L 15 SO 26/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 21/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 26/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. November 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten. Die im Mai 1963 geborene Klägerin ist die Witwe des 1962 geborenen M K, der seit dem 26. April 2008 zunächst als vermisst galt und am 14. September 2008 tot in der Nähe der damaligen Ehewohnung in S aufgefunden wurde. Die Klägerin ließ ihn am 10. Oktober 2008 vom Bestattungsinstitut D. S GmbH (H) bestatten. Hierfür wurden ihr unter dem 17. Oktober 2008 2.113,70 Euro in Rechnung gestellt, wobei auf eigene Leistungen des Bestatters 1.781,00 Euro sowie auf Gebühren und Auslagen (Sterbeurkunden, Krematoriumsgebühr, Redner) 332,70 Euro entfielen. Diese Rechnung ist vereinbarungsgemäß im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit noch offen.

Am 03. November 2008 wurde der Klägerin vom Arbeitgeber des Verstorbenen, den BW, auf der Grundlage des § 17 des Tarifvertrages für die Versorgungsbetriebe (TV-V) ein Sterbegeld in Höhe von 3.542,78 Euro ausgezahlt. Mit Schreiben vom 09. Januar 2009 erläuterte der Arbeitgeber auf Anfrage, dass das tarifliche Sterbegeld von 7.500,00 Euro entsprechend der Bitte der Klägerin mit an ihren Ehemann geleisteten Entgeltvorschüssen wegen Mietrückständen und einer Entgeltüberzahlung für April 2008 verrechnet worden sei. Zum 01. Dezember 2008 zog die Klägerin von S nach P um.

Mit am 16. Juni 2009 beim Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin die Übernahme der Bestattungskosten gemäß der Rechnung vom 17. Oktober 2008 sowie weiterer, hier nicht mehr streitiger Gebühren und Auslagen (159,51 Euro für die Bergung des Toten, 350,00 Euro Friedhofsgebühren). Sie machte geltend, dass das für die Beisetzung des Verstorbenen zu verwendende Sterbegeld vom Leistungsträger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in voller Höhe als Einkommen angerechnet worden sei, so dass die ihr gewährten Leistungen ab November 2008 eingestellt worden seien. Sie habe das Sterbegeld für den notwendigen Lebensunterhalt einsetzen müssen. Es sei ihr nicht möglich, die Kosten der Bestattung aufzubringen.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) komme jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin den erforderlichen Antrag nicht in angemessener Frist nach der Bestattung und Rechnungsstellung eingereicht habe, was regelmäßig Zweifel an der Unzumutbarkeit der Kostentragung begründe. Die obergerichtliche Rechtsprechung sehe eine Frist von ein bis zwei Monaten als angemessen an. Die Klägerin habe jedoch trotz Mahnungen und Zahlungsanforderung durch ein Inkassobüro mehr als acht Monate bis zur Antragstellung verstreichen lassen, ohne dass dafür rechtfertigende Gründe gegeben seien. Den von der Klägerin ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2009 unter Wiederholung und Vertiefung seiner bisherigen Ausführungen zurück.

Zur Begründung der am 17. Dezember 2009 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) eingereichten und mit Beschluss vom 25. Januar 2010 an das örtlich zuständige Sozialgericht Potsdam verwiesenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen folgendes vorgetragen: Zwar treffe es zu, dass der Zeitraum zwischen Rechnungsstellung und Antragstellung mit knapp acht Monaten abstrakt betrachtet dafür sprechen könne, dass ihr die Tragung der Bestattungskosten zuzumuten sei. Jedoch sei sie speziellen Widrigkeiten im Mechanismus der Grundsicherungsträger ausgesetzt gewesen, sodass sie die verzögerte Antragstellung nicht verschuldet habe. Aufgrund des am 03. November 2008 ausgezahlten Sterbegeldes in Höhe von 3.542,78 Euro und wegen ihres Umzuges habe das Amt für Grundsicherung für Arbeitsuchende des Beklagten mit Bescheid vom 06. November 2008 die ihr zuletzt mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 für die Zeit vom 01. November 2008 bis 31. Januar 2009 bewilligte Grundsicherung in Höhe von monatlich 813,50 Euro mit Wirkung ab 01. November 2008 vollständig eingestellt. Sie sei daher gezwungen gewesen, ihren Lebensunterhalt und den Umzug nach P – dem das Grundsicherungsamt des Beklagten am 23. Oktober 2008 wegen der Aufnahme eines (zunächst geringfügigen) Arbeitsverhältnisses in T und aus ihren persönlichen Gründen zugestimmt hatte, vom Sterbegeld zu bestreiten. Ihr (im September 1986 geborener) Sohn, der vorher mit ihr in Bedarfsgemeinschaft gelebt habe, sei Ende Oktober 2008 nach B gezogen. Beide Umzüge hätten ca. 2.000,00 Euro gekostet. Von dem verbliebenen Geld habe sie noch offene Versicherungsbeiträge des verstorbenen Ehemannes wie Rechtsschutzversicherung, Lebensversicherung, Unfallversicherung, Kfz-Versicherung sowie Hausrat- und Haftpflichtversicherung bezahlt, die ohne Totenschein nicht hätten gekündigt werden können.

Ihrem Widerspruch gegen die Leistungseinstellung vom 13. November 2008 habe der Grundsicherungsträger erst mit Bescheiden vom 07. Juli 2009 abgeholfen und für die Zeit vom 22. Juli bis zum 17. November 2008 – dem Tag ihres Umzuges – Leistungen nach dem SGB II neu berechnet und nachbewilligt. Erst als dies in Aussicht gestanden habe, habe sie die Übernahme der Bestattungskosten beantragen können. Ausweislich des Änderungsbescheides vom 07. Juli 2009 sind der Klägerin für den Teil-Monat November – nur unter Anrechnung von Witwenrente – 178,86 Euro sowie 450,00 Euro als Darlehen für eine Stromkostennachzahlung gewährt worden. Insgesamt hat sie eine Nachzahlung von 889,55 Euro erhalten.

Ferner hat die Klägerin ausgeführt, dass ihr mit Bescheiden des Rentenversicherungsträgers vom 21. Juli 2009 und vom 18. August 2009 – aufgrund ihres Widerspruches gegen die bisher ab 14. September 2008 bewilligte große Witwenrente – für die Zeit vom 26. April bis zum 31. Mai 2008 kleine Witwenrente (aber im Sterbevierteljahr mit Rentenartfaktor 1) und ab 01. Juni 2008 große Witwenrente gewährt worden sei mit einem Zahlbetrag von monatlich 614,12 Euro ab Oktober 2009. Die in den Bescheiden ausgewiesenen Nachzahlungen seien entweder mit Leistungen des Grundsicherungsamtes des Beklagten verrechnet oder bisher nicht ausgezahlt worden. Da sie aufgrund des nunmehr erteilten Neubewilligungsbescheides nach dem SGB II im streitigen Zeitraum bedürftig gewesen sei, könne die späte Beantragung der Bestattungsbeihilfe nicht zu ihrem Nachteil gereichen.

Mit Schriftsatz vom 02. November 2010 hat die Klägerin auf Anforderung des Gerichts die von ihr (und ihrem Sohn) von April 2008 bis Dezember 2009 erzielten Einkünfte und bezogenen Transferleistungen zusammengestellt und erklärt, auch weiterhin nicht zahlungsfähig zu sein. Sie habe im Oktober 2009 erneut geheiratet und mit der im Dezember 2009 ausgezahlten Witwenrentenabfindung in Höhe von 15.615,96 Euro zwei Privatkredite ihres verstorbenen Ehemannes in Höhe von insgesamt 13.500,00 Euro getilgt. Ferner seien Mietrückstände für die Wohnung in P in Höhe von 3.000,00 Euro zu begleichen gewesen. Seit Dezember 2009 bezögen sie und ihr jetziger Ehemann Leistungen nach dem SGB II. Auf einen gemeinsam mit ihrem verstorbenen ersten Ehemann aufgenommenen Bankkredit von 25.000,00 Euro zahle sie monatliche Raten von 5,00 Euro.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. November 2010 abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2009 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten für ihren verstorbenen Ehemann M K in Höhe von 2.113,70 Euro. Rechtsgrundlage für den Ablehnungsbescheid sei § 74 SGB XII. Danach würden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen. Dabei handele es sich um eine sozialhilferechtliche Sonderleistung mit eigener Bedarfsstruktur, die sich wesentlich vom typischen Fall der Hilfe zum Lebensunterhalt unterscheide und verhindern solle, dass der Verpflichtete aus Anlass eines Trauerfalles unzumutbare finanzielle Opfer bringen müsse. Der Beklagte sei für die Erbringung gemäß § 98 Abs. 3 SGB XII örtlich zuständig, weil in seinem Bezirk der Sterbeort des M K liege. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 74 SGB XII seien jedoch nicht gegeben. Dabei könne dahinstehen, ob der Beklagte zu Recht die Auffassung vertreten habe, dass schon der lange Zeitraum zwischen Rechnungsstellung und Antragstellung die Unzumutbarkeit der Tragung der Bestattungskosten ausschließe. Die Kommentarliteratur gehe aus Sicht der Kammer zu Recht davon aus, dass der Anspruch nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müsse, was praktischen Bedürfnissen entspreche, denn der Hilfesuchende habe zunächst vorrangige Ansprüche zu klären und durchzusetzen, was unter Umständen längere Zeit in Anspruch nehmen könne. Es sei der Klägerin, die aufgrund ihrer Erbenstellung sowie gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Brandenburgischen Bestattungsgesetzes verpflichtet gewesen sei, für die Bestattung ihres Ehemannes zu sorgen, aber zuzumuten, die dafür angefallenen Kosten zu tragen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei die Fälligkeit der Forderung des Bestattungsunternehmens. Beruhe die geltend gemachte Unzumutbarkeit – wie hier – allein auf finanziellen Gründen, müsse die Bedürftigkeit noch im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorliegen, es sei denn, dem Hilfesuchenden sei es nicht zuzumuten, diese Entscheidung abzuwarten. Die Klägerin sei im danach maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung des Bestattungsunternehmens im Oktober/November 2008 bis zur letzten Behördenentscheidung im November 2009 nicht bedürftig gewesen, denn sie habe am 03. November 2008 vom Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes einen Betrag von 3.542,78 Euro als Sterbegeld erhalten. Dieses Sterbegeld sei in jedem Fall vorrangig zur Deckung der Bestattungskosten einzusetzen. Dazu sei die Klägerin auch in der Lage gewesen, denn die Bestattungskosten beliefen sich auf 2.113,70 Euro zzgl. 350,00 Euro Friedhofsgebühren, somit 2.463,70 Euro, womit der Klägerin nach Abzug dieser Verbindlichkeiten im November 2008 noch 1.079,08 Euro zum Leben verblieben seien. Damit sei sie auch mit Blick auf den mit Änderungsbescheid des SGB II-Leistungsträgers des Beklagten vom 21. Oktober 2008 ermittelten Bedarf von 813,50 Euro pro Monat nicht bedürftig gewesen.

Soweit der SGB II-Leistungsträger – möglicherweise zu Unrecht – mit Bescheid vom 06. November 2008 die Leistung zu Gunsten der Klägerin für den Monat November 2008 (nur für diesen, da die Klägerin danach in P gewohnt habe und somit gegebenenfalls ab Dezember 2008 der dortige Leistungsträger örtlich zuständig gewesen wäre), eingestellt habe, sei die Klägerin gleichwohl weder berechtigt noch rechtlich verpflichtet gewesen, das Geld zur Deckung ihres Lebensunterhaltes einzusetzen, so lange nicht alle mit dem Sterbefall zusammenhängenden Verbindlichkeiten beglichen worden seien. Denn schon nach dem Wortlaut, aber auch nach dem klar erkennbaren Sinn und Zweck von "Sterbegeld" verfolge der Erbringer der Leistung, sei es aus sozialversicherungsrechtlicher, beihilferechtlicher oder privatrechtlicher Verpflichtung heraus, damit den Zweck, die mit dem Todesfall zusammenhängenden finanziellen Belastungen für den Verpflichteten aufzufangen oder zu mildern. Dies gelte umso mehr, wenn der Verpflichtete – wie hier die Klägerin – dem Grunde nach bedürftig sei. Bei einer solchen Sachlage verdichte sich die Obliegenheit des Bestattungsverpflichteten zum Einsatz der ihm zumindest in Höhe des tatsächlichen Bestattungsbedarfs überlassenen Mittel geradezu zu einer Pflicht zum Einsatz eben dieser Mittel. Demgemäß werde das Sterbegeld (wie das Landessozialgericht in dem PKH-Beschwerdeverfahren L 15 SO 171/10 B PKH zu Recht bereits angedeutet habe) zumindest in Höhe der tatsächlich angefallenen Gesamtkosten der Bestattung (hier 2.463,70 Euro) als zweckbestimmte Einnahme nicht als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Arbeitslosengeld II/Sozialgeld angesehen. Dies berücksichtigend habe auch die SGB II-Behörde des Beklagten die zunächst getroffene Entscheidung mit Bescheid vom 07. Juli 2009 aufgehoben und der Klägerin ihrem Bedarf entsprechende SGB II-Leistungen auch für November 2008, als sie noch im Zuständigkeitsbereich dieser Behörde gewohnt habe, bewilligt. Damit habe der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum bis zur letzten Entscheidung des Beklagten über das Bestattungskostenbegehren die zweckgerichtete Zuwendung in Form des Sterbegeldes zur Verfügung gestanden. Dass die Klägerin ihre Rechte gegenüber dem SGB II-Leistungsträger nicht bereits im November 2008 zum Beispiel mittels eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gewahrt habe, gehe ebenso wenig zu Lasten des Sozialhilfeträgers wie die Tatsache, dass ihr gegebenenfalls bei entsprechender Beantragung Umzugskosten zu gewähren gewesen wären. Nur ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Dezember 2009 eine Witwenrentenabfindung von 15.615, 96 Euro erhalten habe, die sie offenbar ohne Weiteres zum Ausgleich anderer privater Verbindlichkeiten genutzt habe.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 27. Dezember 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. Januar 2011 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt und zur Begründung geltend macht: Das Sozialgericht sei zu Unrecht über ihren umfangreichen Sachvortrag hinweggegangen, mit dem sie dargelegt habe, dass es ihr aufgrund des Zusammentreffens unterschiedlicher widriger Umstände nicht zugemutet werden könne, die Bestattungskosten allein zu tragen. Rein rechnerisch möge es zwar zutreffen, dass ihr und ihrem Sohn im November 2008 von dem geleisteten Sterbegeld des Arbeitgebers noch ein Betrag in Höhe von rund 1.097,00 Euro zum Leben verblieben wäre. Jedoch habe sie unter Beweis gestellt, dass der SGB II-Leistungsträger mit Bescheid vom 06. November 2008 die Leistungen zu ihren Gunsten gerade in voller Höhe wegen des gezahlten Sterbegeldes eingestellt habe. Ihr Antrag auf die zunächst zugesagte Erstattung der Umzugskosten von S nach P sei unter Hinweis auf die Zahlung des Sterbegeldes gar nicht mehr entgegengenommen worden. Sie habe deshalb zu Recht zunächst davon ausgehen müssen, dass ihr Leistungen nach dem SGB II wegen des Sterbegeldes nicht mehr zustünden. Entsprechend dem PKH-Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg sei das arbeitgeberseits gezahlte Sterbegeld nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen berücksichtigt worden und auch zu berücksichtigen gewesen. Das Sterbegeld sei nämlich nicht zweckbestimmt gezahlt worden. Wie sich aus den vorgelegten Unterlagen des Arbeitgebers ergebe, sei es unabhängig von der tatsächlichen Höhe der anfallenden Kosten für die Bestattung in Höhe von 7.500,00 Euro bewilligt und mit einem Arbeitgeberdarlehen für angebliche Mietrückstände teilweise verrechnet worden. Der SGB II-Leistungsträger sei deshalb zunächst zutreffend im November 2008 davon ausgegangen, dass die Zahlung des Sterbegeldes ihr als berücksichtigungsfähiges Einkommen entgegenzuhalten sei, sodass sie es für den Lebensunterhalt habe verwenden müssen. Ferner sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass ihr früherer Ehemann, der sich unter tragischen Umständen das Leben genommen und zunächst ca. sechs Monate als verschollen gegolten habe, ihr umfangreiche Schulden hinterlassen habe, über die sie aufgrund einer seit 2006 andauernden Krebserkrankung mit Chemotherapie nicht mehr volle Kenntnis besessen habe. Da das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass es auf ihre Leistungsfähigkeit im Monat November 2008 ankomme, sei der ergänzende Hinweis der Kammer auf die Verwendung der ihr im Dezember 2009 ausgezahlten Witwenrentenabfindung neben der Sache.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. November 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Bestattungskosten für den verstorbenen Ehemann M K in Höhe von 2.113,70 Euro zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält seine Bescheide und das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die Klägerin zur Verwendung des Sterbegeldes und der Verfolgung ihrer Ansprüche gegenüber dem SGB II-Leistungsträger persönlich angehört. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13. September 2013 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Sozialamt sowie PRO Arbeit-Kommunales JobCenter) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. November 2010 und der Bescheid des Beklagten vom 25. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2009 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten für ihren verstorbenen Ehemann, weil die Voraussetzungen des § 74 SGB XII nicht vorliegen. Es ist der Klägerin zuzumuten, die streitigen Bestattungskosten in vollem Umfang selbst zu tragen.

Der Senat nimmt, um Wiederholungen zu vermeiden, zunächst gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug. Im Berufungsverfahren hat sich nichts ergeben, was zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führt. Entscheidungserheblich ist, worauf das Sozialgericht zu Recht abgestellt hat, dass der Klägerin am 03. November 2008 vom Arbeitgeber des verstorbenen Ehemannes Sterbegeld in Höhe von 3.542,78 Euro ausgezahlt worden ist. Diese tarifliche Zuwendung diente, wie sich schon aus der Bezeichnung ergibt, jedenfalls zum Ausgleich der für die Bestattung des Arbeitnehmers aufzuwendenden Kosten, auch wenn deren tatsächlicher Anfall für den begünstigten Hinterbliebenen nicht Leistungsvoraussetzung war (vgl. zur Zweckbestimmung die Dienstanweisung des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen betreffend die Zahlung von Sterbegeld an Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes, Stand Juni 2007). Von einer derartigen Zweckbestimmung ist auch die Klägerin im Grunde ausgegangen. Soweit sie das Sterbegeld gleichwohl nicht zur Bestreitung der Bestattungskosten, sondern vollends für den Lebensunterhalt und Umzüge verwendet hat, handelt es sich um eine zweckwidrige Verwendung dieser Zuwendung. Die Entscheidungen des SGB II-Leistungsträgers, unter voller Anrechnung des Sterbegeldes als Einkommen die Leistungen an die Klägerin zum 01. November 2008 einzustellen (Bescheid vom 08. November 2008) bzw. auf Grund ihres Widerspruches nur unter Anrechnung von Witwenrente Leistungen für die Zeit vom 01. bis 17. November 2008 nachzubewilligen (Bescheide vom 07. Juli 2009) führen nicht zu der Annahme, dass der Klägerin nicht zugemutet werden kann, die Bestattungskosten zu tragen. Wenn in der Klagebegründung anklingt, dass die Klägerin davon ausgegangen ist, dies aus der nachträglich vom SGB II-Leistungsträger unter Freilassung des Sterbegeldes auch für den Monat November 2008 angenommenen Bedürftigkeit ableiten zu können, ist ihr darin nicht zu folgen. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R (zitiert nach juris) unter Darlegung von Sinn und Zweck der Bestattungshilfe nach der sozialhilferechtlichen Sonderregelung des § 74 SGB XII ausgeführt, dass für den dort verwendeten Begriff der Unzumutbarkeit als Leistungsvoraussetzung die Umstände des Einzelfalles maßgebend sind, die über die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Kostenbelastung hinausgehen können. Besondere Bedeutung komme gleichwohl im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit zunächst den wirtschaftlichen Verhältnissen zu. Sei der Bestattungspflichtige (zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung des Bestattungsunternehmens und auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialhilfeträgers über die begehrte Kostenübernahme) bedürftig im Sinne des SGB XII oder SGB II, könne ihm die Übernahme der Bestattungskosten nicht zugemutet werden (BSG a.a.O. RNr. 16-18). In seinem Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R (zitiert nach juris) hat das BSG sodann ausgeführt, dass "regelmäßig" von Unzumutbarkeit auszugehen sei, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld II bzw. Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII vorlägen, wobei vom Bewilligungsbescheid über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II indes keine Bindungswirkung ausgehe. Dies einschränkend hat das BSG jedoch hinzugefügt, dass die Tragung der Kosten allerdings unabhängig von der zuvor dargelegten Bedürftigkeit zumutbar sei, wenn der Hilfesuchende über Einkommen oder Vermögen verfügt habe (Sterbegeld, Bestattungsvorsorge ), das für die Bestattung vorgesehen oder nach Sinn und Zweck des § 74 SGB XII dafür zu verwenden sei (BSG a.a.O. RNr. 25, 26 m.w.N.).

Angesichts dieser Ausführungen ist fraglich, ob im Falle der Klägerin, die unstreitig Sterbegeld erhalten hat, das der Höhe nach mehr als ausreichend war, alle mit der Bestattung ihres Ehemannes zusammenhängenden Kosten auszugleichen, überhaupt noch Raum ist, weitere Umstände des Einzelfalles im Rahmen des § 74 SGB XII zu prüfen. Allerdings führt zur Überzeugung des Senats auch die Berücksichtigung der geltend gemachten besonderen Verhältnisse der Klägerin und ihrer Familie hier nicht zu einer anderen Entscheidung. Zweifellos war sie durch die familiären und wirtschaftlichen Umstände, die sich nach dem Auffinden ihres Mannes und der Einstellung der Zahlungen durch den SGB II-Leistungsträger und angesichts des nur allzu verständlichen Wunsches, vom Ort der Familientragödie wegzuziehen, zugespitzt hatten, in einer äußerst belastenden Situation. Es liegt auf der Hand, dass das ausgezahlte Sterbegeld nicht ausreichte, um die Bestattungskosten, den Lebensunterhalt der Klägerin im November 2008 sowie ihren fest eingeplanten Umzug nach P (und den ihres Sohnes nach B) zu bestreiten. Allerdings hat sie versäumt, ihre Ansprüche gegen den SGB II-Träger mit hinreichendem Nachdruck zu verfolgen. Dieser hätte von vornherein das Sterbegeld jedenfalls in Höhe der nachgewiesenen Bestattungskosten als zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II bei der Einkommensanrechnung freilassen müssen, was die Klägerin durchaus mit Aussicht auf Erfolg im Wege einstweiligen Rechtsschutzes durch das Sozialgericht deutlich vor der Abhilfeentscheidung im Juli 2009 hätte geltend machen können. Anzulasten ist der Klägerin, dass sie den auf Grund ihres Widerspruches gegen die Zahlungseinstellung dann mit Bescheid vom 07. Juli 2009 zuerkannten Nachzahlungsbetrag in Höhe von 889,55 Euro nicht zur jedenfalls teilweisen Begleichung der Bestattungskosten verwendet hat.

Den aktenkundig am 23. Oktober 2008 jedenfalls mündlich gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen für den vom SGB II-Träger als notwendig anerkannten Umzug nach P hat die Klägerin erklärtermaßen gar nicht weiterverfolgt; er findet in keinem ihrer Widersprüche gegen Entscheidungen dieser Behörde überhaupt nur Erwähnung. Deren mögliches Fehlverhalten kann aber nicht dem hier angegangenen Träger der Sozialhilfe bei der Entscheidung über die Übernahme von Bestattungskosten angelastet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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