Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 32 AS 3285/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 6/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
&8195; Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. November 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme von Kosten für die Versorgung mit verschiedenen Sehhilfen sowie mit Pflegemittel für Kontaktlinsen.
Der am XXXXX 1954 geborene Kläger bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er leidet an Anisometropie, d.h. an einem Zustand, bei dem das Sehvermögen der einzelnen Augen stark voneinander abweicht. Ein auf Versorgung mit Kontaktlinsen durch die zuständige Krankenkasse gerichteter Antrag blieb in Eil- und Hauptsacheverfahren erfolglos (Beschlüsse des Sozialgerichts Hamburg vom 1.3.2006, S 28 RK 113/06 ER, und des Landessozialgerichts Hamburg vom 4.10.2006, L 1 B 138/06 ER KR, sowie Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 15.7.2007, S 28 KR 114/06).
Am 14. Juli 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf den Ausgang der Verfahren gegen die Krankenkasse beim Beklagten die Übernahme der Kosten für die Anschaffung neuer Kontaktlinsen sowie der laufenden Aufwendungen für Pflegemittel, die er mit monatlich 15.- Euro bezifferte. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Oktober 2008 ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 25. November 2008 zurück: Da der geltend gemachte Bedarf nicht unter § 23 Abs. 1 oder Abs. 3 SGB II (in der seinerzeit geltenden Fassung, a.F.) falle, sei er aus der Regelleistung zu decken.
Mit der hiergegen am 17. Dezember 2008 erhobenen Klage hielt der Kläger an seinem Antrag fest und erweiterte sein Begehren auf die Übernahme der Kosten für den Ersatz seiner Lesebrille sowie seiner Sonnenschutzbrille im Fall einer Verschlechterung seines Sehvermögens sowie bei Verschleiß, Glasbruch oder Diebstahl. Das Sozialgericht, das zuvor Befundberichte der behandelnden Augenärztin Frau Dr. H. sowie der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums H1 eingeholt hatte, wies die Klage durch Urteil vom 12. November 2010 (dem Kläger zugestellt am 6. Dezember 2010) ab. Hinsichtlich der Kosten von Kontaktlinsen und Pflegemittel sei die Klage unbegründet. § 20 SGB II scheide als Anspruchsgrundlage aus, da einmalige Beihilfen dort nicht vorgesehen seien. Auch in § 23 Abs. 1 SGB II a.F. finde der Anspruch keine Stütze, denn der Kläger begehre ausdrücklich Zuschüsse und kein Darlehen. Bei dem geltend gemachten Bedarf nach neuen Kontaktlinsen handele es sich jedoch um eine einmalige und kurzfristige Bedarfsspitze, wie sie auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09) nur durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II a.F. zu decken seien. Der Bedarf nach Pflegemitteln verursache hingegen keine derart hohen Kosten, dass er nicht auch aus der Regelleistung bestritten werden könne. Entsprechendes gelte auch für einen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II, der die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umsetze. Hinsichtlich der Klageerweiterung sei die Klage unzulässig. Die hierin liegende Klageänderung (§ 99 des Sozialgerichtsgesetzes, SGG) sei nicht sachdienlich, denn es fehle an dem erforderlichen Vorverfahren.
Am 5. Januar 2011 hat der Kläger Berufung eingelegt und sein Begehren der Höhe nach teilweise konkretisiert. Er habe die Klage vor dem Sozialgericht lediglich um weitere Gegenstände ergänzt, die mit den Kontaktlinsen aus medizinischen Gründen eine Einheit bildeten. Eines Vorverfahrens habe es insoweit nicht bedurft, denn der Beklagte habe klar zu erkennen gegeben, dass er auch die Kosten für neue Brillen nicht übernehmen werde. In der Sache stützt der Kläger sein Begehren auf § 21 Abs. 4 SGB II Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Nr. 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Zwar habe er erneut entsprechende Leistungen von der zuständigen Krankenkasse verlangt, jedoch seien die begehrten Leistungen dort nicht zu erlangen, da sich seit seinem Antrag aus dem Jahr 2006 an der Rechtslage nichts geändert habe. Ohne Versorgung mit Kontaktlinsen sei er von der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausgeschlossen und könne auch nicht in Arbeit eingegliedert werden. &8195; Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. November 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2008 zu verurteilen,
1. die Kosten für die Anschaffung zweier neuer formstabiler Kontaktlinsen als Zuschuss zu übernehmen,
2. ihm um 15,00 Euro monatlich höhere laufende Leistungen seit dem 11. Juli 2008 zu zahlen,
3. an ihn weitere 172,75 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für richtig. Der im Berufungsverfahren erklärten Klageerweiterung hat er ausdrücklich widersprochen.
Der Senat hat am 21. November 2012 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die weiteren ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die auf eine Befriedigung einmaliger, gegenwärtiger und zukünftiger, Bedarfe gerichteten Anträge haben im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung die Wertgrenze aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht unterschritten, zumal mit ihnen auch solche Ansprüche geltend gemacht wurden, die damals noch unbeziffert waren. Überdies macht der Kläger eine zeitlich unbeschränkte Erhöhung der monatlich zu erbringenden Leistungen geltend, so dass auch der Tatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG erfüllt ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Versorgung mit Sehhilfen aus Mitteln der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Er hat auch keinen Anspruch auf höhere laufende Leistungen unter Berücksichtigung der laufenden Ausgaben für Pflegemitteln.
Der Senat ist nicht an einer Sachentscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung von Lese- und Sonnenschutzbrille gehindert. Die angefochtenen Entscheidungen des Beklagten waren im Rahmen einer am Empfängerhorizont orientierten Auslegung so zu verstehen, dass eine Versorgung mit Sehhilfen aus Mitteln der Grundsicherung für Arbeitssuche generell abgelehnt wurde. Somit war die Erweiterung seines Klageantrags vor dem Sozialgericht nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Klageänderung anzusehen und es hat auch nicht an einer vorherigen Befassung des Beklagten gefehlt. Die Umstellung der Anträge von der vor dem Sozialgericht beantragten Versorgung mit Sehhilfen auf die Erstattung inzwischen angefallener Auslagen gilt gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht als Klageänderung.
Der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten für Sehhilfen (Kontaktlinsen, Lese- und Sonnenschutzbrille) lässt sich nicht auf die vom Kläger für einschlägig gehaltene gesetzliche Grundlage des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX stützen. Nach § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Diese Voraussetzungen für die Anerkennung eines Mehrbedarfs liegen bereits deshalb nicht vor, weil der Kläger keine der in der Vorschrift näher bezeichneten Leistungen tatsächlich erhält. § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II stellt seinem ausdrücklichen Wortlaut nach darauf ab, dass eine der dort genannten Leistungen tatsächlich erbracht wird. Somit ist im Streit um einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II auch nicht zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine dieser Leistungen erfüllt sind (vgl. Münder, in: LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 21 Rn. 21; Herold-Tews, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 21 Rn. 19). Weiterhin gewährt die Vorschrift auf der Rechtsfolgenseite auch keinen Anspruch auf Übernahme einmaliger Aufwendungen, sondern – auch dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut – auf höhere laufende Leistungen. Bei den geltend gemachten Kosten für die Anschaffung von Sehhilfen handelt es sich indes nicht um einen derartigen laufenden Mehrbedarf. Aus denselben Gründen kommt auch eine Kostenübernahme nicht im Wege von § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht.
Ein Anspruch nach § 24 Abs. 1 SGB II, der zum 1. Januar 2011 an die Stelle des bisherigen § 23 Abs. 1 SGB II getreten ist, scheidet aus, da der Kläger ausdrücklich kein Darlehen, sondern eine zuschussweise Übernahme der Anschaffungskosten begehrt.
Der Anspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten für Sehhilfen lässt sich auch nicht auf § 73 SGB XII stützen, so dass eine Beiladung des für diese Leistung zuständigen Trägers unterbleiben konnte. Nach § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Das Bundessozialgericht hat insoweit bereits entschieden (Urteil vom 26.5.2011, B 14 AS 146/10 R), dass Bedarfe, die sich auf Krankenbehandlung im Sinne von § 27 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) richten, durch die gesetzliche Krankenversicherung sowie ergänzend durch den im Regelbedarf (§ 20 SGB II) enthaltenen Anteil für Eigenanteile und Rezeptgebühren (vgl. hierzu BT-Drs. 17/3404, 58) abgedeckt sind. Der in einer Sicherstellung ausreichender medizinischer Versorgung liegende Teil des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums wird in erster Linie durch die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt, die den Leistungsberechtigten einen Anspruch auf Krankenbehandlung vermittelt (hierzu und zum Folgenden BSG, a.a.O). Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen nach dem SGB V können nur innerhalb dieses Leistungssystems auf ihre Verfassungskonformität überprüft werden. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung nach eigener Prüfung jedenfalls für diejenigen Leistungen der Krankenbehandlung an, die das Recht der Krankenversicherung vom Vorliegen einer bestimmten medizinischen Indikation abhängig macht. Für einen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen ist dies nach geltendem Krankenversicherungsrecht der Fall, wie sich für Sehhilfen allgemein aus § 33 Abs. 1 und 2 SGB V und speziell für Kontaktlinsen aus § 33 Abs. 3 SGB V ergibt. Ob der Kläger die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen, die nach dem sog. Nikolausbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 6.12.2005, 1 BvR 347/98) unter Beachtung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) auszulegen sind, erfüllt, betrifft allein das Verhältnis zur Krankenkasse und nicht das zu den Leistungsträgern nach dem SGB II oder dem SGB XII. Soweit das Bundessozialgericht im Anwendungsbereich speziell rehabilitationsrechtlicher Anspruchsgrundlagen von einer solchen Sperrwirkung des Krankenversicherungsrecht abgewichen ist (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2009, B 8 SO 19/08 R), folgt hieraus für den vorliegenden Fall nichts anderes, denn die Kosten regulärer Sehhilfen, die nicht speziell für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit benötigt werden, sind nicht im Rahmen der Rehabilitation zu übernehmen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.12.2008, L 5 B 422/08 AS).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf höhere laufende Leistungen unter Berücksichtigung der laufenden Ausgaben für Pflegemittel. Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht, denn da § 33 Abs. 3 Satz 4 SGB V einen Anspruch auf Pflegemittel für Kontaktlinsen generell, d.h. auch in Fällen medizinisch indizierter Versorgung mit Kontaktlinsen ausschließt (BSG, Urteil vom 9.3.1994, 3/1 RK 11/93), besteht auch keine Sperrwirkung des SGB V gegenüber den Vorschriften des SGB II. Die an diese Feststellung anschließende Frage, ob die entsprechenden Aufwendungen tatsächlich einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II begründen oder nicht doch aus der Regelleistung gedeckt werden können, kann im vorliegenden Fall allerdings deswegen dahinstehen, weil die begehrte Übernahme der Kosten für Pflegemittel akzessorisch zum Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen ist. Einen im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II unabweisbaren Bedarf an Pflegemitteln kann nur eine nach den Maßstäben des Krankenversicherungsrechts unabweisbare Versorgung mit Kontaktlinsen begründen. Es erscheint nicht gerechtfertigt, Mehrkosten zu übernehmen, die sich durch ein auch unter dem Blickwinkel des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit zumutbares Verhalten des Leistungsberechtigten vermeiden ließen. Somit käme eine Übernahme der Kosten für Pflegemittel von vornherein erst dann in Betracht, wenn die nach krankenversicherungsrechtlichen Maßstäben zu bewertende medizinische Indikation einer Versorgung mit Kontaktlinsen festgestellt wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Übernahme von Kosten für die Versorgung mit verschiedenen Sehhilfen sowie mit Pflegemittel für Kontaktlinsen.
Der am XXXXX 1954 geborene Kläger bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er leidet an Anisometropie, d.h. an einem Zustand, bei dem das Sehvermögen der einzelnen Augen stark voneinander abweicht. Ein auf Versorgung mit Kontaktlinsen durch die zuständige Krankenkasse gerichteter Antrag blieb in Eil- und Hauptsacheverfahren erfolglos (Beschlüsse des Sozialgerichts Hamburg vom 1.3.2006, S 28 RK 113/06 ER, und des Landessozialgerichts Hamburg vom 4.10.2006, L 1 B 138/06 ER KR, sowie Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 15.7.2007, S 28 KR 114/06).
Am 14. Juli 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf den Ausgang der Verfahren gegen die Krankenkasse beim Beklagten die Übernahme der Kosten für die Anschaffung neuer Kontaktlinsen sowie der laufenden Aufwendungen für Pflegemittel, die er mit monatlich 15.- Euro bezifferte. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Oktober 2008 ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 25. November 2008 zurück: Da der geltend gemachte Bedarf nicht unter § 23 Abs. 1 oder Abs. 3 SGB II (in der seinerzeit geltenden Fassung, a.F.) falle, sei er aus der Regelleistung zu decken.
Mit der hiergegen am 17. Dezember 2008 erhobenen Klage hielt der Kläger an seinem Antrag fest und erweiterte sein Begehren auf die Übernahme der Kosten für den Ersatz seiner Lesebrille sowie seiner Sonnenschutzbrille im Fall einer Verschlechterung seines Sehvermögens sowie bei Verschleiß, Glasbruch oder Diebstahl. Das Sozialgericht, das zuvor Befundberichte der behandelnden Augenärztin Frau Dr. H. sowie der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums H1 eingeholt hatte, wies die Klage durch Urteil vom 12. November 2010 (dem Kläger zugestellt am 6. Dezember 2010) ab. Hinsichtlich der Kosten von Kontaktlinsen und Pflegemittel sei die Klage unbegründet. § 20 SGB II scheide als Anspruchsgrundlage aus, da einmalige Beihilfen dort nicht vorgesehen seien. Auch in § 23 Abs. 1 SGB II a.F. finde der Anspruch keine Stütze, denn der Kläger begehre ausdrücklich Zuschüsse und kein Darlehen. Bei dem geltend gemachten Bedarf nach neuen Kontaktlinsen handele es sich jedoch um eine einmalige und kurzfristige Bedarfsspitze, wie sie auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (1 BvL 1/09) nur durch ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II a.F. zu decken seien. Der Bedarf nach Pflegemitteln verursache hingegen keine derart hohen Kosten, dass er nicht auch aus der Regelleistung bestritten werden könne. Entsprechendes gelte auch für einen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II, der die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umsetze. Hinsichtlich der Klageerweiterung sei die Klage unzulässig. Die hierin liegende Klageänderung (§ 99 des Sozialgerichtsgesetzes, SGG) sei nicht sachdienlich, denn es fehle an dem erforderlichen Vorverfahren.
Am 5. Januar 2011 hat der Kläger Berufung eingelegt und sein Begehren der Höhe nach teilweise konkretisiert. Er habe die Klage vor dem Sozialgericht lediglich um weitere Gegenstände ergänzt, die mit den Kontaktlinsen aus medizinischen Gründen eine Einheit bildeten. Eines Vorverfahrens habe es insoweit nicht bedurft, denn der Beklagte habe klar zu erkennen gegeben, dass er auch die Kosten für neue Brillen nicht übernehmen werde. In der Sache stützt der Kläger sein Begehren auf § 21 Abs. 4 SGB II Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Nr. 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Zwar habe er erneut entsprechende Leistungen von der zuständigen Krankenkasse verlangt, jedoch seien die begehrten Leistungen dort nicht zu erlangen, da sich seit seinem Antrag aus dem Jahr 2006 an der Rechtslage nichts geändert habe. Ohne Versorgung mit Kontaktlinsen sei er von der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausgeschlossen und könne auch nicht in Arbeit eingegliedert werden. &8195; Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. November 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2008 zu verurteilen,
1. die Kosten für die Anschaffung zweier neuer formstabiler Kontaktlinsen als Zuschuss zu übernehmen,
2. ihm um 15,00 Euro monatlich höhere laufende Leistungen seit dem 11. Juli 2008 zu zahlen,
3. an ihn weitere 172,75 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für richtig. Der im Berufungsverfahren erklärten Klageerweiterung hat er ausdrücklich widersprochen.
Der Senat hat am 21. November 2012 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte des Beklagten sowie die weiteren ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die auf eine Befriedigung einmaliger, gegenwärtiger und zukünftiger, Bedarfe gerichteten Anträge haben im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung die Wertgrenze aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht unterschritten, zumal mit ihnen auch solche Ansprüche geltend gemacht wurden, die damals noch unbeziffert waren. Überdies macht der Kläger eine zeitlich unbeschränkte Erhöhung der monatlich zu erbringenden Leistungen geltend, so dass auch der Tatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG erfüllt ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Versorgung mit Sehhilfen aus Mitteln der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Er hat auch keinen Anspruch auf höhere laufende Leistungen unter Berücksichtigung der laufenden Ausgaben für Pflegemitteln.
Der Senat ist nicht an einer Sachentscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung von Lese- und Sonnenschutzbrille gehindert. Die angefochtenen Entscheidungen des Beklagten waren im Rahmen einer am Empfängerhorizont orientierten Auslegung so zu verstehen, dass eine Versorgung mit Sehhilfen aus Mitteln der Grundsicherung für Arbeitssuche generell abgelehnt wurde. Somit war die Erweiterung seines Klageantrags vor dem Sozialgericht nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als Klageänderung anzusehen und es hat auch nicht an einer vorherigen Befassung des Beklagten gefehlt. Die Umstellung der Anträge von der vor dem Sozialgericht beantragten Versorgung mit Sehhilfen auf die Erstattung inzwischen angefallener Auslagen gilt gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht als Klageänderung.
Der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten für Sehhilfen (Kontaktlinsen, Lese- und Sonnenschutzbrille) lässt sich nicht auf die vom Kläger für einschlägig gehaltene gesetzliche Grundlage des § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX stützen. Nach § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Diese Voraussetzungen für die Anerkennung eines Mehrbedarfs liegen bereits deshalb nicht vor, weil der Kläger keine der in der Vorschrift näher bezeichneten Leistungen tatsächlich erhält. § 21 Abs. 4 Satz 1 SGB II stellt seinem ausdrücklichen Wortlaut nach darauf ab, dass eine der dort genannten Leistungen tatsächlich erbracht wird. Somit ist im Streit um einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II auch nicht zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine dieser Leistungen erfüllt sind (vgl. Münder, in: LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 21 Rn. 21; Herold-Tews, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 21 Rn. 19). Weiterhin gewährt die Vorschrift auf der Rechtsfolgenseite auch keinen Anspruch auf Übernahme einmaliger Aufwendungen, sondern – auch dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut – auf höhere laufende Leistungen. Bei den geltend gemachten Kosten für die Anschaffung von Sehhilfen handelt es sich indes nicht um einen derartigen laufenden Mehrbedarf. Aus denselben Gründen kommt auch eine Kostenübernahme nicht im Wege von § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht.
Ein Anspruch nach § 24 Abs. 1 SGB II, der zum 1. Januar 2011 an die Stelle des bisherigen § 23 Abs. 1 SGB II getreten ist, scheidet aus, da der Kläger ausdrücklich kein Darlehen, sondern eine zuschussweise Übernahme der Anschaffungskosten begehrt.
Der Anspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten für Sehhilfen lässt sich auch nicht auf § 73 SGB XII stützen, so dass eine Beiladung des für diese Leistung zuständigen Trägers unterbleiben konnte. Nach § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Das Bundessozialgericht hat insoweit bereits entschieden (Urteil vom 26.5.2011, B 14 AS 146/10 R), dass Bedarfe, die sich auf Krankenbehandlung im Sinne von § 27 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) richten, durch die gesetzliche Krankenversicherung sowie ergänzend durch den im Regelbedarf (§ 20 SGB II) enthaltenen Anteil für Eigenanteile und Rezeptgebühren (vgl. hierzu BT-Drs. 17/3404, 58) abgedeckt sind. Der in einer Sicherstellung ausreichender medizinischer Versorgung liegende Teil des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums wird in erster Linie durch die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt, die den Leistungsberechtigten einen Anspruch auf Krankenbehandlung vermittelt (hierzu und zum Folgenden BSG, a.a.O). Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen nach dem SGB V können nur innerhalb dieses Leistungssystems auf ihre Verfassungskonformität überprüft werden. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung nach eigener Prüfung jedenfalls für diejenigen Leistungen der Krankenbehandlung an, die das Recht der Krankenversicherung vom Vorliegen einer bestimmten medizinischen Indikation abhängig macht. Für einen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen ist dies nach geltendem Krankenversicherungsrecht der Fall, wie sich für Sehhilfen allgemein aus § 33 Abs. 1 und 2 SGB V und speziell für Kontaktlinsen aus § 33 Abs. 3 SGB V ergibt. Ob der Kläger die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen, die nach dem sog. Nikolausbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 6.12.2005, 1 BvR 347/98) unter Beachtung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) auszulegen sind, erfüllt, betrifft allein das Verhältnis zur Krankenkasse und nicht das zu den Leistungsträgern nach dem SGB II oder dem SGB XII. Soweit das Bundessozialgericht im Anwendungsbereich speziell rehabilitationsrechtlicher Anspruchsgrundlagen von einer solchen Sperrwirkung des Krankenversicherungsrecht abgewichen ist (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2009, B 8 SO 19/08 R), folgt hieraus für den vorliegenden Fall nichts anderes, denn die Kosten regulärer Sehhilfen, die nicht speziell für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit benötigt werden, sind nicht im Rahmen der Rehabilitation zu übernehmen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.12.2008, L 5 B 422/08 AS).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf höhere laufende Leistungen unter Berücksichtigung der laufenden Ausgaben für Pflegemittel. Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht, denn da § 33 Abs. 3 Satz 4 SGB V einen Anspruch auf Pflegemittel für Kontaktlinsen generell, d.h. auch in Fällen medizinisch indizierter Versorgung mit Kontaktlinsen ausschließt (BSG, Urteil vom 9.3.1994, 3/1 RK 11/93), besteht auch keine Sperrwirkung des SGB V gegenüber den Vorschriften des SGB II. Die an diese Feststellung anschließende Frage, ob die entsprechenden Aufwendungen tatsächlich einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II begründen oder nicht doch aus der Regelleistung gedeckt werden können, kann im vorliegenden Fall allerdings deswegen dahinstehen, weil die begehrte Übernahme der Kosten für Pflegemittel akzessorisch zum Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen ist. Einen im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II unabweisbaren Bedarf an Pflegemitteln kann nur eine nach den Maßstäben des Krankenversicherungsrechts unabweisbare Versorgung mit Kontaktlinsen begründen. Es erscheint nicht gerechtfertigt, Mehrkosten zu übernehmen, die sich durch ein auch unter dem Blickwinkel des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit zumutbares Verhalten des Leistungsberechtigten vermeiden ließen. Somit käme eine Übernahme der Kosten für Pflegemittel von vornherein erst dann in Betracht, wenn die nach krankenversicherungsrechtlichen Maßstäben zu bewertende medizinische Indikation einer Versorgung mit Kontaktlinsen festgestellt wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved