Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 603/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 2040/13
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 01.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine dreimonatige Absenkung der Leistungen nach dem Zwei¬ten Buch Sozialgesetzbuch - Grund¬sicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Die am 00.00.000 geborene Klägerin bezog im September 2012 neben den Leistungen nach dem SGB II auch Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Mit Bescheid vom 27.09.2012 stellte die Agentur für Arbeit Düren eine Sperrzeit vom 04.09. bis 10.09.2012, also ein Ruhen des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB III für diesen Zeitraum, fest. Die Klägerin sei der Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich gemäß § 309 SGB III am 03.09.2012 zu melden, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen. Der Bescheid ist nach Durchführung eines Widerspruchs- und Klageverfahrens mittlerweile bestandskräftig (vgl. Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012 und Gerichtsverfahren beim Sozialgericht Aachen unter S 15 AL 244/12).
Mit Bescheid vom 01.10.2012 beschränkte der Beklagte unter Bezugnahme auf den Eintritt der Sperrzeit nach dem SGB III das Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 04.09.2012 für die Dauer von drei Monaten auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Eine Verkürzung auf einen Zeitraum von sechs Wochen käme nicht in Betracht. Den Widerspruch der Klägerin vom 05.10.2012, den sie damit begründete, dass der Bescheid der Agentur für Arbeit erkennbar rechtswidrig sei, da sie den Besprechungstermin krankheitsbedingt telefonisch abgesagt habe, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2012 zurück. Die erfolgte Absenkung der SGB II-Leistungen sei hinsichtlich Höhe und Zeitraum zwingende Folge des Eintritts der Sperrzeit nach dem SGB III. Aufgrund der Absenkung der Leistungen erhielt die Klägerin im September 2012 403,23 EUR, im November 2012 361,03 EUR und im Dezember 2012 50,86 EUR, mithin insgesamt 815,21 EUR weniger SGB II-Leistungen.
Am 12.11.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Bescheid der Agentur für Arbeit aufgrund der erfolgten telefonischen Absage des Besprechungstermins erkennbar rechtswidrig sei. Unabhängig davon ist zu beanstanden, dass eine Sanktion hinsichtlich des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem SGB III im Umfang von einer Woche eine Sanktion hinsichtlich des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II für einen Zeitraum von drei Monaten zur Folge hat. Auch die rückwirkende Absenkung sei bereits rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 01.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt er vor, dass die Minderung der SGB II-Leistungen zwingende Rechtsfolge einer festgestellten Sperrzeit nach dem SGB III sei. An die von der Bundesagentur für Arbeit erstellten fachlichen Hinweise zur Anwendbarkeit dieser Rechtsfolge in entsprechenden Fällen sei der Beklagte als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung nicht gebunden. Zudem habe sich der Gesetzgeber bei seiner Reform des SGB II im Jahr 2011 offensichtlich dafür entschieden, sämtliche SGB II-Sanktionen infolge von Feststellungen von SGB III-Sperrzeiten im Sinne der §§ 31, 31a und 31b SGB II und nicht im Sinne des § 32 SGB II zu regeln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Ge-richtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklag¬ten, deren wesent-licher Inhalt Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung gewe¬sen ist, Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozi¬algerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Bescheid vom 01.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 ist rechtswidrig.
Gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II verletzten erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit nach den Vorschriften des SGB III festgestellt hat. Nach § 159 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 6 SGB III tritt eine Sperrzeit ein, wenn die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden (§ 309 SGB III), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis). Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis beträgt gemäß § 159 Abs. 6 SGB III eine Woche. Gemäß § 31a Abs. 2 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, das Arbeitslosengeld II bei einer Pflichtverletzung nach § 31 auf die für die Bedarfe nach § 22 zu erbringenden Leistungen beschränkt. Gemäß § 31b Abs. 1 Satz 2 SGB II tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit nach dem SGB III ein. Der Minderungszeitraum beträgt drei Monate (vgl. § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II). Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kann der Träger gemäß § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II die Minderung des Auszahlungsanspruchs in Höhe der Bedarfe nach den §§ 20 und 21 SGB II unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf sechs Wochen verkürzen.
Die Agentur für Arbeit hat aufgrund des Nichterscheinens der Klägerin beim Meldetermin am 03.09.2012 das Eintreten einer Sperrzeit von einer Woche festgestellt. An diese Feststellung ist der SGB II-Leistungsträger nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ohne eigene Prüfungskompetenz gebunden; insofern hat der Bescheid der Agentur für Arbeit Tatbestandswirkung für den Leistungsträger nach dem SGB II (Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage [2013], § 31, Rn. 81). Bei Anwendung der Rechtsfolgenvorschriften der §§ 31a und 31b SGB II käme somit eine Beschränkung des Arbeitslosengeldes II auf die für die Bedarfe nach § 22 zu erbringenden Leistungen für die Zeit ab 04.09.2012 in Betracht. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte bei der Ausübung seines Ermessens gemäß § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II bereits fehlerhaft vorgegangen ist.
Denn maßgeblich ist, dass die Vorschrift des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bei einer von der Agentur für Arbeit festgestellten Sperrzeit bei Meldeversäumnis nicht anzuwenden ist. Der Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ist auf die Nrn. 1 bis 5 des § 159 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB III sowie auf § 161 SGB III teleologisch zu reduzieren. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte nicht bereits aufgrund der fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu den §§ 31, 31a und 31b SGB II, Ziffer 31.26 (Stand: 20.03.2013) verpflichtet ist, von einer Absenkung abzusehen. Offenbleiben kann dabei auch, ob der Beklagte als zugelassener kommunaler Träger zumindest - wie hier - hinsichtlich der Absenkung von Leistungen aus Bundesmitteln an Weisungen der Bundesagentur für Arbeit gebunden ist.
Dem Grundsatz des Forderns gemäß § 2 SGB II entsprechend ist Sinn und Zweck der §§ 31 ff SGB II, dem Leistungsberechtigten in Form von Sanktionen zu verdeutlichen, dass eine Mitwirkung bei der Behebung seiner Hilfebedürftigkeit zu erwarten ist. Der ursprüngliche Gesetzgeber hat bei der Schaffung des Sanktionssystems aber auch eine Abstufung der Sanktionen entsprechend der Bedeutung der Pflichtverletzungen vorgesehen (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 60), also das Verhältnismäßigkeitsprinzip berücksichtigt. Sinn und Zweck der §§ 31 ff SGB II ist somit auch, den Leistungsberechtigten angemessen auf seine Mitwirkungspflichten hinzuweisen. Eine Anwendung des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II mit seinen Rechtsfolgen des § 31a Abs. 1 SGB II oder sogar - wie im vorliegenden Fall - des § 31a Abs. 2 SGB II würde aber zum einen unverhältnismäßig gegenüber der vergleichbaren einwöchigen Sperrzeit der Nr. 6 (und 7) des § 159 Abs. 1 Satz 1, 2 i.V.m. Abs. 6 SGB III sein. Zum anderen wäre eine Anwendung dieser Norm auch im Vergleich zu den Sanktionen des § 32 SGB II bei Meldeversäumnissen im Rahmen des SGB II unverhältnismäßig. Bereits bei einer Absenkung des Regelbedarfs gemäß § 31a Abs. 1 SGB II um 30 Prozent würde ein Meldeversäumnis gegenüber § 159 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 6, Abs. 6 SGB III bzw. § 32 Abs. 1 SGB II mit einer erheblich gravierenderen Rechtsfolge sanktioniert. Besonders deutlich wird diese Unverhältnismäßigkeit - wie hier - in Fällen des § 31a Abs. 2 SGB II, wenn die Bewilligung auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt wird, somit eine Absenkung des Regelbedarfs und etwaiger Mehrbedarfe um 100 Prozent erfolgt. Der Klägerin wurden aufgrund der Sanktion in der Zeit vom 04.09.2012 bis zum 03.12.2012 SGB II-Leistungen in Höhe von 815,21 EUR weniger bewilligt und ausgezahlt - eine noch höhere Belastung wäre bei einer Absenkung auch hinsichtlich des Monats Oktober 2012 möglich gewesen. Die finanzielle Belastung der einwöchigen Sperrzeit bzw. einer Leistungsabsenkung nach § 32 SGB II liegt demgegenüber bei unter 200,- EUR.
Einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber im Jahr 2011 die §§ 31ff SGB II umfassend reformiert hat. Offensichtlich hat er bei seiner Überarbeitung der Sanktionsnormen übersehen (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 111f), dass eine Neuformulierung des Absatzes des § 31, in dem die Folgen einer Sperrzeitfeststellung nach dem SGB III geregelt werden, zu einer unverhältnismäßigen Rechtsfolge bei weniger erheblichen Verstößen führt. Nach § 31 Abs. 4 SGB II a.F. ("Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend") bestand bei SGB III-Sperrzeiten bei Meldeversäumnissen die Möglichkeit, § 31 Abs. 2 SGB II a.F. mit seinen erheblich weniger gravierenden Rechtsfolgen, die dem aktuellen § 32 SGB II entsprechen, anzuwenden (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage [2009], § 31, Rn. 130). Der Gesetzgeber hat bei seiner Reform im Jahr 2011 planwidrig einen zu weiten Anwendungsbereich der §§ 31 Abs. 2 Nr. 3, 31a, 31b SGB II geschaffen, der nicht beabsichtigt war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da der Beschwerdewert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erreicht wird, ist die Berufung bereits zulässig. Die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist somit nicht erforderlich.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine dreimonatige Absenkung der Leistungen nach dem Zwei¬ten Buch Sozialgesetzbuch - Grund¬sicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Die am 00.00.000 geborene Klägerin bezog im September 2012 neben den Leistungen nach dem SGB II auch Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Mit Bescheid vom 27.09.2012 stellte die Agentur für Arbeit Düren eine Sperrzeit vom 04.09. bis 10.09.2012, also ein Ruhen des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB III für diesen Zeitraum, fest. Die Klägerin sei der Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich gemäß § 309 SGB III am 03.09.2012 zu melden, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen. Der Bescheid ist nach Durchführung eines Widerspruchs- und Klageverfahrens mittlerweile bestandskräftig (vgl. Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012 und Gerichtsverfahren beim Sozialgericht Aachen unter S 15 AL 244/12).
Mit Bescheid vom 01.10.2012 beschränkte der Beklagte unter Bezugnahme auf den Eintritt der Sperrzeit nach dem SGB III das Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 04.09.2012 für die Dauer von drei Monaten auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Eine Verkürzung auf einen Zeitraum von sechs Wochen käme nicht in Betracht. Den Widerspruch der Klägerin vom 05.10.2012, den sie damit begründete, dass der Bescheid der Agentur für Arbeit erkennbar rechtswidrig sei, da sie den Besprechungstermin krankheitsbedingt telefonisch abgesagt habe, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2012 zurück. Die erfolgte Absenkung der SGB II-Leistungen sei hinsichtlich Höhe und Zeitraum zwingende Folge des Eintritts der Sperrzeit nach dem SGB III. Aufgrund der Absenkung der Leistungen erhielt die Klägerin im September 2012 403,23 EUR, im November 2012 361,03 EUR und im Dezember 2012 50,86 EUR, mithin insgesamt 815,21 EUR weniger SGB II-Leistungen.
Am 12.11.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Bescheid der Agentur für Arbeit aufgrund der erfolgten telefonischen Absage des Besprechungstermins erkennbar rechtswidrig sei. Unabhängig davon ist zu beanstanden, dass eine Sanktion hinsichtlich des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem SGB III im Umfang von einer Woche eine Sanktion hinsichtlich des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II für einen Zeitraum von drei Monaten zur Folge hat. Auch die rückwirkende Absenkung sei bereits rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 01.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt er vor, dass die Minderung der SGB II-Leistungen zwingende Rechtsfolge einer festgestellten Sperrzeit nach dem SGB III sei. An die von der Bundesagentur für Arbeit erstellten fachlichen Hinweise zur Anwendbarkeit dieser Rechtsfolge in entsprechenden Fällen sei der Beklagte als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung nicht gebunden. Zudem habe sich der Gesetzgeber bei seiner Reform des SGB II im Jahr 2011 offensichtlich dafür entschieden, sämtliche SGB II-Sanktionen infolge von Feststellungen von SGB III-Sperrzeiten im Sinne der §§ 31, 31a und 31b SGB II und nicht im Sinne des § 32 SGB II zu regeln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Ge-richtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklag¬ten, deren wesent-licher Inhalt Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung gewe¬sen ist, Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin ist in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozi¬algerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Bescheid vom 01.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2012 ist rechtswidrig.
Gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II verletzten erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit nach den Vorschriften des SGB III festgestellt hat. Nach § 159 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 6 SGB III tritt eine Sperrzeit ein, wenn die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden (§ 309 SGB III), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis). Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis beträgt gemäß § 159 Abs. 6 SGB III eine Woche. Gemäß § 31a Abs. 2 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, das Arbeitslosengeld II bei einer Pflichtverletzung nach § 31 auf die für die Bedarfe nach § 22 zu erbringenden Leistungen beschränkt. Gemäß § 31b Abs. 1 Satz 2 SGB II tritt die Minderung mit Beginn der Sperrzeit nach dem SGB III ein. Der Minderungszeitraum beträgt drei Monate (vgl. § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II). Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kann der Träger gemäß § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II die Minderung des Auszahlungsanspruchs in Höhe der Bedarfe nach den §§ 20 und 21 SGB II unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf sechs Wochen verkürzen.
Die Agentur für Arbeit hat aufgrund des Nichterscheinens der Klägerin beim Meldetermin am 03.09.2012 das Eintreten einer Sperrzeit von einer Woche festgestellt. An diese Feststellung ist der SGB II-Leistungsträger nach § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ohne eigene Prüfungskompetenz gebunden; insofern hat der Bescheid der Agentur für Arbeit Tatbestandswirkung für den Leistungsträger nach dem SGB II (Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage [2013], § 31, Rn. 81). Bei Anwendung der Rechtsfolgenvorschriften der §§ 31a und 31b SGB II käme somit eine Beschränkung des Arbeitslosengeldes II auf die für die Bedarfe nach § 22 zu erbringenden Leistungen für die Zeit ab 04.09.2012 in Betracht. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte bei der Ausübung seines Ermessens gemäß § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II bereits fehlerhaft vorgegangen ist.
Denn maßgeblich ist, dass die Vorschrift des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II bei einer von der Agentur für Arbeit festgestellten Sperrzeit bei Meldeversäumnis nicht anzuwenden ist. Der Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ist auf die Nrn. 1 bis 5 des § 159 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB III sowie auf § 161 SGB III teleologisch zu reduzieren. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte nicht bereits aufgrund der fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu den §§ 31, 31a und 31b SGB II, Ziffer 31.26 (Stand: 20.03.2013) verpflichtet ist, von einer Absenkung abzusehen. Offenbleiben kann dabei auch, ob der Beklagte als zugelassener kommunaler Träger zumindest - wie hier - hinsichtlich der Absenkung von Leistungen aus Bundesmitteln an Weisungen der Bundesagentur für Arbeit gebunden ist.
Dem Grundsatz des Forderns gemäß § 2 SGB II entsprechend ist Sinn und Zweck der §§ 31 ff SGB II, dem Leistungsberechtigten in Form von Sanktionen zu verdeutlichen, dass eine Mitwirkung bei der Behebung seiner Hilfebedürftigkeit zu erwarten ist. Der ursprüngliche Gesetzgeber hat bei der Schaffung des Sanktionssystems aber auch eine Abstufung der Sanktionen entsprechend der Bedeutung der Pflichtverletzungen vorgesehen (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 60), also das Verhältnismäßigkeitsprinzip berücksichtigt. Sinn und Zweck der §§ 31 ff SGB II ist somit auch, den Leistungsberechtigten angemessen auf seine Mitwirkungspflichten hinzuweisen. Eine Anwendung des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II mit seinen Rechtsfolgen des § 31a Abs. 1 SGB II oder sogar - wie im vorliegenden Fall - des § 31a Abs. 2 SGB II würde aber zum einen unverhältnismäßig gegenüber der vergleichbaren einwöchigen Sperrzeit der Nr. 6 (und 7) des § 159 Abs. 1 Satz 1, 2 i.V.m. Abs. 6 SGB III sein. Zum anderen wäre eine Anwendung dieser Norm auch im Vergleich zu den Sanktionen des § 32 SGB II bei Meldeversäumnissen im Rahmen des SGB II unverhältnismäßig. Bereits bei einer Absenkung des Regelbedarfs gemäß § 31a Abs. 1 SGB II um 30 Prozent würde ein Meldeversäumnis gegenüber § 159 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 6, Abs. 6 SGB III bzw. § 32 Abs. 1 SGB II mit einer erheblich gravierenderen Rechtsfolge sanktioniert. Besonders deutlich wird diese Unverhältnismäßigkeit - wie hier - in Fällen des § 31a Abs. 2 SGB II, wenn die Bewilligung auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt wird, somit eine Absenkung des Regelbedarfs und etwaiger Mehrbedarfe um 100 Prozent erfolgt. Der Klägerin wurden aufgrund der Sanktion in der Zeit vom 04.09.2012 bis zum 03.12.2012 SGB II-Leistungen in Höhe von 815,21 EUR weniger bewilligt und ausgezahlt - eine noch höhere Belastung wäre bei einer Absenkung auch hinsichtlich des Monats Oktober 2012 möglich gewesen. Die finanzielle Belastung der einwöchigen Sperrzeit bzw. einer Leistungsabsenkung nach § 32 SGB II liegt demgegenüber bei unter 200,- EUR.
Einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber im Jahr 2011 die §§ 31ff SGB II umfassend reformiert hat. Offensichtlich hat er bei seiner Überarbeitung der Sanktionsnormen übersehen (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 111f), dass eine Neuformulierung des Absatzes des § 31, in dem die Folgen einer Sperrzeitfeststellung nach dem SGB III geregelt werden, zu einer unverhältnismäßigen Rechtsfolge bei weniger erheblichen Verstößen führt. Nach § 31 Abs. 4 SGB II a.F. ("Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend") bestand bei SGB III-Sperrzeiten bei Meldeversäumnissen die Möglichkeit, § 31 Abs. 2 SGB II a.F. mit seinen erheblich weniger gravierenden Rechtsfolgen, die dem aktuellen § 32 SGB II entsprechen, anzuwenden (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage [2009], § 31, Rn. 130). Der Gesetzgeber hat bei seiner Reform im Jahr 2011 planwidrig einen zu weiten Anwendungsbereich der §§ 31 Abs. 2 Nr. 3, 31a, 31b SGB II geschaffen, der nicht beabsichtigt war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da der Beschwerdewert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erreicht wird, ist die Berufung bereits zulässig. Die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist somit nicht erforderlich.
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