L 5 AS 354/13 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 19 AS 1014/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 354/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. März 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit ab dem 25. März 2012 die vorläufige Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die am ... 1953 geborene Antragstellerin beantragte am 3. Januar 2012 Leistungen nach dem SGB II bei dem Antragsgegner. Unter dem 12. Januar 2012 reichte sie das Antragsformular nebst einer vorläufigen Mitgliedsbescheidung der Krankenkasse, eine Kopie des Nachweisheftes für die Sozialversicherung, eine Kopie des Personalausweises, eine eidesstattlichen Versicherung, wonach sie von ihrem Ehemann, K. P., seit April 1996 getrennt lebe, einen tabellarischen Lebenslauf mit Passbild, Zeugnisse über die abgeschlossene Berufsausbildung, über erworbene Qualifikationen sowie Kontoauszüge aus dem Jahr 2011 ein. In ihrem Schriftsatz vom 12. Januar 2012 führte sie aus, dass sie keine Hauseigentümerin sei, sondern lediglich eine geduldete Unterkunft in M., A. W. 4, habe, für die sie keine Kostenübernahme beantrage.

Am 25. März 2012 hat die Antragstellerin, nachdem sie zuvor erfolglos die Antragsgegnerin um eine Entscheidung gebeten hatte, einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Magdeburg (SG) gestellt. Sie sei einkommens- und vermögenslos und warte seit zwölf Wochen auf eine Entscheidung über den Grundsicherungsantrag. Das SG hat daraufhin die Antragstellerin unter dem 26. März 2012 aufgefordert, ihre finanziellen Verhältnisse darzulegen.

Mit Schriftsatz vom 26. März 2012 hat der Antragsgegner die Antragstellerin aufgefordert, fehlende Unterlagen einzureichen und weitere Angaben zu machen. Sie habe bisher angegeben, seit 1996 Hausfrau zu sein und dauernd getrennt von ihrem Ehemann zu leben. Es stelle sich daher die Frage, wovon sie den Lebensunterhalt seit 1996 bestritten habe. Aus den Kontoauszügen ergebe sich nicht, dass sie von dem Konto lebe. Es würden nur Bareinzahlungen getätigt, um Rechnungen zu begleichen. Die Antragstellerin solle mitteilen, woher das Geld für diese Bareinzahlungen komme.

Der Antragsgegner hat im Eilverfahren erwidert, die Angaben der Antragstellerin seien insgesamt nicht nachvollziehbar. Der plötzliche Antrag nach Jahren ohne Änderung der Verhältnisse, nicht nachvollziehbare Kontobewegungen, ungewöhnliche Wohnverhältnisse sowie widersprüchliche unvollständige Angaben sprächen gegen die Hilfebedürftigkeit. Aus den Kontoauszügen ergäben sich Abbuchungen für Grundsteuer eines Grundstücks sowie ein "Verwahrgeld" für eine Frau H. B.

Die Antragstellerin hat unter anderem mitgeteilt, dass sie am 9. Januar 2012 über Bargeld in Höhe von 25,40 EUR und ein Kontoguthaben von 7,70 EUR verfügt habe. Sie sei zur weiteren Bestreitung des Lebensunterhals von ihrem Sohn A. P. unterstützt worden. Dieser habe ihr ein Privatdarlehen in Höhe von 405,00 EUR ausgezahlt, von dem sie am 31. März 2012 noch 19,25 EUR besessen habe. Von ihrem Mann K. P. sei sie seit 16 Jahren getrennt. Trennungsunterhalt sei wegen der beidseitigen Mittellosigkeit nicht vereinbart worden. Die Bareinzahlungen auf ihrem Konto erhielte sie von Frau H. B. Das Geld diene der Bestreitung ihres nicht unmittelbaren Lebensunterhalts.

Am 23. April 2012 hat der Antragsgegner die Antragstellerin zur Klärung der Sachlage eingeladen. Die Antragstellerin ist – ausweislich des Aktenvermerks – mit einem Mann erschienen, dessen Namen sie nicht mitteilen wollte. Der anschließend beabsichtigte Hausbesuch ist – ausweislich der Mitteilung des Antragsgegners vom 23. April 2012 – verweigert worden.

Der Antragsgegner hat mit Bescheid vom 23. April 2012 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt versagt. Die Antragstellerin sei ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Insbesondere sei auf die Frage, wer Eigentümer des Hauses "A. W. 4 in ... M." sei bzw. wer die Antragstellerin dort wohnen ließe, mit der Bemerkung geantwortet worden, dass dies den Antragsgegner nicht zu interessieren zu habe. Ein Hausbesuch sei strikt abgelehnt worden, sodass die Sachverhalte eines eventuellen Zusammenlebens mit dem Vater und dessen Pflege nicht geklärt habe werden können. Unterlagen bzw. Nachweise von Frau H. B. seien nicht eingereicht worden. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 29. April 2012 gegen den Ablehnungsbescheid vom 23. April 2012 Widerspruch eingelegt.

Der Antragsgegner hat im Eilverfahren mitgeteilt, dass der beabsichtigte Hausbesuch von der Antragstellerin verweigert worden sei und diese alles versuche, um die Ermittlungen zu vereiteln. Eine abschließende Beantwortung der notwendigen Fragen werde verweigert oder nur teilweise vorgenommen.

Mit Schriftsatz vom 2. September 2012 hat die Antragstellerin ein Forderungsschreiben der Creditreform vom 27. September 2000 und vom 9. März 2011 der G.- W. GmbH M. zur Akte gereicht. Zudem hat sie ein Schreiben der Gerichtsvollzieherin H. vom 10. März 2006 zur vorgenannten Gläubigersache eingereicht. Mit Schreiben vom 3. Oktober 2012 hat sie ein Schreiben der Frau H. B. vom 29. September 2012 vorgelegt, wonach diese eine Zustimmung für einen Hausbesuch von Amtspersonen der Sozialbehörde nachdrücklich verweigert. Frau B. hat weiterhin mitgeteilt, dass die Antragstellerin seit Jahren im M. Haus ein geduldetes Aufenthaltsrecht genieße, der Antragsgegner hieraus jedoch kein Recht zur Betretung dieses Hauses ableiten könne.

Das SG hat am 7. November 2012 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. In diesem hat die Antragstellerin u. a. ausgeführt, dass sie bis 1998 noch in M. gelebt und bis 1996 Arbeitslosengeld I bezogen. Frau H. B. sei ihre Schwiegermutter. Sie sei von ihrem Sohn A. P. sowie von ihrer Schwiegermutter unterstützt worden. Dies sei nun nicht mehr möglich, da der Sohn und die Schwiegermutter ihr Geld nun selbst benötigten. In dem Erörterungstermin hat sie nochmals bestätigt, dass die Bareinzahlungen auf ihrem Konto von Frau H. B. stammen würden und nicht zur unmittelbaren Bestreitung ihres Lebensunterhaltes dienen würden. Frau B. habe vielmehr zugesagt, die Kosten des Hauses in M. zu tragen, nachdem der Sohn der Antragstellerin – A. P. – ausgezogen sei. Dieser habe bis zu seinem Auszug im Jahr 2009 die Kosten des Hauses getragen. Davon seien die Grundsteuer, Zahlungen für Strom, Wasser und Heizung sowie Telefon und Zeitung betroffen gewesen. Bis zu seinem Auszug sei sie von A. P. unterstützt worden. Nach dem Auszug seien von ihrem Konto weiter die genannten Rechnungen für das Haus, aber auch Apothekenrechnungen für ihre Schwiegermutter gezahlt worden. Diese seien lediglich Durchlaufposten von Frau B. gewesen. Das Geld diene der Begleichung von Rechnungen.

Die Antragstellerin hat im weiteren Verfahrensverlauf schriftlich erläutert, in M. von Almosen ihrer in M. lebenden Söhne A. und A. P. gelebt zu haben, die ebenfalls SGB II – Empfänger seien. Ihren Vater pflege die Antragstellerin, erhalte hierfür jedoch kein Entgelt. Sie kümmere sich lediglich um die unentgeltliche, hauswirtschaftliche Versorgung und begleite ihn zu Arztbesuchen. Sie lebe nicht bei ihrem Vater.

Unter dem 10. November 2012 hat die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung übersandt, dass sie seit der Antragstellung von ihren beiden Söhne Lebensmittel und Pflegeartikel erhalten habe. Der Wert dieser geringfügigen Unterstützung sei nicht bezifferbar. Bei einigen dieser Übergaben habe sie zudem in geringfügigem Umfang Bargeld erhalten. Konkret seien ihr Zahlungen im August von zweimal 5 EUR, für September 2012 von dreimal 5 EUR, für Oktober 2012 von 5 EUR sowie für den November 2012 von zweimal 4 EUR erinnerlich. Für April bis Juli 2012 sei von ähnlichen Werten auszugehen. Weitere Leistungen oder Einkommen habe sie nicht erhalten. Unterkunftskosten seien nicht angefallen. Der Bargeldbestand habe am 31. März 2012 19,25 EUR, am 8. April 2012 noch 0,04 EUR und aktuell noch 2,65 EUR betragen. Am 3. November 2012 sei ein Minusstand von 17,47 EUR zu verzeichnen gewesen. Mit Schriftsatz vom 10. November 2012 hat die Antragstellerin ergänzt, es sei ihr nicht möglich nachzuweisen, welche Leistungen sie von ihren Söhnen als Almosen erhalten habe.

Mit Schreiben vom 21. November 2012 hat der Prozessbevollmächtigter der Antragstellerin, ihr Ehemann K. P., erklärt, seine Anschrift sei nicht für die Zustellung von Postzustellungsurkunden geeignet. Es sei lediglich eine Wohnanschrift. Zudem hat er eine eidesstattliche Versicherung vom 21. November 2012 als Vorsorgebevollmächtigter der Frau B. eingereicht, in der er den Zweck der Bargeldbereitstellung aus dem Barvermögen der Frau B. zur Begleichung von Rechnungen für das "M. Haus" dargestellt hat. Frau B. habe bereits Jahre vor ihrer Pflegebedürftigkeit verfügt, dass bei einem eventuellen Auszug ihres Enkels A. P. aus dem Haus die dann anfallenden Kosten von ihr übernommen würden. Mit dem Auszug des Sohnes im Januar 2009 sei dann diese Kostenübernahme mit der bekannten Vorgehensweise der Bargeldzahlung auf das Konto der Antragstellerin als reiner Durchlaufposten erfolgt. Wegen offensichtlicher Fehldeutungen durch den Antragsgegner zu dieser Verfahrensweise erfolge nunmehr seit Mitte 2012 ein anderer Begleichungsvorgang für die Rechnungen.

Nachdem das SG die Antragstellerin telefonisch nicht hat erreichen können, hat es diese unter dem 26. November 2012 aufgefordert, einen Hausbesuch durch den Antragsgegner zu gestatten. Soweit einem Hausbesuch nicht zugestimmt werde, sei nach Aktenlage zu entscheiden. Der Ehemann der Antragstellerin, K. P., hat daraufhin mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 als Vorsorgebevollmächtigter von Frau H. B. mitgeteilt, dass diese den Zutritt zum Grundstück ausdrücklich verweigere.

Am 26. November 2012 hat die Vorsitzende der Kammer versucht, die Antragstellerin telefonisch zu erreichen. Ausweislich des Aktenvermerks habe der angerufene Anschluss zu dem von der Antragstellerin als Wohnanschrift angegebenen Haus in M. gehört. Dort sei lediglich ein Anrufbeantworter zu erreichen gewesen, der nach Einschätzung der Vorsitzenden von dem bereits aus dem Erörterungstermin bekannten Ehemann der Antragstellerin, K. P., mit den Worten "Wir sind nicht zu Hause" besprochen worden sei.

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2013 hat das SG erneut die Darlegung der Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin erbeten. Nach Prüfung der dem Gericht vorliegenden Unterlagen und nach dem Telefonanruf durch die Vorsitzende am 26. November 2012 blieben Zweifel an der Schlüssigkeit des Vorbringens. Der persönliche Anruf der Vorsitzenden habe ergeben, dass die Antragstellerin zu Hause nicht erreichbar gewesen sei und K. P., dessen Stimme die Vorsitzende wiedererkannt habe, die Wohnung als sein zu Hause bezeichnet und darüber informiert habe, dass niemand erreichbar sei. Dies ließe noch weitere Zweifel an dem wahrheitsgemäßen Vorbringen der Antragstellerin aufkommen.

Der Ehemann der Antragstellerin, K. P., hat daraufhin eine eidesstattliche Versicherung vom 26. Januar 2013 eingereicht, in der er mitgeteilt hat, seit Jahren seinen Wohnsitz in G. zu haben. Einen weiteren Wohnsitz bei seiner Ehefrau habe er nicht. Unter dem gleichen Datum hat die Antragstellerin eidesstattlich versichert, ihren Lebensmittelpunkt seit 1998 in M. zu haben. Dort lebe sie seit dem Auszug ihre Sohnes A. P. im Januar 2009 allein. Seitdem bestehe die Unterkunftsduldung durch ihre Schwiegermutter. Seit dem Auszug des Sohnes habe Frau H. B. die Kosten übernommen. Diese seien bis Mai 2012 über das Girokonto der Antragstellerin bei der H.-Sparkasse abgewickelt worden. Sie habe das Geld zunächst in bar vom Vorsorgebevollmächtigten der Frau B. (Schwiegermutter) – K. P. (Ehemann) – erhalten und als Durchlaufposten auf dem Konto eingezahlt und die Rechnung – auch sonstige Rechnungen der Frau B. – beglichen. Ein Geldzufluss für Lebensbestreitung sei damit nicht verbunden gewesen. Seit 1996 sei sie – die Antragstellerin – verschuldet und lebe in Armut, ohne Einkommen und sei nicht kranken-, pflege- und rentenversichert. Seit der Antragstellung bestreite sie den Lebensunterhalt von Almosen ihrer Kinder. Weder trage Frau B., noch Herr K. P. noch der Vater der Antragstellerin zu ihrem Lebensunterhalt bei. Sie lebe nicht mit ihrem Vater in einem Haushalt zusammen.

Das SG hat mit Beschluss vom 1. März 2013 den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin habe das Bestehen einer Hilfebedürftigkeit und damit den Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Sie habe zwar geltend gemacht, einkommens- und vermögenslos zu sein. Nicht erklären habe sie aber können, wie und wovon der Lebensunterhalt seit 1996 bis heute bestritten worden sei und warum eine weitere Bestreitung wie bisher nicht mehr möglich sei. Schon die Darstellung, Almosen der Söhne, die selbst Leistungsempfänger nach dem SGB II seien, erhalten zu haben, überzeuge nicht. Die Söhne würden in M. leben. Es sei nicht nachvollziehbar, wie sie mit Almosen die notwendige Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherstellen haben können. Auch die Angabe, immer mal wieder 5 oder 10 EUR erhalten zu haben, ändere daran nichts. Von diesen Geldmitteln sei es nicht möglich, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Von dem Konto der Antragstellerin seien keine Barauszahlungen noch Bezahlungen von Lebensmittelmärkten vorgenommen worden. Es werden darüber hinaus nicht hinreichend deutlich, warum die bisherige Gestaltung des Lebens der Antragstellerin nicht fortgeführt werden könne. Allein der Hinweis, ihre bisherigen Unterstützer benötigten ihr Geld nun selbst, könne nicht überzeugen. Die Unterstützung durch die Schwiegermutter sowohl beim Lebensunterhalt als auch bei der Gewährung der Unterkunftsduldung in ihrem Haus sei nicht überzeugend, da die Antragstellerin seit mehr als 16 Jahren von deren Sohn getrennt leben wolle. Schon diese Konstellation spreche eher dafür, dass die Antragstellerin noch mit ihrem Ehemann zusammenlebe. Diese Wertung werde durch die von der Antragstellerin vorgetragene komplizierte Abwicklung der Bezahlung der Rechnungen für das Haus unterstützt. Die Schwiegermutter lebe in einem Heim in H.; der Ehemann der Antragsteller sei deren Vorsorgebevollmächtigter und lebe in D. Es sei nicht glaubhaft, dass der Ehemann zunächst das Geld in bar von Frau B. abhole oder von einem Konto abhebe, um es dann der Antragstellerin zu übergeben, die es auf ihr Konto einzahle, um die Rechnungen der Schwiegermutter zu begleichen. Für die Bedarfsgemeinschaft spreche auch, dass es ebenfalls zur Begleichung von Rechnungen für Medikamente der Schwiegermutter gekommen sei. Es sei nicht hinreichend klar, wie die Antragstellerin an die entsprechenden Rechnungen ihrer Schwiegermutter gekommen sei. Weitere Anhaltspunkte für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft seien darin zu erkennen, dass der Ehemann als zwischenzeitlicher Prozessbevollmächtigter der Antragstellerin angebe, seine Postanschrift in D. sei nicht für eine Zustellung von Postsendungen geeignet. Es sei unverständlich, warum eine Zustellung an eine Wohnanschrift nicht geeignet sein solle. Für eine Bedarfsgemeinschaft spreche auch, dass der Ehemann der Antragstellerin den Anrufbeantworter im Haus in M. mit den Worten "Wir sind nicht zu Hause" besprochen habe. Unklar bleibe schließlich, ob die Verweigerung der Hausbesichtigung durch die Schwiegermutter der Antragstellerin, die von deren Ehemann betreut wird, auf einer eigenen Willensbildung beruhe. Es spreche viel dafür, dass der Schriftsatz vom 29. September 2012 zwar von dieser unterzeichnet, aber nicht von ihr verfasst worden sei.

Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 6. März 2013 zugestellten Beschluss am selben Tag Beschwerde eingelegt, die sie mit Schreiben vom 4. April 2013 begründet hat. Sie hat ausgeführt, dass eine "ominöse Bedarfsgemeinschaft" bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu dieser Annahme dürfte der Beschluss vom 1. März 2013 daher keinen Bestand haben. Sie – die Antragstellerin – und der von ihr getrennt lebende Ehemann hätten in eidesstattlichen Versicherungen mehrfach glaubhaft gemacht, dass sie – die Antragstellerin – hilfebedürftig sei. Die eidesstattliche Versicherung sei eine zulässige und hinreichende Form der Glaubhaftmachung, die das Gericht frei würdigen müsse. Die Anforderung an die Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit dürfte im Eilverfahren bei existenzsichernden Leistungen nicht überspannt werden und ein "Nichtglaubenschenken" sei rechtlich unzulässig. Der Beschluss enthalte keine sachlich zureichenden Gründe, den Wahrheitsgehalt der eidesstattlichen Versicherungen ernsthaft zu erschüttern. In dem "Kunstgriff auf eine angebliche Zweipersonenbedarfsgemeinschaft" liege ein Überraschungsbeschluss. Das SG hätte die Antragstellerin in Kenntnis setzen müssen, dass eine Bedarfsgemeinschaft entscheidungserheblich sei und sie speziell hierzu zu ergänzenden Angaben verpflichten müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Im erstinstanzlichen Verfahren hätten sich vielmehr verschiedene Varianten ergeben, wie sie – die Antragstellerin – lebe. Nach der ersten Variante lebe sie allein in M., nach der zweiten in W. zusammen mit ihrem Vater, nach der dritten in M. nicht alleine und nach der vierten dort mit ihrem Ehemann. Es sei deshalb mehr als erstaunlich, dass sie nunmehr mit ihrem Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft bilden solle. Bisher sei ihr die Grundsicherungsleistung mit der Begründung versagt worden, sie sei ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, indem sie einen Hausbesuch verweigert habe. Nunmehr sei die Bedarfsgemeinschaft entscheidungserheblich. Es handele sich um eine "Aufklärungsunwilligkeit", wenn die relevante Bedarfsgemeinschaft zunächst verschleiert werde, um dann als Ablehnungsgrund im Beschluss überraschend aufzutauchen. Durch den Erhalt vieler Schriftstücke unter der Wohnsitzanschrift ihres Ehemannes in D. über Jahre hinweg sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ihr Ehemann in D. lebe und nicht mit ihr in M. eine Bedarfsgemeinschaft bilde. Demgegenüber seien die Anhaltspunkte, die das SG zugrunde gelegt habe, zu vage. Denn es sei unerheblich und unrelevant, wie und wovon der Lebensunterhalt in den Jahren von 1996 bis 2012 bestritten worden sei, da es auf die gegenwärtige Lage ankomme. Es sei bekannt, dass sie – die Antragstellerin – bescheiden und genügsam gelebt habe. Es sei unverständlich, warum das SG die Darstellung von Almosen der Söhne als überwiegend unwahrscheinlich abgetan habe. Es sei allgemein bekannt, dass auch in Deutschland Menschen ihre notwendige Nahrungsmittelversorgung allein vom Container sicherstellten. Dass von ihrem Konto keine Barauszahlung für Lebensmittel vorgenommen worden sei, sei ihr nicht anzulasten. Denn ihr Konto diene nicht der Lebensbestreitung, sondern nur der Rechnungsbegleichung. Es erschließe sich nicht, warum die Unterstützung durch ihre Schwiegermutter dafür sprechen solle, dass sie noch mit ihrem Ehemann zusammen lebe. Aus der Lebenserfahrung ergebe sich nämlich, dass Schwiegermütter gerade wegen der Enkelkinder ihre getrennt lebende Schwiegertöchter unterstützen würden, ohne dass der Sohn zwingend mit der Schwiegertochter zusammenleben müsse. Ob die Schwiegermutter nun in H. und der Ehemann in D. lebe, sei für die Rechnungsbegleichung der M. Hausangelegenheiten und für das Eilverfahren völlig unerheblich, denn es habe mit der eigentlichen Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin nichts zu tun. Hier sei ausschließlich auf die eidesstattliche Versicherung des Ehemannes abzustellen, wonach dieser aus dem von ihm verwalteten, also nicht extra aus H. abzuholenden Bargeld, der Antragstellerin das Nötige zur Rechnungsbegleichung übergeben haben. Ebenfalls nichts mit dem Streitstoff zu tun habe es, dass die Antragstellerin Rechnungen für die Medikamente ihrer Schwiegermutter begleiche. Ebenso unerheblich sei, wie sie an die entsprechenden Rechnungen gekommen sei. Unerheblich sei ferner, warum eine Zustellung an die Wohnanschrift des Ehemanns nicht möglich sein soll. Denn dieser habe mitgeteilt, dass die Anschrift sich lediglich auf seinen Wohnsitz beziehe, aber keine Postzustellungsanschrift sei. Daraus eine Postanschrift zu konstruieren komme einer Tatsachenverdrehung gleich. Hinsichtlich des Textes auf dem Anrufbeantworter sei darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin keine Verfügungsgewalt über den Telefonanschluss ausübe. Insoweit sei auf die eidesstattliche Versicherung des Ehemannes zu verweisen. Zudem laute der Text nicht "Wir sind nicht zu Hause", sondern: "Guten Tag, hier sind sie richtig. Wenn sie uns eine Nachricht hinterlassen melden wir uns umgehend bei ihnen. Vielen Dank für ihren Anruf". Der "Ansagetextsprecher" habe damit auch keine Wohnung als sein Zuhause bezeichnet. Wegen einer angeblich verweigerten Hausbesichtigung durch Frau B. sei darauf hinzuweisen, dass es in der Streitsache völlig unerheblich sei, ob Frau B. den Schriftsatz selbst verfasst habe oder nicht. Es sei jedenfalls ihre Willensbekundung, die der Vorsorgebevollmächtigte deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Sie – die Antragstellerin – hätten einen angekündigten Hausbesuch zu keinem Zeitpunkt verweigert, allerdings habe weder der Antragsgegner noch das SG die Erforderlichkeit und die zugrunde gelegten Rechtsnormen für einen Hausbesuch darlegen können. Die Gestattung eines Hausbesuchs gehöre auch nicht zur Mitwirkungspflicht der Antragstellerin, weshalb Versagensumstände ihr nicht anzulasten seien.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 1. März 2013 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihr im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit ab dem 25. März 2012 vorläufige Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat erwidert, dass die beharrliche Verweigerung des Hausbesuchs keine andere Schlussfolgerung zulasse, als dass die Beschwerdeführerin eine für sie nachteilige Aufklärung vermeiden wolle. Sie habe über ein Jahrzehnt vor der Antragstellung angeblich ohne eigenes Einkommen und ohne eigene Krankenversicherung gelebt. Dieses setze sich nun auch bereits über 15 Monate nach Antragstellung fort. Tatsächlich kümmere sich der Ehemann um die Angelegenheiten seiner Ehefrau. Mit seinem Ansagetext "Wir sind nicht zu Hause" habe er dokumentiert, dass es sich auch um sein Zuhause handele. Insoweit sei natürlich nachvollziehbar, dass kontinuierlich über den Ehemann versucht werde, Gründe für die Verweigerung eines Hausbesuches darzustellen. Allein dessen andere Anschrift spreche nicht dafür, dass keine Bedarfsgemeinschaft bestehe. Der Prozess werde alleinig durch andere Personen geführt, insbesondere durch den Ehemann der Antragstellerin. Es sei nicht erkennbar, dass die Antragstellerin den Prozess führe. Wo sie tatsächlich wohne, sei ohne Hausbesuch nicht abschließend feststellbar. Soweit Frau B. einen Zutritt verweigere, sei ohne Belang, da alleine der Nutzer über den Zutritt zu seinen Räumen entscheiden könne. Es sei erkennbar, dass der Ehemann der Antragstellerin die Schriftsätze für seine von ihm betreute Mutter fertige.

Die Antragstellerin hat sich gegen diese Äußerungen gewandt und vorgetragen, der Antragsgegner stelle nur Behauptungen auf, ohne darzulegen, worauf er sich konkret stütze. Es sei nicht ersichtlich, welche relevanten Fragen jetzt noch unbeantwortet seien. Die Beschwerde damit zurückzuweisen, dass sie – die Antragstellerin – 15 Monate seit Antragstellung auch ohne eigenes Einkommen ihr Leben fortsetze, dürfe sicherlich als "Totschlagargument" bezeichnet werden. Wann ein Bundesbürger staatliche Hilfe in Anspruch nehmen wolle, liege einzig in dessen Ermessen. Das Girokonto sei wegen seines Minusstandes von der H.-sparkasse aufgelöst worden. Der Antragsgegner nehme bewusst die Verletzung der Menschenwürde in Kauf, obwohl er zu deren Wahrung verpflichtet sei. Falsch sei die Darstellung, dass sich ihr Ehemann um ihre Angelegenheiten kümmere. Er kümmere sich lediglich im Rahmen der Prozessvollmacht um das vorliegende Verfahren. Falsch sei die Darstellung, dass der Ehemann alleinig den Prozess führe. Vielmehr habe die Antragstellerin im Erörterungstermin des SG selbst Stellung genommen. Sie habe sich schon wegen des großen Umfang des Verfahrens legitim vertreten lassen, was ihr nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Ihr Ehemann habe auf dem Anrufbeantworter das Haus der Antragstellerin auch nicht als "sein Zuhause" bezeichnet. Selbst wenn er den Anrufbeantworter so besprochen hätte, würde dies nur dokumentieren, dass es sich bei dem Haus auch um sein Zuhause handele. Der Beschwerdegegner trage keine belastbaren Anhaltspunkte vor, die tatsächlich auf eine prägende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehemann hinwiesen. Vielmehr sei seine Darstellungsweise nebulös. Falsch sei auch, dass ohne Hausbesuch nicht abschließend feststellbar sei, wo die Antragstellerin tatsächlich wohne. Es frage sich, wo sie denn sonst wohnen solle, wenn nicht in dem von ihr angegebenen Haus. Die vorläufige Gewährung der Grundsicherungsleistungen zum menschenwürdigen Leben dürfe gerade nicht von einem abschließend festgestellten Inlandswohnort abhängig gemacht werden. Das Gesetz lasse es vielmehr genügen, dass eine tägliche postalische Erreichbarkeit am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts vorliege. Dass die Antragstellerin ihren Wohnsitz/Aufenthalt danach in M. habe, stehe außer Frage. Falsch sei zudem, dass sie über den Zutritt zu ihren eigenen Räumen entscheiden könne. Richtig sei, dass sie lediglich eine Unterkunftsduldung, aber über ihre Räume keine Verfügungsgewalt habe. Ihr Ehemann verfasse nicht die Schriftsätze von Frau B., sondern sei lediglich deren Vorsorgebevollmächtigter.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere im Sinne des § 172 SGG statthaft.

Sie ist aber nicht begründet. Der Beschluss des SG vom 1. März 2013 ist zutreffend. Denn der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden. Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG - Kommentar, 10. Aufl. § 86b Rn. 16b).

Ein Anordnungsanspruch ist nach dem vorgenannten Prüfungsmaßstab nicht hinreichend glaubhaft. Der Senat konnte nach umfassender Würdigung des Akteninhalts unter Berücksichtigung der eidesstattlichen Versicherungen der Antragstellerin und ihres Ehemannes nicht mit hinreichender Sicherheit von einer Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin ausgehen. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des SG in dem Beschluss vom 1. März 2013 und macht sie sich zu Eigen, § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG.

Ergänzend ist anzumerken:

Die Antragstellerin hat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ihre Hilfebedürftigkeit nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es ist nicht erklärbar, wie sie ihren Lebensunterhalt 15 Jahre vor Antragstellung beim Antragsgegner finanziert haben will. Gegen eine Hilfebedürftigkeit sprechen die vorgelegten Kontoauszüge, die Bareinzahlungen enthalten, jedoch keine Abhebungen für den täglichen Bedarf. Soweit die Antragstellerin eidesstattlich versichert hat, sie sei hilfebedürftig, führt dies nicht zu einer anderen Wertung. Zwar handelt es sich bei einer eidesstattlichen Versicherung – wie die Antragstellerin zutreffend ausgeführt hat – um eine im Rahmen der Beweiswürdigung besonders zu berücksichtigenden Erklärung, der ein erhöhter Beweiswert zukommt. Allein die eidesstattliche Behauptung einer Hilfebedürftigkeit führt jedoch nicht zur Glaubhaftmachung dieser Hilfebedürftigkeit als solcher, wenn – wie im vorliegenden Fall – entscheidende Fragen zur Lebensführung und zur Wohnsituation nicht geklärt werden können. Der Antragsgegner und das SG sind im Zusammenhang mit der Lebensführung in den zurückliegenden 15 Jahren zutreffend davon ausgegangen, dass eine entsprechende Aufklärung von Seiten der Antragstellerin erforderlich ist. Dies gilt auch für ihre Wohnverhältnisse. Weil ihr die Räumlichkeiten – wie sie vorgetragen hat – als Wohnung zur Verfügung gestellt werden, hat sie auch die rechtliche Möglichkeit, einen Hausbesuch zu gestatten. Rechtsgrundlage ist insoweit das Besitzrecht der Antragstellerin nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Ein Hausbesuch war bisher nicht möglich. Insoweit lässt sich nicht feststellen, unter welchen konkreten Wohnumständen sie lebt. Die Klärung der Wohnverhältnisse ist, auch wenn die Antragstellerin keine Kosten der Unterkunft geltend macht, notwendig. Denn eine Hilfebedürfigkeit lässt sich vor dem Hintergrund der auch von der Antragstellerin angegebenen möglichen Varianten des Zusammenlebens mit verschiedenen Personen bzw. eines Alleinlebens sonst nicht feststellen. Für den Senat ist nach dem derzeitigen Stand der Sach- und Rechtslage eine Trennung der Eheleute nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es kann aber offen bleiben, ob – wie das SG unter anderem unter Bezug auf den Anrufbeantwortertext annahm – die Antragstellerin von ihrem Ehemann, dessen Mutter oder einer anderen Person versorgt wird. Jedenfalls muss ihr eine Finanzierungsquelle zur Verfügung stehen, die über die Minimalbeträge hinausgeht, die sie von ihren Söhnen erhalten haben will.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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