Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
30
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 30 SO 69/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der einem Sozialhilfeempfänger zustehende Regelsatz ist zwar gem. § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII (vormals § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII) nicht abweichend festzulegen, wenn der Betroffene sich nur "vorübergehend" im Krankenhaus zur stationären Behandlung aufhält (im Anschluss an SG Nürnberg, Urteil vom 30. Juni 2011 - S 20 SO 54/10). Der Begriff "vorübergehend" richtet sich dabei nach der durchschnittlichen Verweildauer. Die durchschnittliche Verweildauer betrug im Jahre 2003 in Deutschland 8,9 Tage. Ein mehrmonatiger Klinikaufenthalt ist daher nicht mehr vorübergehender Natur.
2. Für eine Einzelfallbetrachtung einer etwaigen Mehrbelastung des Leistungsempfängers im Krankenhaus - bspw. für Hygiene-, Nahrungs- und Genussmittel (Schokolade, Cola, Kosmetika) - besteht dann kein Anlass, wenn der Leistungsträger lediglich den Einzelbedarf für Ernährung (hier in Höhe von 135 Euro) kürzt und dem Leistungsempfänger zugleich der überschießende Regelsatz verbleibt. Die eingesparten Ausgaben für Bedarfe wie Telekommunikation, Strom, Dienstleistungen, Gaststätten und Beherbergung, ÖPNV etc hat der Leistungsempfänger einzusetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Betroffenen mehr als der doppelte Betrag, der einem Heimbewohner als Taschengeld in Form eines Barbetrag zu Verfügung steht (rund 100 Euro), und konkrete Anhaltspunkte für einen höheren Bedarf nicht vorgetragen oder erkennbar sind.
2. Für eine Einzelfallbetrachtung einer etwaigen Mehrbelastung des Leistungsempfängers im Krankenhaus - bspw. für Hygiene-, Nahrungs- und Genussmittel (Schokolade, Cola, Kosmetika) - besteht dann kein Anlass, wenn der Leistungsträger lediglich den Einzelbedarf für Ernährung (hier in Höhe von 135 Euro) kürzt und dem Leistungsempfänger zugleich der überschießende Regelsatz verbleibt. Die eingesparten Ausgaben für Bedarfe wie Telekommunikation, Strom, Dienstleistungen, Gaststätten und Beherbergung, ÖPNV etc hat der Leistungsempfänger einzusetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Betroffenen mehr als der doppelte Betrag, der einem Heimbewohner als Taschengeld in Form eines Barbetrag zu Verfügung steht (rund 100 Euro), und konkrete Anhaltspunkte für einen höheren Bedarf nicht vorgetragen oder erkennbar sind.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme und Rückforderung bewilligter Sozialhilfe in Höhe von 872,00 EUR und hier namentlich über die Frage, ob ein gut achtmonatiger Krankenhausaufenthalt zur Berechtigung der Beklagten führt, den Regelsatzes um den Bedarf Ernährung zu reduzieren.
Die am 00.00.1976 geborene Klägerin ist schwer behindert mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 und bezieht neben Renteneinkommen Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Klägerin steht unter Betreuung, Betreuerin ist deren Mutter Frau Q C. Die Klägerin wurde am 20.02.2011 bis einschließlich November 2011 stationär im Klinikum O aufgenommen. Dieser Umstand wurde der Beklagten zunächst nicht mitgeteilt. Erst im Rahmen der Beantragung von Kosten für die neue Unterkunft der Klägerin am 19.09.2011 erfuhr die Beklagte von dem Klinikaufenthalt der Klägerin ab Februar 2011.
Im Zuge der Anhörung äußerte die Klägerin mit anwaltlichen Schreiben vom 04.11.2011 ihre Rechtsauffassung dahingehend, dass das Bundessozialgericht bereits im Juni 2008 für Bezieher von Arbeitslosengeld II entschieden habe, dass Verpflegung während eines Krankenhausaufenthaltes nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe. So habe auch zum Beispiel das Sozialgericht Nürnberg ausgeführt, dass der Regelsatz nach dem SGB XII aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes nicht gekürzt werden dürfe, ähnlich habe das Sozialgericht Detmold bei einer medizinischen Rehamaßnahme geurteilt.
Mit Bescheid vom 29.11.2011 hob die Beklagte bewilligte Leistungen für den Zeitraum 01.04.2011 bis 31.10.2011 wie folgt auf:
- auf der Grundlage des Bewilligungsbescheids vom 23.02.2011, mit dem für April 2011 Leistungen in Höhe von 632,84 EUR bewilligt wurden, reduzierte die Beklagte den Betrag auf 497,84 EUR und nahm die Bewilligung in Höhe von 135,00 EUR zurück. - auf der Grundlage des Bewilligungsbescheids vom 19.04.2011, mit dem für den Zeitraum 01.05.2011 bis 30.09.2011 Leistungen in Höhe von monatlich 632,84 EUR bewilligt worden, reduzierte die Beklagte den Betrag ebenfalls auf monatlich 497,84 EUR und nahm die Bewilligung in Höhe von 135,00 EUR zurück = 675,00 (5 x 135,- EUR) - auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 26.09.2011, mit dem für Oktober 2011 Leistungen in Höhe von 582,82 EUR bewilligt wurden, reduzierte die Beklagte den Betrag auf 520,84 EUR und nahm die Bewilligung in Höhe von 62,00 EUR zurück
Den Gesamtbetrag in Höhe von 872,00 EUR forderte die Beklagte im Wege der Erstattung zurück und wies darauf hin, dass bereits 62,00 EUR mit dem Leistungsanspruch für November 2011 verrechnet worden sei. Der Restbetrag in Höhe von 810,00 EUR werde mit einer monatlichen Rate von zehn Euro von den laufenden Leistungen einbehalten. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin halte sich seit dem 20.02.2011 zur stationären Behandlung in der Klinik auf. Dies sei erst durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung anlässlich des beabsichtigten Umzugs bekannt gegeben worden. Bei einem stationären Krankenhausaufenthalt werde der Anteil für Ernährung durch die Leistung des Krankenhausträgers gedeckt; daher sein gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII Bedarfe teilweise anderweitig gedeckt. Der Ernährungsbedarf betrage monatlich 135,00 EUR, dies müsse bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden. Bis November 2011 stelle auch einen für die Leistungsgewährung bedeutsamen Zeitraum dar. Während des Aufenthalts seien daher weder Bedarfe für Lebensmittel noch für Strom, noch für öffentliche Verkehrsmittel oder Ähnliches angefallen. Die Bedarfe seien durch die Klinik gedeckt. Eine Kürzung des Regelsatzes sei daher grundsätzlich rechtmäßig. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass ein kürzungsfreier Zeitraum von zwei Wochen zu unterstellen sei, die Kürzung greife dann am 1. des Folgemonats, so dass zum 01.04.2011 die Kürzung greife. Der Mitteilungspflicht sei die Mutter und Betreuerin der Klägerin, Frau Q C, nicht nachgekommen. Der Betreuerin habe klar sein müssen, dass die geänderten Lebensumstände mitgeteilt hätten werden müssen. Ein schutzwürdiges Vertrauen sei nicht erkennbar. Bei rechtzeitiger Angabe seien verringerte Leistungen ab April 2011 bewilligt worden. Hiergegen legte die Klägerin mit Datum vom 05.12.2011 Widerspruch ein und verwies auf das anwaltliche Schreiben vom 04.11.2011 im Rahmen der Anhörung.
Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2012 als unbegründet zurück. Darin wies die Beklagte darauf hin, ein mehrmonatiger stationärer Aufenthalt stelle nicht nur eine vorübergehende Abwesenheit dar. Ein solch langer Zeitraum stelle vielmehr einen für die Gewährung von Leistungen bedeutsamen Zeitraum dar. Während dieses Zeitraums entstünden keine Bedarfe für Lebensmitteln, Strom, öffentliche Verkehrsmittel oder Ähnliches, die durch das Klinikum gedeckt seien. Die Kürzung sei daher grundsätzlich rechtmäßig. Außerdem habe der Klägerin noch für einen Übergangszeitraum bis zum 01.04.2011 der volle Regelsatz zur Verfügung gestanden. Im Übrigen führte die Beklagte zu den Voraussetzungen nach §§ 45, 50 SGB X ähnlich aus wie im Ausgangsbescheid.
Mit ihrer Klage vom 13.02.2012, beim Sozialgericht Düsseldorf am selben Tag eingegangen, verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Begehren auf Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids.
Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund der Rechtsprechung - hier des Sozialgerichts Nürnberg (Urteil vom 30.06.2011, S 20 SO 54/10) sei allein ein Krankenhausaufenthalt nicht geeignet, eine abweichende Festsetzung des pauschalen Regelsatzes nach § 27a Absatz 4 S. 1 SGB XII zu begründen. Eine Abweichung käme nur dann in Betracht, wenn der durchschnittliche individuelle Bedarf des Leistungsempfängers nachweisbar vom durchschnittlichen Bedarf abweiche. Bei der Bemessung der Regelsätze fielen jedoch auch Krankenhausaufenthalte an. Damit seien sowohl bedingte Mehrausgaben, also Einsparung statistisch erfasst. Eine darüber hinausgehende Absenkung sei nicht gerechtfertigt. Die (mutmaßliche) anderweitige Bedarfsdeckung bei der Klägerin durch Gewährung von Verpflegung im Krankenhaus sei nicht von einem Träger der Sozialhilfe als Leistung nach dem SGB XII erbracht. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 23.03.2010 (B 8 SO 17/09 R) scheide eine leistungsmindernde Berücksichtigung von Verpflegung eines Leistungsempfängers im Krankenhaus aus. Auch die Höhe des von der Beklagten zugrunde gelegten Bedarfs in Höhe von 135,00 EUR sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hätte im Einzelnen ermitteln müssen, in welchem Umfang während des Krankenhausaufenthaltes ein anderer individueller Bedarf durch mögliche Einsparung zum Beispiel wegen kostenloser Verpflegung gegen zusätzliche Aufwendungen aufgrund höherer Preise für den Erwerb von Gegenständen des täglichen Bedarfs, also Nahrungsmittel, Genussmittel, Kosmetika etc. gegenüberstehen.
Der Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin noch offene Leistungen i.H.v. 872,00 EUR für die Monate April 2011 bis Oktober 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Kürzung sei rechtmäßig. Es sei unerheblich, ob der Bedarf durch einen Sozialhilfeträger oder durch jemand anders erbracht würde. Eine solche Einschränkung sähe der Gesetzgeber nicht vor. Auch in der Gesetzesbegründung hieße es, dass der Regelsatz abzusenken sei, wenn einzelne Leistungen von dritter Seite erbracht würden. Es sei im Übrigen unstrittig, dass die Klägerin während ihres Aufenthalts in der stationären Einrichtung Mahlzeiten erhalten habe und dies Aufwendungen im Zusammenhang mit der Haushaltsführung erspart habe.
Die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Kd.-Nr. 255245) lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist im Übrigen auch zulässig und als kombinierte Anfechtungs- Verpflichtungsklage im Sinne von § 54 IV SGG statthaft.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtsmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids war rechtmäßig. Zutreffende Ermächtigungs- grundlage zur Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 23.02.2011, vom 19.04.2011 und vom 26.09.2011, mit dem Leistungen für den Zeitraum für April 2011 bis Oktober 2011 bewilligt wurden und Rückforderung ausgezahlter Leistungen ist § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X; nicht jedoch § 45 SGB X, auf den die Beklagte die Rückforderung gestützt hat. Die Wahl der falschen Ermächtigungsgrundlage ist unschädlich und spielt für die Klageabweisung keine Rolle. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung – als solche sind die drei Bewilligungsbescheide anzusehen – dann vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
1. Bei dem langfristigen Klinikaufenthalt von Februar 2011 bis November 2011 der Klägerin handelt es sich um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, da dies einen die Leistungshöhe betreffenden Umstand darstellt.
a) Zunächst weist die Kammer darauf hin, dass die wesentliche Änderung der Verhältnisse seitens der Kammer nicht deshalb unterstellt wird, weil die Klägerin während ihres Klinikaufenthaltes im Aufhebungszeitraum April und November 2011 sich den Ernährungsbedarf leistungsmindernd als Einkommen (in Form des Sachbezuges) gemäß § 82 SGB XII anrechnen lassen hätte müssen. Soweit die Beteiligten insoweit über die Anrechnung und Reduzierung bzw. Aufhebung von Leistungen streiten, weil diese Leistungen nicht durch den Sozialhilfeträger, sondern durch das Krankenhaus erbracht werden, sieht das Gericht von einer ausführlicheren rechtlichen Begründung ab und verweist diesbezüglich auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 23. März 2010 (Az.: B 8 SO 17/09 R). Das Gericht schließt sich den dort vorgenommenen rechtlichen Erwägungen in vollem Umfang an und macht sie sich zu Eigen; diesbezüglich weist das Gericht auch auf die von den Beteiligten zitierte Entscheidung des SG Nürnberg, (Urteil vom 30. Juni 2011 – S 20 SO 54/10) hin. Dieser rechtliche Aspekt ist für die Klageabweisung nicht von Bedeutung.
b) Die wesentliche Änderung der Verhältnisse durch den langfristigen Klinikaufenthalte der Klägerin gründet sich in § 27a Abs. 4 SGB XII, in der Fassung vom 24.03.2011, gültig ab 01.01.2011. Danach ist im Einzelfall der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festzulegen, wenn ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist. Diese Regelung hat die noch von der Beklagten im streitigen Ausgangsbescheid vom 29.11.2011 herangezogenen – insoweit aber gleichgerichteten – Regelung des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII in der Fassung vom 30.07.2009 gültig bis 31.12.2010 abgelöst. Auch nach dieser Vorschrift waren Bedarfe abweichend festzulegen, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist. Im Falle des langfristigen Klinikaufenthalts der Klägerin vom 20.02.2011 bis einschließlich November 2011 ist entgegen der Rechtsansicht der Klägerin auch von einer insoweit anderweitigen Deckung des Bedarfs Ernährung durch die Verköstigung im Krankenhaus auszugehen. Die Beklagte hat daher zutreffend, und im Übrigen auch ausschließlich, den Bedarf für Ernährung in Höhe von 135,00 EUR monatlich ab April 2011 bis Oktober 2011 (hier lediglich anteilig in Höhe von 62,00 EUR) vom noch bestehenden Bedarf der Klägerin abgezogen und diesen zur Erstattung gemäß § 48 in Verbindung mit § 50 SGB X geltend gemacht. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist ein solch langer Klinikaufenthalt auch nicht mehr in der pauschalen Festlegung der Regelsätze miterfasst.
Das Sozialgericht Nürnberg hat in rechtlich zutreffender Weise festgestellt, dass der einem Sozialhilfeempfänger zustehende Regelsatz grundsätzlich nicht infolge eines (vorübergehenden) Krankenhausaufenthalts gemäß § 28 Abs. 1 S 2 SGB 12 aF abweichend festzulegen ist (SG Nürnberg, Urteil vom 30. Juni 2011 – S 20 SO 54/10). Das Sozialgericht Nürnberg geht dem Grundsatz nach davon aus, dass in den zur Bemessung der Regelsätze herangezogenen Haushalten unterer Einkommensgruppen in ähnlichem Umfang wie bei Leistungsberechtigten nach dem SGB XII Krankenhausaufenthalte anfallen (SG Nürnberg, a.a.O., Rn.). Die Kammer folgt dieser grundsätzlichen Überlegung. Das Sozialgericht Nürnberg hat diesbezüglich aber bereits in seinem Leitsatz die mögliche Einschränkung einer solchen grundsätzlichen Überlegung mit einfließen lassen und hat die Außerachtlassung einer Anrechnungsmöglichkeit durch anderweitige Sicherstellung von Bedarfen – hier durch die Verköstigung durch das Krankenhaus – auf lediglich "vorübergehende" Krankenhausaufenthalte beschränkt. Darin kommt die Überlegung zum Ausdruck, die auch die Kammer teilt, wonach der Gesetzgeber notwendigerweise lediglich eine bestimmte Dauer eines Krankenhausaufenthaltes bei der Ermittlung den Regelbedarf unterstellen konnte. Ab einer bestimmten Dauer eines Krankenhausaufenthaltes ist die Abweichung vom Regelbedarf so groß, dass dies für die statistische Ermittlung des Regelbedarfs keine Rolle mehr spielen kann. Das Sozialgericht Nürnberg hat diesbezüglich die Frage offen gelassen bzw. nicht abschließend geklärt, ab wann die Dauer eines Klinikaufenthaltes einen "atypischen" Fall darstellt, der in der statistischen Ermittlung der Regelbedarfe durch den Gesetzgeber gar nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Im Fall, den das Sozialgerichts Nürnberg zu beurteilen hatte, betrug die Dauer des Klinikaufenthalts der Klägerin ca. drei Wochen (vom 27. Oktober 2009 bis 17. November 2009).
Nach Rechtsansicht der Kammer kann in eine statistische Bewertung, so wie der Gesetzgeber sie bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrunde gelegt hat, selbst nur mit statistischen Werten gearbeitet werden. Die Kammer geht daher davon aus, dass bei der Ermittlung der Regelbedarfe allenfalls der statistische Mittelwert für die durchschnittliche Verweildauer eines deutschen Bundesbürgers im Krankenhaus herangezogen werden kann. In Deutschland betrug die durchschnittliche Verweildauer im Jahre 2003 8,9 Tage (Quelle: Wikipedia/Stichwort: Verweildauer). Lediglich über einen Zeitraum von knapp anderthalb Wochen kann daher nach Auffassung der Kammer ein anderweitig sichergestellter Bedarf durch Verköstigung im Krankenhaus nicht auf den Regelsatz angerechnet werden, weil der Gesetzgeber dies bereits bei der Ermittlung des statistischen Mittelmaßes der Regelbedarfe berücksichtigt hat. Im Ergebnis bedarf es jedoch keiner abschließenden Entscheidung, ob ein Zeitraum von 8,9 Tagen unberücksichtigt bleibt oder ob dieser Zeitraum bei dem vom Sozialgericht Nürnberg unterstellten Zeitraum von drei Wochen erfüllt ist. Bei einem Klinikaufenthalt, der sich über mehrere Monate und damit über mehrere Bewilligungsabschnitte erstreckt, kann das Gericht keinen Anhaltspunkt sehen, wie der Gesetzgeber dies noch bei der statistischen Ermittlung der Regelsätze hätte berücksichtigen können. Ein mehrmonatiger Krankenhausaufenthalt stellt daher einen atypischen Fall dar, der im Sinne der Rechtsprechung des Sozialgerichts Nürnberg keinen vorübergehenden Krankenhausaufenthalt mehr darstellt. Diesbezüglich weist das Gericht ergänzend darauf hin, dass die Beklagte ohnehin erst ab April 2011 die Kürzungen vorgenommen hat und damit de facto über einen Zeitraum von fast sechs Wochen (20.02.2011 bis 30.03.2011) keine Bedarfsanrechnung vorgenommen hat. Die Beklagte hat damit den auch vom Sozialgericht Nürnberg unterstellten Drei-Wochenzeitraum deutlich überschritten. Da die Beklagte bereits zu Gunsten der Klägerin gehandelt hat, kann die Frage offen bleiben, ob eine solche temporäre Unterlassung einer Anrechnung etwaig anderweitig gedeckter Bedarfe überhaupt rechtlich geboten ist oder ob ein Leistungsträger jedenfalls dann berechtigt ist, den Bedarf von Anfang an zu kürzen, wenn der Klinikaufenthalt nicht mehr nur vorübergehender Natur ist.
2) Die Klägerin hat auch ihre Mitteilungspflichten verletzt. Nach § 60 Absatz 1 Nr. 2 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen erhält, sämtliche Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Den längeren Klinikaufenthalt hat die Klägerin der Beklagten nicht mitgeteilt; obwohl dieser Umstand Einfluss auf die Leistungshöhe nimmt.
3) Dies ist auch grob fahrlässig geschehen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X). Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, das heißt seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten. Unter Berücksichtigung dessen erfordert die einem Leistungsempfänger – gegebenenfalls wie im vorliegenden Fall durch den Betreuer – abzuverlangende Sorgfalt, dass dieser erkennt, welche Bedarfe durch den Regelsatz abgedeckt sind – hier insbesondere der Bedarf Ernährung – und namentlich bei einer nicht nur vorübergehenden Vollverpflegung durch ein Krankenhaus zu der Erkenntnis gelangt, dass dieser Umstand Auswirkungen auf den Leistungsbezug hat bzw. zumindestens haben könnte, weil der Ernährungsbedarf, der im Regelsatz enthalten ist, anderweitig abgedeckt wird. Diesbezüglich weist das Gericht darauf hin, dass die Klägerin die Bewertung der subjektiven Komponente durch die Beklagte auch zu keiner Zeit gerügt hat.
4) Die Beklagte hat im Übrigen auch der Höhe nach in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Leistungsbewilligungen aufgehoben und die entsprechenden Beträge zurückgefordert. Die Bedarfsermittlung für Nahrungsmittel ergibt sich unproblematisch anhand der Regelsatzverordnung, im Bewilligungszeitraum April 2011 bis November 2011 betrug der Bedarf für Nahrungsmittel 135,00 EUR. Dabei hat die Beklagte die Rückforderungen alleine auf den Ernährungsbedarf beschränkt. Es ist zwar mit der Klägerin zu konstatieren, dass mit Verköstigung im Krankenhaus bestimmte Kosten für Hygiene-, Genuss- und Nahrungsmittel (Schokolade, Cola, Kosmetika u.a.) nicht abgedeckt sind, weiter ist mit der Klägerin zu unterstellen, dass die Kosten hierfür gegebenenfalls im Krankenhauskiosk teurer sind als im Discounter. Dieser Bedarf war jedoch dennoch nicht zu Gunsten der Klägerin zusätzlich zu berücksichtigen. Zwar hat die Beklagte in vollem Umfang den Bedarf für Nahrung in Höhe von 135,00 EUR aufgehoben, so dass dieser für weitere Nahrungs- und Genussmittel nicht zur Verfügung stand. Darüber hinaus hat die Beklagte der Klägerin aber den Regelsatz bezüglich aller weiteren Bedarfe belassen. Hierin enthalten sind auch Bedarfe wie Telekommunikation, Strom, Dienstleistungen, Gaststätten und Beherbergung, ÖPNV etc., die im Zeitraum des Klinikaufenthaltes entweder nicht oder in deutlich geringerem Umfange anfallen. Der Klägerin verblieb daher ab April 2011 bis November 2011 während des Klinikaufenthaltes noch ein Betrag von rund 230,00 EUR, im restlichen Monat Februar und im März 2011 bezog die Klägerin sogar den vollen Regelsatz. Der Klägerin stand daher über den gesamten Zeitraum mehr als der doppelte Betrag zur Verfügung, den Bewohnenr von Pflegeheimen als Taschengeld in Form eines Barbetrages zur Verfügung belassen sein muss (diese beträgt ca. 100,00 EUR). Eine etwaige Einzelfallprüfung kam daher im konkreten Einzelfall nicht in Betracht, die Klägerin hat in keiner Weise substantiiert und schlüssig dargelegt, dass sie für die notwendig zu bestreitenden Bedarfe während des Klinikaufenthalts in der Klinik und darüber hinaus einen höheren Bedarf hat, als die Beklagte nach Aufhebung und Rückforderung gewährter Leistungen in Höhe von 135,00 EUR an Mittel zur Verfügung gestellt hat. Für die von der Klägerin begehrte Einzelfallbetrachtung gab es daher keinen Anlass.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
&8195;
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme und Rückforderung bewilligter Sozialhilfe in Höhe von 872,00 EUR und hier namentlich über die Frage, ob ein gut achtmonatiger Krankenhausaufenthalt zur Berechtigung der Beklagten führt, den Regelsatzes um den Bedarf Ernährung zu reduzieren.
Die am 00.00.1976 geborene Klägerin ist schwer behindert mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 und bezieht neben Renteneinkommen Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Klägerin steht unter Betreuung, Betreuerin ist deren Mutter Frau Q C. Die Klägerin wurde am 20.02.2011 bis einschließlich November 2011 stationär im Klinikum O aufgenommen. Dieser Umstand wurde der Beklagten zunächst nicht mitgeteilt. Erst im Rahmen der Beantragung von Kosten für die neue Unterkunft der Klägerin am 19.09.2011 erfuhr die Beklagte von dem Klinikaufenthalt der Klägerin ab Februar 2011.
Im Zuge der Anhörung äußerte die Klägerin mit anwaltlichen Schreiben vom 04.11.2011 ihre Rechtsauffassung dahingehend, dass das Bundessozialgericht bereits im Juni 2008 für Bezieher von Arbeitslosengeld II entschieden habe, dass Verpflegung während eines Krankenhausaufenthaltes nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe. So habe auch zum Beispiel das Sozialgericht Nürnberg ausgeführt, dass der Regelsatz nach dem SGB XII aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes nicht gekürzt werden dürfe, ähnlich habe das Sozialgericht Detmold bei einer medizinischen Rehamaßnahme geurteilt.
Mit Bescheid vom 29.11.2011 hob die Beklagte bewilligte Leistungen für den Zeitraum 01.04.2011 bis 31.10.2011 wie folgt auf:
- auf der Grundlage des Bewilligungsbescheids vom 23.02.2011, mit dem für April 2011 Leistungen in Höhe von 632,84 EUR bewilligt wurden, reduzierte die Beklagte den Betrag auf 497,84 EUR und nahm die Bewilligung in Höhe von 135,00 EUR zurück. - auf der Grundlage des Bewilligungsbescheids vom 19.04.2011, mit dem für den Zeitraum 01.05.2011 bis 30.09.2011 Leistungen in Höhe von monatlich 632,84 EUR bewilligt worden, reduzierte die Beklagte den Betrag ebenfalls auf monatlich 497,84 EUR und nahm die Bewilligung in Höhe von 135,00 EUR zurück = 675,00 (5 x 135,- EUR) - auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 26.09.2011, mit dem für Oktober 2011 Leistungen in Höhe von 582,82 EUR bewilligt wurden, reduzierte die Beklagte den Betrag auf 520,84 EUR und nahm die Bewilligung in Höhe von 62,00 EUR zurück
Den Gesamtbetrag in Höhe von 872,00 EUR forderte die Beklagte im Wege der Erstattung zurück und wies darauf hin, dass bereits 62,00 EUR mit dem Leistungsanspruch für November 2011 verrechnet worden sei. Der Restbetrag in Höhe von 810,00 EUR werde mit einer monatlichen Rate von zehn Euro von den laufenden Leistungen einbehalten. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin halte sich seit dem 20.02.2011 zur stationären Behandlung in der Klinik auf. Dies sei erst durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung anlässlich des beabsichtigten Umzugs bekannt gegeben worden. Bei einem stationären Krankenhausaufenthalt werde der Anteil für Ernährung durch die Leistung des Krankenhausträgers gedeckt; daher sein gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII Bedarfe teilweise anderweitig gedeckt. Der Ernährungsbedarf betrage monatlich 135,00 EUR, dies müsse bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden. Bis November 2011 stelle auch einen für die Leistungsgewährung bedeutsamen Zeitraum dar. Während des Aufenthalts seien daher weder Bedarfe für Lebensmittel noch für Strom, noch für öffentliche Verkehrsmittel oder Ähnliches angefallen. Die Bedarfe seien durch die Klinik gedeckt. Eine Kürzung des Regelsatzes sei daher grundsätzlich rechtmäßig. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass ein kürzungsfreier Zeitraum von zwei Wochen zu unterstellen sei, die Kürzung greife dann am 1. des Folgemonats, so dass zum 01.04.2011 die Kürzung greife. Der Mitteilungspflicht sei die Mutter und Betreuerin der Klägerin, Frau Q C, nicht nachgekommen. Der Betreuerin habe klar sein müssen, dass die geänderten Lebensumstände mitgeteilt hätten werden müssen. Ein schutzwürdiges Vertrauen sei nicht erkennbar. Bei rechtzeitiger Angabe seien verringerte Leistungen ab April 2011 bewilligt worden. Hiergegen legte die Klägerin mit Datum vom 05.12.2011 Widerspruch ein und verwies auf das anwaltliche Schreiben vom 04.11.2011 im Rahmen der Anhörung.
Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2012 als unbegründet zurück. Darin wies die Beklagte darauf hin, ein mehrmonatiger stationärer Aufenthalt stelle nicht nur eine vorübergehende Abwesenheit dar. Ein solch langer Zeitraum stelle vielmehr einen für die Gewährung von Leistungen bedeutsamen Zeitraum dar. Während dieses Zeitraums entstünden keine Bedarfe für Lebensmitteln, Strom, öffentliche Verkehrsmittel oder Ähnliches, die durch das Klinikum gedeckt seien. Die Kürzung sei daher grundsätzlich rechtmäßig. Außerdem habe der Klägerin noch für einen Übergangszeitraum bis zum 01.04.2011 der volle Regelsatz zur Verfügung gestanden. Im Übrigen führte die Beklagte zu den Voraussetzungen nach §§ 45, 50 SGB X ähnlich aus wie im Ausgangsbescheid.
Mit ihrer Klage vom 13.02.2012, beim Sozialgericht Düsseldorf am selben Tag eingegangen, verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Begehren auf Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids.
Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund der Rechtsprechung - hier des Sozialgerichts Nürnberg (Urteil vom 30.06.2011, S 20 SO 54/10) sei allein ein Krankenhausaufenthalt nicht geeignet, eine abweichende Festsetzung des pauschalen Regelsatzes nach § 27a Absatz 4 S. 1 SGB XII zu begründen. Eine Abweichung käme nur dann in Betracht, wenn der durchschnittliche individuelle Bedarf des Leistungsempfängers nachweisbar vom durchschnittlichen Bedarf abweiche. Bei der Bemessung der Regelsätze fielen jedoch auch Krankenhausaufenthalte an. Damit seien sowohl bedingte Mehrausgaben, also Einsparung statistisch erfasst. Eine darüber hinausgehende Absenkung sei nicht gerechtfertigt. Die (mutmaßliche) anderweitige Bedarfsdeckung bei der Klägerin durch Gewährung von Verpflegung im Krankenhaus sei nicht von einem Träger der Sozialhilfe als Leistung nach dem SGB XII erbracht. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 23.03.2010 (B 8 SO 17/09 R) scheide eine leistungsmindernde Berücksichtigung von Verpflegung eines Leistungsempfängers im Krankenhaus aus. Auch die Höhe des von der Beklagten zugrunde gelegten Bedarfs in Höhe von 135,00 EUR sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hätte im Einzelnen ermitteln müssen, in welchem Umfang während des Krankenhausaufenthaltes ein anderer individueller Bedarf durch mögliche Einsparung zum Beispiel wegen kostenloser Verpflegung gegen zusätzliche Aufwendungen aufgrund höherer Preise für den Erwerb von Gegenständen des täglichen Bedarfs, also Nahrungsmittel, Genussmittel, Kosmetika etc. gegenüberstehen.
Der Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin noch offene Leistungen i.H.v. 872,00 EUR für die Monate April 2011 bis Oktober 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Kürzung sei rechtmäßig. Es sei unerheblich, ob der Bedarf durch einen Sozialhilfeträger oder durch jemand anders erbracht würde. Eine solche Einschränkung sähe der Gesetzgeber nicht vor. Auch in der Gesetzesbegründung hieße es, dass der Regelsatz abzusenken sei, wenn einzelne Leistungen von dritter Seite erbracht würden. Es sei im Übrigen unstrittig, dass die Klägerin während ihres Aufenthalts in der stationären Einrichtung Mahlzeiten erhalten habe und dies Aufwendungen im Zusammenhang mit der Haushaltsführung erspart habe.
Die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Kd.-Nr. 255245) lag vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte sowie den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden. Sie ist im Übrigen auch zulässig und als kombinierte Anfechtungs- Verpflichtungsklage im Sinne von § 54 IV SGG statthaft.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtsmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids war rechtmäßig. Zutreffende Ermächtigungs- grundlage zur Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 23.02.2011, vom 19.04.2011 und vom 26.09.2011, mit dem Leistungen für den Zeitraum für April 2011 bis Oktober 2011 bewilligt wurden und Rückforderung ausgezahlter Leistungen ist § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 50 Abs. 1 SGB X; nicht jedoch § 45 SGB X, auf den die Beklagte die Rückforderung gestützt hat. Die Wahl der falschen Ermächtigungsgrundlage ist unschädlich und spielt für die Klageabweisung keine Rolle. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung – als solche sind die drei Bewilligungsbescheide anzusehen – dann vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.
1. Bei dem langfristigen Klinikaufenthalt von Februar 2011 bis November 2011 der Klägerin handelt es sich um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, da dies einen die Leistungshöhe betreffenden Umstand darstellt.
a) Zunächst weist die Kammer darauf hin, dass die wesentliche Änderung der Verhältnisse seitens der Kammer nicht deshalb unterstellt wird, weil die Klägerin während ihres Klinikaufenthaltes im Aufhebungszeitraum April und November 2011 sich den Ernährungsbedarf leistungsmindernd als Einkommen (in Form des Sachbezuges) gemäß § 82 SGB XII anrechnen lassen hätte müssen. Soweit die Beteiligten insoweit über die Anrechnung und Reduzierung bzw. Aufhebung von Leistungen streiten, weil diese Leistungen nicht durch den Sozialhilfeträger, sondern durch das Krankenhaus erbracht werden, sieht das Gericht von einer ausführlicheren rechtlichen Begründung ab und verweist diesbezüglich auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 23. März 2010 (Az.: B 8 SO 17/09 R). Das Gericht schließt sich den dort vorgenommenen rechtlichen Erwägungen in vollem Umfang an und macht sie sich zu Eigen; diesbezüglich weist das Gericht auch auf die von den Beteiligten zitierte Entscheidung des SG Nürnberg, (Urteil vom 30. Juni 2011 – S 20 SO 54/10) hin. Dieser rechtliche Aspekt ist für die Klageabweisung nicht von Bedeutung.
b) Die wesentliche Änderung der Verhältnisse durch den langfristigen Klinikaufenthalte der Klägerin gründet sich in § 27a Abs. 4 SGB XII, in der Fassung vom 24.03.2011, gültig ab 01.01.2011. Danach ist im Einzelfall der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festzulegen, wenn ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist. Diese Regelung hat die noch von der Beklagten im streitigen Ausgangsbescheid vom 29.11.2011 herangezogenen – insoweit aber gleichgerichteten – Regelung des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII in der Fassung vom 30.07.2009 gültig bis 31.12.2010 abgelöst. Auch nach dieser Vorschrift waren Bedarfe abweichend festzulegen, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist. Im Falle des langfristigen Klinikaufenthalts der Klägerin vom 20.02.2011 bis einschließlich November 2011 ist entgegen der Rechtsansicht der Klägerin auch von einer insoweit anderweitigen Deckung des Bedarfs Ernährung durch die Verköstigung im Krankenhaus auszugehen. Die Beklagte hat daher zutreffend, und im Übrigen auch ausschließlich, den Bedarf für Ernährung in Höhe von 135,00 EUR monatlich ab April 2011 bis Oktober 2011 (hier lediglich anteilig in Höhe von 62,00 EUR) vom noch bestehenden Bedarf der Klägerin abgezogen und diesen zur Erstattung gemäß § 48 in Verbindung mit § 50 SGB X geltend gemacht. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist ein solch langer Klinikaufenthalt auch nicht mehr in der pauschalen Festlegung der Regelsätze miterfasst.
Das Sozialgericht Nürnberg hat in rechtlich zutreffender Weise festgestellt, dass der einem Sozialhilfeempfänger zustehende Regelsatz grundsätzlich nicht infolge eines (vorübergehenden) Krankenhausaufenthalts gemäß § 28 Abs. 1 S 2 SGB 12 aF abweichend festzulegen ist (SG Nürnberg, Urteil vom 30. Juni 2011 – S 20 SO 54/10). Das Sozialgericht Nürnberg geht dem Grundsatz nach davon aus, dass in den zur Bemessung der Regelsätze herangezogenen Haushalten unterer Einkommensgruppen in ähnlichem Umfang wie bei Leistungsberechtigten nach dem SGB XII Krankenhausaufenthalte anfallen (SG Nürnberg, a.a.O., Rn.). Die Kammer folgt dieser grundsätzlichen Überlegung. Das Sozialgericht Nürnberg hat diesbezüglich aber bereits in seinem Leitsatz die mögliche Einschränkung einer solchen grundsätzlichen Überlegung mit einfließen lassen und hat die Außerachtlassung einer Anrechnungsmöglichkeit durch anderweitige Sicherstellung von Bedarfen – hier durch die Verköstigung durch das Krankenhaus – auf lediglich "vorübergehende" Krankenhausaufenthalte beschränkt. Darin kommt die Überlegung zum Ausdruck, die auch die Kammer teilt, wonach der Gesetzgeber notwendigerweise lediglich eine bestimmte Dauer eines Krankenhausaufenthaltes bei der Ermittlung den Regelbedarf unterstellen konnte. Ab einer bestimmten Dauer eines Krankenhausaufenthaltes ist die Abweichung vom Regelbedarf so groß, dass dies für die statistische Ermittlung des Regelbedarfs keine Rolle mehr spielen kann. Das Sozialgericht Nürnberg hat diesbezüglich die Frage offen gelassen bzw. nicht abschließend geklärt, ab wann die Dauer eines Klinikaufenthaltes einen "atypischen" Fall darstellt, der in der statistischen Ermittlung der Regelbedarfe durch den Gesetzgeber gar nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Im Fall, den das Sozialgerichts Nürnberg zu beurteilen hatte, betrug die Dauer des Klinikaufenthalts der Klägerin ca. drei Wochen (vom 27. Oktober 2009 bis 17. November 2009).
Nach Rechtsansicht der Kammer kann in eine statistische Bewertung, so wie der Gesetzgeber sie bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrunde gelegt hat, selbst nur mit statistischen Werten gearbeitet werden. Die Kammer geht daher davon aus, dass bei der Ermittlung der Regelbedarfe allenfalls der statistische Mittelwert für die durchschnittliche Verweildauer eines deutschen Bundesbürgers im Krankenhaus herangezogen werden kann. In Deutschland betrug die durchschnittliche Verweildauer im Jahre 2003 8,9 Tage (Quelle: Wikipedia/Stichwort: Verweildauer). Lediglich über einen Zeitraum von knapp anderthalb Wochen kann daher nach Auffassung der Kammer ein anderweitig sichergestellter Bedarf durch Verköstigung im Krankenhaus nicht auf den Regelsatz angerechnet werden, weil der Gesetzgeber dies bereits bei der Ermittlung des statistischen Mittelmaßes der Regelbedarfe berücksichtigt hat. Im Ergebnis bedarf es jedoch keiner abschließenden Entscheidung, ob ein Zeitraum von 8,9 Tagen unberücksichtigt bleibt oder ob dieser Zeitraum bei dem vom Sozialgericht Nürnberg unterstellten Zeitraum von drei Wochen erfüllt ist. Bei einem Klinikaufenthalt, der sich über mehrere Monate und damit über mehrere Bewilligungsabschnitte erstreckt, kann das Gericht keinen Anhaltspunkt sehen, wie der Gesetzgeber dies noch bei der statistischen Ermittlung der Regelsätze hätte berücksichtigen können. Ein mehrmonatiger Krankenhausaufenthalt stellt daher einen atypischen Fall dar, der im Sinne der Rechtsprechung des Sozialgerichts Nürnberg keinen vorübergehenden Krankenhausaufenthalt mehr darstellt. Diesbezüglich weist das Gericht ergänzend darauf hin, dass die Beklagte ohnehin erst ab April 2011 die Kürzungen vorgenommen hat und damit de facto über einen Zeitraum von fast sechs Wochen (20.02.2011 bis 30.03.2011) keine Bedarfsanrechnung vorgenommen hat. Die Beklagte hat damit den auch vom Sozialgericht Nürnberg unterstellten Drei-Wochenzeitraum deutlich überschritten. Da die Beklagte bereits zu Gunsten der Klägerin gehandelt hat, kann die Frage offen bleiben, ob eine solche temporäre Unterlassung einer Anrechnung etwaig anderweitig gedeckter Bedarfe überhaupt rechtlich geboten ist oder ob ein Leistungsträger jedenfalls dann berechtigt ist, den Bedarf von Anfang an zu kürzen, wenn der Klinikaufenthalt nicht mehr nur vorübergehender Natur ist.
2) Die Klägerin hat auch ihre Mitteilungspflichten verletzt. Nach § 60 Absatz 1 Nr. 2 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen erhält, sämtliche Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Den längeren Klinikaufenthalt hat die Klägerin der Beklagten nicht mitgeteilt; obwohl dieser Umstand Einfluss auf die Leistungshöhe nimmt.
3) Dies ist auch grob fahrlässig geschehen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Absatz 2 Satz 3 Nr. 3, 2. Halbsatz SGB X). Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, das heißt seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten. Unter Berücksichtigung dessen erfordert die einem Leistungsempfänger – gegebenenfalls wie im vorliegenden Fall durch den Betreuer – abzuverlangende Sorgfalt, dass dieser erkennt, welche Bedarfe durch den Regelsatz abgedeckt sind – hier insbesondere der Bedarf Ernährung – und namentlich bei einer nicht nur vorübergehenden Vollverpflegung durch ein Krankenhaus zu der Erkenntnis gelangt, dass dieser Umstand Auswirkungen auf den Leistungsbezug hat bzw. zumindestens haben könnte, weil der Ernährungsbedarf, der im Regelsatz enthalten ist, anderweitig abgedeckt wird. Diesbezüglich weist das Gericht darauf hin, dass die Klägerin die Bewertung der subjektiven Komponente durch die Beklagte auch zu keiner Zeit gerügt hat.
4) Die Beklagte hat im Übrigen auch der Höhe nach in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Leistungsbewilligungen aufgehoben und die entsprechenden Beträge zurückgefordert. Die Bedarfsermittlung für Nahrungsmittel ergibt sich unproblematisch anhand der Regelsatzverordnung, im Bewilligungszeitraum April 2011 bis November 2011 betrug der Bedarf für Nahrungsmittel 135,00 EUR. Dabei hat die Beklagte die Rückforderungen alleine auf den Ernährungsbedarf beschränkt. Es ist zwar mit der Klägerin zu konstatieren, dass mit Verköstigung im Krankenhaus bestimmte Kosten für Hygiene-, Genuss- und Nahrungsmittel (Schokolade, Cola, Kosmetika u.a.) nicht abgedeckt sind, weiter ist mit der Klägerin zu unterstellen, dass die Kosten hierfür gegebenenfalls im Krankenhauskiosk teurer sind als im Discounter. Dieser Bedarf war jedoch dennoch nicht zu Gunsten der Klägerin zusätzlich zu berücksichtigen. Zwar hat die Beklagte in vollem Umfang den Bedarf für Nahrung in Höhe von 135,00 EUR aufgehoben, so dass dieser für weitere Nahrungs- und Genussmittel nicht zur Verfügung stand. Darüber hinaus hat die Beklagte der Klägerin aber den Regelsatz bezüglich aller weiteren Bedarfe belassen. Hierin enthalten sind auch Bedarfe wie Telekommunikation, Strom, Dienstleistungen, Gaststätten und Beherbergung, ÖPNV etc., die im Zeitraum des Klinikaufenthaltes entweder nicht oder in deutlich geringerem Umfange anfallen. Der Klägerin verblieb daher ab April 2011 bis November 2011 während des Klinikaufenthaltes noch ein Betrag von rund 230,00 EUR, im restlichen Monat Februar und im März 2011 bezog die Klägerin sogar den vollen Regelsatz. Der Klägerin stand daher über den gesamten Zeitraum mehr als der doppelte Betrag zur Verfügung, den Bewohnenr von Pflegeheimen als Taschengeld in Form eines Barbetrages zur Verfügung belassen sein muss (diese beträgt ca. 100,00 EUR). Eine etwaige Einzelfallprüfung kam daher im konkreten Einzelfall nicht in Betracht, die Klägerin hat in keiner Weise substantiiert und schlüssig dargelegt, dass sie für die notwendig zu bestreitenden Bedarfe während des Klinikaufenthalts in der Klinik und darüber hinaus einen höheren Bedarf hat, als die Beklagte nach Aufhebung und Rückforderung gewährter Leistungen in Höhe von 135,00 EUR an Mittel zur Verfügung gestellt hat. Für die von der Klägerin begehrte Einzelfallbetrachtung gab es daher keinen Anlass.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
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