Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 394/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 5209/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ob ein wirksames Mietverhältnis zwischen Verwandten vorliegt und ob der Leistungsberechtigte einer wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt ist, beurteilt sich nach den tatrichterlichen Feststellungen der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BSG, Urteile vom 3.3.2009 – B 4 AS 37/08 R und 7.5.2009 – B 14 AS 31/07 R).
2. Nicht jedes ernstliche Geldverlangen des Verwandten ist auch ein ernstliches Mietzinsverlangen. Entscheidend ist, ob die wesentlichen Vertragsinhalte eines Mietvertrages nach § 535 BGB vorliegen.
2. Nicht jedes ernstliche Geldverlangen des Verwandten ist auch ein ernstliches Mietzinsverlangen. Entscheidend ist, ob die wesentlichen Vertragsinhalte eines Mietvertrages nach § 535 BGB vorliegen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom 15.6.2009 bis zum 31.5.2010 haben.
Der Kläger Ziff. 1 ist 1967 geboren und lebte bis 14.6.2009 mit seiner Ehegattin und den gemeinsamen Kindern in Sachsen. Nachdem die Eheleute sich getrennt hatten, zog er am 14.6.2009 in den G., 8 in das im Eigentum seiner Eltern stehende Haus ein. Die Eltern leben ebenfalls in diesem Haus. Der Kläger Ziff. 2, der Sohn des Klägers Ziff. 1, zog am 1.9.2009 nach.
Am 15.6.2009 beantragte der Kläger Ziff. 1 bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und gab unter anderem an, dass seine 4 Kinder weiter bei der Mutter leben würden und er selbst über kein Einkommen oder Vermögen verfüge. Er sei von 1995 bis 2004 Hausmann gewesen, habe nicht mehr gearbeitet und sei über die Familienversicherung seiner Ehegattin krankenversichert gewesen. Er legte einen "Mietvertrag" vor, datiert vom 30.5.2009, unterzeichnet von ihm und seiner Mutter als Vermieterin. Dort heißt es unter anderem: "Vermietet wird im Haus G. 8 ein Zimmer (ca. 40 m²) im OG. Anbau samt Dusche/WC. Vereinbart wird weiterhin Mitbenutzung von Einfahrt, Terrasse, Küche und Waschküche im Einvernehmen mit dem Vermieter (d.h. dieser genießt das Vorrecht).
Die Vermietung beginnt am 1.6.2009 und endet ohne besondere Kündigung am 31.5.2010. Sollte der Mieter einen Arbeitsplatz finden, wird über die Mietdauer eine neue Vereinbarung getroffen werden können.
Die Miete beträgt 2700 EUR plus pauschale Heizkosten 240 EUR plus pauschale Nebenkosten 240 EUR. Es ist zum Monatsanfang jeweils 265 EUR einzuzahlen auf Konto [ ...]".
Er legte desweiteren ein Schreiben seines Vaters vom 13.8.2009 vor, in welchem es heißt:
" Sehr geehrter Herr Andreas-B.!
Ich darf sie daran erinnern, dass bis dato noch keine Miete bezahlt wurde.
Mit freundlichen Grüßen"
Im Rahmen einer Vorsprache am 16.9.2009 (Bl. 41 Verwaltungsakte) teilte der Kläger mit, dass er mit seinen Eltern nicht in einer Haushalt- oder Bedarfsgemeinschaft lebe. Den Wohnraum im Elternhaus, den er jetzt angemietet habe, hätten seine Eltern in der Vergangenheit schon häufiger an Dritte fremdvermietet.
Nachdem der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 7.10.2009 mitgeteilt hatte, dass man beabsichtige, den Antrag wegen einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II abzulehnen, bekräftigten sowohl der Kläger Ziff. 1 als auch seine Eltern nochmals gegenüber dem Beklagten, dass nicht aus einem Topf gewirtschaftet werde.
Mit Bescheid vom 11.11.2009 (Bl. 74 Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte den Klägern ab dem 15.6.2009 bis zum 31.5.2010 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und berücksichtigte dabei für den Kläger Ziff. 1 die Regelleistung in Höhe von 359 EUR, für den Kläger Ziff. 2 Sozialgeld nach § 28 SGB II a.F.in Höhe von 251 EUR (hierauf werden Kindergeld und Unterhaltsvorschuss angerechnet). Desweiteren wurde für den Kläger Ziff. 2 ein Kindergartenbeitrag in Höhe von 92 EUR berücksichtigt. Als Kosten der Unterkunft wurden (kopfteilig) monatliche Heizungskosten in Höhe von 23 EUR sowie monatliche Nebenkosten in Höhe von 16,65 EUR berücksichtigt. Nicht anerkannt wurde die Kaltmiete in Höhe von monatlich 225 EUR.
Hiergegen erhoben die Kläger am 2.12.2009 Widerspruch. Auch die Kaltmiete sei zu berücksichtigen. Außerdem habe der Kläger Ziff. 2 schwere Neurodermitis und benötige einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung.
Mit Teilabhilfebescheid vom 26.1.2010 (Bl. 90 Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte dem Kläger Ziff. 1 ab dem 1.9.2009 einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung (129 EUR/Monat) und dem Kläger Ziff. 2 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (25,56 EUR/Monat).
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.1.2010 wurde der Widerspruch wegen der noch verbleibenden KdU/Kaltmiete als unbegründet zurückgewiesen. Es könnten nur tatsächlich anfallende Unterkunftskosten übernommen werden. Nachgewiesen und anerkannt worden seien Nebenkosten in Höhe von anteilig 16,65 EUR und Heizkosten von anteilig 23 EUR. Zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit könnten auch anteilige Müllgebühren übernommen werden. Nicht übernommen werden könne jedoch die Kaltmiete in Höhe von EUR 225 aus dem Mietvertrag. Dieser Mietvertrag werde nicht akzeptiert, da schon keine abtrennbare Wohnung vermietet werde. Anders sei der Fall zu bewerten, wenn der Kläger eine separate Wohnung im Haus seiner Eltern angemietet hätte.
Hiergegen haben die Kläger am 8.2.2010 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass ein wirksamer Mietvertrag vorliege. Der Kläger Ziff. 1 sei einer wirksamen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt. Er legte auch Nachweise über die bisher an seine Mutter geleisteten Zahlungen vor (monatlich 39,65 EUR, vgl. Bl. 22, 34 SG-Akte).
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung einer Zeugenaussage der Mutter des Klägers auf schriftlichem Weg. Die Zeugin B. hat mit Schreiben vom 11.9.2010 (Bl. 31 SG-Akte) mitgeteilt, dass sie Eigentümerin der Immobilie sei. Die Kläger würden einen Teil des Hauses bewohnen (ein 41m² großes möbliertes Zimmer samt separatem Bad mit Dusche und WC, das jederzeit auch an Dritte vermietet werden könnte). Bei der Vereinbarung der Kaltmiete hätte man sich an dem von der Gemeinde Sch. bereitgestellten Mietspiegel orientiert. Die Miete sei derzeit gestundet, bis der Beklagte nach entsprechender gerichtlicher Feststellung die Mietforderungen begleichen werde. Vom Kläger Ziff. 1 habe sie bisher selbstverständlich Null EUR erhalten. Verschiedene Zahlungseingänge in Höhe von 39,65 EUR hätten sich als Mietzahlungen des Beklagten entpuppt.
Zwischenzeitlich hat der Kläger einen weiteren Mietvertrag für eine Wohnung in der E. Str. 8 in D. unterzeichnet. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 5.5.2011 einem Umzug zugestimmt und die dortige Kaltmiete in Höhe von 300 EUR/Monat anerkannt und mit Bescheid vom 6.5.2011 für Wohnungserstausstattung einen Betrag in Höhe von 920 EUR an die Kläger bewilligt und ausgezahlt. In diese neue Wohnung sind die Kläger indes nie eingezogen.
Mit Urteil vom 12.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten sei rechtmäßig. Die Kläger hätten in zulässiger Weise ihren Klagantrag auf höhere KdU beschränkt. Sie hätten keinen Anspruch auf höhere KdU, denn sie hätten im streitgegenständlichen Zeitraum keine tatsächlichen Aufwendungen in Höhe der behaupteten Kaltmiete zu erbringen gehabt, so dass kein Anspruch bestehe. Es liege zur Überzeugung des Gerichts keine wirksame rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Miete vor. Hierfür sei zumindest erforderlich, dass ein Leistungsberechtigter selbst über einen abgetrennten Wohnraum verfüge. Die Kläger würden aber nicht über einen abgeschlossenen Wohnraum im Haus der Eltern des Klägers Ziff. 1 verfügen. Beim Zusammenwohnen von Eltern und Kindern unter einer gemeinsamen Adresse sei solange nicht von einer wirksamen rechtlichen Verpflichtung von Zahlung an Miete an die Eltern auszugehen, solange die Kinder nicht über einen abgeschlossenen, abgetrennten Wohnraum verfügten, weil ansonsten eine Abgrenzung zur Haushaltsgemeinschaft nicht mehr möglich wäre.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 31.10.2011 zugestellte Urteil des SG haben die Kläger am 29.11.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Das SG sei von einem zu engen Begriff der Unterkunft ausgegangen. Eine Unterkunft liege nicht nur dann vor, wenn eine abgegrenzte mit einem eigenen Eingang versehene Wohnung gegeben sei. Bei dem von Ihnen bewohnten Zimmer handle es sich um eine Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Das Zimmer mit Dusche und WC könne durchaus auch an Dritte, beispielsweise Studenten vermietet werden. Der vorliegende Sachverhalt, wenn ein "Kind" nach Vollendung des 42. Lebensjahres nach der Trennung vom Ehegatten wieder in das Haus der Eltern einziehe, sei anders zu beurteilen, als Fälle, in denen ein "Kinderzimmermietvertrag" nach dem 18. Geburtstag vorgelegt werde. Eine wirksame Zahlungsverpflichtung liege wegen des wirksamen Mietvertrags vor.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. Oktober 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 11. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2010 zu verurteilen, monatlich weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 225 EUR im Zeitraum vom 15.6.2009 bis 31.5.2010 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat im Erörterungstermin vom 6.9.2012 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Mutter des Klägers, Frau S. B., als Zeugin. Die Zeugin hat u.a. erklärt, dass der betreffende Raum noch nie an Dritte vermietet und es im Sommer 2009 das erste Mal gewesen sei, dass ein Mietvertrag über diese Räumlichkeiten abgeschlossen worden sei; man sei vorher in keiner Notsituation gewesen. Als der Sohn zurückgekommen sei, habe sie zu ihm gesagt, er könne zunächst bei den Eltern unterkommen und in diesem Zusammenhang hätte man überlegt, wie man ihre Rente aufstocken könne. Wegen der Miethöhe habe man sich über die entsprechende Angemessenheitsgrenze informiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift (Bl. 28 Gerichtsakte) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG.
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
I.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.
II.
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen und zutreffend entschieden, dass die Kläger keiner wirksamen rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung von Miete ausgesetzt sind. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
Das mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren auf höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch haben die Kläger in zulässiger Weise auf höhere KdU-Leistungen begrenzt, dies im Erörterungstermin vom 6.9.2012 auch noch einmal ausdrücklich bekräftigt und auch den streitgegenständlichen Zeitraum (15.6.2009 bis 31.5.2010) klargestellt. Bei einem Streit um höhere SGB II-Leistungen sind zwar grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 9/06 R = SozR 4-4300 § 428 Nr. 3). Eine Begrenzung des Streitgegenstandes ist jedoch zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte i.S. des § 31 SGB X) enthält (BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei der Leistungsbewilligung zur Deckung der KdU-Bedarfe als Teil der Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. jetzt des Alg II gemäß §§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 19 Abs. 1, 22 Abs. 1 SGB II, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes zulässig ist (siehe BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R aaO).
Ein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung besteht nicht, weder in Form der geltend gemachten Kaltmiete in Höhe von monatlich 225 EUR, noch in Form höherer Nebenkosten.
Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der im streitgegenständlichen Streitraum gültigen Fassung werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen er-bracht, soweit diese angemessen sind. Zur Überzeugung des Senats haben die Kläger lediglich tatsächliche Aufwendungen in Höhe von (anteilig) 39,65 EUR monatlich an den Nebenkosten zu tragen, welche vom Beklagten auch geleistet werden. Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht, da die Kläger keiner wirksamen Zahlungsverpflichtung aus einem Mietvertrag ausgesetzt waren. Der vorgelegte "Mietvertrag" ist zur Überzeugung des Senats als Scheingeschäft (§ 117 Bürgerliches Gesetzbuch) zu qualifizieren.
Das von den Klägern bewohnte möblierte Zimmer ist eine Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Eine Unterkunft im Sinne des SGB II ist eine Einrichtung oder Anlage, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre gewährleistet (BSG, Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 79/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 39 RdNr. 11). In der vorliegenden Konstellation gilt kein abweichender Unterkunftsbegriff.
Die Unterkunft ist den Klägern allerdings zur Überzeugung des Senats von der Mutter des Klägers Ziff. 1 nicht unter der Voraussetzung zur Nutzung überlassen worden, dass die Kläger Miete zahlen müssen. Ob ein wirksames Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen vorliegt, oder ob es sich um ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) handelt, beurteilt sich nach den tatrichterlichen Feststellungen der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BSG, Urteile vom 3.3.2009 – B 4 AS 37/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 15 RdNr. 27; 7.5.2009 – B 14 AS 31/07 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 21 RdNr. 20; 20.8.2009 – B 14 AS 34/08 R = ZFSH/SGB 2009, 681). Dabei kann nicht schematisch auf die Vergleichselemente eines "Fremdvergleichs" zurückgegriffen werden. Wie sonst unter Dritten auch, muss aber der Leistungsberechtigte einer wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt sein (BSG, Urteile vom 3.3.2009 – B 4 AS 37/08 R aaO; 20.8.2009 – B 14 AS 34/08 R aaO) und diesbezüglich kommt es auf die Glaubwürdigkeit der vorgetragenen Tatsachen und auf die feststellbaren Indizien an.
Es fehlt vorliegend an den für einen Mietvertrag charakteristischen Hauptpflichten, welche sich aus § 535 BGB ergeben. Gemäß § 535 Abs. 2 BGB ist der Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Eine solche Verpflichtung der Kläger, insbesondere des Klägers Ziff. 1, hat zur freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Senats zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Diese Überzeugung schöpft der Senat aus den folgenden Indizien und Umständen des Einzelfalles, die für die richterliche Überzeugung leitend waren (§ 128 Abs. 1 Satz 2 SGG) und die Gegenstand der eingehenden Erörterung mit den Beteiligten am 6.9.2012 waren: Der den Klägern überlassene Wohnraum ist zuvor noch nie vermietet worden. Das ist das gewichtigste Indiz, dass vorliegend auch keine Vermietung vorliegt. Der Kläger Ziff. 1 ist 1994 ausgezogen und 2009 zurückgekehrt. Es ist nicht glaubhaft, dass Eltern anlässlich der Rückkehr des eigenen Kindes vorhandenen Wohnraum im eigenen Haus erstmalig kommerzialisieren. Die Tatsache, dass der Kläger Ziff. 1 gegenüber dem Beklagten wahrheitswidrig eine vorherige Vermietung an Dritte behauptet hat, spricht insofern Bände. Auch die Klägerseite ist sich also darüber im Klaren, dass dieser Punkt zentrale Bedeutung hat. Auch das Ausschöpfen der Angemessenheitsgrenze des kommunalen Trägers bis ganz nach oben, über die man sich im Vorfeld nach Aussage der Zeugin B. informiert hatte, ist im Rahmen eines familienhaften Mietverhältnisses zwischen Eltern und Kind höchst ungewöhnlich. Es wäre viel eher zu erwarten gewesen, dass man dem eigenen Kind hier etwas nachlässt, denn zwischen Verwandten ist wegen der familiären Verbundenheit ein niedrigerer Mietzins üblich (vgl. dazu auch BSG 3.3.2009 - B 4 AS 37/08 R aaO RdNr. 27), zumal vorliegend die Unterkunft keine eigene Küche hat und auch insoweit ein Abschlag zu erwarten gewesen wäre. Die Zeugin B. hat im Rahmen ihrer Aussage im Erörterungstermin vom 6.9.2012 deutlich gemacht, dass der eigentliche Schuldner von Anfang an der Beklagte und nicht ihr Sohn sein sollte. Soweit sich der Bevollmächtigte des Beklagten im Erörterungstermin dahingehend geäußert hat, dass nach der Aussage der Zeugin durchaus von einem ernstlichen Mietverlangen gesprochen werden könne, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Nicht jedes ernstliche Geldverlangen - hieran wird es in diesen Fällen in der Regel nicht fehlen - ist auch ein ernstliches Mietzinsverlangen. Es ist vielmehr deutlich geworden, dass die wesentlichen Vertragsinhalte eines Mietvertrages nach § 535 BGB nicht vorliegen, denn der Kläger Ziff. 1 ist keiner Zahlungsverpflichtung ausgesetzt. Die Zeugin hat während eines Zeitraums von 3 Jahren keinerlei Anstalten gemacht, den Kläger Ziff. 1 ernstlich an die Erfüllung seiner Pflichten aus dem angeblichen Mietvertrag anzuhalten, ihm beispielsweise eine Zahlungsfrist zu setzen oder die Kündigung in Aussicht zu stellen. Anlass hätte dazu insbesondere bestanden, als dem Kläger Ziff. 1 von dem Beklagten ein Betrag von 920 EUR für eine Wohnungserstausstattung einer zwar angemieteten aber nie bezogenen Wohnung in der Ertinger Str. 8 in D. zugeflossen ist, mithin Liquidität vorhanden war, denn eine Erstausstattung für die nicht bezogene andere Wohnung wurde nicht benötigt. Das Schreiben des Vaters an den Kläger vom 13.8.2009, in dem dieser seinen Sohn an die angeblich fällige Mietzahlung erinnert, ist schon von der Form her rätselhaft; überdies war der Vater nach dem Vorbringen des Klägers und der Zeugin B. ohnehin weder der Hauseigentümer noch der "Vermieter". Auch das Verhalten des Klägers ist insoweit eindeutig. Er hat im Erörterungstermin vom 6.9.2012 erklärt, er habe ausschließlich die vom Beklagten übernommenen Heiz-und Nebenkosten in Höhe von monatlich 39,56 EUR an seine Mutter weitergeleitet. Es hätte nahegelegen, von den nicht benötigten zugeflossenen 920 EUR einen Teil der angeblichen Mietrückstände zu begleichen, zumal der Kläger mehrfach und nachdrücklich die Auffassung geäußert hat, dass Verträge einzuhalten seien (vgl. etwa Bl. 16 Gerichtsakte und die dortigen 61 Ausrufezeichen). Dies scheint indes für den Kläger Ziff. 1 nur zu gelten, soweit Dritte für seine Verpflichtungen aufkommen sollen. Der Kläger Ziff. 1 und die Zeugin B. haben zur Überzeugung des Senats von Anfang an den Beklagten als den eigentlichen Schuldner des Mietvertrags angesehen und daher hat der Kläger Ziff. 1 "folgerichtig" auch dann, als er selbst wegen des Zuflusses der 920 EUR leistungsfähig war, keine Veranlassung gesehen, seine Mietschulden zu begleichen. Die Zeugin B. hat ergänzend mitgeteilt, dass die Motivation für den Abschluss des Mietvertrags die Aufstockung ihrer Rente gewesen ist und wenn sie ihr Geld vom Staat jetzt nicht bekomme, dann eben nicht. Im ganzen Erörterungstermin vom 6.9.2012 ist aus den Aussagen des Klägers und seiner Mutter nichts, aber auch gar nichts deutlich geworden, was auch nur ansatzweise den tatsächlichen Verpflichtungen eines Mieters aus einem Mietvertrag nach § 535 BGB nahekommt. Der vorgelegte Mietvertrag ist ein Scheingeschäft und im Rahmen von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unbeachtlich, da der Kläger Ziff. 1 keiner ernstlichen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt ist.
Die von den Klägern tatsächlich anteilig zu tragenden Heiz- und Nebenkosten in Höhe von monatlich 39,65 EUR werden vom Beklagten in zutreffender Weise übernommen. Höhere Heiz- oder Nebenkosten sind nicht nachgewiesen. Auch insofern besteht kein Anspruch auf höhere KdU-Leistungen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom 15.6.2009 bis zum 31.5.2010 haben.
Der Kläger Ziff. 1 ist 1967 geboren und lebte bis 14.6.2009 mit seiner Ehegattin und den gemeinsamen Kindern in Sachsen. Nachdem die Eheleute sich getrennt hatten, zog er am 14.6.2009 in den G., 8 in das im Eigentum seiner Eltern stehende Haus ein. Die Eltern leben ebenfalls in diesem Haus. Der Kläger Ziff. 2, der Sohn des Klägers Ziff. 1, zog am 1.9.2009 nach.
Am 15.6.2009 beantragte der Kläger Ziff. 1 bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und gab unter anderem an, dass seine 4 Kinder weiter bei der Mutter leben würden und er selbst über kein Einkommen oder Vermögen verfüge. Er sei von 1995 bis 2004 Hausmann gewesen, habe nicht mehr gearbeitet und sei über die Familienversicherung seiner Ehegattin krankenversichert gewesen. Er legte einen "Mietvertrag" vor, datiert vom 30.5.2009, unterzeichnet von ihm und seiner Mutter als Vermieterin. Dort heißt es unter anderem: "Vermietet wird im Haus G. 8 ein Zimmer (ca. 40 m²) im OG. Anbau samt Dusche/WC. Vereinbart wird weiterhin Mitbenutzung von Einfahrt, Terrasse, Küche und Waschküche im Einvernehmen mit dem Vermieter (d.h. dieser genießt das Vorrecht).
Die Vermietung beginnt am 1.6.2009 und endet ohne besondere Kündigung am 31.5.2010. Sollte der Mieter einen Arbeitsplatz finden, wird über die Mietdauer eine neue Vereinbarung getroffen werden können.
Die Miete beträgt 2700 EUR plus pauschale Heizkosten 240 EUR plus pauschale Nebenkosten 240 EUR. Es ist zum Monatsanfang jeweils 265 EUR einzuzahlen auf Konto [ ...]".
Er legte desweiteren ein Schreiben seines Vaters vom 13.8.2009 vor, in welchem es heißt:
" Sehr geehrter Herr Andreas-B.!
Ich darf sie daran erinnern, dass bis dato noch keine Miete bezahlt wurde.
Mit freundlichen Grüßen"
Im Rahmen einer Vorsprache am 16.9.2009 (Bl. 41 Verwaltungsakte) teilte der Kläger mit, dass er mit seinen Eltern nicht in einer Haushalt- oder Bedarfsgemeinschaft lebe. Den Wohnraum im Elternhaus, den er jetzt angemietet habe, hätten seine Eltern in der Vergangenheit schon häufiger an Dritte fremdvermietet.
Nachdem der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 7.10.2009 mitgeteilt hatte, dass man beabsichtige, den Antrag wegen einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II abzulehnen, bekräftigten sowohl der Kläger Ziff. 1 als auch seine Eltern nochmals gegenüber dem Beklagten, dass nicht aus einem Topf gewirtschaftet werde.
Mit Bescheid vom 11.11.2009 (Bl. 74 Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte den Klägern ab dem 15.6.2009 bis zum 31.5.2010 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und berücksichtigte dabei für den Kläger Ziff. 1 die Regelleistung in Höhe von 359 EUR, für den Kläger Ziff. 2 Sozialgeld nach § 28 SGB II a.F.in Höhe von 251 EUR (hierauf werden Kindergeld und Unterhaltsvorschuss angerechnet). Desweiteren wurde für den Kläger Ziff. 2 ein Kindergartenbeitrag in Höhe von 92 EUR berücksichtigt. Als Kosten der Unterkunft wurden (kopfteilig) monatliche Heizungskosten in Höhe von 23 EUR sowie monatliche Nebenkosten in Höhe von 16,65 EUR berücksichtigt. Nicht anerkannt wurde die Kaltmiete in Höhe von monatlich 225 EUR.
Hiergegen erhoben die Kläger am 2.12.2009 Widerspruch. Auch die Kaltmiete sei zu berücksichtigen. Außerdem habe der Kläger Ziff. 2 schwere Neurodermitis und benötige einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung.
Mit Teilabhilfebescheid vom 26.1.2010 (Bl. 90 Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte dem Kläger Ziff. 1 ab dem 1.9.2009 einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung (129 EUR/Monat) und dem Kläger Ziff. 2 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (25,56 EUR/Monat).
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.1.2010 wurde der Widerspruch wegen der noch verbleibenden KdU/Kaltmiete als unbegründet zurückgewiesen. Es könnten nur tatsächlich anfallende Unterkunftskosten übernommen werden. Nachgewiesen und anerkannt worden seien Nebenkosten in Höhe von anteilig 16,65 EUR und Heizkosten von anteilig 23 EUR. Zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit könnten auch anteilige Müllgebühren übernommen werden. Nicht übernommen werden könne jedoch die Kaltmiete in Höhe von EUR 225 aus dem Mietvertrag. Dieser Mietvertrag werde nicht akzeptiert, da schon keine abtrennbare Wohnung vermietet werde. Anders sei der Fall zu bewerten, wenn der Kläger eine separate Wohnung im Haus seiner Eltern angemietet hätte.
Hiergegen haben die Kläger am 8.2.2010 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, dass ein wirksamer Mietvertrag vorliege. Der Kläger Ziff. 1 sei einer wirksamen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt. Er legte auch Nachweise über die bisher an seine Mutter geleisteten Zahlungen vor (monatlich 39,65 EUR, vgl. Bl. 22, 34 SG-Akte).
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung einer Zeugenaussage der Mutter des Klägers auf schriftlichem Weg. Die Zeugin B. hat mit Schreiben vom 11.9.2010 (Bl. 31 SG-Akte) mitgeteilt, dass sie Eigentümerin der Immobilie sei. Die Kläger würden einen Teil des Hauses bewohnen (ein 41m² großes möbliertes Zimmer samt separatem Bad mit Dusche und WC, das jederzeit auch an Dritte vermietet werden könnte). Bei der Vereinbarung der Kaltmiete hätte man sich an dem von der Gemeinde Sch. bereitgestellten Mietspiegel orientiert. Die Miete sei derzeit gestundet, bis der Beklagte nach entsprechender gerichtlicher Feststellung die Mietforderungen begleichen werde. Vom Kläger Ziff. 1 habe sie bisher selbstverständlich Null EUR erhalten. Verschiedene Zahlungseingänge in Höhe von 39,65 EUR hätten sich als Mietzahlungen des Beklagten entpuppt.
Zwischenzeitlich hat der Kläger einen weiteren Mietvertrag für eine Wohnung in der E. Str. 8 in D. unterzeichnet. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 5.5.2011 einem Umzug zugestimmt und die dortige Kaltmiete in Höhe von 300 EUR/Monat anerkannt und mit Bescheid vom 6.5.2011 für Wohnungserstausstattung einen Betrag in Höhe von 920 EUR an die Kläger bewilligt und ausgezahlt. In diese neue Wohnung sind die Kläger indes nie eingezogen.
Mit Urteil vom 12.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten sei rechtmäßig. Die Kläger hätten in zulässiger Weise ihren Klagantrag auf höhere KdU beschränkt. Sie hätten keinen Anspruch auf höhere KdU, denn sie hätten im streitgegenständlichen Zeitraum keine tatsächlichen Aufwendungen in Höhe der behaupteten Kaltmiete zu erbringen gehabt, so dass kein Anspruch bestehe. Es liege zur Überzeugung des Gerichts keine wirksame rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Miete vor. Hierfür sei zumindest erforderlich, dass ein Leistungsberechtigter selbst über einen abgetrennten Wohnraum verfüge. Die Kläger würden aber nicht über einen abgeschlossenen Wohnraum im Haus der Eltern des Klägers Ziff. 1 verfügen. Beim Zusammenwohnen von Eltern und Kindern unter einer gemeinsamen Adresse sei solange nicht von einer wirksamen rechtlichen Verpflichtung von Zahlung an Miete an die Eltern auszugehen, solange die Kinder nicht über einen abgeschlossenen, abgetrennten Wohnraum verfügten, weil ansonsten eine Abgrenzung zur Haushaltsgemeinschaft nicht mehr möglich wäre.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 31.10.2011 zugestellte Urteil des SG haben die Kläger am 29.11.2011 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Das SG sei von einem zu engen Begriff der Unterkunft ausgegangen. Eine Unterkunft liege nicht nur dann vor, wenn eine abgegrenzte mit einem eigenen Eingang versehene Wohnung gegeben sei. Bei dem von Ihnen bewohnten Zimmer handle es sich um eine Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Das Zimmer mit Dusche und WC könne durchaus auch an Dritte, beispielsweise Studenten vermietet werden. Der vorliegende Sachverhalt, wenn ein "Kind" nach Vollendung des 42. Lebensjahres nach der Trennung vom Ehegatten wieder in das Haus der Eltern einziehe, sei anders zu beurteilen, als Fälle, in denen ein "Kinderzimmermietvertrag" nach dem 18. Geburtstag vorgelegt werde. Eine wirksame Zahlungsverpflichtung liege wegen des wirksamen Mietvertrags vor.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. Oktober 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 11. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2010 zu verurteilen, monatlich weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 225 EUR im Zeitraum vom 15.6.2009 bis 31.5.2010 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat im Erörterungstermin vom 6.9.2012 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Mutter des Klägers, Frau S. B., als Zeugin. Die Zeugin hat u.a. erklärt, dass der betreffende Raum noch nie an Dritte vermietet und es im Sommer 2009 das erste Mal gewesen sei, dass ein Mietvertrag über diese Räumlichkeiten abgeschlossen worden sei; man sei vorher in keiner Notsituation gewesen. Als der Sohn zurückgekommen sei, habe sie zu ihm gesagt, er könne zunächst bei den Eltern unterkommen und in diesem Zusammenhang hätte man überlegt, wie man ihre Rente aufstocken könne. Wegen der Miethöhe habe man sich über die entsprechende Angemessenheitsgrenze informiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift (Bl. 28 Gerichtsakte) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG.
Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
I.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.
II.
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen und zutreffend entschieden, dass die Kläger keiner wirksamen rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung von Miete ausgesetzt sind. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
Das mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren auf höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch haben die Kläger in zulässiger Weise auf höhere KdU-Leistungen begrenzt, dies im Erörterungstermin vom 6.9.2012 auch noch einmal ausdrücklich bekräftigt und auch den streitgegenständlichen Zeitraum (15.6.2009 bis 31.5.2010) klargestellt. Bei einem Streit um höhere SGB II-Leistungen sind zwar grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 23.11.2006 – B 11b AS 9/06 R = SozR 4-4300 § 428 Nr. 3). Eine Begrenzung des Streitgegenstandes ist jedoch zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen (Verwaltungsakte i.S. des § 31 SGB X) enthält (BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Um eine derartige abtrennbare Verfügung handelt es sich bei der Leistungsbewilligung zur Deckung der KdU-Bedarfe als Teil der Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. jetzt des Alg II gemäß §§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 19 Abs. 1, 22 Abs. 1 SGB II, sodass eine Beschränkung des Streitgegenstandes zulässig ist (siehe BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R aaO).
Ein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung besteht nicht, weder in Form der geltend gemachten Kaltmiete in Höhe von monatlich 225 EUR, noch in Form höherer Nebenkosten.
Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der im streitgegenständlichen Streitraum gültigen Fassung werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen er-bracht, soweit diese angemessen sind. Zur Überzeugung des Senats haben die Kläger lediglich tatsächliche Aufwendungen in Höhe von (anteilig) 39,65 EUR monatlich an den Nebenkosten zu tragen, welche vom Beklagten auch geleistet werden. Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht, da die Kläger keiner wirksamen Zahlungsverpflichtung aus einem Mietvertrag ausgesetzt waren. Der vorgelegte "Mietvertrag" ist zur Überzeugung des Senats als Scheingeschäft (§ 117 Bürgerliches Gesetzbuch) zu qualifizieren.
Das von den Klägern bewohnte möblierte Zimmer ist eine Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Eine Unterkunft im Sinne des SGB II ist eine Einrichtung oder Anlage, die geeignet ist, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre gewährleistet (BSG, Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 79/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 39 RdNr. 11). In der vorliegenden Konstellation gilt kein abweichender Unterkunftsbegriff.
Die Unterkunft ist den Klägern allerdings zur Überzeugung des Senats von der Mutter des Klägers Ziff. 1 nicht unter der Voraussetzung zur Nutzung überlassen worden, dass die Kläger Miete zahlen müssen. Ob ein wirksames Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen vorliegt, oder ob es sich um ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) handelt, beurteilt sich nach den tatrichterlichen Feststellungen der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BSG, Urteile vom 3.3.2009 – B 4 AS 37/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 15 RdNr. 27; 7.5.2009 – B 14 AS 31/07 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 21 RdNr. 20; 20.8.2009 – B 14 AS 34/08 R = ZFSH/SGB 2009, 681). Dabei kann nicht schematisch auf die Vergleichselemente eines "Fremdvergleichs" zurückgegriffen werden. Wie sonst unter Dritten auch, muss aber der Leistungsberechtigte einer wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt sein (BSG, Urteile vom 3.3.2009 – B 4 AS 37/08 R aaO; 20.8.2009 – B 14 AS 34/08 R aaO) und diesbezüglich kommt es auf die Glaubwürdigkeit der vorgetragenen Tatsachen und auf die feststellbaren Indizien an.
Es fehlt vorliegend an den für einen Mietvertrag charakteristischen Hauptpflichten, welche sich aus § 535 BGB ergeben. Gemäß § 535 Abs. 2 BGB ist der Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Eine solche Verpflichtung der Kläger, insbesondere des Klägers Ziff. 1, hat zur freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Senats zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Diese Überzeugung schöpft der Senat aus den folgenden Indizien und Umständen des Einzelfalles, die für die richterliche Überzeugung leitend waren (§ 128 Abs. 1 Satz 2 SGG) und die Gegenstand der eingehenden Erörterung mit den Beteiligten am 6.9.2012 waren: Der den Klägern überlassene Wohnraum ist zuvor noch nie vermietet worden. Das ist das gewichtigste Indiz, dass vorliegend auch keine Vermietung vorliegt. Der Kläger Ziff. 1 ist 1994 ausgezogen und 2009 zurückgekehrt. Es ist nicht glaubhaft, dass Eltern anlässlich der Rückkehr des eigenen Kindes vorhandenen Wohnraum im eigenen Haus erstmalig kommerzialisieren. Die Tatsache, dass der Kläger Ziff. 1 gegenüber dem Beklagten wahrheitswidrig eine vorherige Vermietung an Dritte behauptet hat, spricht insofern Bände. Auch die Klägerseite ist sich also darüber im Klaren, dass dieser Punkt zentrale Bedeutung hat. Auch das Ausschöpfen der Angemessenheitsgrenze des kommunalen Trägers bis ganz nach oben, über die man sich im Vorfeld nach Aussage der Zeugin B. informiert hatte, ist im Rahmen eines familienhaften Mietverhältnisses zwischen Eltern und Kind höchst ungewöhnlich. Es wäre viel eher zu erwarten gewesen, dass man dem eigenen Kind hier etwas nachlässt, denn zwischen Verwandten ist wegen der familiären Verbundenheit ein niedrigerer Mietzins üblich (vgl. dazu auch BSG 3.3.2009 - B 4 AS 37/08 R aaO RdNr. 27), zumal vorliegend die Unterkunft keine eigene Küche hat und auch insoweit ein Abschlag zu erwarten gewesen wäre. Die Zeugin B. hat im Rahmen ihrer Aussage im Erörterungstermin vom 6.9.2012 deutlich gemacht, dass der eigentliche Schuldner von Anfang an der Beklagte und nicht ihr Sohn sein sollte. Soweit sich der Bevollmächtigte des Beklagten im Erörterungstermin dahingehend geäußert hat, dass nach der Aussage der Zeugin durchaus von einem ernstlichen Mietverlangen gesprochen werden könne, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Nicht jedes ernstliche Geldverlangen - hieran wird es in diesen Fällen in der Regel nicht fehlen - ist auch ein ernstliches Mietzinsverlangen. Es ist vielmehr deutlich geworden, dass die wesentlichen Vertragsinhalte eines Mietvertrages nach § 535 BGB nicht vorliegen, denn der Kläger Ziff. 1 ist keiner Zahlungsverpflichtung ausgesetzt. Die Zeugin hat während eines Zeitraums von 3 Jahren keinerlei Anstalten gemacht, den Kläger Ziff. 1 ernstlich an die Erfüllung seiner Pflichten aus dem angeblichen Mietvertrag anzuhalten, ihm beispielsweise eine Zahlungsfrist zu setzen oder die Kündigung in Aussicht zu stellen. Anlass hätte dazu insbesondere bestanden, als dem Kläger Ziff. 1 von dem Beklagten ein Betrag von 920 EUR für eine Wohnungserstausstattung einer zwar angemieteten aber nie bezogenen Wohnung in der Ertinger Str. 8 in D. zugeflossen ist, mithin Liquidität vorhanden war, denn eine Erstausstattung für die nicht bezogene andere Wohnung wurde nicht benötigt. Das Schreiben des Vaters an den Kläger vom 13.8.2009, in dem dieser seinen Sohn an die angeblich fällige Mietzahlung erinnert, ist schon von der Form her rätselhaft; überdies war der Vater nach dem Vorbringen des Klägers und der Zeugin B. ohnehin weder der Hauseigentümer noch der "Vermieter". Auch das Verhalten des Klägers ist insoweit eindeutig. Er hat im Erörterungstermin vom 6.9.2012 erklärt, er habe ausschließlich die vom Beklagten übernommenen Heiz-und Nebenkosten in Höhe von monatlich 39,56 EUR an seine Mutter weitergeleitet. Es hätte nahegelegen, von den nicht benötigten zugeflossenen 920 EUR einen Teil der angeblichen Mietrückstände zu begleichen, zumal der Kläger mehrfach und nachdrücklich die Auffassung geäußert hat, dass Verträge einzuhalten seien (vgl. etwa Bl. 16 Gerichtsakte und die dortigen 61 Ausrufezeichen). Dies scheint indes für den Kläger Ziff. 1 nur zu gelten, soweit Dritte für seine Verpflichtungen aufkommen sollen. Der Kläger Ziff. 1 und die Zeugin B. haben zur Überzeugung des Senats von Anfang an den Beklagten als den eigentlichen Schuldner des Mietvertrags angesehen und daher hat der Kläger Ziff. 1 "folgerichtig" auch dann, als er selbst wegen des Zuflusses der 920 EUR leistungsfähig war, keine Veranlassung gesehen, seine Mietschulden zu begleichen. Die Zeugin B. hat ergänzend mitgeteilt, dass die Motivation für den Abschluss des Mietvertrags die Aufstockung ihrer Rente gewesen ist und wenn sie ihr Geld vom Staat jetzt nicht bekomme, dann eben nicht. Im ganzen Erörterungstermin vom 6.9.2012 ist aus den Aussagen des Klägers und seiner Mutter nichts, aber auch gar nichts deutlich geworden, was auch nur ansatzweise den tatsächlichen Verpflichtungen eines Mieters aus einem Mietvertrag nach § 535 BGB nahekommt. Der vorgelegte Mietvertrag ist ein Scheingeschäft und im Rahmen von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unbeachtlich, da der Kläger Ziff. 1 keiner ernstlichen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt ist.
Die von den Klägern tatsächlich anteilig zu tragenden Heiz- und Nebenkosten in Höhe von monatlich 39,65 EUR werden vom Beklagten in zutreffender Weise übernommen. Höhere Heiz- oder Nebenkosten sind nicht nachgewiesen. Auch insofern besteht kein Anspruch auf höhere KdU-Leistungen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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