Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 1329/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 2366/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.11.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Mehrbedarfs.
Der am 00.00.1995 geborene Kläger bezieht gemeinsam mit seiner Mutter und deren Ehemann I sowie seiner Stiefschwester seit dem 28.07.2005 Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchenden (SGB II). Bei dem Kläger liegt eine geistige Behinderung mit kombinierter Entwicklungsstörung sowie eine rezeptive Sprachstörung vor. Er ist Inhaber des Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen "G", "H" und "B". Im Jahr 2006 wurde die Pflegestufe I festgestellt. Er besucht die U Schule in X, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung.
Unter Bezugnahme auf eine amtsärztliche Begutachtung des Klägers vom 24.08.2011 beantragte der Kläger die Gewährung eines Mehrbedarfs auf Grund des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" bei dem Beklagten. Nach Aussage der Gutachterin der Agentur für Arbeit, Frau W, bestehe bei dem Kläger eine gesetzliche Schulpflicht von 12 Schuljahren. Da er noch schulpflichtig sei, könne er nicht als erwerbsfähig geführt werden.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.10.2011 die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 23 Nr. 4 SGB II ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Gewährung eines Mehrbedarfs gem. § 23 Nr. 4 SGB II die volle Erwerbsminderung voraussetze. Der Mehrbedarf könne somit nicht gewährt werden für Kinder, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, da diese der allgemeinen Schulpflicht unterliegen und schon auf Grund ihres Alters dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünden. Zwar habe der Kläger das 15. Lebensjahr vollendet, er unterliege jedoch derzeit noch der Schulpflicht gem. § 37 Schulgesetz NRW. Hiernach dauere die Schulpflicht zum Besuch der Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Sehen, Hören und Kommunikation, körperliche und motorische Entwicklung, Sprache sowie geistige Entwicklung 11 Schuljahre. Die Gewährung des Mehrbedarfs scheide daher auf Grund der noch bestehenden Schulpflicht aus.
Mit Schreiben vom 25.10.2011 erhob der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch. Er wies darauf hin, dass er unter § 28 SGB II falle, da er sozialgeldberechtigt sei. Der Gesetzgeber stelle für die Gewährung eines Mehrbedarfs lediglich auf den Bezug von Sozialgeld und nicht auf andere Umstände, wie z. B. die Schulpflicht ab. Ein erwerbsfähiger hilfebedürftiger Schüler könne sich neben der Schule oder in den Schulferien etwas hinzu verdienen. Auch der Kläger könne, wenn er erwerbsfähig sei, etwas hinzu verdienen. Sofern § 30 Abs. 1 SGB XII eine Altersgrenze enthalte, könne diese nicht auf die Regelung des SGB II übertragen werden. Während das SGB II auf die Nichterwerbsfähigkeit abstelle, stelle § 30 Abs. 1 SGB XII auf die "volle Erwerbsminderung" ab, die ausschließlich eine gesundheitliche Komponente habe. Der Gesetzgeber hätte ansonsten auch auf § 30 Abs. 1 SGB XII verweisen können, wenn er dessen entsprechende Anwendung gewünscht hätte. Der Kläger stützte die Ausführungen auf die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen vom 26.08.2008, S 11 AS 96/08.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger mit der Vollendung des 15. Lebensjahres als erwerbsfähig im Sinne des SGB II gelte. Zwar sei über die Erwerbsfähigkeit bislang keine Entscheidung getroffen worden. In der gutachterlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 24.08.2011 sei keine Aussage zur Leistungsfähigkeit des Kindes gemacht worden, weil er noch der allgemeinen Schulpflicht unterliege und nicht arbeitssuchend sei. Der Einwand, dass der Kläger bereits auf Grund der von ihm besuchten Schulform als nicht erwerbsfähig gelten müsse, überzeuge nicht, denn die Feststellung der fehlenden Erwerbsfähigkeit obliege der Bundesagentur für Arbeit und ergebe sich nicht aus dem Umstand, ob eine bestimmte Schulform besucht werde. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II würden derzeit noch nicht erfüllt. Da dem Kläger kein Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte zustehe, komme die Anwendung des § 23 SGB II nicht in Betracht und könne als Anspruchsgrundlage für einen Mehrbedarf nicht dienen. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 06.05.2010, B 14 AS 3/09 R, sollte mit dem Mehrbedarf für Erwerbsunfähige im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) damals ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der erwerbsunfähige im Gegensatz zum arbeitsfähigen Hilfeempfänger auch unter Einsatz besonderer Tatkraft nicht in der Lage sei, durch eigene Arbeit etwas hinzu zu verdienen und sich dadurch über den notwendigen Bedarf hinausgehendes und zum Teil anrechnungsfreies Einkommen verschaffen zu können. An diese Regelung wolle der Gesetzgeber des SGB II anknüpfen (BT-Druck 16/1410, S. 25). Der Mehrbedarf nach § 23 Nr. 4 SGB II stehe dem Kläger nicht zu, weil es ihm rechtlich nicht möglich sein, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Der Kläger hat am 17.04.2012 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Er begehrt die Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2012 und die Verpflichtung des Beklagten, ihm einen Mehrbedarf wegen Behinderung zu gewähren. Ferner hat der Kläger beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T aus X zu bewilligen. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, dass er einen Anspruch auf die Gewährung des Mehrbedarfes nach § 23 Nr. 4 SGB II habe. Es komme nicht darauf an, ob eine Schulpflicht bestehe oder nicht. Dies sei gesetzlich nicht vorgesehen. Der Kläger unterfalle durch sein Alter grundsätzlich der Erwerbsfähigkeit. Gem. § 8 SGB II sei bei dem Kläger jedoch von einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen. Er sei Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen "G", "H" und "B". Er erhalte Leistungen der Pflegestufe I und besuche eine Förderschule im Sinne des § 20 des Schulgesetzes NRW. Er sei gutachterlich in den Jahren 2004 und 2006, als auch durch die Bundesagentur für Arbeit vom 24.08.2011 als geistig behindert mit kombinierter Entwicklungsstörung eingestuft worden. Schließlich ergebe sich die Erwerbsunfähigkeit auch auf Grund der bestehenden Schulpflicht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat sich der Beklagte auf die Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid bezogen.
Mit Beschluss vom 19.11.2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers in der Hauptsache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Dadurch, dass der Kläger während des in der Hauptsache angegriffenen Bewilligungszeitraums schulpflichtig sei, könne er sich nicht für einen an die Zuerkennung von Merkzeichen nach dem Schwerbehindertenrecht geknüpften Mehrbedarfsanspruch qualifizieren, da dieser der Sache nach stets einen pauschalen Ausgleich für verminderte Zuverdienstmöglichkeiten darstelle. Solche Zuverdienste könne bzw. könnte der Kläger jedoch bereits wegen seiner Schulpflichtigkeit nicht erzielen, so dass das gesetzgeberische Ziel der Mehrbedarfsansprüche, gleich welche Norm herangezogen werde, nicht erreicht werden könne.
Der Beschluss ist der Bevollmächtigten des Klägers am 22.11.2012 zugestellt worden.
Gegen den Beschluss hat der Kläger am 11.12.2012 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ergänzend ausgeführt, dass der Mehrbedarf nach § 23 Nr. 4 SGB II vom Gesetzgeber nicht als Ausgleich für fehlende Hinzuverdienstmöglichkeiten konzipiert worden sei, sondern vielmehr die Einschränkungen und die Folgen der Gehbehinderung ausgleichen solle. Die Vorschrift wurde in Anlehnung an § 23 BSHG sowie § 30 SGB XII konzipiert. Diese Zielrichtung des Mehrbedarfs wird in der Entscheidung des BSG vom 29.09.2009, B 8 SO 5/08 R, zitiert. Der Kläger unterfalle dem voll erwerbsgeminderten Personenkreis nach § 43 Satz 3 SGB VI. Der Schulbesuch stelle keinen Ausschlussgrund nach dem SGB II dar, da in § 7 SGB II eine Altersgrenze gewählt wurde und nicht die Abhängigkeit von der Schulpflicht als Kriterium herangezogen wurde. Der Beklagte versuche mit einer Scheindiskussion die Erwerbsunfähigkeit des Klägers als nicht gesichert darzustellen.
Der Beklagte hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend und verweist insoweit nochmals auf seine Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 und die darin zitierte Entscheidung des BSG vom 06.05.2010, B 14 AS 3/09 R.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht dieses Verfahrens abgelehnt (§§ 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114ff. Zivilprozessordnung (ZPO)).
Der Bescheid des Beklagten vom 06.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2012 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen seiner im Schwerbehindertenausweis festgestellten Behinderung und des Merkzeichens "G". Unabhängig von der Frage, ob der Kläger auf Grund seiner körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II ist, scheidet ein Mehrbedarf sowohl nach § 21 Abs. 4 SGB II als auch nach § 23 Nr. 4 SGB II aus.
Ein Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II besteht - bei unterstellter Erwerbsfähigkeit des Klägers - bereits deshalb nicht, weil der Kläger tatsächlich keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 SGB XII erhält.
Doch auch wenn man den Kläger auf Grund seiner körperlichen und geistigen Beeinträchtigung als nicht erwerbsfähig einstuft, besteht kein Anspruch auf einen Mehrbedarf für Sozialgeldempfänger nach § 23 Nr. 4 SGB II. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass § 23 Nr. 4 SGB II die Einschränkungen und die Folgen der Gehbehinderung ausgleichen soll. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 23 Nr. 4 SGB II, vormals § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II a.F., die Übernahme der bestehenden Mehrbedarfsregelung aus dem SGB XII erreichen wollte, um eine Gleichbehandlung der Bezieher von Sozialhilfe und Sozialgeld zu erreichen, ist vielmehr entscheidend auf die Begründung zu der Parallelvorschrift des § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII, die im Wesentlichen der Vorgängervorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 2 BSHG entspricht, abzustellen. Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen vom vom 26.08.2008, S 11 AS 96/08, beruft, ist diese durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 06.05.2010, B 14 AS 3/09 R, überholt. Wie der Beklagte bereits ausgeführt hat, hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 06.05.2010, B 14 AS 3/09 R folgendes festgestellt:
"Mit dem Mehrbedarf für Erwerbsunfähige im BSHG sollte damals ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der Erwerbsunfähige im Gegensatz zum arbeitsfähigen Hilfeempfänger auch unter Einsatz besonderer Tatkraft nicht in der Lage ist, durch eigene Arbeit etwas hinzuzuverdienen und sich dadurch ein über den notwendigen Bedarf hinausgehendes und zum Teil anrechnungsfreies Einkommen verschaffen kann (Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl, 36. Lieferung, Stand März 2004, § 23 RdNr 19). Die Regelung des § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG wurde in § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ohne weitere Begründung fortgeführt. An diese Vorgaben wollte der Gesetzgeber des SGB II anknüpfen (BT-Drucks 16/1410, S 25)."
Zwar betraf diese Entscheidung die Frage, ob einem Kind auch vor Vollendung des 15. Lebensjahres eine nicht erwerbsfähige Person im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II a.F. sein könne. Das Gericht hat jedoch ausdrücklich darauf abgestellt, dass der Mehrbedarf für ein 4-jähriges Kind deshalb nicht in Betracht komme, weil es auch im gesunden Zustand rechtlich und tatsächlich nicht in der Lage sei, sich etwas hinzuzuverdienen. Hierzu hatte das OVG NRW zu § 23 BSHG bereits entschieden, dass der im damaligen § 23 BSHG geregelte Mehrbedarf für Personen unter 65 Jahren, die erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung sind, auch erwerbsunfähigen Jugendlichen zu gewähren ist, sobald für sie keine Verpflichtung zum Besuch einer Schule mit Vollunterricht mehr besteht (OVG NRW, Urteil vom 04.06.1975, VIII A 823/74). Insoweit ist klargestellt, dass nicht allein auf das Alter des potenziellen Leistungsberechtigten abgestellt werden kann. Vorliegend ist der Kläger jedoch tatsächlich nicht in der Lage sich etwas dazu zu verdienen, da er der 11-jährigen Schulpflicht zum Besuch von Förderschulen gemäß § 37 Abs. 3 Schulgesetz NRW unterliegt.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 73 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Mehrbedarfs.
Der am 00.00.1995 geborene Kläger bezieht gemeinsam mit seiner Mutter und deren Ehemann I sowie seiner Stiefschwester seit dem 28.07.2005 Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchenden (SGB II). Bei dem Kläger liegt eine geistige Behinderung mit kombinierter Entwicklungsstörung sowie eine rezeptive Sprachstörung vor. Er ist Inhaber des Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen "G", "H" und "B". Im Jahr 2006 wurde die Pflegestufe I festgestellt. Er besucht die U Schule in X, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung.
Unter Bezugnahme auf eine amtsärztliche Begutachtung des Klägers vom 24.08.2011 beantragte der Kläger die Gewährung eines Mehrbedarfs auf Grund des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen "G" bei dem Beklagten. Nach Aussage der Gutachterin der Agentur für Arbeit, Frau W, bestehe bei dem Kläger eine gesetzliche Schulpflicht von 12 Schuljahren. Da er noch schulpflichtig sei, könne er nicht als erwerbsfähig geführt werden.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.10.2011 die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 23 Nr. 4 SGB II ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Gewährung eines Mehrbedarfs gem. § 23 Nr. 4 SGB II die volle Erwerbsminderung voraussetze. Der Mehrbedarf könne somit nicht gewährt werden für Kinder, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, da diese der allgemeinen Schulpflicht unterliegen und schon auf Grund ihres Alters dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünden. Zwar habe der Kläger das 15. Lebensjahr vollendet, er unterliege jedoch derzeit noch der Schulpflicht gem. § 37 Schulgesetz NRW. Hiernach dauere die Schulpflicht zum Besuch der Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Sehen, Hören und Kommunikation, körperliche und motorische Entwicklung, Sprache sowie geistige Entwicklung 11 Schuljahre. Die Gewährung des Mehrbedarfs scheide daher auf Grund der noch bestehenden Schulpflicht aus.
Mit Schreiben vom 25.10.2011 erhob der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch. Er wies darauf hin, dass er unter § 28 SGB II falle, da er sozialgeldberechtigt sei. Der Gesetzgeber stelle für die Gewährung eines Mehrbedarfs lediglich auf den Bezug von Sozialgeld und nicht auf andere Umstände, wie z. B. die Schulpflicht ab. Ein erwerbsfähiger hilfebedürftiger Schüler könne sich neben der Schule oder in den Schulferien etwas hinzu verdienen. Auch der Kläger könne, wenn er erwerbsfähig sei, etwas hinzu verdienen. Sofern § 30 Abs. 1 SGB XII eine Altersgrenze enthalte, könne diese nicht auf die Regelung des SGB II übertragen werden. Während das SGB II auf die Nichterwerbsfähigkeit abstelle, stelle § 30 Abs. 1 SGB XII auf die "volle Erwerbsminderung" ab, die ausschließlich eine gesundheitliche Komponente habe. Der Gesetzgeber hätte ansonsten auch auf § 30 Abs. 1 SGB XII verweisen können, wenn er dessen entsprechende Anwendung gewünscht hätte. Der Kläger stützte die Ausführungen auf die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen vom 26.08.2008, S 11 AS 96/08.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger mit der Vollendung des 15. Lebensjahres als erwerbsfähig im Sinne des SGB II gelte. Zwar sei über die Erwerbsfähigkeit bislang keine Entscheidung getroffen worden. In der gutachterlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 24.08.2011 sei keine Aussage zur Leistungsfähigkeit des Kindes gemacht worden, weil er noch der allgemeinen Schulpflicht unterliege und nicht arbeitssuchend sei. Der Einwand, dass der Kläger bereits auf Grund der von ihm besuchten Schulform als nicht erwerbsfähig gelten müsse, überzeuge nicht, denn die Feststellung der fehlenden Erwerbsfähigkeit obliege der Bundesagentur für Arbeit und ergebe sich nicht aus dem Umstand, ob eine bestimmte Schulform besucht werde. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II würden derzeit noch nicht erfüllt. Da dem Kläger kein Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte zustehe, komme die Anwendung des § 23 SGB II nicht in Betracht und könne als Anspruchsgrundlage für einen Mehrbedarf nicht dienen. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 06.05.2010, B 14 AS 3/09 R, sollte mit dem Mehrbedarf für Erwerbsunfähige im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) damals ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der erwerbsunfähige im Gegensatz zum arbeitsfähigen Hilfeempfänger auch unter Einsatz besonderer Tatkraft nicht in der Lage sei, durch eigene Arbeit etwas hinzu zu verdienen und sich dadurch über den notwendigen Bedarf hinausgehendes und zum Teil anrechnungsfreies Einkommen verschaffen zu können. An diese Regelung wolle der Gesetzgeber des SGB II anknüpfen (BT-Druck 16/1410, S. 25). Der Mehrbedarf nach § 23 Nr. 4 SGB II stehe dem Kläger nicht zu, weil es ihm rechtlich nicht möglich sein, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Der Kläger hat am 17.04.2012 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Er begehrt die Aufhebung des Bescheides vom 06.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2012 und die Verpflichtung des Beklagten, ihm einen Mehrbedarf wegen Behinderung zu gewähren. Ferner hat der Kläger beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T aus X zu bewilligen. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, dass er einen Anspruch auf die Gewährung des Mehrbedarfes nach § 23 Nr. 4 SGB II habe. Es komme nicht darauf an, ob eine Schulpflicht bestehe oder nicht. Dies sei gesetzlich nicht vorgesehen. Der Kläger unterfalle durch sein Alter grundsätzlich der Erwerbsfähigkeit. Gem. § 8 SGB II sei bei dem Kläger jedoch von einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen. Er sei Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen "G", "H" und "B". Er erhalte Leistungen der Pflegestufe I und besuche eine Förderschule im Sinne des § 20 des Schulgesetzes NRW. Er sei gutachterlich in den Jahren 2004 und 2006, als auch durch die Bundesagentur für Arbeit vom 24.08.2011 als geistig behindert mit kombinierter Entwicklungsstörung eingestuft worden. Schließlich ergebe sich die Erwerbsunfähigkeit auch auf Grund der bestehenden Schulpflicht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat sich der Beklagte auf die Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid bezogen.
Mit Beschluss vom 19.11.2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers in der Hauptsache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Dadurch, dass der Kläger während des in der Hauptsache angegriffenen Bewilligungszeitraums schulpflichtig sei, könne er sich nicht für einen an die Zuerkennung von Merkzeichen nach dem Schwerbehindertenrecht geknüpften Mehrbedarfsanspruch qualifizieren, da dieser der Sache nach stets einen pauschalen Ausgleich für verminderte Zuverdienstmöglichkeiten darstelle. Solche Zuverdienste könne bzw. könnte der Kläger jedoch bereits wegen seiner Schulpflichtigkeit nicht erzielen, so dass das gesetzgeberische Ziel der Mehrbedarfsansprüche, gleich welche Norm herangezogen werde, nicht erreicht werden könne.
Der Beschluss ist der Bevollmächtigten des Klägers am 22.11.2012 zugestellt worden.
Gegen den Beschluss hat der Kläger am 11.12.2012 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ergänzend ausgeführt, dass der Mehrbedarf nach § 23 Nr. 4 SGB II vom Gesetzgeber nicht als Ausgleich für fehlende Hinzuverdienstmöglichkeiten konzipiert worden sei, sondern vielmehr die Einschränkungen und die Folgen der Gehbehinderung ausgleichen solle. Die Vorschrift wurde in Anlehnung an § 23 BSHG sowie § 30 SGB XII konzipiert. Diese Zielrichtung des Mehrbedarfs wird in der Entscheidung des BSG vom 29.09.2009, B 8 SO 5/08 R, zitiert. Der Kläger unterfalle dem voll erwerbsgeminderten Personenkreis nach § 43 Satz 3 SGB VI. Der Schulbesuch stelle keinen Ausschlussgrund nach dem SGB II dar, da in § 7 SGB II eine Altersgrenze gewählt wurde und nicht die Abhängigkeit von der Schulpflicht als Kriterium herangezogen wurde. Der Beklagte versuche mit einer Scheindiskussion die Erwerbsunfähigkeit des Klägers als nicht gesichert darzustellen.
Der Beklagte hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend und verweist insoweit nochmals auf seine Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 und die darin zitierte Entscheidung des BSG vom 06.05.2010, B 14 AS 3/09 R.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht dieses Verfahrens abgelehnt (§§ 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114ff. Zivilprozessordnung (ZPO)).
Der Bescheid des Beklagten vom 06.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2012 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen seiner im Schwerbehindertenausweis festgestellten Behinderung und des Merkzeichens "G". Unabhängig von der Frage, ob der Kläger auf Grund seiner körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II ist, scheidet ein Mehrbedarf sowohl nach § 21 Abs. 4 SGB II als auch nach § 23 Nr. 4 SGB II aus.
Ein Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II besteht - bei unterstellter Erwerbsfähigkeit des Klägers - bereits deshalb nicht, weil der Kläger tatsächlich keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 SGB XII erhält.
Doch auch wenn man den Kläger auf Grund seiner körperlichen und geistigen Beeinträchtigung als nicht erwerbsfähig einstuft, besteht kein Anspruch auf einen Mehrbedarf für Sozialgeldempfänger nach § 23 Nr. 4 SGB II. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass § 23 Nr. 4 SGB II die Einschränkungen und die Folgen der Gehbehinderung ausgleichen soll. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 23 Nr. 4 SGB II, vormals § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II a.F., die Übernahme der bestehenden Mehrbedarfsregelung aus dem SGB XII erreichen wollte, um eine Gleichbehandlung der Bezieher von Sozialhilfe und Sozialgeld zu erreichen, ist vielmehr entscheidend auf die Begründung zu der Parallelvorschrift des § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII, die im Wesentlichen der Vorgängervorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 2 BSHG entspricht, abzustellen. Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen vom vom 26.08.2008, S 11 AS 96/08, beruft, ist diese durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 06.05.2010, B 14 AS 3/09 R, überholt. Wie der Beklagte bereits ausgeführt hat, hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 06.05.2010, B 14 AS 3/09 R folgendes festgestellt:
"Mit dem Mehrbedarf für Erwerbsunfähige im BSHG sollte damals ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der Erwerbsunfähige im Gegensatz zum arbeitsfähigen Hilfeempfänger auch unter Einsatz besonderer Tatkraft nicht in der Lage ist, durch eigene Arbeit etwas hinzuzuverdienen und sich dadurch ein über den notwendigen Bedarf hinausgehendes und zum Teil anrechnungsfreies Einkommen verschaffen kann (Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl, 36. Lieferung, Stand März 2004, § 23 RdNr 19). Die Regelung des § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG wurde in § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ohne weitere Begründung fortgeführt. An diese Vorgaben wollte der Gesetzgeber des SGB II anknüpfen (BT-Drucks 16/1410, S 25)."
Zwar betraf diese Entscheidung die Frage, ob einem Kind auch vor Vollendung des 15. Lebensjahres eine nicht erwerbsfähige Person im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II a.F. sein könne. Das Gericht hat jedoch ausdrücklich darauf abgestellt, dass der Mehrbedarf für ein 4-jähriges Kind deshalb nicht in Betracht komme, weil es auch im gesunden Zustand rechtlich und tatsächlich nicht in der Lage sei, sich etwas hinzuzuverdienen. Hierzu hatte das OVG NRW zu § 23 BSHG bereits entschieden, dass der im damaligen § 23 BSHG geregelte Mehrbedarf für Personen unter 65 Jahren, die erwerbsunfähig im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung sind, auch erwerbsunfähigen Jugendlichen zu gewähren ist, sobald für sie keine Verpflichtung zum Besuch einer Schule mit Vollunterricht mehr besteht (OVG NRW, Urteil vom 04.06.1975, VIII A 823/74). Insoweit ist klargestellt, dass nicht allein auf das Alter des potenziellen Leistungsberechtigten abgestellt werden kann. Vorliegend ist der Kläger jedoch tatsächlich nicht in der Lage sich etwas dazu zu verdienen, da er der 11-jährigen Schulpflicht zum Besuch von Förderschulen gemäß § 37 Abs. 3 Schulgesetz NRW unterliegt.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 73 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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