Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 41 AS 3928/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 2150/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 06. November 2012 über die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird voll umfänglich abgelehnt. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt D beigeordnet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat auch in der Sache Erfolg. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht teilweise entsprochen. Die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes liegen nicht vor.
Gemäß § 86b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches auf die beantragte Leistung - einen Anordnungsgrund - im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Eilbedürftigkeit in diesem Sinne liegt in der Regel nur dann vor, wenn gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende wesentliche Nachteile drohen, deren Eintritt durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht wieder gut gemacht werden könnte, so dass ein weiteres Abwarten unzumutbar wäre. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Es fehlt hier bereits an einem Anordnungsgrund, so dass offen bleiben konnte, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Ein Anordnungsgrund liegt nicht vor, weil keine schwerwiegenden und nachträglich nicht wieder gut zu machenden wesentlichen Nachteile ersichtlich sind, wenn die Antragsteller zur Durchsetzung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zur finanziellen Absicherung des Existenzminimums der Antragsteller nicht erforderlich.
Nach den Feststellungen des Sozialgerichts verfügen die Antragsteller derzeit über monatliches Einkommen in Höhe von 484,- Euro (Elterngeld 300 Euro sowie Kindergeld 184 Euro). Ihr Bedarf nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch - SGB II - beträgt (ohne Kosten der Unterkunft) insgesamt 593,- Euro. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Regelleistung für die Antragstellerin zu 1) in Höhe von 374,- Euro und Sozialgeld in Höhe von 219 Euro für den Antragsteller zu 2). Es liegt damit derzeit eine Bedarfsunterdeckung von 109,- Euro monatlich vor. Dieser Betrag ist geringer als die Absenkung, die sich bei einer um 30 % verminderten Regelleistung der Antragstellerin zu 1) für die Bedarfsgemeinschaft ergäbe.
Eine Bedarfsunterdeckung in dieser Höhe ist für einen vorübergehenden Zeitraum zumutbar und erfordert insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit einer vorläufigen Regelung die Hauptsache nicht tatsächlich oder faktisch vorweggenommen werden soll, nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Regelbedarf nach dem SGB II dient zwar grundsätzlich der Sicherstellung des sozio-kulturellen Existenzminimums, dies schließt aber eine vorübergehende Absenkung schon deshalb nicht aus, weil in der Regelleistung auch Ansparbeträge für einmalige Bedarfe enthalten sind und damit nach den gesetzlichen Vorgaben nicht die gesamte Regelleistung zum aktuellen Verbrauch bestimmt ist. Zudem ist in einem beschränkten Zeitraum der Bezug einer um 30 % verminderten Regelleistung auch deshalb als zumutbar anzusehen, weil eine Herabsetzung in dieser Höhe Rechtsfolge bei Pflichtverletzungen (siehe § 31a Abs. 1 SGB II) sein kann, wobei nach den Vorgaben des Gesetzes erst bei einer Minderung um mehr als 30 % auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzend Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind (siehe § 31 a Abs. 3 Satz 1 SGB II). Dabei war im vorliegenden Verfahren außerdem zu berücksichtigen, dass die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht haben, dass ihnen keine weiteren finanziellen Mittel aktuell zur Verfügung stehen oder für sie jedenfalls kurzfristig erreichbar sind. Im Verwaltungsverfahren war von ihnen angegeben worden, Unterhalt vom erwerbstätigen Vater des Antragstellers zu 2) zu erhalten. Auf wiederholte ausdrückliche Nachfrage des erst- sowie des zweitinstanzlichen Gerichts haben sie ohne nähere Ausführungen den Empfang von Unterhaltszahlungen nunmehr verneint. Aufgrund der anderslautenden früheren Angaben wären zur Glaubhaftmachung von Bedürftigkeit insoweit aber nähere Ausführungen dazu erforderlich gewesen, warum Unterhaltszahlungen nun nicht mehr erfolgen und auch Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht zeitnah zur Beseitigung der ohnehin nur geringen Bedarfsunterdeckung erlangt werden können.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch nicht zur Sicherstellung angemessenen Krankenversicherungsschutzes der Antragsteller notwendig. Die Antragsteller sind seit ihrem Zuzug ins Bundesgebiet versicherungspflichtig gemäß § 5 Abs.1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - (zur Abgrenzung dieser Versicherungspflicht zum Anspruch auf Hilfen zur Gesundheit nach dem 5. Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - siehe LSG NRW Urteil vom 19.11.2009, Az L 16 (11) KR 54/08). Dies führt zwar gemäß § 252 in Verbindung mit § 250 Abs. 3 SGB V zu einer Beitragspflicht der Mitglieder, aber auch bei einem Zahlungsverzug entfällt jedenfalls nicht der Anspruch auf Versicherungsschutz für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Auch diese Leistungsbeschränkung entfällt, wenn Versicherte im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches hilfebedürftig werden (§ 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V).
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 119 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung i.V.m. § 73 a SGG.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Mit dieser Entscheidung hat sich der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung gemäß § 199 Abs. 2 SGG erledigt.
Dieser Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat auch in der Sache Erfolg. Das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht teilweise entsprochen. Die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes liegen nicht vor.
Gemäß § 86b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches auf die beantragte Leistung - einen Anordnungsgrund - im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Eilbedürftigkeit in diesem Sinne liegt in der Regel nur dann vor, wenn gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende wesentliche Nachteile drohen, deren Eintritt durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht wieder gut gemacht werden könnte, so dass ein weiteres Abwarten unzumutbar wäre. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Es fehlt hier bereits an einem Anordnungsgrund, so dass offen bleiben konnte, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Ein Anordnungsgrund liegt nicht vor, weil keine schwerwiegenden und nachträglich nicht wieder gut zu machenden wesentlichen Nachteile ersichtlich sind, wenn die Antragsteller zur Durchsetzung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zur finanziellen Absicherung des Existenzminimums der Antragsteller nicht erforderlich.
Nach den Feststellungen des Sozialgerichts verfügen die Antragsteller derzeit über monatliches Einkommen in Höhe von 484,- Euro (Elterngeld 300 Euro sowie Kindergeld 184 Euro). Ihr Bedarf nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch - SGB II - beträgt (ohne Kosten der Unterkunft) insgesamt 593,- Euro. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Regelleistung für die Antragstellerin zu 1) in Höhe von 374,- Euro und Sozialgeld in Höhe von 219 Euro für den Antragsteller zu 2). Es liegt damit derzeit eine Bedarfsunterdeckung von 109,- Euro monatlich vor. Dieser Betrag ist geringer als die Absenkung, die sich bei einer um 30 % verminderten Regelleistung der Antragstellerin zu 1) für die Bedarfsgemeinschaft ergäbe.
Eine Bedarfsunterdeckung in dieser Höhe ist für einen vorübergehenden Zeitraum zumutbar und erfordert insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit einer vorläufigen Regelung die Hauptsache nicht tatsächlich oder faktisch vorweggenommen werden soll, nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Regelbedarf nach dem SGB II dient zwar grundsätzlich der Sicherstellung des sozio-kulturellen Existenzminimums, dies schließt aber eine vorübergehende Absenkung schon deshalb nicht aus, weil in der Regelleistung auch Ansparbeträge für einmalige Bedarfe enthalten sind und damit nach den gesetzlichen Vorgaben nicht die gesamte Regelleistung zum aktuellen Verbrauch bestimmt ist. Zudem ist in einem beschränkten Zeitraum der Bezug einer um 30 % verminderten Regelleistung auch deshalb als zumutbar anzusehen, weil eine Herabsetzung in dieser Höhe Rechtsfolge bei Pflichtverletzungen (siehe § 31a Abs. 1 SGB II) sein kann, wobei nach den Vorgaben des Gesetzes erst bei einer Minderung um mehr als 30 % auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzend Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind (siehe § 31 a Abs. 3 Satz 1 SGB II). Dabei war im vorliegenden Verfahren außerdem zu berücksichtigen, dass die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht haben, dass ihnen keine weiteren finanziellen Mittel aktuell zur Verfügung stehen oder für sie jedenfalls kurzfristig erreichbar sind. Im Verwaltungsverfahren war von ihnen angegeben worden, Unterhalt vom erwerbstätigen Vater des Antragstellers zu 2) zu erhalten. Auf wiederholte ausdrückliche Nachfrage des erst- sowie des zweitinstanzlichen Gerichts haben sie ohne nähere Ausführungen den Empfang von Unterhaltszahlungen nunmehr verneint. Aufgrund der anderslautenden früheren Angaben wären zur Glaubhaftmachung von Bedürftigkeit insoweit aber nähere Ausführungen dazu erforderlich gewesen, warum Unterhaltszahlungen nun nicht mehr erfolgen und auch Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht zeitnah zur Beseitigung der ohnehin nur geringen Bedarfsunterdeckung erlangt werden können.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch nicht zur Sicherstellung angemessenen Krankenversicherungsschutzes der Antragsteller notwendig. Die Antragsteller sind seit ihrem Zuzug ins Bundesgebiet versicherungspflichtig gemäß § 5 Abs.1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - (zur Abgrenzung dieser Versicherungspflicht zum Anspruch auf Hilfen zur Gesundheit nach dem 5. Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - siehe LSG NRW Urteil vom 19.11.2009, Az L 16 (11) KR 54/08). Dies führt zwar gemäß § 252 in Verbindung mit § 250 Abs. 3 SGB V zu einer Beitragspflicht der Mitglieder, aber auch bei einem Zahlungsverzug entfällt jedenfalls nicht der Anspruch auf Versicherungsschutz für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Auch diese Leistungsbeschränkung entfällt, wenn Versicherte im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches hilfebedürftig werden (§ 16 Abs. 3a Satz 2 SGB V).
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 119 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung i.V.m. § 73 a SGG.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Mit dieser Entscheidung hat sich der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung gemäß § 199 Abs. 2 SGG erledigt.
Dieser Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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