L 6 AS 378/13

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 AS 259/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 378/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. April 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen die Anrechnung von Elterngeld für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von 300,00 Euro monatlich.

Die seit Längerem im Leistungsbezug nach dem SGB II stehenden Kläger erhielten auf ihren Antrag mit Bescheid des Beklagten vom 13. Dezember 2011 im streitgegenständlichen Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 11. Januar 2012 änderte der Beklagte seine Leistungsbewilligung für den streitgegenständlichen Zeitraum ab und rechnete erhaltenes Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich als Einkommen der Klägerin zu 1) an. Die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro wurde von der Beklagten einkommensmindernd berücksichtigt. Mit ihrem Widerspruch vom 13. Februar 2012 machten die Kläger geltend, eine Anrechnung von Elterngeld komme aus verfassungsrechtlichen Bedenken nicht in Betracht. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. März wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen haben die Kläger am 27. März 2012 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben und vorgetragen, ihre Klage richte sich ausschließlich gegen die Anrechnung des Elterngeldes als Einkommen im Sinne des SGB II. Hiergegen bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Das Elterngeld sei keine Entgeltersatzleistung und keine Leistung zum Lebensunterhalt. Es solle nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung die Anerkennung für die Erziehungs- und Betreuungsleistung von Eltern zum Ausdruck bringen, die auch der Gemeinschaft zu Gute komme. Seit dem 1. Januar 2011 enthalte § 10 Abs. 5 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) eine Sonderregelung für die Leistungen u. a. nach dem SGB II. Die Bezieher dieser Leistungen erhielten zwar Elterngeld. Da das Elterngeld aber auf die SGB II-Leistungen angerechnet werde, seien sie gezwungen, das Elterngeld für ihren Lebensunterhalt zu verwenden. Die Bezieher von SGB II-Leistungen seien demnach schlechter gestellt als andere Eltern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu anderen anders behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten. Dies sei jedoch hier der Fall. Die Neuregelung des § 10 Abs. 5 BEEG verstoße gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Eltern, die im Leistungsbezug nach dem SGB II stünden, werde derjenige Schonraum, der anderen Eltern für die anfängliche Erziehungszeit eröffnet werde, ohne rechtfertigenden Grund genommen. Zwischen den Erziehungspersonen ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II und den Eltern mit den genannten Ansprüchen bestünden jedoch keine schwerwiegenden Unterschiede, welche die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Das Elterngeld sei auch nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes bestimmt, so dass eine Anrechnung auf die Leistungen nach dem SGB II ausscheide.

Der Beklagte hat sich an die gesetzliche Vorschrift des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG gebunden gesehen. Er teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger hinsichtlich der Anrechnung des Elterngeldes nicht.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. April 2013 abgewiesen. Der Beklagte habe in den angegriffenen Bescheiden zutreffend das der Klägerin zu 1. bewilligte Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich (unter Abzug von 30,00 Euro Versicherungspauschale) als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II berücksichtigt. Die Änderungsbefugnis zu der vorangegangenen Leistungsbewilligung ergebe sich aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III.

Unstreitig habe die Klägerin zu 1. im Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 (streitgegenständlicher Zeitraum) Elterngeld in Höhe von 300,00 Euro monatlich erhalten. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sei als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11 b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 a SGB II genannten Einnahmen. Die Absetzbeträge nach § 11 b SGB II habe der Beklagte zutreffend vorgenommen. Damit sei der Beklagte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III berechtigt gewesen, die zuvor erfolgte bestandskräftige Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 13. Dezember 2011 wegen bezogenen Einkommens der Klägerin zu 1. aus Elterngeld teilweise aufzuheben, da durch diesen Bezug eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei.

Die Anrechnung des Elterngeldes begegne zur Überzeugung des Gerichts auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetzesänderung des § 11 SGB II sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 3 a SGB II in der aufgrund des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 05.12.2006 (BGBl. I 2748) vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Gesetzesfassung wurde lediglich derjenige Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge überstieg, in voller Höhe berücksichtigt. § 10 b BEEG sah in seiner vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung einen anrechnungsfreien Betrag in Höhe von 300,00 Euro vor. In dieser Höhe blieben Leistungen nach dem BEEG im Rahmen des SGB II anrechnungsfrei. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 sei § 10 b BEEG folgender Abs. 5 angefügt worden: "Die Abs. 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch, dem 12. Buch Sozialgesetzbuch und § 6 a des Bundeskindergeldgesetzes. Bei den in Satz 1. bezeichneten Leistungen bleibt das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 berücksichtigten durchschnittlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300,00 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. In den Fällen des § 6 Satz 2 verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte."

Mit der Änderung des § 11 Abs. 3 a SGB II und der Schaffung des § 10 Abs. 5 BEEG habe der Gesetzgeber somit mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 das gezahlte Elterngeld im Rahmen des SGB II (u. a.) nicht mehr anrechnungsfrei gestellt, sofern ein Fall des § 10 Abs. 5 Satz 2 S. 2 BEEG mangels Einkommenserzielung vor Bezug nicht vorliege. Nach der geltenden Gesetzeslage sei das bezogene Elterngeld, weil es bei der Klägerin zu 1) an einer Einkommenserzielung vor der Geburt fehle, als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzurechnen.

Das Sozialgericht bezieht sich zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der bezeichneten Gesetzesänderung auf eine Reihe sozialgerichtlicher Urteile, die eine Verfassungswidrigkeit verneinen (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Januar 2012 -, L 7 AS 1107/11 B, juris, Rdnr. 3; Beschluss vom 29. November 2012 - L 19 AS 1283/12 B, juris, Rdnr. 25 ff.). Zur gleichen Einschätzung gelangten das Sozialgericht Augsburg in seinem Urteil vom 22. November 2011 S 17 AS 1106/11, juris und das Sozialgericht Landshut im Urteil vom 7. Dezember 2011 - S 10 AS 484/11 sowie das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2012 - Az.: L 14 AS 1607/12 NZB, juris. Das erkennende Gericht schließe sich den Ausführungen in den benannten sozialgerichtlichen Entscheidungen ausdrücklich an und sei gleichermaßen davon überzeugt, dass eine Verletzung des Grundgesetzes sich weder aus Art. 3 Abs. 1 GG wegen einer willkürlichen Ungleichbehandlung noch aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG wegen eines Verstoßes der Schutzpflicht des Staates gegen die Grundsätze der Förderung der Ehe und Familie i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG ergebe.

Mit ihrer am 27. Mai 2013 gegen das ihnen am 29. April 2013 zugestellte Urteil eingelegten Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und beziehen sich zur Begründung auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Kläger beantragen (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. April 2013 sowie den Änderungsbescheid des Beklagtenn 11. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern im Bewilligungszeitraum 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen und hierbei das Elterngeld in Höhe von 300,00 EUR monatlich nicht als Einkommen der Klägerin zu 1) zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Auf eine Beiziehung der Verwaltungsakte des Beklagten wurde bei unstreitigem Sachverhalt wegen des allein auf die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung über die Anrechnung des Elterngeldes zielenden Vortrags der Kläger verzichtet.

II.

Der Senat hat nach Anhörung der Beteiligten von der in § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und zur Beschleunigung des Verfahrens durch Beschluss entschieden, weil er das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierauf vorab mit Berichterstatterschreiben vom 11. Juni 2013 und einer Äußerungsfrist bis zum 15. Juli 2013 hingewiesen worden.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet.

Die Kläger wenden sich mit ihrer Berufung ausschließlich gegen die Anrechnung des Elterngeldes in Höhe von 300,00 EUR monatlich auf das Einkommen der Klägerin zu 1) nach § 11 SGB II im Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012, die sie für verfassungswidrig halten. Dem folgt der Senat mit Blick auf die vorliegende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht.

Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG in der ab 1. Januar 2011 geltenden und hier anzuwendenden Fassung, werden das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich in vollem Umfang berücksichtigt. Nur wenn der oder die Leistungsberechtigte nach dem SGB II, der oder die das Kind betreut, vor der Geburt erwerbstätig war, bleibt das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 BEEG berücksichtigten durchschnittlichen Einkommens aus der Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 EUR im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

Nach § 11 Abs. 3a SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 2748), gültig vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010, war abweichend von den Absätzen 1 bis 3 des § 11 SGB II lediglich der Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge übersteigt, in voller Höhe zu berücksichtigen. In Höhe von 300 EUR blieben Leistungen nach dem BEEG im Rahmen des SGB II stets anrechnungsfrei, also auch dann, wenn der Leistungsberechtigte vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig war.

Die Rechtsfrage, ob die Anrechnung von zugeflossenem Elterngeld auf die Leistungen nach dem SGB II gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der hier ab 1. Januar 2011 maßgeblichen Fassung verfassungsgemäß ist, erscheint im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als geklärt im Sinne einer Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung.

Die Frage, ob die Ungleichbehandlung solcher Leistungsberechtigter nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren und bei denen das Elterngeld bis zu 300 EUR nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, und solcher Leistungsberechtigter nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren und bei denen das Elterngeld vollständig auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, erscheint nach der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht mehr klärungsbedürftig:

In seinem Kammerbeschluss vom 16. März 2011 – 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08, juris zur Verfassungsmäßigkeit der leistungsmindernden Anrechnung einer Verletztenrente auf Leistungen nach dem SGB II hat das Bundesverfassungsgericht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont. Bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpften, habe der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber treffe, ob und in welchem Umfang das Vermögen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet werde. Für die Anrechnung von Einkommen gelte nichts anderes. Das Bundesverfassungsgericht habe deshalb nicht zu untersuchen, ob der Normgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat.

In seinem Kammerbeschluss zur Verfassungsmäßigkeit der leistungsmindernden Anrechnung von Kindergeld auf das Sozialgeld (Beschluss vom 11. März 2010 – 1 BvR 3163/09, juris) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, es liege weder ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG vor, weil die Beschwerdeführer in diesem Verfahren durch das Kindergeld und das gekürzte Sozialgeld im Ergebnis staatliche Leistungen in der gesetzlich bestimmten Höhe erhalten hatten, noch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber, der – ggf. aufgrund verfassungsrechtlicher Verpflichtung – Steuervergünstigungen gewähre, nicht dazu verpflichtet sei, diesen Vergünstigungen entsprechende Sozialleistungen solchen Personen und ihren Angehörigen zu gewähren, die kein zu versteuerndes Einkommen erzielen.

Diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Beschluss zur Anrechenbarkeit des Kindergeldes sind im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des § 10 Abs. 5 BEEG zum 1. Januar 2011 aufgenommen worden. Es heißt dort (BR-Drucks. 532/10, S. 61 f.): "Die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes beim Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - (Arbeitslosengeld II), nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - und nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG - (Kinderzuschlag) trägt dem Umstand Rechnung, dass der Bedarf des betreuenden Elternteils und der des Kindes im System der Grundsicherung durch die Regelsätze und die Zusatzleistungen, gegebenenfalls einschließlich des Mehrbedarfszuschlags für Alleinerziehende, umfassend gesichert ist und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung des Kindes wird daher auch in diesen weitergehenden Leistungssystemen unterstützt. Die Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Berechnung der genannten Leistungen ist daher auch in den Wirkungen vertretbar. Bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6a BKGG wird grundsätzlich jedes Einkommen angerechnet. Insofern ist die Freistellung von bestimmten Einnahmen, wie zum Beispiel Elterngeldzahlungen, jeweils besonders rechtfertigungsbedürftig. Eine solche Rechtfertigung ist etwa bei den Erwerbstätigenfreibeträgen gegeben, mit denen ein Anreiz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gewährleistet werden soll. Die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes im System der Grundsicherung vermeidet gerade auch im Vergleich der Berechtigten untereinander die Relativierung der durch die Erwerbstätigenfreibeträge bezweckten Anreizwirkung. und führt damit auch zu einer stärkeren Konturierung des differenzierten Anreiz- und Unterstützungssystems in der Grundsicherung."

Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte die genauere Ausgestaltung der Regelung, das Elterngeld, soweit es als Ausgleich für Einkommen vor der Geburt gezahlt wird, zukünftig bei Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und beim Kinderzuschlag vollständig als Einkommen zu berücksichtigen, geprüft werden (BR-Drucks. 532/10, S. 62). Diese Prüfung führte zur Anfügung des § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG, der nur eine teilweise Anrechnung von Einkommen bei solchen Leistungsberechtigten nach dem SGB II vorsieht, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren und hieraus Einkommen erzielten. Die Besserstellung dieser Leistungsberechtigten gegenüber solchen Leistungsberechtigten nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren und hieraus kein Einkommen erzielten, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Anrechenbarkeit des Kindergeldes gedeckt.

Das Bundesverfassungsgericht hat überdies in einem weiteren Nichtannahmebeschluss vom 9. November 2011 – 1 BvR 1853/11, juris, festgestellt, dass die Gestaltung des Elterngelds als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verstoße. Die einkommensabhängige Ausgestaltung des Elterngeldes im BEEG stelle gegenüber der Vorgängerregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) zwar einen Systemwechsel dar und nehme möglicherweise gesetzessystematisch eine Sonderstellung ein. Die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngelds an das bisherige Erwerbseinkommen anzuknüpfen, sei von legitimen Zwecken getragen. Bei der Ausgestaltung der durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gebotenen Familienförderung kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu, den er mit der hier mittelbar angegriffenen Regelung nicht überschritten hat.

Die vollständige Anrechnung des Elterngeldes auf die Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II, soweit nicht vor der Geburt des Kindes Erwerbseinkommen erzielt wurde (§ 10 Abs. 5 Satz 1 und 2 BEEG), fügt sich nach allem systematisch in die vom Bundesverfassungsgericht gebilligte gesetzgeberische Ausgestaltung des Elterngeldes als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung ein.

Auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten stellt sich vorliegend die Frage der Zulässigkeit der Neuregelung der Anrechenbarkeit des Elterngeldes nicht. In seinem Beschluss vom 5. Dezember 2012 - 1 BvL 20/12 zur (unzulässigen) Richtervorlage zu § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG führt das Bundesverfassungsgericht aus (juris Rn. 39): "Nach den Gründen des Beschlusses vom 7. Dezember 2010 (1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90, 107) zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005, bewirkte die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe keine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe habe durch die Rechtsordnung keine Ausgestaltung erfahren, die über das Ende des jeweiligen Bewilligungsabschnitts hinaus eine verfestigte Anspruchsposition begründet habe. Die Arbeitslosenhilfe sei vielmehr abschnittsweise und nur nach einer Neuprüfung der Anspruchsvoraussetzungen gewährt worden. Die einmal erfolgte Bewilligung habe weder in ihrem Verfügungssatz noch in den ihr zugrunde liegenden Feststellungen eine über den im Bescheid geregelten Zeitraum hinausgehende Rechtsposition zu begründen vermocht. Ein Recht, das durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen seine nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, sei daher frühestens mit der jeweiligen Neu- oder Weiterbewilligung der Arbeitslosenhilfe entstanden und habe sich nur auf die Zeit bis zum Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts bezogen. Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung der Betroffenen, sie würden, den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt, in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, sei mangels hinreichender Konkretisierung kein solches geschütztes Recht. Denn die Verfassung gewähre keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage. Ein schützenswertes Vertrauen auf die voraussichtliche Ausgestaltung bestimmter Vorschriften in der Zukunft gebe es nicht." Streitgegenständlich sind auch in dem vorliegenden Klageverfahren nur Bewilligungsabschnitte nach dem SGB II, die nach der Neuregelung der Anrechenbarkeit des Elterngeldes ab 1. Januar 2011 beginnen. Die Frage einer unechten Rückwirkung oder tatbestandlichen Rückanknüpfung stellt sich hier nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind. Insbesondere haben die Kläger mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II in dem Bewilligungszeitraum 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 wie dargelegt keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert (vgl. auch die Beschlüsse des erkennenden Senats vom 1. Februar 2013 – L 6 AS 817/12 B, juris und vom 23. Mai 2013 – L 6 EG 26/12 B, nicht veröffentlicht, sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Januar 2012 – L 12 AS 2089/11 B, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Oktober 2012 - L 14 AS 1607/12 NZB, juris). Die Rechtssache hat daher keine grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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