L 4 AS 287/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 61 AS 1236/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 287/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 9. Januar 2009 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 31. Juli 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 789,92 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 6. Mai 2009 wurden dem Kläger für den Zeitraum von Juni bis Juli 2009 dem Grunde nach Leistungen in gleicher Höhe wie mit Bescheid vom 9. Januar 2009 gewährt; die Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch aus einem Darlehen fiel jedoch weg. Mit Änderungsbescheid vom 6. Juni 2009 wurden die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Juli 2009 aufgrund der Regelsatzerhöhung auf 797,92 Euro angepasst, mit Änderungsbescheid vom 12. Juni 2009 dann aufgrund einer Mieterhöhung auf 806,06 Euro.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 9. April 2009 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Er leide unter anderem an einer Hyperurikämie sowie einer Neurodermitis. Zudem reichte er eine Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. H3 ein, wonach er aufgrund einer allergiebasierten Neurodermitis Krankenkost benötige.

Das vom Beklagten beteiligte Fachamt Gesundheit der Freien und Hansestadt Hamburg teilte am 7. Juli 2009 mit, dass eine Krankenkostzulage nicht befürwortet werden könne, da eine Allergietestung nicht vorgelegt worden sei. Mit Bescheid vom 13. Juli 2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf einen ernährungsbedingten Mehrbedarf ab. Für die Erkrankung des Klägers könne kein Mehrbedarf geleistet werden. Nach neueren medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen sei nicht von einem erhöhten Ernährungsbedarf auszugehen. Bei der Zahlung des Mehrbedarfs orientiere sich der Beklagte an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 17. Juli 2009 Widerspruch ein. Er sei multimorbide und leide u. a. an einer Hyperurikämie, Neurodermitis, Allergien sowie Magen-Darm-Problemen mit Verdauungsbeschwerden. Der Bedarf für eine gesunde, abwechslungsreiche, vitamin- und ballaststoffreiche Ernährung unter Weglassen eventuell unverträglicher Nahrungsmittel und ausreichender Flüssigkeitszufuhr sei mit etwas über 4 Euro pro Tag nicht gedeckt. Der Hautarzt und Allergologe Dr. H1 gab in einer vom Kläger eingereichten ärztlichen Bescheinigung vom 25. August 2009 an, dass der Kläger unter einer ausgeprägten allergischen Rhinitis mit einem oralen Allergie-Syndrom leide. Er vertrage aus diesem Grund kein Kernobst und nur wenig Steinobst. Nüsse würden ebenfalls nicht vertragen. In der Stellungnahme des Fachamts für Gesundheit vom 24. September 2009 heißt es hierzu, dass die nachgereichte Allergietestung keine wesentlichen Nahrungsmittelallergien enthalte. Eine Krankenkostzulage könne somit nicht befürwortet werden.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 9. März 2010 zurück. Nach den geänderten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge sei bei Neurodermitis und Hyperurikämie kein Mehraufwand für die Ernährung mehr erforderlich. Bei der Erkrankung des Klägers sei Vollkost angezeigt, die nach den Feststellungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge aus dem Regelsatz gedeckt werden könne. Zudem habe das Gesundheitsamt hinsichtlich der vom Kläger eingereichten Atteste zur Neurodermitis, Allergietestung und zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten keinen erhöhten Ernährungsaufwand festgestellt.

Das Sozialgericht hat die am 7. April 2010 erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. Juli 2010 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Bewilligung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Durch ärztliche Bescheinigung seien beim Kläger lediglich das Vorliegen einer allergischen Rhinitis sowie einer allergischen Neurodermitis belegt, nicht hingegen eine Hyperurikämie. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1. Oktober 2008 sei weder bei Hyperurikämie noch bei Neurodermitis eine Krankenkostzulage zu gewähren, da eine vom Regelsatz umfasste Vollkost ausreichend sei. Dass der Kläger viele Lebensmittel nur eingeschränkt, nur wenig Steinobst und kein Kernobst zu sich nehmen könne, führe unter keinem Aspekt zu ernährungsbedingten Mehrkosten.

Der Kläger hat gegen den ihm am 30. Juli 2010 zugegangenen Gerichtsbescheid am 26. August 2010 Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat er auf Nachfrage mitgeteilt von folgenden Ärzten behandelt worden zu sein: - Dr. L., Stationsärztin der psychiatrischen Station der Asklepios Klinik Nord - Dr. K., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Dr. M., Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin - Dr. H3, Allgemeinmediziner - Th. P., Allgemeinmediziner - Dr. E., Facharzt für Orthopädie - Dr. D., Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin - Dr. H., Fachärztin für Orthopädie - Dr. H2, Facharzt für Neurologie-Psychiatrie. Schweigepflichtsentbindungen hat der Kläger lediglich für Dr. L., Dr. M., Dr. K. und Dr. V. vom Fachamt für Eingliederungshilfe erteilt. Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Kläger mit, dass ein Mehrbedarf nicht genau beziffert werden könne. Realistischerweise sei von einem Mehrbedarfszuschlag in Höhe von ungefähr 35 Prozent des maßgebenden Regelsatzes (127,40 Euro) auszugehen.

Am 1. August 2012 hat der Beklagte zu den Bewilligungsbescheiden vom 22. Juni 2009 und 21. Dezember 2009, die den Leistungszeitraum vom 1. August 2009 bis 30. Juni 2010 betreffen, jeweils einen Änderungsbescheid erlassen. Die Bescheide enthalten den Zusatz, dass ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nicht berücksichtigt werden könne.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Juli 2010 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 9. März 2010 und unter Abänderung der Bescheide vom 9. Januar 2009, 6. Mai 2009, 6. Juni 2009 und 12. Juni 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 1. August 2012 den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu gewähren.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und verweist auf dessen Begründung.

Die Beigeladene, die mit Beiladungsbeschluss vom 22. Mai 2012 nach § 75 Absatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen worden ist, teilt mit, dass der Kläger am 25. Oktober 2011 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei ihr beantragt habe. Mit Bescheid vom 14. Februar 2012 sei der Antrag auf Zahlung einer Krankenkostzulage abgelehnt worden. Sie gehe nicht davon aus, dass dieses Verfahren Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens geworden sei.

Der Senat hat am 27. Juni 2013 über die Berufung mündlich verhandelt. Der Kläger hat in der Verhandlung eine umweltmedizinische Stellungnahme vom 3. April 2012 von dem praktischen Arzt und Umweltmediziner Dr. W. vorgelegt. Dr. W. führt aus, dass der Kläger von ihm seit Februar 2011 umweltmedizinisch betreut werde. Im Rahmen einer Anamnese hätten sich beim Kläger vermehrte Belastungen durch elektromagnetische Felder ergeben. Die Wohnung des Klägers liege in direkter Nähe der Bahngleise, außerdem bestünden eine WLAN-Station und eine DECT-Basisstation in seiner Wohnung und bei seinen direkten Nachbarn. Beim Antioxidantien-Screening habe sich ein Mangel an Vitamin C und Selen gezeigt, der ausgeglichen werden sollte. Des Weiteren hat der Kläger ein von Dr. W. erstelltes und allgemein auf Umwelt-Patienten zugeschnittenes Papier mit Ernährungsempfehlungen überreicht. Unter der Überschrift Vitamin C ist dort u. a. aufgeführt, dass Jahreszeitobst, Paprika und Mango gegessen werden sollte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll, die Prozessakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antrag des Klägers hat im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung die Wertgrenze von 750 Euro in § 144 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGG nicht unterschritten. Der Kläger begehrte zunächst zeitlich unbeschränkt höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Erst in der mündlichen Verhandlung nach Hinweis des Senats begrenzte der Kläger seinen Klageantrag auf den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2009.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2009. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts richtet sich die Auslegung von Anträgen danach, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen. Im Zweifel sei davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben möchte, was ihm aufgrund des Sachverhalts zustehe (BSG, Urteil vom 24.2.2011, Az.: B 14 AS 49/10 R). Der Kläger macht daher mit seinem Klageantrag höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geltend, da die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung allein nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein kann. Ist die Höhe der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts streitig, kann einer Entscheidung des Beklagten wegen der in § 41 Absatz 1 Satz 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte zukommen (BSG, a.a.O.). Dies gilt auch dann, wenn der angegriffene Bescheid – wie hier – keine ausdrückliche Bezugnahme auf einen bestimmten Bewilligungsabschnitt erkennen lässt. Vernünftigerweise ergibt sich für den Bescheidempfänger in diesem Fall vielmehr die Auslegung, die rechtlich die einzig zulässige ist, mithin eine Regelung des Beklagten über eine höhere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs nur für solche Bewilligungsabschnitte, die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit bzw. der Gegenwart lagen (BSG, a.a.O.). Dementsprechend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Antrag auf Leistungen auf den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2009 beschränkt. Gegenstand des Verfahrens ist damit neben dem ausdrücklich angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 13. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2010 der Bescheid vom 9. Januar 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 6. Mai 2009, 6. Juni 2009 und vom 12. Juni 2009 betreffend den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar 2009 bis 31. Juli 2009. Die Änderungsbescheide vom 1. August 2009 ändern nicht den Bescheid vom 9. Januar 2009 ab, sondern betreffen nachfolgende Bewilligungszeiträume und sind damit nicht zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2009. Der Bescheid vom 13. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2010 sowie der Bescheid vom 9. Januar 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 6. Mai 2009, 6. Juni 2009 und vom 12. Juni 2009 sind rechtmäßig. Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf einen ernährungsbedingten Mehrbedarf. Nach § 21 Absatz 5 SGB II in der Fassung vom 20. Juli 2006 erhalten Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Der Kläger hat einen Anspruch auf kostenaufwändige Ernährung im Laufe des Verfahrens auf verschiedene Krankheiten gestützt, und zwar auf eine Hyperurikämie, eine allergiebasierte Neurodermitis, eine allergische Rhinitis mit einem oralen Allergie-Syndrom sowie Magen-Darm-Probleme einschließlich von Verdauungsbeschwerden. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem noch geltend gemacht, aufgrund von Umweltbelastungen eine antioxidative Ernährung, insbesondere mit Vitamin C und Selen zu benötigen.

Es ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger an einer Hyperurikämie oder an Magen-Darm-Problemen leidet. Die objektive Beweislast im Hinblick auf die Notwendigkeit eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs trägt nach den allgemeinen Beweislastregeln, wonach jeder die für ihn günstigen Tatsachen nachzuweisen hat, jedoch der Kläger. Eine weitere Aufklärung von Amts wegen ist nicht erforderlich. Ärztliche Atteste wurden vom Kläger nicht eingereicht. Schweigepflichtsentbindungen erteilte der Kläger lediglich für Dr. L., Dr. M., Dr. K. und Dr. V. vom Fachamt für Eingliederungshilfe. Das Fachgebiet dieser Ärzte betrifft den neurologisch-psychiatrischen bzw. rehabilitativen Bereich, nicht aber den internistisch, allgemeinmedizinischen Bereich. Die ihn behandelnden Allgemeinmediziner hat der Kläger hingegen nicht von der Schweigepflicht entbunden. Triftige Gründe hierfür hat der Kläger nicht vorgetragen. Nach § 103 Satz 1 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Grundsätzlich muss das Gericht auch bei Verweigerung der Mitwirkung alle Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 103 Rn. 15; vgl. BSG, Urteil vom 11.11.1971, Az.: 1 RA 63/70). Allerdings können sich in diesen Fällen der Verletzung der Mitwirkungslast die Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht verringern (Leitherer, a.a.O., § 103 Rn. 16; BSG, Urteil vom 12.12.1995, Az.: 5 RJ 26/94). Ohne Schweigepflichtsentbindung konnten von den das maßgebliche Fachgebiet betreffenden Ärzten keine Befundberichte eingeholt werden. Als weitere Ermittlungsmöglichkeit hätte nur noch die Einholung eines ärztlichen Gutachtens mit Untersuchung des Klägers zur Verfügung gestanden, um zu klären, ob bei ihm eine Hyperurikämie und Magen-Darm-Probleme bestehen. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, ein wesentlich kostenintensiveres Gutachten einzuholen, wenn der Kläger die Amtsermittlung durch Einholung von Auskünften seiner behandelnden Ärzte behindert. Auch nach Darlegung der eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten des Gerichts hat der Kläger keine weitere Einverständniserklärung bzw. Schweigepflichtsentbindung abgegeben.

Im Hinblick auf die allergiebasierte Neurodermitis und die allergische Rhinitis liegen jeweils kurze Bestätigungen von ärztlicher Seite vor. Hiernach verträgt der Kläger kein Anis, keinen Sellerie, kein Kernobst und keine Nüsse. Steinobst kann der Kläger nur in geringen Mengen zu sich nehmen. Ein Rückgriff auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (3. Auflage 2008) scheidet hierbei von vornherein aus, da diese Nahrungsmittelunverträglichkeiten nicht erfassen. Im vorliegenden Fall ist beim Weglassen von Anis, Sellerie, Nüssen und Kernobst jedoch nicht davon auszugehen, dass hierdurch ein ernährungsbedingter Mehrbedarf entsteht, weil diese einzelnen Lebensmittel durch teurere Lebensmittel kompensiert werden müssten. Jedenfalls scheitern weitere medizinische Ermittlungen jedoch auch hier bereits daran, dass der Kläger nicht für alle seine Ärzte, insbesondere auch nicht für den ihn behandelnden Allergologen Dr. H1, eine Einverständnis- und Schweigepflichtsentbindung abgegeben hat. Es können weder Befunde über bereits erfolgte Allergietestungen angefordert werden noch kann abgeklärt werden, auf welche Lebensmittel der Kläger in welchem Umfang ausweichen kann. Da der Kläger dieser Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, ist aber auch das Gericht nicht gehalten, den Sachverhalt weiter durch kostenintensive Maßnahmen von Amts wegen auszuforschen.

Auch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen von Dr. W. begründen keinen Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Im streitigen Zeitraum befand sich der Kläger noch nicht bei Dr. W. in Behandlung. Unabhängig davon, ob aufgrund der vorgetragenen Umweltbelastung überhaupt ein ernährungsbedingter Mehrbedarf besteht, scheidet ein solcher daher bereits deswegen aus, weil der Kläger im streitigen Zeitraum nicht die von Dr. W. vorgeschlagene Ernährung eingehalten hat. Damit können dem Kläger auch keine Mehrkosten entstanden sein. Die Bewilligung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs aus medizinischen Gründen soll drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abwenden oder verhindern (BSG, Urteil vom 10.5.2011, Az.: B 4 AS 100/10 R m.w.N.). Durch diese Zweckbestimmung unterscheidet sich der Mehrbedarf wesentlich von der Regelleistung, die verschiedene Bedarfe unabhängig davon pauschaliert, ob sie für den Leistungsberechtigten überhaupt bzw. im Bedarfszeitraum tatsächlich anfallen. Die Gewährung eines solchen pauschalen Geldbetrags ermöglicht es dem Leistungsberechtigten, über die Verwendung im Einzelnen selbst zu bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010, Az.: 1 BvL 1/09 u.a.). Bei einer nachträglichen Gewährung der Regelleistung für vergangene Zeiträume kann es somit nicht darauf ankommen, welche von der Regelleistung erfassten Bedarfe der Leistungsberechtigte tatsächlich gedeckt hat. Wurde hingegen die aus krankheitsbedingten Gründen erforderliche besondere Ernährung in der Vergangenheit nicht durchgeführt, kann sie auch im Nachhinein nicht mehr nachgeholt werden. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung dient nicht der nachträglichen Entschädigung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Absatz 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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