L 31 AS 1100/13 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 435/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 1100/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 25. März 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der alleinlebende, im März 1994 geborene Kläger ist Schüler der 11. Klasse eines Gymnasiums in P. Er begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Potsdam. Am 01. November 2012 stellte er einen Antrag auf Kostenübernahme für die Teilnahme an einer Kursfahrt nach Rom im September 2013.

Er bezieht Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAFöG) i.H.v. 465,00 EUR, Kindergeld i.H.v. 184,00 EUR sowie einen Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 208,70 EUR monatlich, mithin einen Betrag i.H.v. 857,70 EUR monatlich, von dem er Kosten der Unterkunft i.H.v. 360,70 EUR begleichen muss.

Den Antrag des Klägers lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2013 ab.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat sich der Kläger mit einer Klage an das Sozialgericht Potsdam gewandt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Das Sozialgericht Potsdam hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 25. März 2013 abgelehnt.

Gegen den ihm am 28. März 2013 zugestellten Beschluss richtet sich die zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhobene Beschwerde vom 22. April 2013, die der Kläger nicht näher begründet hat.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 25. März 2013 aufzuheben und ihm für das erstinstanzliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Sie ist insbesondere unabhängig vom Erreichen eines bestimmten Beschwerdewerts in der Sache (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) statthaft und nicht nach §§ 172 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossen.

In der Sache hat die Beschwerde indessen keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Für das Klageverfahren besteht keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 73a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das ist vorliegend nicht der Fall.

Der Kläger ist als Schüler, der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bezieht, von dem Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen und hat daher schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Leistungen für die Studienfahrt hat.

Gemäß § 28 Abs. 1 SGB II werden Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf gesondert berücksichtigt. Hierzu gehören gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 2 SGB II auch die Aufwendungen für mehrtägige Klassenfahrten. Ausgeschlossen von diesen und anderen Leistungen nach dem SGB II sind gemäß § 7 Abs. 5 SGB II Auszubildende, die für ihre Ausbildung Leistungen nach dem BAföG oder nach dem SGB III bereits dem Grunde nach beanspruchen können (oder wie der Kläger erhalten). Diese haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil sich ihre Bedarfslage insoweit nach den die Ausbildungsförderung regelnden Vorschriften richtet. Dieser Leistungsausschluss konkretisiert den Nachrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber vorgelagerten Sozialleistungssystemen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 3 Abs. 3 SGB II) und geht von der Annahme aus, dass bereits die Ausbildungsförderung auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst. Es soll vor allem ausgeschlossen werden, dass die nachrangige Grundsicherung eine versteckte Ausbildungsförderung auf einer zweiten Ebene, in Form von aufstockenden Leistungen, ermöglichen soll. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das SGB II nicht dazu dienen, das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Das Recht der Grundsicherung soll vielmehr von Leistungen zur Ausbildungsförderung freigehalten werden, soweit der Hilfebedarf im Hinblick auf den Lebensunterhalt durch die Ausbildung entsteht (BSG Urteil vom 06. September 2007, Az. B 14/7b 36/06 R, BSGE 99, 67). Auch soweit § 7 Abs. 6 SGB II Ausnahmen vom grundsätzlichen Leistungsausschluss normiert, wird ein spezifisch ausbildungsbedingter Bedarf nicht umfasst (vgl. Urteile des BSG vom 17. März 2009 - B 14 AS 61/07 R, B 14 AS 62/07 R und B 14 AS 63/07 R, zitiert nach Juris). Die Verlagerung ausbildungsbedingter, aber ausbildungsförderungsrechtlich nicht berücksichtigter Bedarfe in den Bereich der existenzsichernden Leistungen ist vielmehr grundsätzlich ausgeschlossen (zur Vorgängerregelung des § 26 BSHG bereits BVerwGE 94, 224, 228; vgl. BT-Drucks 15/1514 S. 57 und BT-Drucks 15/1749 S. 31). Lediglich der nicht ausbildungsbedingte oder ausbildungsgeprägte Bedarf eines Schülers wird durch Grundsicherungsleistungen gedeckt (BSG Urteil vom 06. September 2007, Az. B 14/7b 36/06 R, BSGE 99, 67). Dies ist bspw. gegeben, wenn der Bedarf nicht ausbildungsbedingt (Mehrbedarf) ist oder ein besonderer Härtefall vorliegt. Das BSG nimmt dies im oben zitierten Urteil an, wenn wegen der Ausbildungssituation ein besonderer Bedarf entstanden ist, der nicht durch BAföG gedeckt werden kann und deswegen begründeter Anlass für die Annahme besteht, die vor dem Abschluss stehende Ausbildung werde nicht beendet und damit drohe das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit. Einen solchen Ausnahmefall stellt eine Klassenfahrt nicht dar. Auch ohne die Klassenfahrt kann die Ausbildung beendet werden.

Der Kläger erfüllte durch den Besuch des Gymnasiums die abstrakten Förderungsvoraussetzungen nach dem BAföG dem Grunde nach und bezieht im streitigen Zeitraum Leistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 BAföG. Für ihn gilt daher der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II. Er unterfällt auch keiner der Rückausnahmen vom Leistungsausschluss in § 7 Abs. 6 SGB II, insbesondere nicht der Nr. 2, denn er bezieht BAFöG nicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 1, sondern nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 BAFöG.

Soweit der Kläger in der unterschiedlichen Behandlung der BAFöG-Bezieher nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 einen Verstoß gegen Art. 3 GG sieht, weil Auszubildende, die im Haushalt der Eltern wohnen, anders behandelt werden, als der Kläger, der in einem eigenen Haushalt wohnt, verkennt der Kläger dabei, dass Schüler eines Gymnasiums – wie der Kläger – die im Haushalt der Eltern wohnen keinen oder allenfalls einen weit geringeren BAFöG-Anspruch (sog. "Null- oder Mini- BAföG; Thie in LPK-SGB II § 7 Rn 121) haben. Selbst in den Fällen der analogen Anwendung des § 12 Abs 1 Nr. 1 BAföG auf Schüler weiterführender allgemeinbildender Schulen (vgl. dazu Ramsauer/Stallbaum/Sternal; BAföG 4. Auflage, § 12 Rn. 6) betrüge der BAföG-Satz lediglich 216 statt 465 Euro. Schüler allgemeinbildender Schulen mit einem eigenen Haushalt, der nicht den Eltern gehören darf, erhalten nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 BAföG also wesentlich höhere Leistungen als die nach § 7 Abs. 6 SGB II nicht ausgeschlossenen BAföG-Bezieher nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG. Sie sind deshalb in der Lage einen Betrag von 300,- Euro in monatlichen Raten von 25,- Euro für eine –einmalige- Studienfahrt nach Rom anzusparen. Dem entspricht, dass die pauschalierten BAföG-Sätze auch Kosten für Exkursionen abdecken (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., Rn 2). Hinzu kommt, dass der Kläger auch noch auf das Kindergeld zurückgreifen kann. Ein gleichheitswidriger Ausschluss von Leistungen ist deshalb in § 7 Abs. 6 SGB II nicht enthalten.

Damit ist der Kläger generell vom Leistungsbezug - und somit auch der Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten über § 28 Abs. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Für die hier streitigen Aufwendungen für die Klassenfahrt gilt der Leistungsausschluss erst Recht, weil diese als ausbildungsbedingter Bedarf ohnehin nicht in das Recht der Grundsicherung verlagert werden dürfen.

Auch ein Anspruch des Klägers aus § 73 SGB XII ergibt sich nicht. Danach können Leistungen in besonderen/sonstigen Lebenslagen erbracht werden können, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Diese "Öffnungsklausel" ermöglicht es, in Fällen, die vom (übrigen) Sozialleistungssystem nicht erfasst werden, Hilfen zu erbringen und damit einen "Sonderbedarf" zu decken. Von der Vorschrift betroffen werden also nur atypische ("besondere" bzw. "sonstige") Lebenslagen, die nicht bereits durch andere Vorschriften des SGB XII erfasst sind (BSGE 97, 242 ff. = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1; SozR 4-3500 § 21 Nr. 1 zum BSHG). Dabei muss die bedarfsauslösende atypische Lebenslage einen gewissen Grundrechtsbezug aufweisen (Berlit in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 73 Rn. 4 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 13/10 R). Eine sonstige Lebenslage im Sinne des § 73 S. 1 SGB XII liegt hingegen insbesondere nicht vor, wenn im Einzelfall die Leistungsvoraussetzungen einer anderweitig geregelten Hilfe nicht erfüllt sind oder diese nach Art oder Umfang nicht ausreichend erscheint. Die Regelung des § 73 SGB XII ist nach ihrer Entstehungsgeschichte und Systematik (u.a.) nicht dazu bestimmt, als unzureichend erachtete Regelsatzleistungen aufzustocken oder im Interesse des Individualisierungsgrundsatzes die weitgehende Abschaffung einmaliger Leistungen wieder aufzuheben (Berlit, a.a.O., § 73 Rn. 6). Die Finanzierung einer Klassenfahrt fällt damit nicht in den Regelungsbereich des § 73 SGB XII. Im Übrigen hätte der Kläger seit Bekanntwerden der auf ihn zukommenden Kosten monatlich aus den die Kosten der Unterkunft übersteigendem Betrag von rund 500,00 EUR die auf die Kurzfahrt entfallenden Kosten ansparen können.

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig, § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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