L 14 AS 2105/12 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 148 AS 15862/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 2105/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch nicht für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt I S wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Recht die darlehensweise Gewährung von Stromschulden in Höhe von 732,91 Euro nebst 73,06 Euro für eine Einschaltgebühr abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Aus dem in § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Bezug genommenen § 920 der Zivilprozessordnung – ZPO – ergibt sich, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraussetzt, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung wesentliche Nachteile drohen (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Aufl., 2012, § 86b Rdnr. 28).

Maßgebend sind – auch im Beschwerdeverfahren – in der Regel die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 4. September 2009 – L 14 AS 1063/09 B ER; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 18. Oktober 2007 – L 28 B 1637/07 AS ER, zitiert nach juris; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Rdnrn. 165, 166 m. w. N. zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Denn in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ist ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Im Ergebnis kann offen bleiben, ob dem Antragsteller ein Anordnungsgrund zur Seite steht. Jedenfalls ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden. Die Vorschrift ist nicht unmittelbar anwendbar, da hier Stromschulden im Streit stehen, die nicht die Heizung betreffen, sondern die allein die Haushaltsenergie betreffenden sonstigen Stromkosten. Diese werden nicht von den Kosten für Unterkunft und Heizung umfasst, sondern sind nach § 20 Abs. 1 SGB II Bestandteil der Regelleistung. Der erkennende Senat hielt in der Vergangenheit den (in Sätzen 1 und 2 gleich lautenden) § 22 Abs. 5 SGB II (Beschluss des erkennenden Senats vom 6. August 2009 – L 14 AS 1048/09 ER m.w.N. – juris) in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung für anwendbar und hält in vergleichbaren Notlagen eine entsprechende Anwendung auch des § 22 Abs. 8 SGB II für weiterhin geboten (vgl. Beschluss des Senates vom 23. September 2011 – L 14 AS 1533/11 B ER – juris).

Vorliegend erscheint die Übernahme der Stromschulden indessen nicht gerechtfertigt. Dem steht bereits entgegen, dass der Antragsgegner dem Antragsteller bereits auf seinen Antrag vom 27. September 2011 Energieschulden i.H.v. 136,55 Euro für den Verbrauchszeitraum vom 22. Dezember 2010 bis 9. März 2011 (Verbrauch von 819 kWh) darlehensweise gewährt hatte; Bescheid vom 29. September 2011. Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER – juris). Die jetzt geltend gemachten Stromschulden sind innerhalb eines Verbrauchszeitraums vom 10. März 2011 bis 9. März 2012 aufgelaufen (Verbrauch 6.052 kWh), in dem der Antragsteller im laufenden Leistungsbezug stand. Gleichwohl hat er sich die erstmalige Gewährung der Übernahme von Energieschulden nicht zur Warnung werden lassen und es erneut zum Auflaufen von Energieschulden kommen lassen. Dabei soll nicht verkannt werden, dass die monatlichen Energieabschläge an den Versorger bereits vom Antragsgegner entrichtet worden sind und insoweit die hohen Energiekosten durch den hohen Verbrauch geschuldet sind. Zu Recht hat aber das Sozialgericht verlangt, dass der Antragsteller nach der erstmaligen Gewährung der Energieschulden seinen Stromverbrauch hätte besser im Auge haben müssen. Sein weiteres Verbrauchsverhalten, das zu der jetzt geltend gemachten Forderung geführt hat, lässt aber ebenso wie sein Verbrauchsverhalten bis zur Stromsperrung am 18. Juni 2012 (Verbrauch 1.342 kWh im Zeitraum vom 14. März 2012 bis 18. Juni 2012) den Schluss zu, dass er nicht gewillt ist, seinen Stromverbrauch auf eine durchschnittlichen Jahresverbrauch für einen Ein-Personen-Haushalt (2.050 kWh) einzurichten. Die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Übernahme von Schulden hat nicht den Sinn, den Leistungsberechtigten immer von der Verantwortlichkeit für sein eigenes Handeln freizustellen. Wer sehenden Auges die von ihm eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nur im unzureichenden Maß auch durch einen unangemessenen Verbrauch, der auch nicht sonst erklärt werden kann, erfüllt, muss die Folgen tragen. Dies umso mehr, wenn ihm bereits früher Mittel für Stromschulden gewährt worden sind und er sich sein Verhalten von damals nicht vor Augen geführt hat, sondern wiederum Ursachen setzt, so dass Stromschulden auflaufen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 73a SGG i.V.m. §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO und begründet sich aus den fehlenden hinreichenden Erfolgsaussichten.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar; § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved