Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 2 AS 1054/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 140/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007.
Der am 1950 geborene, alleinstehende Kläger bewohnt eine 46,1 qm große Wohnung, für die eine Gesamtmiete von Juli bis November 2007 i.H.v. 345,08 EUR/Monat und im Dezember 2007 i.H.v. 261,69 EUR zu zahlen war. Am 19. April 2006 war eine Kostensenkungsaufforderung seitens des Beklagten erfolgt. Für eine Kfz-Haftpflichtversicherung waren monatlich 15,21 EUR aufzubringen. Der Kläger bezog eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung i.H.v. 216,95 EUR/Monat ab Juli 2007. Nach der ärztlichen Bescheinigung der Dr. A. vom 14. Dezember 2006 bedurfte er wegen einer Erkrankung Krankenkost in Form einer Vollkosternährung.
Der Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Zuletzt wurden ihm mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 für Mai 2007 511,05 EUR bewilligt (Regelleistung 345 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) 311,06 EUR, Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung 22,56 EUR). Als Einkommen wurde die Unfallrente - abzüglich des Pauschbetrags von 30 EUR sowie der Kfz-Haftpflichtversicherung - mit 170,57 EUR angerechnet.
Am 2007 verstarb die verwitwete Mutter des Klägers M. A. N. Der Kläger wurde mit seinen beiden Brüdern in gesetzlicher Erbfolge Miterbe; ein Erbschein wurde nicht erteilt. Die Konten bei der Sparkasse J. wurden aufgelöst und der Kläger erhielt am 6. Juni 2007 eine Gutschrift von 5.637,69 EUR auf sein Girokonto.
In seinem Antrag auf Weiterzahlung der Leistungen vom 23. Mai 2007 machte der Kläger geltend, der Erbfall sei noch nicht abgeschlossen. Für Juni 2007 zahlte der Beklagte - ohne Bewilligungsbescheid - einen Betrag von 679,35 EUR einschließlich eines Zuschusses für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von 127,50 EUR aus.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2007 hob der Beklagte die - nicht erfolgte - Leistungsbewilligung mit Wirkung ab dem 1. Juli 2007 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf. Mit Schreiben vom gleichen Tag, überschrieben mit "Betreff: Zum Aufhebungsbescheid vom 13.06.2007", erläuterte der Beklagte, die Erbschaft sei gemäß § 11 SGB II als einmalige Einnahme anzurechnen. Sie werde ab dem 1. Juli 2007 nach seinem Ermessen für sechs Monate angerechnet. Während dieser Zeit habe der Kläger die Krankenversicherung selbst zu zahlen.
Der Kläger entrichtete in der Folge für die Zeit von Juli bis Dezember 2007 Beiträge für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 132,30 EUR/Monat. Am 14. Dezember 2007 hat sich auf dem Konto noch ein Guthaben von 5.047,96 EUR befunden.
In seinem gegen den Bescheid vom 13. Juni 2007 gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Erbschaft sei Vermögen. Allenfalls für einen Monat könne diese als Einkommen angerechnet werden. Außerdem diene sie seiner Altersvorsorge.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 wieder Leistungen ab Januar 2008.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2008 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Erbschaft sei kein Vermögen, sondern Einkommen. Diese einmalige Einnahme sei von dem Monat des Zuflusses an zu berücksichtigen. Rechtsgrundlage für die Anrechnung der Erbschaft und die Leistungsaufhebung sei § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).
Dagegen hat der Kläger am 10. April 2008 beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheids vom 13. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2008 beantragt. Die Erbschaft sei spätestens im Folgemonat des Zuflusses als Vermögen anzusehen. Die Grenzbeträge des Vermögensschutzes würden nicht überschritten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2010 abgewiesen. Das Klagebegehren sei auszulegen gewesen und habe sich auf die Bewilligung von Leistungen ab dem 1. Juli 2007 bezogen. Der Bescheid vom 13. Juni 2007 sei als Ablehnung des Weiterzahlungsantrags anzusehen. Der Kläger sei ab Juni 2007 nicht mehr hilfebedürftig gewesen, da die Erbschaft als Einkommen anzurechnen gewesen sei. Durch deren Zufluss im Juni 2007 habe er zumindest bis zum 31. Dezember 2007 anteilig seinen Bedarf von monatlich 513,29 EUR bzw. 515,26 EUR bestreiten können. Hochgerechnet auf sieben Monate ergebe dies einen Bedarf i.H.v. 3.606,82 EUR.
Gegen das ihm am 8. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. April 2010 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Oktober 2009 (B 14 AS 62/08 R) sei ungeklärt, ob die Erbschaft als Einkommen oder als Vermögen anzusehen sei. Auch aus neueren Urteilen des BSG ergäbe sich dies nicht zwingend.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Februar 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2008 aufzuheben und diesen zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf das Urteil des BSG vom 25. Januar 2012 (B 14 AS 101/11 R). Nach Antragstellung zugeflossenes Erbe sei als Einkommen zu berücksichtigen. Es bestehe auch keine Notwendigkeit für die Bewilligung von Leistungen i.H.v. 1,00 EUR/Monat zur Aufrechterhaltung des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes. Mit dem zu verteilenden Erbe und der Unfallrente hätten die Versicherungsbeiträge abgedeckt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden.
Sie ist auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Abs. 1 Satz 2).
Hier geht es dem Kläger um die Bewilligung von Leistungen für einen Zeitraum von sechs Monaten ohne Anrechnung von Einkommen. Bei einem monatlichen Leistungsanspruch i.H.v. 511,05 EUR (Mai 2007) bzw. 485,34 EUR (Januar 2008) ist der Betrag überschritten.
II. Die Berufung ist unbegründet, da das Sozialgericht die Klage auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 zu Recht abgewiesen hat.
1. Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist ein Streit über die Ablehnung der Bewilligung von Leistungen ab dem 1. Juli 2007. Zwar hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 13. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2008 fehlerhaft eine - vermeintlich erfolgte - Leistungsbewilligung mit Wirkung ab 1. Juli 2007 nach § 48 SGB X aufgehoben. Er hatte jedoch lediglich für den Monat Juni 2007 Leistungen ausbezahlt, ohne einen entsprechenden Bescheid zu erteilen. Die Bescheide sind nach den Grundsätzen des Empfängerhorizonts auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 2. März 2010, B 5 R 104/07 R (12)). Für den Kläger erkennbar hat der Beklagte wegen der Anrechnung der Erbschaft für den genannten Zeitraum seinen Weiterzahlungsantrag vom 20. Mai 2007 ablehnen wollen. So hat der Kläger den Bescheid auch verstanden, denn er hat sowohl im Widerspruch als auch in seiner Klage deutlich gemacht, dass er seinen Weiterzahlungsantrag positiv beschieden haben möchte. Zutreffend hat das Sozialgericht seine ausdrücklich allein auf Aufhebung der genannten Bescheide gerichtete Klage nach § 123 SGG als Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.v. § 54 Abs. 4 SGG ausgelegt.
2. Der Kläger war im streitigen Zeitraum dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.
Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der Kläger war im entsprechenden Alter, erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Er war jedoch nicht hilfebedürftig i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB II. Denn er konnte in dem streitigen Zeitraum seinen Lebensunterhalt durch den ihm am 6. Juni 2007 zugeflossenen Betrag von 5.637,69 EUR vollständig decken.
a. Dieser Betrag war als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II auf den Hilfebedarf anzurechnen. Es hat sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um Vermögen gehandelt.
Für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen ist nach der Rechtsprechung des BSG das Zuflussprinzip maßgeblich. Einkommen ist danach alles, was man nach der ersten Antragstellung und dem bis zum Zufluss ununterbrochenen Leistungsbezug dazu erhält. Vermögen ist das, was man vor der ersten Antragstellung schon hatte. Unerheblich ist für diese Abgrenzung, dass es sich um eine Erbschaft gehandelt hat, da auch diese einen wertmäßigen Zuwachs i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bedeutet (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (18)).
Das Erbe ist dem Kläger mit dem Tod seiner Mutter am ... 2007 zugeflossen. Bei der vorliegenden Erbschaft gemäß § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist als rechtlicher Zeitpunkt der Erbfall maßgeblich. Insoweit kommt es auf den tatsächlichen Zuflusses des Erbes, den Ablauf der Ausschlagungsfrist oder die Durchsetzung gegenüber Miterben bei der Frage der Abgrenzung von Einkommen zu Vermögen nicht an (BSG, Urteil vom 14. Februar 2011, B 14 AS 45/09 R (20)). Da der Kläger zum Zeitpunkt des Todes seiner Mutter im Leistungsbezug stand, handelt es sich um Einkommen.
Eine Umwandlung des Einkommens in Vermögen ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht ab dem Monat nach dem Zuflussmonat eingetreten. Dies kann allenfalls dann der Fall sein, wenn die Hilfebedürftigkeit nach dem Zufluss für mindestens einen Monat - ohne Berücksichtigung des zu verteilenden Einkommens selbst oder von nicht nachhaltigen Zuwendungen Dritter - überwunden wird (BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 29/07 R (31), BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (23)). Erst dann ist eine Zäsur im Leistungsfall eingetreten, die es rechtfertigt, bei einem erneuten Eintritt der Hilfebedürftigkeit früheres Einkommen nicht mehr leistungsmindernd anzusetzen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
b. Allerdings setzt die Anrechnung von Einkommen auf den Hilfebedarf voraus, dass das Erbe tatsächlich zur Verfügung steht. Ein Verweis auf erst künftig fließende Mittel ist unzulässig. Dies ist etwa der Fall, wenn der Erbe noch nicht über die Erbschaft verfügen kann (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (22)).
Hier verfügte der Kläger erst am 6. Juni 2007 über seinen Miterbenanteil i.H.v. 5.637,69 EUR als "bereites Mittel".
c. Zutreffend hat der Beklagte das am 6. Juni 2007 zugeflossene Einkommen für den Bewilligungszeitraum ab dem 1. Juli 2007 berücksichtigt.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Abweichend von Satz 1 ist eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der dem Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind (Abs. 3 Satz 2).
Der Beklagte hat zu Recht als Beginn des Abrechnungszeitraums den Monat Juli 2007 gewählt. Ausweislich des Vermerks in der Verwaltungsakte wurden am 5. Juni 2007 Leistungen für Juni 2007 zur Auszahlung angewiesen. Kenntnis von dem Zufluss erhielt der Beklagte erst mit Eingang der Kopie des Kontoauszugs am 7. Juni 2007.
d. Die Entscheidung des Beklagten, den Zeitraum der Anrechnung bis Dezember 2007 zu wählen, verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten. Der Senat kann daher offen lassen, ob auch eine Anrechnung über den 31. Dezember 2007 hinaus zulässig gewesen wäre.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V sind einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Es handelt sich hierbei um eine reine Rechenvorschrift, welche die Art und Weise der Berücksichtigung einmaliger Einnahmen über einen längeren Zeitraum regelt. Die Rechtsgrundlage für die Anrechnung findet sich in den §§ 9 und 11 SGB II. Deshalb gilt hier nichts anderes, wenn das Erbe erst nach dem 6. Juni 2007 als bereites Mittel zur Verfügung gestanden hat (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, a.a.O. (24)).
Die Aufteilung der Anrechnung des zugeflossenen Einkommens auf einen Zeitraum von sechs Monaten ist nicht zu beanstanden. Denn der Kläger war in der Lage, seinen Hilfebedarf in dieser Zeit vollständig aus dem zugeflossenen Erbe zu decken.
Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum höchstens einen grundsicherungsrelevanten Gesamthilfebedarf von 3.964,81 EUR. Der Senat kann hierbei offen lassen, ob der Beklagte die KdU zu Recht auf einen als angemessen angesehenen Betrag abgesenkt, und ob dem Kläger ein Mehrbedarfsanspruch wegen kostenaufwändiger Ernährung zugestanden hat.
Für die Monate Juli bis November 2007 bestand ein monatlicher Hilfebedarf von höchstens 846,94 EUR (Regelleistung 347 EUR, vollständige KdU 345,08 EUR, Mehrbedarf für Ernährung 22,56 EUR, Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung 132,30 EUR). Im Dezember 2007 reduzierte sich der Hilfebedarf wegen der geringeren KdU (261,69 EUR) auf höchstens 763,55 EUR. Davon waren jeweils die Unfallrente i.H.v. 216,95 EUR/Monat abzüglich des Pauschbetrags von 30 EUR und der Kfz-Haftpflichtversicherungsprämie i.H.v. 15,21 EUR (= 171,74 EUR) abzusetzen. Es verblieb ein Hilfebedarf in Höhe von 3.964,81 EUR.
Dem Kläger stand als Einkommen ein Betrag von 5.637,69 EUR zur Verfügung, der zur Deckung des notwendigen Bedarfs einschließlich der Beiträge für Kranken-Pflegeversicherung in dem Zeitraum von sechs Monaten mehr als ausreichend war. Ein Abzug des Pauschbetrags für jeden Monat der Anrechnung oder weiterer Freibeträge war nicht vorzunehmen, da diese schon bei der ersten Einkommensart, der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, berücksichtigt worden sind (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 86/08 R (14)). Unbeachtlich ist das Vorbringen des Klägers, der Betrag sei für die Altersvorsorge vorgesehen gewesen. Dies kann nur im Rahmen einer Anrechnung von Vermögen gemäß § 12 Abs. 3 SGB II Berücksichtigung finden.
Das einzusetzende Einkommen überstieg den Hilfebedarf im streitigen Zeitraum demnach um mindestens 1.672,88 EUR (5.637,69 EUR Einkommen abzüglich 3.964,81 EUR Hilfebedarf).
e. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, dem Kläger zur Aufrechterhaltung des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 2a Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI) einen Leistungsbetrag von 1,00 EUR/Monat zu belassen.
Die Neuregelung des § 2 Abs. 3 Alg II-V durch die Erste Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 22. August 2005 (BGBl. I Seite 2499) sollte vor allem einer Verwaltungsvereinfachung dienen. Die bisherige Bestimmung eines Zeitraums, in dem keine Leistungen erbracht werden, hätte sich als zu verwaltungsaufwändig erwiesen. Vielfach hätten sich die Hilfebedürftigen freiwillig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung weiter versichern müssen; zudem sei der vollständige Wegfall von Leistungen zum Lebensunterhalt teilweise als nicht verhältnismäßig empfunden worden (so die nicht amtliche Begründung im Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit; vgl. auch BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 14 AS 64/08 R (28)).
a.a. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des BSG, dass eine Verteilung der einmaligen Einnahme auf mehrere Monate nicht angezeigt ist, wenn das Einkommen in dem einen Monat nicht zum vollständigen Wegfall des Leistungsanspruchs führt, oder aber wenn anderweitiger Versicherungsschutz, zum Beispiel durch Familienversicherung, vorhanden ist (BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 57/07 R (30); Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (29); vergleiche zum gleich lautenden § 8 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII: BSG, Urteil vom 19. Mai 2009, B 8 SO 35/07 R (22)).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vermittelt.
b.b. Ein Regelfall der Aufteilung liegt hingegen vor, wenn die vollständige Anrechnung der einmaligen Einnahme in einem Monat zum Wegfall des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes führen würde (BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 49/08 R (35)).
Ein solcher Regelfall liegt hier ebenfalls nicht vor. Dazu gehören nur die Fälle, in denen es auch bei Verteilung auf mehrere Monate und Verbleib in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu einer vollständigen Anrechnung des Einkommens kommt.
Die Anwendung der reinen Berechnungsvorschrift des § 2 Abs. 3 Alg II-V (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (24)) darf nämlich nicht insgesamt zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Besserstellung des Klägers führen. Denn Rechtsgrundlage für die Anrechnung ist allein § 11 Abs. 1 SGB II. Dieser sieht keinen (teilweisen) Verzicht auf die vollständige Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens durch Verteilung auf einen Zeitraum von mehr als einem Monat vor. Dieses Ergebnis würde sich hier jedoch ergeben, wenn dem Kläger ein Restleistungsanspruch von 1,00 EUR/Monat verbliebe. Dann hätte er aus dem anzurechnenden Einkommen keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten gehabt und am Ende des Anrechnungszeitraums am 31. Dezember 2007 über einen noch höheren, nicht zur Deckung des Hilfebedarfs einzusetzenden Restbetrag als 1.672,88 EUR verfügt. Es entspricht erkennbar nicht der Intention des Verordnungsgebers, wegen der erstrebten Verwaltungsvereinfachung (An- und Abmelden bei der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für kurze Zeiträume) auf eine gesetzlich vorgeschriebene vollständige Einkommensanrechnung - teilweise - zu verzichten. Schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ("im Einzelfall" und "angemessenen Zeitraum") ergibt sich, dass die Aufteilung im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers stehen soll. Zur pflichtgemäßen Ermessensausübung gehört neben der Beachtung des Zwecks der Ermächtigung auch die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens, also die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns (§ 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I)).
Daher ist die Aufteilung auf mehrere Monate beschränkt auf die Fälle, in denen das anzurechnende Einkommen - trotz Verteilung - insgesamt vollständige Berücksichtigung findet. Dies wäre hier, wie ausgeführt, nicht der Fall.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Frage, ob einmalige den Hilfebedarf im Anrechnungszeitraum übersteigende Einnahmen auf mehrere Monate mit Verbleib eines Restleistungsanspruchs aufzuteilen sind, wenn das anzurechnende Einkommen den Hilfebedarf im Abrechnungszeitraum übersteigt, ist obergerichtlich nicht geklärt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007.
Der am 1950 geborene, alleinstehende Kläger bewohnt eine 46,1 qm große Wohnung, für die eine Gesamtmiete von Juli bis November 2007 i.H.v. 345,08 EUR/Monat und im Dezember 2007 i.H.v. 261,69 EUR zu zahlen war. Am 19. April 2006 war eine Kostensenkungsaufforderung seitens des Beklagten erfolgt. Für eine Kfz-Haftpflichtversicherung waren monatlich 15,21 EUR aufzubringen. Der Kläger bezog eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung i.H.v. 216,95 EUR/Monat ab Juli 2007. Nach der ärztlichen Bescheinigung der Dr. A. vom 14. Dezember 2006 bedurfte er wegen einer Erkrankung Krankenkost in Form einer Vollkosternährung.
Der Kläger bezog seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Zuletzt wurden ihm mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 für Mai 2007 511,05 EUR bewilligt (Regelleistung 345 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) 311,06 EUR, Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung 22,56 EUR). Als Einkommen wurde die Unfallrente - abzüglich des Pauschbetrags von 30 EUR sowie der Kfz-Haftpflichtversicherung - mit 170,57 EUR angerechnet.
Am 2007 verstarb die verwitwete Mutter des Klägers M. A. N. Der Kläger wurde mit seinen beiden Brüdern in gesetzlicher Erbfolge Miterbe; ein Erbschein wurde nicht erteilt. Die Konten bei der Sparkasse J. wurden aufgelöst und der Kläger erhielt am 6. Juni 2007 eine Gutschrift von 5.637,69 EUR auf sein Girokonto.
In seinem Antrag auf Weiterzahlung der Leistungen vom 23. Mai 2007 machte der Kläger geltend, der Erbfall sei noch nicht abgeschlossen. Für Juni 2007 zahlte der Beklagte - ohne Bewilligungsbescheid - einen Betrag von 679,35 EUR einschließlich eines Zuschusses für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von 127,50 EUR aus.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2007 hob der Beklagte die - nicht erfolgte - Leistungsbewilligung mit Wirkung ab dem 1. Juli 2007 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf. Mit Schreiben vom gleichen Tag, überschrieben mit "Betreff: Zum Aufhebungsbescheid vom 13.06.2007", erläuterte der Beklagte, die Erbschaft sei gemäß § 11 SGB II als einmalige Einnahme anzurechnen. Sie werde ab dem 1. Juli 2007 nach seinem Ermessen für sechs Monate angerechnet. Während dieser Zeit habe der Kläger die Krankenversicherung selbst zu zahlen.
Der Kläger entrichtete in der Folge für die Zeit von Juli bis Dezember 2007 Beiträge für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 132,30 EUR/Monat. Am 14. Dezember 2007 hat sich auf dem Konto noch ein Guthaben von 5.047,96 EUR befunden.
In seinem gegen den Bescheid vom 13. Juni 2007 gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Erbschaft sei Vermögen. Allenfalls für einen Monat könne diese als Einkommen angerechnet werden. Außerdem diene sie seiner Altersvorsorge.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 wieder Leistungen ab Januar 2008.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2008 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Erbschaft sei kein Vermögen, sondern Einkommen. Diese einmalige Einnahme sei von dem Monat des Zuflusses an zu berücksichtigen. Rechtsgrundlage für die Anrechnung der Erbschaft und die Leistungsaufhebung sei § 48 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).
Dagegen hat der Kläger am 10. April 2008 beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheids vom 13. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2008 beantragt. Die Erbschaft sei spätestens im Folgemonat des Zuflusses als Vermögen anzusehen. Die Grenzbeträge des Vermögensschutzes würden nicht überschritten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2010 abgewiesen. Das Klagebegehren sei auszulegen gewesen und habe sich auf die Bewilligung von Leistungen ab dem 1. Juli 2007 bezogen. Der Bescheid vom 13. Juni 2007 sei als Ablehnung des Weiterzahlungsantrags anzusehen. Der Kläger sei ab Juni 2007 nicht mehr hilfebedürftig gewesen, da die Erbschaft als Einkommen anzurechnen gewesen sei. Durch deren Zufluss im Juni 2007 habe er zumindest bis zum 31. Dezember 2007 anteilig seinen Bedarf von monatlich 513,29 EUR bzw. 515,26 EUR bestreiten können. Hochgerechnet auf sieben Monate ergebe dies einen Bedarf i.H.v. 3.606,82 EUR.
Gegen das ihm am 8. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. April 2010 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Oktober 2009 (B 14 AS 62/08 R) sei ungeklärt, ob die Erbschaft als Einkommen oder als Vermögen anzusehen sei. Auch aus neueren Urteilen des BSG ergäbe sich dies nicht zwingend.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Februar 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2008 aufzuheben und diesen zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf das Urteil des BSG vom 25. Januar 2012 (B 14 AS 101/11 R). Nach Antragstellung zugeflossenes Erbe sei als Einkommen zu berücksichtigen. Es bestehe auch keine Notwendigkeit für die Bewilligung von Leistungen i.H.v. 1,00 EUR/Monat zur Aufrechterhaltung des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes. Mit dem zu verteilenden Erbe und der Unfallrente hätten die Versicherungsbeiträge abgedeckt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden.
Sie ist auch statthaft i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Danach bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Abs. 1 Satz 2).
Hier geht es dem Kläger um die Bewilligung von Leistungen für einen Zeitraum von sechs Monaten ohne Anrechnung von Einkommen. Bei einem monatlichen Leistungsanspruch i.H.v. 511,05 EUR (Mai 2007) bzw. 485,34 EUR (Januar 2008) ist der Betrag überschritten.
II. Die Berufung ist unbegründet, da das Sozialgericht die Klage auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007 zu Recht abgewiesen hat.
1. Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist ein Streit über die Ablehnung der Bewilligung von Leistungen ab dem 1. Juli 2007. Zwar hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 13. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2008 fehlerhaft eine - vermeintlich erfolgte - Leistungsbewilligung mit Wirkung ab 1. Juli 2007 nach § 48 SGB X aufgehoben. Er hatte jedoch lediglich für den Monat Juni 2007 Leistungen ausbezahlt, ohne einen entsprechenden Bescheid zu erteilen. Die Bescheide sind nach den Grundsätzen des Empfängerhorizonts auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 2. März 2010, B 5 R 104/07 R (12)). Für den Kläger erkennbar hat der Beklagte wegen der Anrechnung der Erbschaft für den genannten Zeitraum seinen Weiterzahlungsantrag vom 20. Mai 2007 ablehnen wollen. So hat der Kläger den Bescheid auch verstanden, denn er hat sowohl im Widerspruch als auch in seiner Klage deutlich gemacht, dass er seinen Weiterzahlungsantrag positiv beschieden haben möchte. Zutreffend hat das Sozialgericht seine ausdrücklich allein auf Aufhebung der genannten Bescheide gerichtete Klage nach § 123 SGG als Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.v. § 54 Abs. 4 SGG ausgelegt.
2. Der Kläger war im streitigen Zeitraum dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II.
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.
Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1 SGB II in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Der Kläger war im entsprechenden Alter, erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Er war jedoch nicht hilfebedürftig i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB II. Denn er konnte in dem streitigen Zeitraum seinen Lebensunterhalt durch den ihm am 6. Juni 2007 zugeflossenen Betrag von 5.637,69 EUR vollständig decken.
a. Dieser Betrag war als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II auf den Hilfebedarf anzurechnen. Es hat sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um Vermögen gehandelt.
Für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen ist nach der Rechtsprechung des BSG das Zuflussprinzip maßgeblich. Einkommen ist danach alles, was man nach der ersten Antragstellung und dem bis zum Zufluss ununterbrochenen Leistungsbezug dazu erhält. Vermögen ist das, was man vor der ersten Antragstellung schon hatte. Unerheblich ist für diese Abgrenzung, dass es sich um eine Erbschaft gehandelt hat, da auch diese einen wertmäßigen Zuwachs i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bedeutet (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (18)).
Das Erbe ist dem Kläger mit dem Tod seiner Mutter am ... 2007 zugeflossen. Bei der vorliegenden Erbschaft gemäß § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist als rechtlicher Zeitpunkt der Erbfall maßgeblich. Insoweit kommt es auf den tatsächlichen Zuflusses des Erbes, den Ablauf der Ausschlagungsfrist oder die Durchsetzung gegenüber Miterben bei der Frage der Abgrenzung von Einkommen zu Vermögen nicht an (BSG, Urteil vom 14. Februar 2011, B 14 AS 45/09 R (20)). Da der Kläger zum Zeitpunkt des Todes seiner Mutter im Leistungsbezug stand, handelt es sich um Einkommen.
Eine Umwandlung des Einkommens in Vermögen ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht ab dem Monat nach dem Zuflussmonat eingetreten. Dies kann allenfalls dann der Fall sein, wenn die Hilfebedürftigkeit nach dem Zufluss für mindestens einen Monat - ohne Berücksichtigung des zu verteilenden Einkommens selbst oder von nicht nachhaltigen Zuwendungen Dritter - überwunden wird (BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 29/07 R (31), BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (23)). Erst dann ist eine Zäsur im Leistungsfall eingetreten, die es rechtfertigt, bei einem erneuten Eintritt der Hilfebedürftigkeit früheres Einkommen nicht mehr leistungsmindernd anzusetzen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
b. Allerdings setzt die Anrechnung von Einkommen auf den Hilfebedarf voraus, dass das Erbe tatsächlich zur Verfügung steht. Ein Verweis auf erst künftig fließende Mittel ist unzulässig. Dies ist etwa der Fall, wenn der Erbe noch nicht über die Erbschaft verfügen kann (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (22)).
Hier verfügte der Kläger erst am 6. Juni 2007 über seinen Miterbenanteil i.H.v. 5.637,69 EUR als "bereites Mittel".
c. Zutreffend hat der Beklagte das am 6. Juni 2007 zugeflossene Einkommen für den Bewilligungszeitraum ab dem 1. Juli 2007 berücksichtigt.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Abweichend von Satz 1 ist eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der dem Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind (Abs. 3 Satz 2).
Der Beklagte hat zu Recht als Beginn des Abrechnungszeitraums den Monat Juli 2007 gewählt. Ausweislich des Vermerks in der Verwaltungsakte wurden am 5. Juni 2007 Leistungen für Juni 2007 zur Auszahlung angewiesen. Kenntnis von dem Zufluss erhielt der Beklagte erst mit Eingang der Kopie des Kontoauszugs am 7. Juni 2007.
d. Die Entscheidung des Beklagten, den Zeitraum der Anrechnung bis Dezember 2007 zu wählen, verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten. Der Senat kann daher offen lassen, ob auch eine Anrechnung über den 31. Dezember 2007 hinaus zulässig gewesen wäre.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V sind einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Es handelt sich hierbei um eine reine Rechenvorschrift, welche die Art und Weise der Berücksichtigung einmaliger Einnahmen über einen längeren Zeitraum regelt. Die Rechtsgrundlage für die Anrechnung findet sich in den §§ 9 und 11 SGB II. Deshalb gilt hier nichts anderes, wenn das Erbe erst nach dem 6. Juni 2007 als bereites Mittel zur Verfügung gestanden hat (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, a.a.O. (24)).
Die Aufteilung der Anrechnung des zugeflossenen Einkommens auf einen Zeitraum von sechs Monaten ist nicht zu beanstanden. Denn der Kläger war in der Lage, seinen Hilfebedarf in dieser Zeit vollständig aus dem zugeflossenen Erbe zu decken.
Der Kläger hatte im streitigen Zeitraum höchstens einen grundsicherungsrelevanten Gesamthilfebedarf von 3.964,81 EUR. Der Senat kann hierbei offen lassen, ob der Beklagte die KdU zu Recht auf einen als angemessen angesehenen Betrag abgesenkt, und ob dem Kläger ein Mehrbedarfsanspruch wegen kostenaufwändiger Ernährung zugestanden hat.
Für die Monate Juli bis November 2007 bestand ein monatlicher Hilfebedarf von höchstens 846,94 EUR (Regelleistung 347 EUR, vollständige KdU 345,08 EUR, Mehrbedarf für Ernährung 22,56 EUR, Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung 132,30 EUR). Im Dezember 2007 reduzierte sich der Hilfebedarf wegen der geringeren KdU (261,69 EUR) auf höchstens 763,55 EUR. Davon waren jeweils die Unfallrente i.H.v. 216,95 EUR/Monat abzüglich des Pauschbetrags von 30 EUR und der Kfz-Haftpflichtversicherungsprämie i.H.v. 15,21 EUR (= 171,74 EUR) abzusetzen. Es verblieb ein Hilfebedarf in Höhe von 3.964,81 EUR.
Dem Kläger stand als Einkommen ein Betrag von 5.637,69 EUR zur Verfügung, der zur Deckung des notwendigen Bedarfs einschließlich der Beiträge für Kranken-Pflegeversicherung in dem Zeitraum von sechs Monaten mehr als ausreichend war. Ein Abzug des Pauschbetrags für jeden Monat der Anrechnung oder weiterer Freibeträge war nicht vorzunehmen, da diese schon bei der ersten Einkommensart, der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, berücksichtigt worden sind (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 86/08 R (14)). Unbeachtlich ist das Vorbringen des Klägers, der Betrag sei für die Altersvorsorge vorgesehen gewesen. Dies kann nur im Rahmen einer Anrechnung von Vermögen gemäß § 12 Abs. 3 SGB II Berücksichtigung finden.
Das einzusetzende Einkommen überstieg den Hilfebedarf im streitigen Zeitraum demnach um mindestens 1.672,88 EUR (5.637,69 EUR Einkommen abzüglich 3.964,81 EUR Hilfebedarf).
e. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, dem Kläger zur Aufrechterhaltung des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 2a Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI) einen Leistungsbetrag von 1,00 EUR/Monat zu belassen.
Die Neuregelung des § 2 Abs. 3 Alg II-V durch die Erste Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 22. August 2005 (BGBl. I Seite 2499) sollte vor allem einer Verwaltungsvereinfachung dienen. Die bisherige Bestimmung eines Zeitraums, in dem keine Leistungen erbracht werden, hätte sich als zu verwaltungsaufwändig erwiesen. Vielfach hätten sich die Hilfebedürftigen freiwillig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung weiter versichern müssen; zudem sei der vollständige Wegfall von Leistungen zum Lebensunterhalt teilweise als nicht verhältnismäßig empfunden worden (so die nicht amtliche Begründung im Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit; vgl. auch BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 14 AS 64/08 R (28)).
a.a. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des BSG, dass eine Verteilung der einmaligen Einnahme auf mehrere Monate nicht angezeigt ist, wenn das Einkommen in dem einen Monat nicht zum vollständigen Wegfall des Leistungsanspruchs führt, oder aber wenn anderweitiger Versicherungsschutz, zum Beispiel durch Familienversicherung, vorhanden ist (BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 57/07 R (30); Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (29); vergleiche zum gleich lautenden § 8 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII: BSG, Urteil vom 19. Mai 2009, B 8 SO 35/07 R (22)).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vermittelt.
b.b. Ein Regelfall der Aufteilung liegt hingegen vor, wenn die vollständige Anrechnung der einmaligen Einnahme in einem Monat zum Wegfall des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes führen würde (BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 49/08 R (35)).
Ein solcher Regelfall liegt hier ebenfalls nicht vor. Dazu gehören nur die Fälle, in denen es auch bei Verteilung auf mehrere Monate und Verbleib in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu einer vollständigen Anrechnung des Einkommens kommt.
Die Anwendung der reinen Berechnungsvorschrift des § 2 Abs. 3 Alg II-V (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 101/11 R (24)) darf nämlich nicht insgesamt zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Besserstellung des Klägers führen. Denn Rechtsgrundlage für die Anrechnung ist allein § 11 Abs. 1 SGB II. Dieser sieht keinen (teilweisen) Verzicht auf die vollständige Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens durch Verteilung auf einen Zeitraum von mehr als einem Monat vor. Dieses Ergebnis würde sich hier jedoch ergeben, wenn dem Kläger ein Restleistungsanspruch von 1,00 EUR/Monat verbliebe. Dann hätte er aus dem anzurechnenden Einkommen keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten gehabt und am Ende des Anrechnungszeitraums am 31. Dezember 2007 über einen noch höheren, nicht zur Deckung des Hilfebedarfs einzusetzenden Restbetrag als 1.672,88 EUR verfügt. Es entspricht erkennbar nicht der Intention des Verordnungsgebers, wegen der erstrebten Verwaltungsvereinfachung (An- und Abmelden bei der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für kurze Zeiträume) auf eine gesetzlich vorgeschriebene vollständige Einkommensanrechnung - teilweise - zu verzichten. Schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ("im Einzelfall" und "angemessenen Zeitraum") ergibt sich, dass die Aufteilung im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers stehen soll. Zur pflichtgemäßen Ermessensausübung gehört neben der Beachtung des Zwecks der Ermächtigung auch die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens, also die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns (§ 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I)).
Daher ist die Aufteilung auf mehrere Monate beschränkt auf die Fälle, in denen das anzurechnende Einkommen - trotz Verteilung - insgesamt vollständige Berücksichtigung findet. Dies wäre hier, wie ausgeführt, nicht der Fall.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Frage, ob einmalige den Hilfebedarf im Anrechnungszeitraum übersteigende Einnahmen auf mehrere Monate mit Verbleib eines Restleistungsanspruchs aufzuteilen sind, wenn das anzurechnende Einkommen den Hilfebedarf im Abrechnungszeitraum übersteigt, ist obergerichtlich nicht geklärt.
Rechtskraft
Aus
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SAN
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