L 7 AS 525/13 B ER und L 7 AS 526/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 55 AS 720/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 525/13 B ER und L 7 AS 526/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 14.03.2013 werden zurückgewiesen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen eine an die Antragstellerin gerichtete Aufforderung des Antragsgegners, einen (vorzeitigen) Rentenantrag zu stellen.

Die Antragstellerin ist am 00.00.1950 geboren und bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Antragsgegner. Sie lebt gemeinsam mit ihrem im Jahr 1947 geborenen Ehemann in einem Haushalt. Dieser bezieht seit dem 1.12.2012 eine Regelaltersrente in Höhe von 387,02 EUR monatlich und darüber hinaus eine Pension aus Großbritannien in Höhe von 40,87 £ monatlich. Die Unterkunftskosten für die von der Antragstellerin und ihrem Ehemann bewohnte Mietwohnung belaufen sich auf monatlich 357,91 EUR Kaltmiete zuzüglich Heizkosten in Höhe von 44,15 EUR und Nebenkosten in Höhe von 110,18 EUR, insgesamt 512,24 EUR. Mit Renteninformation vom 24.4.2012 teilt die Deutsche Rentenversicherung der Antragstellerin mit, dass bei Eintritt der Regelaltersrente am 15.9.2015 und einer Rentengewährung ab dem 1.10.2015 die ungekürzte Altersrente 704,97 EUR betragen werde. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung betrage zum Zeitpunkt der Renteninformation 682,96 EUR. Sofern bis zur Regelaltersgrenze Beiträge wie im Durchschnitt der letzten fünf Kalenderjahr gezahlt würden, betrage die Rente der Antragstellerin ohne Berücksichtigung von Rentenanpassungen monatlich 714,10 EUR. Gemäß der von der Rentenversicherung erteilten Auskunft hat die Antragstellerin ab dem 1.6.2010 die Möglichkeit, vorgezogene Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Hinnahme von Abschlägen in Anspruch zu nehmen.

Mit Schreiben vom 14.11.2012 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, im Rahmen ihrer Selbsthilfeverpflichtung unverzüglich einen Antrag auf vorzeitige Altersrente beginnend ab Vollendung ihres 63. Lebensjahres bei dem für sie zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Hierfür setzte der Antragsgegner eine Frist bis zum 28.2.2013. Für den Fall, dass die Antragstellerin der Aufforderung nicht nachkommen sollte, kündigte der Antragsgegner an, stellvertretend die Antragstellung im Wege der Ersatzvornahme in die Wege zu leiten. Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 4.12.2012 Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zur Begründung führte sie aus, die vorzeitige Verrentung führe in ihrem Fall zu so erheblichen Nachteilen, dass sie als "Härtefall" anzusehen sei, so dass nach Maßgabe der Unbilligkeitsverordnung eine vorzeitige Rentenantragstellung ausscheide. Außerdem habe sie einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt, so dass sie sehr wahrscheinlich Anspruch auf eine abschlagsfreie Rente habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.1.2013 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Er verwies auf die gesetzliche Regelung des § 12 a SGB II, wonach der Gesetzgeber klargestellt habe, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II verpflichtet seien, vorrangige Leistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die hierfür notwendigen Anträge zu stellen, um Ihre Hilfebedürftigkeit zu beseitigen, zu vermeiden oder zu verringern. Die Vorschrift bringe das Grundprinzip des SGB II zum Ausdruck, wonach jeder Einzelne zunächst selbst für die Sicherung seines Lebensunterhaltes verantwortlich sei. Dieses Nachrangprinzip sei unter anderem ausdrücklich in § 5 Abs. 1 SGB II normiert. § 12 a SGB II modifiziere das Nachrangprinzip in Bezug auf die Inanspruchnahme von Altersrenten dahingehend, dass eine Inanspruchnahme vor Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verlangt werden könne. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass Leistungsberechtigte nach Vollendung ihres 63. Lebensjahres bei Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen eine solche vorzeitige Altersrente beantragen müssten und die hiermit verbundenen Abschläge hinzunehmen seien. Die Inkaufnahme von Rentenabschlägen sei systemimmanent und von dem Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen worden. Der Antragsgegner habe im vorliegenden Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12a SGB II sowie mögliche Ausnahmetatbestände sorgfältig geprüft. Auch die nach der Ermächtigung gemäß § 13 Abs. 2 SGB II erlassene Unbilligkeitsverordnung vom 14.4.2008 führe zu keinem anderen Ergebnis. Die in der Unbilligkeitsverordnung geregelten Tatbestände seien abschließend. Weitere, dort nicht geregelte Fälle, könnten nicht berücksichtigt werden. Der Antragsgegner habe in dem angefochtenen Bescheid auch das geforderte Ermessen ausgeübt. Sämtliche Versuche die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu beenden oder zu reduzieren, seien in der Vergangenheit fehlgeschlagen. In den Jahren 2005 bis 2012 hätten lediglich zwei Vermittlungsvorschläge unterbreitet werden können, die jedoch erfolglos geblieben seien.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Antragstellerin am 25.2.2013 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben und zeitgleich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 30.1.2013 sowie einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren gestellt. Zur Begründung des Antrages trägt sie vor, die vorzeitige Rentenantragstellung bedeute für sie eine schwere und unzumutbare Härte. Für den Fall der angedrohten Ersatzvornahme habe sie selbst keine Möglichkeit, den Rentenantrag des Antragsgegners zu korrigieren oder aufzuhalten. Die Aufforderung des Antragsgegners sei bereits deshalb rechtswidrig, weil dieser kein Ermessen ausgeübt habe. Auch sei die Verpflichtung zur vorzeitigen Rentenantragstellung unbillig nach § 3 Unbilligkeitsverordnung. Dies folge daraus, dass der ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit Duisburg am 15.8.2012 der Antragstellerin geraten habe, einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft zu stellen. Bei Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft könne sie eine ungeminderte vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen. Die Antragstellerin verweist darüber hinaus auf den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 28.1.2013 zu dem Aktenzeichen S 25 AS 4787/12 ER. Der Antragsgegner hat beantragt den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen und zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des Widerspruchbescheides vom 30.1.1013 sowie auf den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 16.1.2013 zu dem Aktenzeichen S 32 AS 4545/12 ER verwiesen.

Mit Beschluss vom 14.3.2013 hat das Sozialgericht Duisburg den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sowie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Aufforderung zur Rentenantragstellung vom 14.11.2012 rechtmäßig sei und kein Anlass bestehe, von dem gesetzlichen Regelfall des § 12 a SGB II abzuweichen. § 12 a SGB II sei durch das Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze am 8.4.2008 rückwirkend zum 1.1.2008 in das SGB II eingefügt worden um klarzustellen, dass Leistungsberechtigte nach dem SGB II verpflichtet sind, vorrangige Leistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die hierfür notwendigen Anträge zu stellen, sofern sie dadurch Ihre Hilfebedürftigkeit beseitigen, vermeiden, verringern oder verkürzen können. § 12 a Satz 2 Nr. 1 SGB II stelle hierbei fest, dass Hilfebedürftige bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet seien, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Umgekehrt bedeute dies, dass Leistungsberechtigte nach Vollendung ihres 63. Lebensjahres bei Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen eine solche vorzeitige Altersrente beantragen müssten, und die hiermit verbundenen Abschläge hinzunehmen seien. Der Gesetzgeber habe hiermit für alle Hilfebedürftigen eine Altersfestlegung, ab der sie eine vorzeitige Altersrente (auch) mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen hätten, regeln wollen. Die Vorschrift sei Ausdruck des Grundprinzips des SGB II, wonach jeder Einzelne zunächst selbst für die Sicherung seines Lebensunterhaltes verantwortlich sei, und daher alle ihm hierfür zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen habe. Ausdrücklich normiert sei dieses Prinzip in § 5 Abs. 1 SGB II, wonach alle auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, der Grundsicherung für Arbeitssuchende vorgehen. Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung, die neben den in der Unbilligkeitsverordnung vom 14.4.2008 geregelten Sonderfällen auch in § 65 Abs. 4 SGB II geregelt sei, läge nicht vor, denn die Antragstellerin habe nicht wie in § 65 Abs. 4 SGB II gefordert zum 1.1.2008, sondern vielmehr erst am 16.5.2008 das 58. Lebensjahr vollendet. Ein Ausnahmetatbestand bestehe auch nicht nach § 13 SGB II in Verbindung mit § 3 Unbilligkeitsverordnung. Hiernach sei die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente unbillig, wenn der Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen könne. Aus dem Referentenentwurf des Verordnungsgebers zur Begründung dieser Vorschrift ergebe sich, dass § 3 Unbilligkeitsverordnung die Fälle regeln sollte, in denen der Hilfebedürftige innerhalb von längstens drei Monaten die individuelle Regelaltersgrenze für den Bezug einer Altersrente erreiche. Hieraus sei ersichtlich, dass der Verordnungsgeber bei Erlass der Verordnung nicht solche Fälle im Blick gehabt habe, bei welchen unter Umständen eine rentenrechtlich relevante Schwerbehinderung im Raum stehe. In Bezug genommen seien lediglich solche Fälle, in denen nur der zeitliche Aspekt (von höchstens drei Monaten) der Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente entgegenstehe. Jedenfalls jedoch müsse der Bezug einer abschlagsfreien Altersrente nach § 3 Unbilligkeitsverordnung in "naher Zukunft" feststehen und dürfe nicht von unabsehbaren Unwägbarkeiten abhängig sein. Bei der Antragstellerin sei jedoch noch völlig offen, ob eine Schwerbehinderteneigenschaft vorliege. Auch werde der Anspruch der Antragstellerin auf eine ungeminderte Rente nicht geschmälert. Sollte eine rentenrechtlich relevante Schwerbehinderung festgestellt werden, stehe der Antragstellerin ab diesem Zeitpunkt die Anerkennung einer ungeminderten Rente zu. Der Antragsgegner habe auch sein Ermessen in dem angefochtenen Bescheid vom 14.11.2012 und im Widerspruchsbescheid vom 30.1.2013 fehlerfrei ausgeübt. Hierbei unterliege sowohl die Stellung des Antrages an Stelle des Leistungsempfängers durch den Antragsgegner im Ermessen des Leistungsträgers als auch bereits im Vorfeld die Aufforderung an den Hilfebedürftigen einen entsprechenden Antrag selbst zu stellen. Ein Ermessensfehler im Sinne von § 39 SGB I in Form des Ermessensnichtgebrauchs, der Ermessensüberschreitung oder Ermessensunterschreitung sei nicht erkennbar. Nach dem Inhalt der angefochtenen Bescheide habe der Antragsgegner eine entsprechende Abwägung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen getroffen. Auch habe der Antragsgegner die möglicherweise zukünftige Anerkennung einer Schwerbehinderung gewürdigt. Diese Ermessenserwägungen seien umfassend und ausreichend. Wegen der fehlenden Erfolgsaussicht des Antrags in der Hauptsache sei auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unbegründet.

Gegen den ihr am 14.3.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 20.3.2013 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt, mit der sie ihr Ziel auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren weiterverfolgt.

Zu Begründung trägt sie vor, die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichtes, der Antragsgegner habe sein Ermessen ausreichend ausgeübt, werde nicht geteilt. Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente sei der Antragstellerin nicht zumutbar, weil aufgrund der zu erwartenden Rentenabschläge zu befürchten sei, dass sie und ihr Ehemann dauerhaft auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen seien. Dieser Umstand sei entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des Sozialgerichts Duisburg bei der Entscheidung über die Aufforderung zur Rentenantragstellung zu berücksichtigen, da die in den §§ 2 bis 5 Unbilligkeitsverordnung genannten Gründe nicht abschließend seien. Die nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II erforderliche Ermessensentscheidung habe der Antragsgegner nicht ordnungsgemäß getroffen. Es läge eine Ermessensunterschreitung durch unzureichende Ermessenserwägungen vor, da der Antragsgegner rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sei, die Ausnahmetatbestände nach der Unbilligkeitsverordnung seien abschließend, so dass sonstige Umstände nicht zu einer Unbilligkeit der Aufforderung führen könnten. Dies habe auch das Sozialgericht Duisburg verkannt. Nach § 39 Abs. 1 SGB I seien Leistungsträger verpflichtet bei der Entscheidung über Sozialleistungen, wenn diese in ihrem Ermessen stünden, dieses Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Vorliegend hätten sich der Antragsgegner und das Sozialgericht Duisburg rechtsfehlerhaft nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine vorzeitige Inanspruchnahme einer geminderten Altersrente, anders als ein Bezug der Regelaltersrente, den Bedarf der Antragstellerin und ihres Ehemannes dauerhaft sichern könnte. Auch unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung, wonach der bloße Einkommensverlust infolge einer geminderten Altersrente systemimmanent durch das Nachrangprinzip gerechtfertigt sei, könne nicht sicher davon ausgegangen werden, dass auch die auf Dauer notwendige Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen hingenommen werden müsse. Hierbei sei in die Überlegungen einzubeziehen, dass der Ehemann der Antragstellerin lediglich über eine Altersrente in Höhe von 387,02 EUR monatlich verfüge. Auf Nachfrage des Gerichts hat die Antragstellerin ergänzend mitgeteilt, dass bei ihr gegenwärtig ein Grad der Behinderung von 30 anerkannt und bezüglich der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft ein Verfahren vor dem Sozialgericht Duisburg zu dem Aktenzeichen S 40 SB 605/13 anhängig sei. Wie hoch die Abschläge gegenüber einer regulären Altersrente zum jetzigen Zeitpunkt seien könne nicht konkret beantwortet werden. Nach der letzten Renteninformation vom 24.4.2012 sei mit Abschlägen zwischen 8,4 % und 18 % zu rechnen.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,

1. den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 14.3.2013 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 14.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2013 anzuordnen;

2. dem Antragsgegner aufzuerlegen, vorläufig keinen Rentenantrag im Namen der Antragstellerin stellen zu dürfen;

3. der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen;

4. der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihre Rechtsanwalt S als Prozessbevollmächtigten beizuordnen.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen des Sozialgerichts Duisburg in dem Beschluss vom 14.3.2013. Nach der Beschwerdebegründung sei im vorliegenden Verfahren allein die Rechtsfrage streitig, ob der Antragsgegner sein Ermessen bei Erlass des Aufforderungsbescheides vom 14.11.2012 rechtmäßig ausgeübt habe, oder ob eine Ermessensunterschreitung vorliege, weil weitere Gründe als die in der Unbilligkeitsverordnung genannten, zu berücksichtigen seien. Hierzu vertrete der Antragsgegner weiterhin wie im Widerspruchsbescheid vom 30.1.2013 die Rechtsauffassung, dass die Gründe nach §§ 2 bis 5 der Unbilligkeitsverordnung abschließend seien. Die Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 2 SGB II bringe ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zum Ausdruck, welches verdeutlichen solle, dass der Verordnungsgeber lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen dürfe, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig sei. Dies setze voraus, dass vom Verordnungsgeber nur abschließend Sonderfälle bestimmt werden durften. Anderenfalls würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil verkehrt, da keine Klarstellung bestünde in welchen Fällen der Verordnungsgeber "ausnahmsweise" im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB II bestimmen könne, wann Leistungsempfänger wegen Unbilligkeit nicht auf den Grundsatz der Subsidiarität der Grundsicherung für Arbeitssuchende gegenüber Sozialleistungen anderer Träger verwiesen werden könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten und den beigezogenen Verwaltungsakte Vorgang des Antragsgegners über die Antragstellerin Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Anträge sind unbegründet.

Gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wobei eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann in Betracht kommt, wenn die in Streit stehenden Bescheide der Antragsgegnerin offensichtlich rechtswidrig sind oder aber hinsichtlich deren Rechtmäßigkeit zumindest ernsthafte Zweifel bestehen bzw. eine Vollziehung der angefochtenen Entscheidungen der Antragsgegnerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Antragsteller darstellt. Die Tatsachen sind vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft zu machen, § 86b SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderung zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B).

Der Klage der Antragstellers gegen den Bescheid vom 14.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2013, mit dem die Antragstellerin sich gegen die Verpflichtung zur Stellung eines vorzeitigen Rentenantrages wendet, hat gem. § 39 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung liegen nicht vor, denn es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 14.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2013.

Der Senat verweist hierzu zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Duisburg in dem Beschluss vom 14.3.2013, denen er sich nach eigener Prüfung anschließt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Auch die im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Insbesondere hat der Antragsgegner das ihm zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Nach der Begründung des Bescheides vom 14.11.2012 und des Widerspruchsbescheides vom 30.1.2013 war ihm die Notwendigkeit der Ermessensausübung bekannt, und es sind alle relevanten Gesichtspunkte in die Überlegungen einbezogen worden. So hat der Antragsgegner auch von der Begründung der Antragstellerin Kenntnis genommen, dass diese die bei einer vorzeitigen Rentenantragstellung sich in ihrem Fall ergebenden Abschläge für eine unzumutbare Härte hält und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Abschläge unabhängig von ihrer Höhe als systemimmanent hinzunehmen seien.

Der Senat kann hierbei offen lassen, ob neben den in der Unbilligkeitsverordnung geregelten Fällen (wie die Antragstellerin meint) auch weitere Fallgruppen, in denen die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente möglicherweise eine besondere Härte für den Betroffenen darstellt, im Rahmen des § 12 a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen sein können (so Geiger in: Münder, Kommentar zum SGB II 4. Auflage § 12 a Rn. 6; Hengelhaupt in: Hauck/Nofts SGB II § 13 Rn. 296; Knickrehm in: Soziale Sicherheit 5/2008) oder ob die in den §§ 2 bis 5 der Unbilligkeitsverordnung geregelten Fälle abschließend sind (so wohl Striebinger in: Gagel SGB II/SGB III § 12 a Rn. 9 ff.) und ob der Antragsgegner diese Ausführungen in seine Ermessenserwägungen hätte einbeziehen müssen. Denn jedenfalls liegt eine besondere Härte, die sich nach dem Vortrag der Antragstellerin nur daraus ergeben könnte, dass sie befürchtet durch die bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente sich ergebenden Abschläge dauerhaft grundsicherungsbedürftig zu sein, nicht vor. Dies folgt daraus, dass auch im Falle der Inanspruchnahme der Regelaltersrente, welche nach der vorliegenden Renteninformation vom 24.4.2012 maximal 714,10 EUR betragen würde, unter Berücksichtigung der Altersrente des Ehemannes Hilfebedarf nach dem SGB II oder dem SGB XII nicht vermieden würde.

Der Regelbedarf der Antragstellerin und ihres Ehemannes beläuft sich auf je 345 EUR Regelleistung (§ 28 SGB XII, § 20 SGB II) zuzüglich der Unterkunftskosten (§ 35 SGB XII; § 22 SGB II) in Höhe von 512,24 EUR monatlich, insgesamt ein Betrag von 1202,24 EUR. Demgegenüber steht das Einkommen des Ehemannes aus der Regelaltersrente in Höhe von 387,02 EUR zuzüglich der Rente aus Großbritannien in Höhe von 46,87 £ (ca. 55 EUR), sowie die maximale Regelaltersrente der Antragstellerin mit 714,10 EUR. Die Renten sind jeweils um die Versicherungspauschale von 30 EUR zu bereinigen, so dass ein Gesamteinkommen in Höhe von 1096,12 EUR verbleibt. Dies genügt nicht, um den Bedarf von 1202,24 EUR zu decken. Auch unter Einschluss eines fiktiven Wohngeldanspruches der Antragstellerin und ihres Ehemannes, der sich unter Berücksichtigung der bekannten Tatsachen voraussichtlich auf 43 EUR monatlich belaufen würde, könnte die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII nicht vermieden werden. Da somit auch unter Inanspruchnahme der vollen Altersrente Hilfebedürftigkeit dauerhaft nicht vermieden werden könnte, liegt eine besondere Härte für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente § 12 a Satz 2 Nr. 1 SGB II oder nach der Unbilligkeitsverordnung auch aus diesem Grund nicht vor.

Die möglicherweise bestehende Schwerbehinderteneigenschaft der Antragstellerin steht der vorzeitigen Rentenantragstellung nicht entgegen. Wie das Sozialgericht Duisburg in seinem Beschluss vom 14.3.2013 und der Antragsgegner in dem Widerspruchsbescheid vom 30.01.2013 zutreffend ausgeführt haben, würde der Antragstellerin, sofern sich nachträglich herausstellt, dass die Schwerbehinderteneigenschaft im Zeitpunkt der Rententragstellung bereits bestand, eine ungeminderte Rente zustehen.

Da der Antrag in der Hauptsache somit ohne weitere Ermittlungen keine Aussicht auf Erfolg bietet, war auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sowohl erstinstanzlich als auch für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§§ 73 SGG, 114 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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