Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 2299/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Kosten der Wahrnehmung des Umgangsrechts von
Großeltern mit ihren Enkelkindern begründen keinen
unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen
besonderen Bedarf.
2. Zwischen Großeltern und Enkelkindern besteht keine
Bedarfsgemeinschaft.
Großeltern mit ihren Enkelkindern begründen keinen
unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen
besonderen Bedarf.
2. Zwischen Großeltern und Enkelkindern besteht keine
Bedarfsgemeinschaft.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die Bewilligung eines Mehrbedarfs nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts der Klägerin (Kl.) mit ihrer Enkeltochter im Streit.
Die Kl. bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte (Bekl.) bewilligte ihr u. a. durch Bescheid vom 24.10.2012 für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 Leistungen. Die Kl. ist die Großmutter der am 03.06.2003 geborenen F. Seit Oktober 2012 ist die F. in einem von Wohnort der Kl. ca. 25 Kilometer entfernten Kinderheim untergebracht. Das Sorgerecht für die F. hat - nachdem es deren Eltern entzogen wurde - das Jugendamt. Die F. verbringt 14-tägig die Wochenenden bei der Kl. Die Kl. holt sie dann mit dem Auto freitags im Kinderheim ab und bringt sie sonntags dorthin zurück.
Den Antrag der Kl. vom 15.01.2013 auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen den durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihrer Enkeltochter entstehenden Kosten lehnte der Bekl. durch Bescheid vom 28.02.2013 ab. Ein solcher Mehrbedarf könne nur Eltern, die von ihren Kindern getrennt leben, bewilligt werden.
Hiergegen erhob die Kl. am 12.03.2013 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen lediglich ein Mehrbedarf bei getrennt lebenden Eltern anerkannt werde. Auch Großeltern stehe ein Umgangsrecht mit ihren Enkelkindern zu. Durch Widerspruchsbescheid vom 12.06.2013 wies der Bekl. den Widerspruch unter Bekräftigung seiner Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid als unbegründet zurück.
Mit der am 01.07.2013 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt die Kl. ihr Begehren weiter und konkretisiert es insofern, als sie die Fahrtkosten und anteilig den Regelbedarf ihrer Enkeltochter für den Zeitraum des Aufenthalts bei ihr i. H. v. insgesamt 470,70 EUR geltend mache.
Die Kl. beantragt,
den Bekl. unter Aufhebung des Bescheids vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2013 zu verpflichten, den Bescheid vom 24.10.2012 abändern, und zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 Leistungen für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mir ihrer Enkeltochter i. H. v. insgesamt 470,70 EUR zu bewilligen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte des Bekl. sowie den der Gerichtsakte (S 11 AS 2299/13) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 3, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet. Der Bescheid vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Kl. hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 24.10.2012 und die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihrer Enkeltochter.
1. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der Bekl. hat zwar explizit kein Verfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X durchgeführt. Ein von der Kl. geltend gemachter Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II ist jedoch kein von der Regelleistung abtrennbarer Streitgegenstand. Über ihn kann nur im Zusammenhang mit dem Anspruch auf die Regelleistung entschieden werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 29/09 R, Rn. 11 - nach juris). Demnach ist der Antrag der Kl. vom 15.01.2013 auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs als Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bezüglich des zuletzt ergangen Bescheids über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II - vorliegend der Bescheid vom 24.10.2012 - auszulegen (Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 27.12.2011, L 19 AS 1558/11 B, Rn. 15 - nach juris).
Gemessen an den gesetzlichen Vorgaben des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Bekl. hingegen zu Recht durch Bescheid vom 28.02.2013 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 12.06.2013 die Abänderung des Bescheids vom 24.10.2012 und die Bewilligung eines Mehrbedarfs abgelehnt.
Nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf aner-kannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger beson-derer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist gemäß § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II unab-weisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Be-rücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
a) Aus § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II ergibt sich zugunsten der Kl. kein Anspruch auf an-teilige Leistungen nach § 23 Nr. 1 SGB II. Leistungen nach dem SGB II sind Indivi-dualansprüche und stehen nur dem ggf. Berechtigten - vorliegend der F. - zu. Klage hat aber nur die Kl. und nicht die F. erhoben.
Die am 03.06.2003 geborene F. selbst hätte darüber hinaus keinen Ansprüche nach dem SGB II. Sie hat noch nicht das 15. Lebensjahr vollendet (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) und bildet nach § 7 Abs. 3 Nr. 1-4 SGB II auch keine Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Großmutter (BSG, Urteil vom 27.01.2009, B 14/7b AS 8/07, Rn. 14; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.03.2012, L 6 BK 1/10, Rn. 18 - jeweils nach juris).
b) Die Kl. hat auch keinen Anspruch auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der ihr durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit der F. entstehenden Fahrtkosten.
aa) Ein besonderer Bedarf nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II besteht nur dann, wenn er nicht schon vom Regelbedarf nach § 20 SGB II abgedeckt wird, sondern wegen einer atypischen Bedarfslage über den Durchschnittsbedarfs hinausgeht oder wegen der Atypik vom Regelbedarf nicht umfasst ist. Ein besonderer Bedarf liegt demnach dann nicht vor, wenn er nach Art und Umfang typischerweise bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II auftritt. § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II dient nicht dazu, einen für unzureichend erachteten Regelbedarf generell aufzustocken (S. Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 21 SGB II, Rn. 66; Münder, in: LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 21 SGB II, Rn. 36).
Eine atypische Bedarfslage ist vorliegend, auch unter Berücksichtigung der Unter-bringung der F. in einem Kinderheim und dem Entzug des Sorgerechts, nicht gegeben. Auch dann, wenn Enkelkinder nicht in einem Kinderheim, sondern bei ihren Eltern leben und die Eltern das Sorgerecht für die Kinder inne haben, entstehen den Großeltern Kosten, um das ihnen nach § 1685 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zustehende Umgangsrecht mit ihren Enkelkindern wahrzunehmen.
Auch die Entfernung des Wohnorts der Kl. zum Aufenthaltsort der F. von ca. 25 Kilome-tern ist nicht als atypisch anzusehen.
In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist zwar ein Anspruch des von seinem Kind getrennt lebenden Elternteils auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der ihm infolge der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinem Kind entstehenden Kosten anerkannt (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 14/06 R, Rn. 21 f. - nach juris) und diese Fallgestaltung lag u. a. auch der Einführung des § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu Grunde (BT-Drucks. 17/1465, S. 9). Aber auch aus diesen Gründen ist eine abweichende Auslegung des § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II nicht geboten.
Das Umgangsrecht zwischen den Eltern und ihren Kindern ist durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) geschützt und war Grundlage der o. g. sozialgerichtlichen Rechtsprechung (BSG, a. a. O., Rn. 21 f.; LSG Hessen, Beschluss vom 06.07.2012, L 7 AS 275/12 B ER, Rn. 33 - jeweils nach juris; Behrend, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 21 SGB II, Rn. 100). Die Beziehung zwischen den Großeltern und ihren Enkelkindern unterfällt hingegen nicht dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, sondern dem des Art. 6 Abs. 1 GG (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK], Beschluss vom 18.12.2008, 1 BvR 2604/08, Rn. 22 - nach juris). Zwar erwachsen aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur eine Institutsgarantie, sondern auch eine allgemeine Wertentscheidung, aus der die allgemeine Verpflichtung des Staates u. a. zu einem Familienlastenausgleich folgt. Dies bedeutet aber nicht, dass der Staat hier die Familie ohne Rücksicht auf sonstige öffentliche Belange zu fördern hätte. Vielmehr steht die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen stets unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Das Schutz- und Förderungsgebot geht nicht soweit, dass der Staat gehalten wäre, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen. Das Förderungsgebot aus Art. 6 Abs. 1 GG ist daher schon wegen der dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit nicht geeignet, konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen zu begründen (LSG Hessen, a. a. O., Rn. 35 m. w. N.).
bb) Die der Kl. infolge des Umgangs mit der F. entstehenden Fahrtkosten sind auch nicht unabweisbar i. S. d. § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II.
Die am 03.06.2003 geborene F. ist in der Lage, die Wegstrecke mit öffentlichen Ver-kehrsmitteln selbstständig zurückzulegen (LSG Bayern, Beschluss vom 25.06.2010, L 7 AS 404/10 B ER, Rn. 25 für 14-jährige Kinder; LSG Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 20.09.2010, L 6 AS 1097/10 B, Rn. 9 bei 10-jährigen Kindern ablehnend bei weiten Entfernungen - jeweils nach juris). Die F. hat zwar erst am 03.06.2013 ihr 10. Lebensjahr vollendet; es war ihr jedoch möglich, am 16.07.2013 selbstständig zur Kl. zu gelangen (Bl. 20 f. der Gerichtsakte). Demnach ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der F. eine selbstständige Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht unmittelbar vor dem 16.07.2013, dem hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013, nicht möglich gewesen sein sollte.
Nach alledem ist der Bescheid vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 12.06.2013 rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in ihren Rechten. Die Kl. hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 24.10.2012 und die Bewilligung eines Mehrbedarfs für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit der F. im Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Soweit dem Gericht ersichtlich, ist bislang keine obergerichtliche Entscheidung zu der streitgegenständlichen Rechtsfrage ergangen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die Bewilligung eines Mehrbedarfs nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts der Klägerin (Kl.) mit ihrer Enkeltochter im Streit.
Die Kl. bezieht laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte (Bekl.) bewilligte ihr u. a. durch Bescheid vom 24.10.2012 für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 Leistungen. Die Kl. ist die Großmutter der am 03.06.2003 geborenen F. Seit Oktober 2012 ist die F. in einem von Wohnort der Kl. ca. 25 Kilometer entfernten Kinderheim untergebracht. Das Sorgerecht für die F. hat - nachdem es deren Eltern entzogen wurde - das Jugendamt. Die F. verbringt 14-tägig die Wochenenden bei der Kl. Die Kl. holt sie dann mit dem Auto freitags im Kinderheim ab und bringt sie sonntags dorthin zurück.
Den Antrag der Kl. vom 15.01.2013 auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen den durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihrer Enkeltochter entstehenden Kosten lehnte der Bekl. durch Bescheid vom 28.02.2013 ab. Ein solcher Mehrbedarf könne nur Eltern, die von ihren Kindern getrennt leben, bewilligt werden.
Hiergegen erhob die Kl. am 12.03.2013 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen lediglich ein Mehrbedarf bei getrennt lebenden Eltern anerkannt werde. Auch Großeltern stehe ein Umgangsrecht mit ihren Enkelkindern zu. Durch Widerspruchsbescheid vom 12.06.2013 wies der Bekl. den Widerspruch unter Bekräftigung seiner Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid als unbegründet zurück.
Mit der am 01.07.2013 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt die Kl. ihr Begehren weiter und konkretisiert es insofern, als sie die Fahrtkosten und anteilig den Regelbedarf ihrer Enkeltochter für den Zeitraum des Aufenthalts bei ihr i. H. v. insgesamt 470,70 EUR geltend mache.
Die Kl. beantragt,
den Bekl. unter Aufhebung des Bescheids vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2013 zu verpflichten, den Bescheid vom 24.10.2012 abändern, und zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 Leistungen für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mir ihrer Enkeltochter i. H. v. insgesamt 470,70 EUR zu bewilligen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte des Bekl. sowie den der Gerichtsakte (S 11 AS 2299/13) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 3, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet. Der Bescheid vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Kl. hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 24.10.2012 und die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihrer Enkeltochter.
1. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der Bekl. hat zwar explizit kein Verfahren nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X durchgeführt. Ein von der Kl. geltend gemachter Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II ist jedoch kein von der Regelleistung abtrennbarer Streitgegenstand. Über ihn kann nur im Zusammenhang mit dem Anspruch auf die Regelleistung entschieden werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 29/09 R, Rn. 11 - nach juris). Demnach ist der Antrag der Kl. vom 15.01.2013 auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs als Überprüfungsantrag nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bezüglich des zuletzt ergangen Bescheids über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II - vorliegend der Bescheid vom 24.10.2012 - auszulegen (Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 27.12.2011, L 19 AS 1558/11 B, Rn. 15 - nach juris).
Gemessen an den gesetzlichen Vorgaben des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Bekl. hingegen zu Recht durch Bescheid vom 28.02.2013 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 12.06.2013 die Abänderung des Bescheids vom 24.10.2012 und die Bewilligung eines Mehrbedarfs abgelehnt.
Nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf aner-kannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger beson-derer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist gemäß § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II unab-weisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Be-rücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
a) Aus § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II ergibt sich zugunsten der Kl. kein Anspruch auf an-teilige Leistungen nach § 23 Nr. 1 SGB II. Leistungen nach dem SGB II sind Indivi-dualansprüche und stehen nur dem ggf. Berechtigten - vorliegend der F. - zu. Klage hat aber nur die Kl. und nicht die F. erhoben.
Die am 03.06.2003 geborene F. selbst hätte darüber hinaus keinen Ansprüche nach dem SGB II. Sie hat noch nicht das 15. Lebensjahr vollendet (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) und bildet nach § 7 Abs. 3 Nr. 1-4 SGB II auch keine Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Großmutter (BSG, Urteil vom 27.01.2009, B 14/7b AS 8/07, Rn. 14; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.03.2012, L 6 BK 1/10, Rn. 18 - jeweils nach juris).
b) Die Kl. hat auch keinen Anspruch auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der ihr durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit der F. entstehenden Fahrtkosten.
aa) Ein besonderer Bedarf nach § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II besteht nur dann, wenn er nicht schon vom Regelbedarf nach § 20 SGB II abgedeckt wird, sondern wegen einer atypischen Bedarfslage über den Durchschnittsbedarfs hinausgeht oder wegen der Atypik vom Regelbedarf nicht umfasst ist. Ein besonderer Bedarf liegt demnach dann nicht vor, wenn er nach Art und Umfang typischerweise bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II auftritt. § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II dient nicht dazu, einen für unzureichend erachteten Regelbedarf generell aufzustocken (S. Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 21 SGB II, Rn. 66; Münder, in: LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 21 SGB II, Rn. 36).
Eine atypische Bedarfslage ist vorliegend, auch unter Berücksichtigung der Unter-bringung der F. in einem Kinderheim und dem Entzug des Sorgerechts, nicht gegeben. Auch dann, wenn Enkelkinder nicht in einem Kinderheim, sondern bei ihren Eltern leben und die Eltern das Sorgerecht für die Kinder inne haben, entstehen den Großeltern Kosten, um das ihnen nach § 1685 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zustehende Umgangsrecht mit ihren Enkelkindern wahrzunehmen.
Auch die Entfernung des Wohnorts der Kl. zum Aufenthaltsort der F. von ca. 25 Kilome-tern ist nicht als atypisch anzusehen.
In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist zwar ein Anspruch des von seinem Kind getrennt lebenden Elternteils auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen der ihm infolge der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinem Kind entstehenden Kosten anerkannt (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 14/06 R, Rn. 21 f. - nach juris) und diese Fallgestaltung lag u. a. auch der Einführung des § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu Grunde (BT-Drucks. 17/1465, S. 9). Aber auch aus diesen Gründen ist eine abweichende Auslegung des § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II nicht geboten.
Das Umgangsrecht zwischen den Eltern und ihren Kindern ist durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) geschützt und war Grundlage der o. g. sozialgerichtlichen Rechtsprechung (BSG, a. a. O., Rn. 21 f.; LSG Hessen, Beschluss vom 06.07.2012, L 7 AS 275/12 B ER, Rn. 33 - jeweils nach juris; Behrend, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 21 SGB II, Rn. 100). Die Beziehung zwischen den Großeltern und ihren Enkelkindern unterfällt hingegen nicht dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, sondern dem des Art. 6 Abs. 1 GG (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK], Beschluss vom 18.12.2008, 1 BvR 2604/08, Rn. 22 - nach juris). Zwar erwachsen aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur eine Institutsgarantie, sondern auch eine allgemeine Wertentscheidung, aus der die allgemeine Verpflichtung des Staates u. a. zu einem Familienlastenausgleich folgt. Dies bedeutet aber nicht, dass der Staat hier die Familie ohne Rücksicht auf sonstige öffentliche Belange zu fördern hätte. Vielmehr steht die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen stets unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Das Schutz- und Förderungsgebot geht nicht soweit, dass der Staat gehalten wäre, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen. Das Förderungsgebot aus Art. 6 Abs. 1 GG ist daher schon wegen der dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit nicht geeignet, konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen zu begründen (LSG Hessen, a. a. O., Rn. 35 m. w. N.).
bb) Die der Kl. infolge des Umgangs mit der F. entstehenden Fahrtkosten sind auch nicht unabweisbar i. S. d. § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II.
Die am 03.06.2003 geborene F. ist in der Lage, die Wegstrecke mit öffentlichen Ver-kehrsmitteln selbstständig zurückzulegen (LSG Bayern, Beschluss vom 25.06.2010, L 7 AS 404/10 B ER, Rn. 25 für 14-jährige Kinder; LSG Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 20.09.2010, L 6 AS 1097/10 B, Rn. 9 bei 10-jährigen Kindern ablehnend bei weiten Entfernungen - jeweils nach juris). Die F. hat zwar erst am 03.06.2013 ihr 10. Lebensjahr vollendet; es war ihr jedoch möglich, am 16.07.2013 selbstständig zur Kl. zu gelangen (Bl. 20 f. der Gerichtsakte). Demnach ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der F. eine selbstständige Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht unmittelbar vor dem 16.07.2013, dem hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013, nicht möglich gewesen sein sollte.
Nach alledem ist der Bescheid vom 28.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 12.06.2013 rechtmäßig und verletzt die Kl. nicht in ihren Rechten. Die Kl. hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheids vom 24.10.2012 und die Bewilligung eines Mehrbedarfs für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit der F. im Zeitraum vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Soweit dem Gericht ersichtlich, ist bislang keine obergerichtliche Entscheidung zu der streitgegenständlichen Rechtsfrage ergangen.
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