Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 1769/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 01.10.2013 bis zum 31.03.2014, längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 16.09.2013, Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausgehend vom Regelbedarf für Alleinstehende zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zur Hälfte.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), insbesondere über das Vorliegen eines Leistungsausschlussgrundes nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Die am 00.00.1963 geborene Antragstellerin ist griechische Staatsangehörige. Sie ist geschieden. Die Antragstellerin reiste am 19.01.2012 in die Bundesrepublik ein. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Tochter der Antragstellerin bereits seit ca. einem halben Jahr in Deutschland bei ihrem Vater. Die Antragstellerin beantragte erstmals unmittelbar nach ihrer Einreise SGB II-Leistungen beim Antragsgegner. Zum 07.02.2012 zog ihre Tochter zu ihr.
Den Antrag auf SGB II-Leistungen lehnte der Antragsgegner zunächst ab. Im Verlauf eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz (S 11 AS 484/12 ER und L 19 AS 763/12 B ER) nahm die Antragstellerin eine geringfügige Beschäftigung ab dem 15.06.2012 auf.
Mit Bescheid vom 17.07.2012 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin laufende SGB II-Leistungen ab dem 15.06.2012 bis 31.07.2012. Auf Fortzahlungsanträge hin erfolgte die Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen für August bis September 2012 und für Oktober 2012 bis März 2013. Die geringfügige Beschäftigung übte die Antragstellerin zuletzt am 25.09.2012 aus, da ab August 2012 das Gehalt nicht gezahlt wurde. Für April bis September 2013 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin weiterhin SGB II-Leistungen. Zum 01.06.2013 zog die Tochter aus der gemeinsamen Wohnung mit der Antragstellerin aus. Zum 01.08.2013 bezog die Antragstellerin eine neue Wohnung, für die eine Kaltmiete von 290,00 EUR sowie Betriebskosten von 49,00 EUR anfallen. Für die Heizkosten fallen ab September 2013 70,00 EUR monatlich für Gas an.
Im August 2013 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der SGB II-Leistungen ab Oktober 2013. Hierbei gab sie an, dass sie über keine Einkünfte und kein Vermögen verfüge.
Mit Bescheid vom 16.09.2013 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen ab. Dies begründete er mit dem Bestehen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Ein Anspruch der Antragstellerin bestünde nicht, da sie sich lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalte. Ein Anspruch aufgrund des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) scheide aufgrund des am 19.12.2011 erklärten Vorbehaltes bzgl. SGB II-Leistungen aus.
Hiergegen erhob die Antragsteller Widerspruch, über den bisher nicht entschieden ist.
Am 01.10.2013 hat die Antragstellerin bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie ist der Auffassung, ihr stünden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu. Der Leistungsausschluss aus dem SGB II sei europarechtswidrig und würde gegen Art. 4 der VO 883/2004/EG verstoßen. Aufgrund einer Ungleichbehandlung sei der Leistungsausschluss unanwendbar. Auch das LSG NRW habe mit Urteil vom 10.10.2013 (L 19 AS 129/13) entschieden, dass ungeachtet des Leistungsausschlusses ein Anspruch bestehen würde. Sie sei gegenwärtig ohne Einkommen oder Vermögen und könne ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen.
Die Antragstellerin beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebens-unterhaltes nach dem SGB II ab dem 01.10.2013 zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass die Ablehnung rechtmäßig sei. Die Antragstellerin sei vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Ein anderes Aufenthaltsrecht als zur Arbeitssuche sei nicht erkennbar. Da sie weniger als 1 Jahr gearbeitet habe, bleibe der Arbeitnehmerstatus nur für 6 Monate erhalten. Der Leistungsausschluss verstoße auch nicht gegen die VO (EG) 883/2004 wie das LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 03.04.2012 (L 5 AS 2157/11 B ER) festgestellt habe. Auch im Übrigen bestünden keine europarechtlichen Bedenken.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte, den übersandten Verwaltungsvorgang des Antragsgegners sowie den zum Verfahren S 18 AS 141/13 bereits übersandten Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese lagen vor und war Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung.
II.
Der zulässige Antrag ist im tenorierten Umfang begründet.
Gegenstand des Eilverfahrens ist ein Leistungsbegehren und damit einstweiliger Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Ver-änderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einst-weilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Die Antragstellerin hat gem. § 86 b SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Tatsachen, die den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründen, glaubhaft zu machen.
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch stehen nicht isoliert nebeneinander sondern in einer Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, so ist wegen fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, etwa weil eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. In diesem Fall ist unter Berücksichtigung der Interessen der Antragstellerin einerseits sowie der öffentlichen Interessen oder der Interessen anderer Personen andererseits zu prüfen, ob es zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise Erfolg.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 20 SGB II) glaubhaft gemacht.
Die Voraussetzungen für eine Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegen beim der Antragstellerin vor. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II noch nicht erreicht. Ihre Erwerbsfähigkeit ist gegeben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Als griechische Staatsangehörige und damit als "Alt-Unionsbürger" ist sie gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt und berechtigt, ohne Arbeitserlaubnis eine Arbeit in der Bundesrepublik aufzunehmen. Dem Sachverhalt sind auch keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnten, zu entnehmen. Sie hat auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II).
Jedoch ist nicht abschließend in Rechtsprechung und Literatur geklärt, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu Lasten der Antragstellerin eingreift. Danach sind Ausländer von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind vorliegend die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses erfüllt. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte ergibt sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin in der Bundesrepublik allein zum Zweck der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU. Ein anderes Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nach anderen Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes ist nicht ersichtlich. Nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörige nach Maßgabe des FreizügG/EU ein Recht zur Einreise und zum Aufenthalt. In dem Zeitraum ab der Einreise war die Antragstellerin nur für wenige Monate als Arbeitnehmerin beschäftigt (§ 2 Abs.2 Nr. 1 FreizügG/EU). Entsprechend greift die Vorschrift des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU hier nicht ein. Denn nach § 2 Abs. 3 Satz 3 FreizügG/EU folgte aus einer weniger als 1 Jahr dauernden Beschäftigung lediglich ein fortbestehendes Aufenthaltsrecht für die Dauer von 6 Monaten. Dieser Zeitraum war ausgehend vom Ende der Beschäftigung am 25.09.2013 zum 01.10.2013 jedenfalls abgelaufen. Ein Aufenthaltsrecht nach § 4 FreizügG/EU als nichterwerbstätiger Unionsbürger liegt auch nicht vor, da die Antragstellerin nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU ist erkennbar nicht gegeben. Auch ergibt sich kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU als Familienangehörige nach § 3 FreizügG/EU.
Mithin kommt nur ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/ EU zum Zweck der Arbeitssuche in Betracht. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift nur dann nicht von vornherein ein, wenn sich ein Ausländer auf ein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zweck der Arbeitssuche berufen kann (BSG, Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 138/11 R). Anhaltspunkte hierfür liegen nicht vor.
Die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit dem Europarecht ist jedoch umstritten. Hierzu nimmt die Kammer Bezug auf die entsprechende Darstellung des Meinungsstandes im Beschluss des 19. Senates des LSG NRW vom 29.06.2012 (L 19 AS 973/12 B ER). Dieser führt hierzu wie folgt aus:
"Die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft ist aber in Rechtsprechung und Kommentierung umstritten (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 23.05.2012 - L 9 AS 347/12 B ER -, wonach der Leistungsausschluss bei EU-Bürgern eingreift, wenn diese noch keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt haben; LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 03.04.2012 - L 5 AS 2157/11 B -, wonach der Leistungsausschluss europarechtskonform ist; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 24.10.2011 - L 12 AS 3938/11 ER-B - zweifelnd; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 14.09.2011 - L 3 AS 155/11 B ER; vgl. auch zur Zusammenfassung des Meinungstandes Hackethal in jurisPK-SGB II, § 7 SGB II Rn 37f und Greiser in juris PK- SGB XII, Vorbemerkungen SGB XII Rn. 13f, 25ff). Der Streit besteht im Wesentlichem vor dem Hintergrund der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers durch den Vorbehalt des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG gedeckt ist, weil es sich bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II um Sozialhilfeleistungen handelt, oder ob es sich um Leistungen der sozialen Sicherheit bzw. zur Eingliederung in Arbeit handelt, die freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern unter Verstoß gegen das Verbot der Differenzierung nach Staatsangehörigkeit und/oder das allgemeine Differenzierungsverbot vorenthalten werden. Sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch das Bundessozialgericht (BSG) haben die Frage in jüngeren Entscheidungen offen gelassen (EuGH Urteil vom 04.06.2009 - C-22/08 und C-23/08 - Vatsouras/Koupatantze; BSG Urteile vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - und vom 25.01.2012 - B 14 AS 138/11 R = juris Rn 27). Auch ist die Vereinbarkeit des Vorbehalts des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG mit dem Gleichbehandlungsgebot nach Art.4 der VO(EG) 883/2004, insbesondere in welchem Verhältnis die beiden Vorschriften zueinander stehen, umstritten, da es bei den Leistungen nach dem SGB II um besondere beitragsunabhängige Leistungen i.S.v. Art. 70 der VO(EG) 883/2004 handelt (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2012 - L 5 AS 2157/11 B ER, L 5 AS 2177/11 B PKH m.w.N., LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2012 - L 9 AS 347/12 B ER)."
Zuletzt haben auch verschiedene Landessozialgerichte in Hauptsacheentscheidungen Zweifel an der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses geäußert (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 20.09.2013, L 7 AS 474/13; ähnlich Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013,L 16 AS 847/12).
Für die Kammer kommt es im Rahmen der Prüfung im Eilverfahren jedoch nicht auf diese Frage an. Insofern kann auch offen bleiben, ob sich auf der Grundlage der Entscheidung des LSG NRW vom 10.10.2013 (L 19 AS 129/13), welche bisher nur als Pressemitteilung veröffentlich ist, ein Leistungsanspruch ergeben würde. Die Kammer ist nach summarischer Prüfung davon überzeugt, dass sich ein grundsätzlicher Leistungsanspruch für die Antragstellerin aus dem EFA ergibt. Die Antragsstellerin unterfällt als griechische Staatsangehörige dem EFA, da Griechenland und die Bundesrepublik dieses Abkommen ratifiziert haben. Das SGB II ist auch ein Fürsorgegesetz i.S.d. EFA, so dass aufgrund der im Abkommen angeordneten Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der Vertragsstaaten mit Inländern die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf Staatsangehörige der Vertragsstaaten keine Anwendung findet, solange seitens der Bundesrepublik kein wirksamer Vorbehalt nach Art. 16 lit. b) EFA erklärt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R). Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland am 19.12.2011 einen Vorbehalt zum EFA erklärt, wonach keine Verpflichtung übernommen wird, die im SGB II vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden. Die Kammer hat sich bereits in der Vergangenheit den Rechtsansichten des 19. Senates des LSG Berlin-Brandenburg aus dem Beschluss vom 09.05.2012 (L 19 B 794/12 B ER) und des 20. Senates des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.06.2013 (L 20 AS 1347/13 B ER) angeschlossen, wonach die Vorbehaltserklärung zum EFA nicht wirksam ist, mit der Folge, dass die Vorschriften des EFA weiterhin anwendbar sind. Hieran wird festgehalten.
Der 19. Senat des LSG Berlin-Brandenburg führt hierzu aus:
"Der nunmehr zum 19. Dezember 2011 erklärte Vorbehalt ist unwirksam, da er nicht den dafür normierten Voraussetzungen entspricht und deshalb unzulässig ist.
Nach Art. 2 Abs. 1 d) der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) bedeutet Vorbehalt eine wie auch immer formulierte oder bezeichnete, von einem Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags oder bei dem Beitritt zu einem Vertrag abgegebene einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschließen oder zu ändern. Aus der Verwendung des Wortes "bei" ergibt sich, dass der Vorbehalt dann abgegeben werden muss, wenn der Staat dem Vertrag beitritt. Dies wird in Art. 19 zur Anbringung von Vorbehalten noch einmal bekräftigt. Eine Regelung für einen nachträglichen Vorbehalt enthält die WVK nicht. Dagegen ist in Art. 16 b EFA als speziellerer Norm geregelt, dass jeder Vertragsschließende dem Generalsekretär des Europarats alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen hat, die in Anhang I noch nicht aufgeführt sind. Gleichzeitig mit dieser Mitteilung kann der Vertragsschließende Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsschließenden machen. Diese Regelung setzt also voraus, dass gleichzeitig mit der Mitteilung neuer Rechtsvorschriften der Staat seinen Vorbehalt gegen die Anwendung dieser Rechtsvorschrift auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten erklärt. Zum 19. Dezember 2011 hat die Bundesrepublik den Vorbehalt hinsichtlich der Leistungen nach dem SGB II erklärt. Der Vorbehalt ist als Reaktion auf die Entscheidung des BSG vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R - (in SozR 4 - 4200 § 7 Nr. 21) zur Anwendbarkeit des EFA im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu verstehen. Das SGB II ist jedoch kein neues Gesetz, denn es ist bereits am 01. Januar 2005 in Kraft getreten, ohne dass ein Vorbehalt erklärt worden ist. Zwar könnte man die Auffassung vertreten, dass das Gesetz auch dann als neu zu bezeichnen ist, wenn es novelliert und neu verkündet wird (vgl. zum Streitstand: Matthias Reuß, Wissenschaftlicher Dienst des deutschen Bundestags, Sachstand: Zur Zulässigkeit von Vorbehalten zum Europäischen Fürsorgeabkommen - WD 2 - 3000 - 035/12 -). Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist mit wenigen redaktionellen Änderungen aber schon zum 28. August 2007 (Gesetz vom 19. August 2007, BGBl. I, S. 1970) in Kraft getreten, ohne dass gleichzeitig ein Vorbehalt erklärt worden ist. Letztlich werden bei der Anwendung und Auslegung geltenden Rechts durch ein Bundesgericht wie hier durch das BSG am 19. Oktober 2010 keine neuen Rechtvorschriften geschaffen."
Zweifel am wirksamen Vorbehalt zum EFA haben auch das LSG Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 29.01.2013 (L 2 AS 903/12 B ER) und das LSG NRW im Beschluss 06.06.2013 (L 6 SF 112/13 ER) geäußert.
Entsprechend besteht eine Leistungsberechtigung der Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 SGB II.
Die Antragstellerin kann ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenem Einkommen und Vermögen decken (§ 9 Abs. 1 SGB II), woraus dann auch der Anordnungsgrund folgt.
Hinsichtlich von Kosten der Unterkunft und Heizung fehlt es am Anordnungsgrund. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass unzumutbare Nachteile drohen. Solchen Nachteile sind insbesondere der drohende Wohnungsverlust oder hiermit vergleichbare Notlagen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 06.05.2010, L 6 AS 337/10 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 14.09.2007, L 7 B 119/07 AS ER). Dies liegt hier nicht vor.
Entsprechend ist der Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin in Höhe des Regelbedarfes für Alleinstehende vorläufig ab dem 01.10.2013 Leistungen zu gewähren. Die Dauer der Verpflichtung hat die Kammer auf die Zeit bis zum 31.03.2013 begrenzt. Dies entspricht dem Regelbewilligungszeitraum (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
Im Hinblick darauf, dass auch eine Beschwerdeeinlegung keine aufschiebende Wirkung gegen diesen Beschluss entfalten würde, ist der Antragsgegner nunmehr verpflichtet, der Antragstellerin unverzüglich Leistungen entsprechend des Beschlusses zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass hinsichtlich der Gewährung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung kein Anordnungsgrund bestand.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zur Hälfte.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), insbesondere über das Vorliegen eines Leistungsausschlussgrundes nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Die am 00.00.1963 geborene Antragstellerin ist griechische Staatsangehörige. Sie ist geschieden. Die Antragstellerin reiste am 19.01.2012 in die Bundesrepublik ein. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Tochter der Antragstellerin bereits seit ca. einem halben Jahr in Deutschland bei ihrem Vater. Die Antragstellerin beantragte erstmals unmittelbar nach ihrer Einreise SGB II-Leistungen beim Antragsgegner. Zum 07.02.2012 zog ihre Tochter zu ihr.
Den Antrag auf SGB II-Leistungen lehnte der Antragsgegner zunächst ab. Im Verlauf eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz (S 11 AS 484/12 ER und L 19 AS 763/12 B ER) nahm die Antragstellerin eine geringfügige Beschäftigung ab dem 15.06.2012 auf.
Mit Bescheid vom 17.07.2012 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin laufende SGB II-Leistungen ab dem 15.06.2012 bis 31.07.2012. Auf Fortzahlungsanträge hin erfolgte die Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen für August bis September 2012 und für Oktober 2012 bis März 2013. Die geringfügige Beschäftigung übte die Antragstellerin zuletzt am 25.09.2012 aus, da ab August 2012 das Gehalt nicht gezahlt wurde. Für April bis September 2013 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin weiterhin SGB II-Leistungen. Zum 01.06.2013 zog die Tochter aus der gemeinsamen Wohnung mit der Antragstellerin aus. Zum 01.08.2013 bezog die Antragstellerin eine neue Wohnung, für die eine Kaltmiete von 290,00 EUR sowie Betriebskosten von 49,00 EUR anfallen. Für die Heizkosten fallen ab September 2013 70,00 EUR monatlich für Gas an.
Im August 2013 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der SGB II-Leistungen ab Oktober 2013. Hierbei gab sie an, dass sie über keine Einkünfte und kein Vermögen verfüge.
Mit Bescheid vom 16.09.2013 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen ab. Dies begründete er mit dem Bestehen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Ein Anspruch der Antragstellerin bestünde nicht, da sie sich lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalte. Ein Anspruch aufgrund des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) scheide aufgrund des am 19.12.2011 erklärten Vorbehaltes bzgl. SGB II-Leistungen aus.
Hiergegen erhob die Antragsteller Widerspruch, über den bisher nicht entschieden ist.
Am 01.10.2013 hat die Antragstellerin bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie ist der Auffassung, ihr stünden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu. Der Leistungsausschluss aus dem SGB II sei europarechtswidrig und würde gegen Art. 4 der VO 883/2004/EG verstoßen. Aufgrund einer Ungleichbehandlung sei der Leistungsausschluss unanwendbar. Auch das LSG NRW habe mit Urteil vom 10.10.2013 (L 19 AS 129/13) entschieden, dass ungeachtet des Leistungsausschlusses ein Anspruch bestehen würde. Sie sei gegenwärtig ohne Einkommen oder Vermögen und könne ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen.
Die Antragstellerin beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebens-unterhaltes nach dem SGB II ab dem 01.10.2013 zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass die Ablehnung rechtmäßig sei. Die Antragstellerin sei vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Ein anderes Aufenthaltsrecht als zur Arbeitssuche sei nicht erkennbar. Da sie weniger als 1 Jahr gearbeitet habe, bleibe der Arbeitnehmerstatus nur für 6 Monate erhalten. Der Leistungsausschluss verstoße auch nicht gegen die VO (EG) 883/2004 wie das LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 03.04.2012 (L 5 AS 2157/11 B ER) festgestellt habe. Auch im Übrigen bestünden keine europarechtlichen Bedenken.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte, den übersandten Verwaltungsvorgang des Antragsgegners sowie den zum Verfahren S 18 AS 141/13 bereits übersandten Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese lagen vor und war Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung.
II.
Der zulässige Antrag ist im tenorierten Umfang begründet.
Gegenstand des Eilverfahrens ist ein Leistungsbegehren und damit einstweiliger Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Ver-änderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einst-weilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Die Antragstellerin hat gem. § 86 b SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Tatsachen, die den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründen, glaubhaft zu machen.
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch stehen nicht isoliert nebeneinander sondern in einer Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, so ist wegen fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, etwa weil eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. In diesem Fall ist unter Berücksichtigung der Interessen der Antragstellerin einerseits sowie der öffentlichen Interessen oder der Interessen anderer Personen andererseits zu prüfen, ob es zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise Erfolg.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 20 SGB II) glaubhaft gemacht.
Die Voraussetzungen für eine Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegen beim der Antragstellerin vor. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II noch nicht erreicht. Ihre Erwerbsfähigkeit ist gegeben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Als griechische Staatsangehörige und damit als "Alt-Unionsbürger" ist sie gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt und berechtigt, ohne Arbeitserlaubnis eine Arbeit in der Bundesrepublik aufzunehmen. Dem Sachverhalt sind auch keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnten, zu entnehmen. Sie hat auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II).
Jedoch ist nicht abschließend in Rechtsprechung und Literatur geklärt, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu Lasten der Antragstellerin eingreift. Danach sind Ausländer von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind vorliegend die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses erfüllt. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte ergibt sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin in der Bundesrepublik allein zum Zweck der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU. Ein anderes Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nach anderen Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes ist nicht ersichtlich. Nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörige nach Maßgabe des FreizügG/EU ein Recht zur Einreise und zum Aufenthalt. In dem Zeitraum ab der Einreise war die Antragstellerin nur für wenige Monate als Arbeitnehmerin beschäftigt (§ 2 Abs.2 Nr. 1 FreizügG/EU). Entsprechend greift die Vorschrift des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU hier nicht ein. Denn nach § 2 Abs. 3 Satz 3 FreizügG/EU folgte aus einer weniger als 1 Jahr dauernden Beschäftigung lediglich ein fortbestehendes Aufenthaltsrecht für die Dauer von 6 Monaten. Dieser Zeitraum war ausgehend vom Ende der Beschäftigung am 25.09.2013 zum 01.10.2013 jedenfalls abgelaufen. Ein Aufenthaltsrecht nach § 4 FreizügG/EU als nichterwerbstätiger Unionsbürger liegt auch nicht vor, da die Antragstellerin nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU ist erkennbar nicht gegeben. Auch ergibt sich kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU als Familienangehörige nach § 3 FreizügG/EU.
Mithin kommt nur ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/ EU zum Zweck der Arbeitssuche in Betracht. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift nur dann nicht von vornherein ein, wenn sich ein Ausländer auf ein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zweck der Arbeitssuche berufen kann (BSG, Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 138/11 R). Anhaltspunkte hierfür liegen nicht vor.
Die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit dem Europarecht ist jedoch umstritten. Hierzu nimmt die Kammer Bezug auf die entsprechende Darstellung des Meinungsstandes im Beschluss des 19. Senates des LSG NRW vom 29.06.2012 (L 19 AS 973/12 B ER). Dieser führt hierzu wie folgt aus:
"Die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft ist aber in Rechtsprechung und Kommentierung umstritten (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 23.05.2012 - L 9 AS 347/12 B ER -, wonach der Leistungsausschluss bei EU-Bürgern eingreift, wenn diese noch keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt haben; LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 03.04.2012 - L 5 AS 2157/11 B -, wonach der Leistungsausschluss europarechtskonform ist; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 24.10.2011 - L 12 AS 3938/11 ER-B - zweifelnd; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 14.09.2011 - L 3 AS 155/11 B ER; vgl. auch zur Zusammenfassung des Meinungstandes Hackethal in jurisPK-SGB II, § 7 SGB II Rn 37f und Greiser in juris PK- SGB XII, Vorbemerkungen SGB XII Rn. 13f, 25ff). Der Streit besteht im Wesentlichem vor dem Hintergrund der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers durch den Vorbehalt des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG gedeckt ist, weil es sich bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II um Sozialhilfeleistungen handelt, oder ob es sich um Leistungen der sozialen Sicherheit bzw. zur Eingliederung in Arbeit handelt, die freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern unter Verstoß gegen das Verbot der Differenzierung nach Staatsangehörigkeit und/oder das allgemeine Differenzierungsverbot vorenthalten werden. Sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch das Bundessozialgericht (BSG) haben die Frage in jüngeren Entscheidungen offen gelassen (EuGH Urteil vom 04.06.2009 - C-22/08 und C-23/08 - Vatsouras/Koupatantze; BSG Urteile vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - und vom 25.01.2012 - B 14 AS 138/11 R = juris Rn 27). Auch ist die Vereinbarkeit des Vorbehalts des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG mit dem Gleichbehandlungsgebot nach Art.4 der VO(EG) 883/2004, insbesondere in welchem Verhältnis die beiden Vorschriften zueinander stehen, umstritten, da es bei den Leistungen nach dem SGB II um besondere beitragsunabhängige Leistungen i.S.v. Art. 70 der VO(EG) 883/2004 handelt (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2012 - L 5 AS 2157/11 B ER, L 5 AS 2177/11 B PKH m.w.N., LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2012 - L 9 AS 347/12 B ER)."
Zuletzt haben auch verschiedene Landessozialgerichte in Hauptsacheentscheidungen Zweifel an der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses geäußert (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 20.09.2013, L 7 AS 474/13; ähnlich Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013,L 16 AS 847/12).
Für die Kammer kommt es im Rahmen der Prüfung im Eilverfahren jedoch nicht auf diese Frage an. Insofern kann auch offen bleiben, ob sich auf der Grundlage der Entscheidung des LSG NRW vom 10.10.2013 (L 19 AS 129/13), welche bisher nur als Pressemitteilung veröffentlich ist, ein Leistungsanspruch ergeben würde. Die Kammer ist nach summarischer Prüfung davon überzeugt, dass sich ein grundsätzlicher Leistungsanspruch für die Antragstellerin aus dem EFA ergibt. Die Antragsstellerin unterfällt als griechische Staatsangehörige dem EFA, da Griechenland und die Bundesrepublik dieses Abkommen ratifiziert haben. Das SGB II ist auch ein Fürsorgegesetz i.S.d. EFA, so dass aufgrund der im Abkommen angeordneten Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der Vertragsstaaten mit Inländern die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf Staatsangehörige der Vertragsstaaten keine Anwendung findet, solange seitens der Bundesrepublik kein wirksamer Vorbehalt nach Art. 16 lit. b) EFA erklärt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R). Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland am 19.12.2011 einen Vorbehalt zum EFA erklärt, wonach keine Verpflichtung übernommen wird, die im SGB II vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden. Die Kammer hat sich bereits in der Vergangenheit den Rechtsansichten des 19. Senates des LSG Berlin-Brandenburg aus dem Beschluss vom 09.05.2012 (L 19 B 794/12 B ER) und des 20. Senates des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.06.2013 (L 20 AS 1347/13 B ER) angeschlossen, wonach die Vorbehaltserklärung zum EFA nicht wirksam ist, mit der Folge, dass die Vorschriften des EFA weiterhin anwendbar sind. Hieran wird festgehalten.
Der 19. Senat des LSG Berlin-Brandenburg führt hierzu aus:
"Der nunmehr zum 19. Dezember 2011 erklärte Vorbehalt ist unwirksam, da er nicht den dafür normierten Voraussetzungen entspricht und deshalb unzulässig ist.
Nach Art. 2 Abs. 1 d) der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) bedeutet Vorbehalt eine wie auch immer formulierte oder bezeichnete, von einem Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags oder bei dem Beitritt zu einem Vertrag abgegebene einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschließen oder zu ändern. Aus der Verwendung des Wortes "bei" ergibt sich, dass der Vorbehalt dann abgegeben werden muss, wenn der Staat dem Vertrag beitritt. Dies wird in Art. 19 zur Anbringung von Vorbehalten noch einmal bekräftigt. Eine Regelung für einen nachträglichen Vorbehalt enthält die WVK nicht. Dagegen ist in Art. 16 b EFA als speziellerer Norm geregelt, dass jeder Vertragsschließende dem Generalsekretär des Europarats alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen hat, die in Anhang I noch nicht aufgeführt sind. Gleichzeitig mit dieser Mitteilung kann der Vertragsschließende Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsschließenden machen. Diese Regelung setzt also voraus, dass gleichzeitig mit der Mitteilung neuer Rechtsvorschriften der Staat seinen Vorbehalt gegen die Anwendung dieser Rechtsvorschrift auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten erklärt. Zum 19. Dezember 2011 hat die Bundesrepublik den Vorbehalt hinsichtlich der Leistungen nach dem SGB II erklärt. Der Vorbehalt ist als Reaktion auf die Entscheidung des BSG vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 23/10 R - (in SozR 4 - 4200 § 7 Nr. 21) zur Anwendbarkeit des EFA im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu verstehen. Das SGB II ist jedoch kein neues Gesetz, denn es ist bereits am 01. Januar 2005 in Kraft getreten, ohne dass ein Vorbehalt erklärt worden ist. Zwar könnte man die Auffassung vertreten, dass das Gesetz auch dann als neu zu bezeichnen ist, wenn es novelliert und neu verkündet wird (vgl. zum Streitstand: Matthias Reuß, Wissenschaftlicher Dienst des deutschen Bundestags, Sachstand: Zur Zulässigkeit von Vorbehalten zum Europäischen Fürsorgeabkommen - WD 2 - 3000 - 035/12 -). Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist mit wenigen redaktionellen Änderungen aber schon zum 28. August 2007 (Gesetz vom 19. August 2007, BGBl. I, S. 1970) in Kraft getreten, ohne dass gleichzeitig ein Vorbehalt erklärt worden ist. Letztlich werden bei der Anwendung und Auslegung geltenden Rechts durch ein Bundesgericht wie hier durch das BSG am 19. Oktober 2010 keine neuen Rechtvorschriften geschaffen."
Zweifel am wirksamen Vorbehalt zum EFA haben auch das LSG Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 29.01.2013 (L 2 AS 903/12 B ER) und das LSG NRW im Beschluss 06.06.2013 (L 6 SF 112/13 ER) geäußert.
Entsprechend besteht eine Leistungsberechtigung der Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 SGB II.
Die Antragstellerin kann ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenem Einkommen und Vermögen decken (§ 9 Abs. 1 SGB II), woraus dann auch der Anordnungsgrund folgt.
Hinsichtlich von Kosten der Unterkunft und Heizung fehlt es am Anordnungsgrund. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass unzumutbare Nachteile drohen. Solchen Nachteile sind insbesondere der drohende Wohnungsverlust oder hiermit vergleichbare Notlagen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 06.05.2010, L 6 AS 337/10 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 14.09.2007, L 7 B 119/07 AS ER). Dies liegt hier nicht vor.
Entsprechend ist der Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin in Höhe des Regelbedarfes für Alleinstehende vorläufig ab dem 01.10.2013 Leistungen zu gewähren. Die Dauer der Verpflichtung hat die Kammer auf die Zeit bis zum 31.03.2013 begrenzt. Dies entspricht dem Regelbewilligungszeitraum (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II).
Im Hinblick darauf, dass auch eine Beschwerdeeinlegung keine aufschiebende Wirkung gegen diesen Beschluss entfalten würde, ist der Antragsgegner nunmehr verpflichtet, der Antragstellerin unverzüglich Leistungen entsprechend des Beschlusses zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Umstand, dass hinsichtlich der Gewährung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung kein Anordnungsgrund bestand.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved