unabhängig von der Frage der Bewilligung eines Einstiegsgelds fiel.
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 23. November 2006 (B 11b AS 3/05 R (16)) meint, es genüge ein "zeitlicher und sachlicher Zusammenhang" des Antrags auf Einstiegsgeld mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit, ergibt sich für vorliegenden Fall nichts anderes. Die Formulierung ist im Kontext mit dem entschiedenen Sachverhalt zu sehen. Dort waren die Kläger bereits seit 20 Jahren selbstständig tätig und beantragten dann für diese Tätigkeit ein Einstiegsgeld. Maßgeblich ist im Hinblick auf die festzustellende Erforderlichkeit allein, ob sich aus dem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen Antragstellung und Aufnahme der Erwerbstätigkeit die Kausalität ableiten lässt. Fehlt dieser Zusammenhang, kommt die Gewährung von Einstiegsgeld nicht in Betracht, weil eine bereits ausgeübte Tätigkeit nicht gefördert wird. Auch bei vorliegen des "zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs" ist das Merkmal der Erforderlichkeit zusätzlich zu prüfen.
Hier kann offen bleiben, ob die Antragstellung am Tag nach der Aufnahme der Erwerbstätigkeit noch in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dieser stand. Denn ein solcher hatte vorliegend keine Auswirkungen auf die Motivationslage der Klägerin, die bereits zur Arbeitsaufnahme entschlossen war.
Soweit die Klägerin rügt, die Anspruchsvoraussetzung der Erforderlichkeit begünstige "antriebslose" Hilfebezieher, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn das Einstiegsgeld ist ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, das die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen oder versicherungspflichtigen Beschäftigung zum Ziel hat. Naturgemäß bedarf es einer Förderung nicht, wenn die Hilfebedürftigen aus eigenem Antrieb und unabhängig von einer etwaigen steuerfinanzierten Unterstützung die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt verwirklichen. Eine vom Gesetzgeber beabsichtigte "zusätzliche Prämierung" bei erfolgreicher Integration lässt sich aus dem Wesen des Einstiegsgelds nicht herleiten, wie sich auch aus dem Wortlaut ("erforderlich") ergibt.
Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit kann schließlich auch nicht durch die Verwaltungsvorschrift des Beklagten, die in den "Informationen zum Einstiegsgeld bei Aufnahme einer selbständigen oder sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit" niedergelegt ist, ersetzt werden. Zwar ist danach Voraussetzung u.a. eine schriftliche Antragstellung spätestens im Folgemonat nach Aufnahme der Beschäftigung im Jobcenter SGB II K. /A ... Eine Verwaltungsvorschrift kann gegebenenfalls zu einer Selbstbindung der Behörde im Rahmen einer Ermessensentscheidung führen, sie ersetzt aber nicht die erforderliche Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Leistungsbewilligung (BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 KG 2/09 R (11)).
c.
Der Senat kann gleichfalls dahin stehen lassen, ob in der Vorlage des unbefristeten Arbeitsvertrags beim Beklagten am 11. Januar 2007 ein neuer Antrag zu sehen ist. Denn für diesen Fall fehlte es erst recht an der Erforderlichkeit im o.g. Sinn. Die Klägerin war - bei Kenntnis des Ablehnungsbescheids - entschlossen, das zuvor befristete Beschäftigungsverhältnis als unbefristetes fortzuführen.
3.
Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausübung fehlen, war nicht zu prüfen, ob die Entscheidung des Beklagten, eine befristete Tätigkeit von weniger als sechs Monaten nicht zu fördern, ermessensfehlerfrei gewesen ist. Daher besteht auch kein Anspruch auf Neubescheidung des Antrags.
Desgleichen kann offen bleiben, ob es sich bei der zunächst befristeten und ab dem 23. Dezember 2006 unbefristeten Beschäftigung um ein einheitliches Arbeitsverhältnis von mindestens sechs Monaten Dauer i.S.d. Verwaltungsvorschrift des Beklagten gehandelt hat.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es gibt keinen Grund, die Kostenentscheidung des Sozialgerichts abzuändern. Die Berücksichtigung der zunächst erhobenen und erfolgreichen Untätigkeitsklage mit 1/4 der außergerichtlichen Kosten zu Lasten des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid zur Begründung der Ablehnung nicht auf die fehlende Erforderlichkeit des Einstiegsgelds, sondern auf eine notwendige mindestens sechsmonatige Beschäftigung abgestellt hat, führt nicht zu einem Abweichen von dem Grundsatz, wonach der Unterlegene in der Regel die Kosten trägt. Die - möglicherweise - fehlerhafte Begründung der Ablehnungsentscheidung war nicht der Grund für die Umstellung der Untätigkeits- in eine Verpflichtungsbescheidungsklage. Die Klägerin hat auch das Urteil des Sozialgerichts, das zutreffend auf die fehlende Erforderlichkeit abgestellt hat, nicht akzeptiert.
Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
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