Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 2895/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Keine Abweichung vom Kopfteilprinzip bei sanktionsbeding-tem Mietausfall eines Mitbewohners.
2. Keine Erhöhung der tatsächlichen Aufwendungen für KdU, wenn Mietschulden dadurch entstehen, dass der hälftige Miet-anteil des ebenfalls SGB II-Leistungen beziehenden Mitbe-wohners sanktionsbedingt nicht geleistet wird.
2. Keine Erhöhung der tatsächlichen Aufwendungen für KdU, wenn Mietschulden dadurch entstehen, dass der hälftige Miet-anteil des ebenfalls SGB II-Leistungen beziehenden Mitbe-wohners sanktionsbedingt nicht geleistet wird.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt - unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Mai 2013, Az. B 4 AS 67/12 R - die Bewilligung von Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01. Dezember 2011 bis 31. August 2012, die der Beklagte wegen mehrerer Sanktionen (100 %) gegenüber seinem Sohn nicht gewährt hat. Zusätzlich begehrt er die Übernahme einer Restsumme aus der Nebenkostenabrechnung vom 17. Juli 2012.
Der ... geborene Kläger und sein ... geborener Sohn beziehen beide jeweils laufende Leistungen nach dem SGB II und teilen sich eine Wohnung. Im Rahmen eines Umzugs im Dezember 2008 beantragte der Kläger (über die Mitarbeiterin des Berufs-förderungswerks ...), die Mietzahlungen ab Januar 2009 direkt an den Vermieter zu leisten (vgl. Aktenvermerk des Beklagten vom 03. Dezember 2008, Bl. 180 im Band I der Behördenakte).
Seit Vollendung des ... Lebensjahres des Sohnes des Klägers - am ... - be-standen zwei Bedarfsgemeinschaften, für die der Beklagte die Leistungen gesondert bewilligte. Mit bestandskräftig gewordenem Bewilligungsbescheid vom ... September ... bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Oktober 2011 bis zum 31. März 2012 laufende monatliche Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 579,00 EUR (364,00 EUR Regelleistung und 215,00 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung). Die anteiligen Kosten der Unterkunft in Höhe von 221,50 EUR (insgesamt 433,00 EUR inkl. der nicht übernommenen Kosten für Stellplatz und Antenne in Höhe von 13,00 EUR) sowie weitere 121,00 EUR Stromkosten überwies er unmittelbar an den Vermieter und die Stadtwerke Gaggenau.
Bis einschließlich Dezember 2011 behielt der Beklagte den Mietanteil des Sohnes an dem Regelbedarf des Klägers ein und überwies die Wohnungsmiete komplett direkt an den Vermieter. Gleichzeitig überwies er die Regelbedarfsleistung sowie den hälftigen Mietanteil des Sohnes auf das Konto des Klägers, da der Sohn kein eigenes Konto hatte. Der Kläger sollte somit auf den hälftigen Mietanteil seines Sohnes zurückgreifen. Diese Zahlweise der Grundsicherungsleistungen des Klägers und seines Sohnes erfolgte bis November 2011.
Mit Sanktionsbescheid vom 24. November 2011 verfügte der Beklagte den vollstän-digen Wegfall der laufenden Grundsicherungsleistungen des Sohnes des Klägers für die Zeit von Dezember 2011 bis Februar 2012. Dementsprechend blieben Grundsi-cherungsleistungen zu Gunsten seines Sohnes auf dem Konto des Klägers für die Zeit ab Dezember 2011 aus. Dennoch überwies der Beklagte für den Monat Dezember 2011 die komplette Wohnungsmiete von 443,00 EUR an den Vermieter. In diesem Anteil war der Mietanteil des nicht mehr der Bedarfsgemeinschaft angehörenden Sohnes weiterhin enthalten. Die Zahlung erfolgte aus der Leistung des Klägers.
Hiergegen wendete sich der Kläger im Dezember 2011 im Eilverfahren vor dem So-zialgericht Karlsruhe und im Beschwerdeverfahren vor dem LSG Baden-Württemberg. Auf die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen des Sozialgerichts vom 19. Dezember 2011 (Az. S 4 AS 4937/11 ER) und des LSG Baden-Württemberg vom 10. Februar 2012 (Az. L 13 AS 68/12 ER-B) wird Bezug genommen. Der Mietanteil des Sohn, den der Beklagte im Dezember 2011 an den Vermieter aus der Leistung des Klägers überwiesen hatte, zahlte er dem Kläger in Höhe von 221,50 EUR am 01. März 2012 nachträglich aus.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom ... bewilligte ihm der Be-klagte durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 26. März 2012 laufende monatliche Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 589,00 EUR (374,00 EUR Regel-leistung und 215,00 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) für die Zeit vom 01. April 2012 bis 30. September 2012. Eine Leistungserbringung an den Sohn erfolgte wegen weiterer Sanktionen bis einschließlich August 2012 nicht.
Am 11. Juni 2012 beantragte der Kläger die Übernahme von Mietschulden in Höhe von 1720,00 EUR, die sich aus den nicht ausgezahlten Kosten für Unterkunft und Heizung für seinen Sohn seit Dezember 2011 (Mietanteil pro Monat 215,00 EUR) ergaben. Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 12. Juni 2012 ab.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 übersandte der Vermieter dem Kläger und seinem Sohn die Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum Mai 2011 bis April 2012 und for-derte eine Nachzahlung der Nebenkosten in Höhe von 679,33 EUR. Da seit Januar 2012 nur noch 221,50 EUR statt 443,00 EUR Miete gezahlt worden seien, sei seit Januar 2012 auch keine Nebenkostenvorauszahlung geleistet worden. Bezüglich der Miete sei weiterhin ein Betrag von 1550,00 EUR offen. Mit der Überschreitung der zwei Monatsmieten sei eine fristlose Kündigung möglich.
Der Kläger beantragte daraufhin am 04. September 2012 die Übernahme der Ne-benkosten zu 50 % in Form eines Darlehens oder einer Beihilfe. Durch Bescheid vom 13. September 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger 173,79 EUR zusätzlich an Neben- und Heizkosten. Den mit Schreiben vom 21. September 2012 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, der Beklagte habe wegen mehrerer 100 %-Sanktionen gegen seinen Sohn nur die Hälfte der Miete und der Nebenkosten übernommen. Eine Ablehnung könne nicht auf unwirtschaftliches Verhalten gestützt werden, da er zu keiner Zeit Einfluss auf das Verhalten der anderen Bedarfsgemeinschaft gehabt habe und es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, die Kosten der Unterkunft und Heizung derart zu beschneiden.
Durch Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2012 wies der Beklagte den Wider-spruch als unbegründet zurück. Soweit aufgrund der Minderung der Leistungen des Sohnes für die laufenden Abschläge Rückstände beim Vermieter aufgelaufen seien, seien diese Beträge als Schulden und nicht als aktueller Bedarf zum Zeitpunkt der Abrechnung anzusehen.
Am 29. Juli 2013 beantragte der Kläger erneut die "Übernahme/Nachzahlung der KDU bei den 100 % Sanktionen" seines Sohnes für die Zeit vom 01. Dezember 2011 bis 31. August 2012. Zur Begründung macht er geltend, mit dem Urteil des Bundes-sozialgerichts (BSG) vom 25. Mai 2013, Az. B 4 AS 67/12 R sei klargestellt, dass die Individualansprüche der in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht durch die Verwehrung der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) bei Sanktionen anderer geschmälert werden dürften. Dies sei bei zwei Bedarfsgemeinschaften, die eine Wohnung zusammen benutzen, noch verstärkt zu werten.
In einem weiteren Schreiben vom selben Tag beantragte der Kläger die Übernahme der kompletten Nebenkostenabrechnung vom 17. Juli 2012 und verwies ebenfalls auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts.
Der Beklagte wertete diese Anträge als Überprüfungsanträge hinsichtlich des Be-scheids vom 05. September 2011 (Bewilligung Oktober 2011 bis März 2012), des Bescheids vom 26. März 2012 (hinsichtlich der Bewilligung für die Zeit von April bis August 2012) und des Bescheids vom 13. September 2012 (Nebenkosten), die er mit drei Bescheiden vom 01. August 2013 ablehnte.
Am 19. August 2013 beantragte der Kläger Eilrechtschutz und hat Klage gegen die ablehnenden Bescheide erhoben. Zur Begründung verweist er auf das Urteil des BSG vom 25. Mai 2013, Az. B 4 AS 67/12 R, und wiederholt seinen Vortrag aus dem Überprüfungsverfahren.
Der Antrag auf Eilrechtsschutz ist durch Beschluss des SG Karlsruhe vom 23. August 2013 (Az. S 17 AS 2889/13) abgelehnt worden. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das LSG durch Beschluss vom 16. September 2013 (Az. L 7 AS 3785/13 ER-B) zurückgewiesen.
Den gegen die drei Überprüfungsbescheide vom 01. August 2013 am 22. August 2012 erhobenen Widerspruch hat der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 als unbegründet zurückgewiesen. Das zitierte Urteil betreffe eine Be-darfsgemeinschaft, während der Kläger und sein Sohn in der betreffenden Zeit lediglich eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bildeten. Im Übrigen sei ein unanfechtbarer Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zu-rückzunehmen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 1. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2013 und unter Abänderung der Bescheide vom 05. September 2011 (Bewilligung Oktober 2011 bis März 2012) und 26. März 2012 (Bewilligung für die Zeit von April bis August 2012) sowie vom 13. September 2012 (Nebenkosten) zu verurteilen, ihm die bei seinem Sohn gekürzten Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Dezember 2011 bis August 2012, hilfsweise als Darlehen, zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Wi-derspruchsbescheid.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Bescheide vom 1. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hatte im Zeitraum von Dezember 2011 bis August 2012 keinen Anspruch auf höhere KdU aufgrund der Sanktion gegenüber seinem Sohn und auch kein Anspruch auf Übernahme der dadurch entstandenen Mietschulden und Nebenkostennachzahlung.
Nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurück-zunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Vorschrift durchbricht die materielle Bestandskraft (Bindungswirkung, vgl. § 77 SGG). Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Ge-rechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG Urteil vom 04. Februar 1998, Az. B 9 V 16/96 R, juris Rn. 16; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X, 79. EGL 2013, Rn. 2). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob er durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (Steinwedel, a.a.O., § 44 Rn. 7).
Vorliegend ist die Beklagte bei Erlass der Bescheide weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Die nach Erlass des ersten streitigen Bewilligungsbescheids vom 05. September 2011 eingetretene Sanktion gegenüber dem Sohn des Klägers stellt keine Sachverhaltsänderung in Bezug auf den Kläger dar, so dass auch keine Änderung der Bewilligungshöhe nach § 48 SGB X erfolgen musste. Auch der Bescheid vom 26. März 2012 ist - trotz der bereits erfolgten zweiten Sanktion gegenüber dem Sohn des Klägers ab März 2012 - nicht von Anfang an rechtswidrig nach § 45 SGB X gewesen. Die Beklagte hat in beiden Fällen das Recht richtig angewandt und die ursprünglichen Entscheidungen sind rechtmäßig gewesen.
Der Kläger hat im Zeitraum von Dezember 2011 bis August 2012 keinen Anspruch auf höhere Aufwendungen für Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, damit der ausfallende Mietanteil seines Sohnes aufgefangen wird. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach dem Kopfteilprinzip sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (st. Rspr. des BSG, vgl. Urteil vom 24. Februar 2011, Az. B 14 AS 61/10 R m.w.N.). Dem Kläger haben daher die hälftigen KdU als Mietanteil zugestanden. Durch die Bescheide vom 05. September 2011 und 26. März 2012 hat ihm der Beklagte die hälftigen KdU für die gemeinsame Wohnung mit seinem Sohn in Höhe von 215,00 EUR bewilligt.
Die Voraussetzung für eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip" liegt auch unter Be-rücksichtigung Rechtsprechung des BSG nicht vor. Das BSG hat es in "Sonderfällen" als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen und hat sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf besondere Fälle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit angeschlossen (BSG, Urteil vom 27. Januar 2009, Az: B 14/7b AS 8/07 R, juris Rn. 19). Darüber hinaus wird eine Abweichung vom Kopfteilprinzip bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG, Urteil vom 29. November 2012, Az. B 14 AS 36/12 R, juris Rn. 28). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere haben der Kläger und sein Sohn keine vertragliche Vereinbarung im Hinblick auf die Miete getroffen, die eine Abweichung vom Kopfteilprinzip rechtfertigen könnte. Stattdessen haben beide den Mietvertrag unterschrieben und schulden gemeinsam die volle Miete.
Weiter wird eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fall-gestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand, z.B. bei vorübergehender - auf unter sechs Monaten beschränkter - Ortsabwesenheit eines Partners (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. B 14 AS 50/10 R). Auch diese Fallgestaltung liegt nicht vor.
In der vom Kläger zitierten Entscheidung hat das BSG entschieden, dass die tatsäch-lichen Aufwendungen für die Unterkunft einer Bedarfsgemeinschaft ausnahmsweise nicht nach Kopfzahl aufzuteilen sind, wenn der Unterkunftskostenanteil eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wegen einer bestandskräftigen Sanktion weggefallen ist und die Anwendung des Kopfteilprinzips zu Mietschulden für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen würde. Bei der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft hatte der Grundsicherungsträger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils eines volljährigen, aber unter 25-jährigen Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft verfügt. Das Jobcenter ist verurteilt worden, den beiden anderen Mitgliedern der Be-darfsgemeinschaft für diesen Zeitraum höhere KdU zu bewilligen, um Mietschulden zu verhindern. Das BSG hat dazu ausgeführt, wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft seien die anderen Mitglieder der Bedarfsge-meinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für das sanktionierte BG-Mitglied verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung sei nicht vorgesehen Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallge-staltungen zu übernehmen ist, müsse einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden (vgl. BSG, Urteil vom 25. Mai 2013, Az. B 4 AS 67/12 R, juris Rn. 24 ).
Anders als in der Fallgestaltung, die der Entscheidung des BSG zugrundegelegen hat, sind der Kläger und sein Sohn keine Bedarfsgemeinschaft gewesen, sondern haben sich die Wohnung als getrennt wirtschaftende Mitbewohner geteilt. Entgegen der Auffassung des Klägers trifft die Rechtsprechung des BSG deshalb gerade nicht auf ihn und seinen Sohn zu. Das hat das BSG in seinem Urteil deutlich gemacht, indem es eine Ungleichbehandlung mit nicht in einer Bedarfs¬gemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung mit der Begründung ausgeschlossen hat, dass eine andere Ausgangslage gegeben sei (BSG a.a.O. Rn. 24).
Ausschlaggebend ist hier die gegenseitige wirtschaftliche Verantwortung in einer Be-darfsgemeinschaft, die ein gemeinsames Wirtschaften und Wohnen zur Folge hat. Die Wohngemeinschaft des Klägers und seines Sohnes, die getrennt wirtschaften und - zumindest rechtlich - finanziell nicht mehr füreinander verantwortlich sind, genießt nicht allein deshalb besonderen Schutz vor Mietschulden oder Kündigung, weil beide Mitbewohner (zufällig) ihren Lebensunterhalt über den Grundsicherungsträger decken. Eine Kündigung droht immer der gesamten Wohngemeinschaft, sobald ein Mitbewohner seinen Mietanteil nicht mehr leisten kann oder will. Dabei handelt es sich um das übliche Risiko, wenn freiwillig eine gemeinsame (miet-)vertragliche Ver-pflichtung eingegangen wird. Auch einem Mieter, der zur Finanzierung der Wohnung noch einen Untermietvertrag mit einer anderen Person schließt, entstehen Mietschulden und droht eine Kündigung, falls der Untermieter nicht wie vereinbart seinen Teil der Miete zahlt. Auch Studenten oder Wohngemeinschaften, in denen alle Mitbewohner über Einkommen verfügen, sind einer schwierigen Situation ausgesetzt, wenn ein Mietanteil wegfällt. Falls die anderen nicht einspringen können oder wollen, droht eine Kündigung wegen Mietrückstandes. Es ist nicht Ziel der BSG-Rechtsprechung gewesen, Leistungsbezieher generell vor Mietschulden dadurch zu schützen, dass den anderen Mitbewohnern zuliebe die KdU weitergezahlt werden.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine rückwirkende Leistungserbringung nach § 44 Abs. 4 SGB X aufgrund der für das SGB II speziellen Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur für ein Jahr ab dem Stellen des Überprüfungsantrags (hier der 29. Juli 2013) möglich wäre und eine rückwirkende Bewilligung für den Kläger erst ab 29. Juli 2012 in Betracht käme.
Auch die hilfsweise begehrte Darlehensgewährung kommt für den Kläger nicht in Betracht. Gemäß § 22 Abs. 8 SGB II können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 ist vorrangig einzusetzen. Diese Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
Bei der Wohngemeinschaft des Klägers und seines Sohnes hat es in der Verantwortung des Sohnes gelegen, seinen Teil der Miete beizusteuern - sei es über Einkommen oder über SGB II-Leistungen. Zwar beträfe der Wohnungsverlust auch den Kläger, die Mietschulden betreffen aber den Mietanteil seines Sohnes und damit nicht den Bedarf des Klägers, so dass ein Darlehensanspruch zur Tilgung der Mietschulden nur für seinen Sohn in Betracht käme.
Aus diesen Gründen ist auch der Bescheid vom 13. September 2012 bezüglich der Nebenkosten nicht zu beanstanden, da der Beklagte dem Kläger die für ihn noch zu zahlenden Nebenkosten erstattet hat. Die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene niedrigere Nachzahlung an den Sohn des Klägers ist nicht Gegenstand seines Bedarfs, sondern ist ebenfalls zwischen seinem Sohn und dem Beklagten zu klären.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt - unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Mai 2013, Az. B 4 AS 67/12 R - die Bewilligung von Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01. Dezember 2011 bis 31. August 2012, die der Beklagte wegen mehrerer Sanktionen (100 %) gegenüber seinem Sohn nicht gewährt hat. Zusätzlich begehrt er die Übernahme einer Restsumme aus der Nebenkostenabrechnung vom 17. Juli 2012.
Der ... geborene Kläger und sein ... geborener Sohn beziehen beide jeweils laufende Leistungen nach dem SGB II und teilen sich eine Wohnung. Im Rahmen eines Umzugs im Dezember 2008 beantragte der Kläger (über die Mitarbeiterin des Berufs-förderungswerks ...), die Mietzahlungen ab Januar 2009 direkt an den Vermieter zu leisten (vgl. Aktenvermerk des Beklagten vom 03. Dezember 2008, Bl. 180 im Band I der Behördenakte).
Seit Vollendung des ... Lebensjahres des Sohnes des Klägers - am ... - be-standen zwei Bedarfsgemeinschaften, für die der Beklagte die Leistungen gesondert bewilligte. Mit bestandskräftig gewordenem Bewilligungsbescheid vom ... September ... bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Oktober 2011 bis zum 31. März 2012 laufende monatliche Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 579,00 EUR (364,00 EUR Regelleistung und 215,00 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung). Die anteiligen Kosten der Unterkunft in Höhe von 221,50 EUR (insgesamt 433,00 EUR inkl. der nicht übernommenen Kosten für Stellplatz und Antenne in Höhe von 13,00 EUR) sowie weitere 121,00 EUR Stromkosten überwies er unmittelbar an den Vermieter und die Stadtwerke Gaggenau.
Bis einschließlich Dezember 2011 behielt der Beklagte den Mietanteil des Sohnes an dem Regelbedarf des Klägers ein und überwies die Wohnungsmiete komplett direkt an den Vermieter. Gleichzeitig überwies er die Regelbedarfsleistung sowie den hälftigen Mietanteil des Sohnes auf das Konto des Klägers, da der Sohn kein eigenes Konto hatte. Der Kläger sollte somit auf den hälftigen Mietanteil seines Sohnes zurückgreifen. Diese Zahlweise der Grundsicherungsleistungen des Klägers und seines Sohnes erfolgte bis November 2011.
Mit Sanktionsbescheid vom 24. November 2011 verfügte der Beklagte den vollstän-digen Wegfall der laufenden Grundsicherungsleistungen des Sohnes des Klägers für die Zeit von Dezember 2011 bis Februar 2012. Dementsprechend blieben Grundsi-cherungsleistungen zu Gunsten seines Sohnes auf dem Konto des Klägers für die Zeit ab Dezember 2011 aus. Dennoch überwies der Beklagte für den Monat Dezember 2011 die komplette Wohnungsmiete von 443,00 EUR an den Vermieter. In diesem Anteil war der Mietanteil des nicht mehr der Bedarfsgemeinschaft angehörenden Sohnes weiterhin enthalten. Die Zahlung erfolgte aus der Leistung des Klägers.
Hiergegen wendete sich der Kläger im Dezember 2011 im Eilverfahren vor dem So-zialgericht Karlsruhe und im Beschwerdeverfahren vor dem LSG Baden-Württemberg. Auf die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen des Sozialgerichts vom 19. Dezember 2011 (Az. S 4 AS 4937/11 ER) und des LSG Baden-Württemberg vom 10. Februar 2012 (Az. L 13 AS 68/12 ER-B) wird Bezug genommen. Der Mietanteil des Sohn, den der Beklagte im Dezember 2011 an den Vermieter aus der Leistung des Klägers überwiesen hatte, zahlte er dem Kläger in Höhe von 221,50 EUR am 01. März 2012 nachträglich aus.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom ... bewilligte ihm der Be-klagte durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 26. März 2012 laufende monatliche Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 589,00 EUR (374,00 EUR Regel-leistung und 215,00 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) für die Zeit vom 01. April 2012 bis 30. September 2012. Eine Leistungserbringung an den Sohn erfolgte wegen weiterer Sanktionen bis einschließlich August 2012 nicht.
Am 11. Juni 2012 beantragte der Kläger die Übernahme von Mietschulden in Höhe von 1720,00 EUR, die sich aus den nicht ausgezahlten Kosten für Unterkunft und Heizung für seinen Sohn seit Dezember 2011 (Mietanteil pro Monat 215,00 EUR) ergaben. Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 12. Juni 2012 ab.
Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 übersandte der Vermieter dem Kläger und seinem Sohn die Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum Mai 2011 bis April 2012 und for-derte eine Nachzahlung der Nebenkosten in Höhe von 679,33 EUR. Da seit Januar 2012 nur noch 221,50 EUR statt 443,00 EUR Miete gezahlt worden seien, sei seit Januar 2012 auch keine Nebenkostenvorauszahlung geleistet worden. Bezüglich der Miete sei weiterhin ein Betrag von 1550,00 EUR offen. Mit der Überschreitung der zwei Monatsmieten sei eine fristlose Kündigung möglich.
Der Kläger beantragte daraufhin am 04. September 2012 die Übernahme der Ne-benkosten zu 50 % in Form eines Darlehens oder einer Beihilfe. Durch Bescheid vom 13. September 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger 173,79 EUR zusätzlich an Neben- und Heizkosten. Den mit Schreiben vom 21. September 2012 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, der Beklagte habe wegen mehrerer 100 %-Sanktionen gegen seinen Sohn nur die Hälfte der Miete und der Nebenkosten übernommen. Eine Ablehnung könne nicht auf unwirtschaftliches Verhalten gestützt werden, da er zu keiner Zeit Einfluss auf das Verhalten der anderen Bedarfsgemeinschaft gehabt habe und es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, die Kosten der Unterkunft und Heizung derart zu beschneiden.
Durch Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2012 wies der Beklagte den Wider-spruch als unbegründet zurück. Soweit aufgrund der Minderung der Leistungen des Sohnes für die laufenden Abschläge Rückstände beim Vermieter aufgelaufen seien, seien diese Beträge als Schulden und nicht als aktueller Bedarf zum Zeitpunkt der Abrechnung anzusehen.
Am 29. Juli 2013 beantragte der Kläger erneut die "Übernahme/Nachzahlung der KDU bei den 100 % Sanktionen" seines Sohnes für die Zeit vom 01. Dezember 2011 bis 31. August 2012. Zur Begründung macht er geltend, mit dem Urteil des Bundes-sozialgerichts (BSG) vom 25. Mai 2013, Az. B 4 AS 67/12 R sei klargestellt, dass die Individualansprüche der in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht durch die Verwehrung der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) bei Sanktionen anderer geschmälert werden dürften. Dies sei bei zwei Bedarfsgemeinschaften, die eine Wohnung zusammen benutzen, noch verstärkt zu werten.
In einem weiteren Schreiben vom selben Tag beantragte der Kläger die Übernahme der kompletten Nebenkostenabrechnung vom 17. Juli 2012 und verwies ebenfalls auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts.
Der Beklagte wertete diese Anträge als Überprüfungsanträge hinsichtlich des Be-scheids vom 05. September 2011 (Bewilligung Oktober 2011 bis März 2012), des Bescheids vom 26. März 2012 (hinsichtlich der Bewilligung für die Zeit von April bis August 2012) und des Bescheids vom 13. September 2012 (Nebenkosten), die er mit drei Bescheiden vom 01. August 2013 ablehnte.
Am 19. August 2013 beantragte der Kläger Eilrechtschutz und hat Klage gegen die ablehnenden Bescheide erhoben. Zur Begründung verweist er auf das Urteil des BSG vom 25. Mai 2013, Az. B 4 AS 67/12 R, und wiederholt seinen Vortrag aus dem Überprüfungsverfahren.
Der Antrag auf Eilrechtsschutz ist durch Beschluss des SG Karlsruhe vom 23. August 2013 (Az. S 17 AS 2889/13) abgelehnt worden. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das LSG durch Beschluss vom 16. September 2013 (Az. L 7 AS 3785/13 ER-B) zurückgewiesen.
Den gegen die drei Überprüfungsbescheide vom 01. August 2013 am 22. August 2012 erhobenen Widerspruch hat der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 als unbegründet zurückgewiesen. Das zitierte Urteil betreffe eine Be-darfsgemeinschaft, während der Kläger und sein Sohn in der betreffenden Zeit lediglich eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bildeten. Im Übrigen sei ein unanfechtbarer Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zu-rückzunehmen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 1. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2013 und unter Abänderung der Bescheide vom 05. September 2011 (Bewilligung Oktober 2011 bis März 2012) und 26. März 2012 (Bewilligung für die Zeit von April bis August 2012) sowie vom 13. September 2012 (Nebenkosten) zu verurteilen, ihm die bei seinem Sohn gekürzten Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum von Dezember 2011 bis August 2012, hilfsweise als Darlehen, zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Wi-derspruchsbescheid.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Bescheide vom 1. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hatte im Zeitraum von Dezember 2011 bis August 2012 keinen Anspruch auf höhere KdU aufgrund der Sanktion gegenüber seinem Sohn und auch kein Anspruch auf Übernahme der dadurch entstandenen Mietschulden und Nebenkostennachzahlung.
Nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurück-zunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Vorschrift durchbricht die materielle Bestandskraft (Bindungswirkung, vgl. § 77 SGG). Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Ge-rechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG Urteil vom 04. Februar 1998, Az. B 9 V 16/96 R, juris Rn. 16; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X, 79. EGL 2013, Rn. 2). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob er durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (Steinwedel, a.a.O., § 44 Rn. 7).
Vorliegend ist die Beklagte bei Erlass der Bescheide weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Die nach Erlass des ersten streitigen Bewilligungsbescheids vom 05. September 2011 eingetretene Sanktion gegenüber dem Sohn des Klägers stellt keine Sachverhaltsänderung in Bezug auf den Kläger dar, so dass auch keine Änderung der Bewilligungshöhe nach § 48 SGB X erfolgen musste. Auch der Bescheid vom 26. März 2012 ist - trotz der bereits erfolgten zweiten Sanktion gegenüber dem Sohn des Klägers ab März 2012 - nicht von Anfang an rechtswidrig nach § 45 SGB X gewesen. Die Beklagte hat in beiden Fällen das Recht richtig angewandt und die ursprünglichen Entscheidungen sind rechtmäßig gewesen.
Der Kläger hat im Zeitraum von Dezember 2011 bis August 2012 keinen Anspruch auf höhere Aufwendungen für Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, damit der ausfallende Mietanteil seines Sohnes aufgefangen wird. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach dem Kopfteilprinzip sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (st. Rspr. des BSG, vgl. Urteil vom 24. Februar 2011, Az. B 14 AS 61/10 R m.w.N.). Dem Kläger haben daher die hälftigen KdU als Mietanteil zugestanden. Durch die Bescheide vom 05. September 2011 und 26. März 2012 hat ihm der Beklagte die hälftigen KdU für die gemeinsame Wohnung mit seinem Sohn in Höhe von 215,00 EUR bewilligt.
Die Voraussetzung für eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip" liegt auch unter Be-rücksichtigung Rechtsprechung des BSG nicht vor. Das BSG hat es in "Sonderfällen" als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen und hat sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf besondere Fälle der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit angeschlossen (BSG, Urteil vom 27. Januar 2009, Az: B 14/7b AS 8/07 R, juris Rn. 19). Darüber hinaus wird eine Abweichung vom Kopfteilprinzip bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG, Urteil vom 29. November 2012, Az. B 14 AS 36/12 R, juris Rn. 28). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere haben der Kläger und sein Sohn keine vertragliche Vereinbarung im Hinblick auf die Miete getroffen, die eine Abweichung vom Kopfteilprinzip rechtfertigen könnte. Stattdessen haben beide den Mietvertrag unterschrieben und schulden gemeinsam die volle Miete.
Weiter wird eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fall-gestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand, z.B. bei vorübergehender - auf unter sechs Monaten beschränkter - Ortsabwesenheit eines Partners (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. B 14 AS 50/10 R). Auch diese Fallgestaltung liegt nicht vor.
In der vom Kläger zitierten Entscheidung hat das BSG entschieden, dass die tatsäch-lichen Aufwendungen für die Unterkunft einer Bedarfsgemeinschaft ausnahmsweise nicht nach Kopfzahl aufzuteilen sind, wenn der Unterkunftskostenanteil eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wegen einer bestandskräftigen Sanktion weggefallen ist und die Anwendung des Kopfteilprinzips zu Mietschulden für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen würde. Bei der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft hatte der Grundsicherungsträger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils eines volljährigen, aber unter 25-jährigen Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft verfügt. Das Jobcenter ist verurteilt worden, den beiden anderen Mitgliedern der Be-darfsgemeinschaft für diesen Zeitraum höhere KdU zu bewilligen, um Mietschulden zu verhindern. Das BSG hat dazu ausgeführt, wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft seien die anderen Mitglieder der Bedarfsge-meinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für das sanktionierte BG-Mitglied verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung sei nicht vorgesehen Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallge-staltungen zu übernehmen ist, müsse einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden (vgl. BSG, Urteil vom 25. Mai 2013, Az. B 4 AS 67/12 R, juris Rn. 24 ).
Anders als in der Fallgestaltung, die der Entscheidung des BSG zugrundegelegen hat, sind der Kläger und sein Sohn keine Bedarfsgemeinschaft gewesen, sondern haben sich die Wohnung als getrennt wirtschaftende Mitbewohner geteilt. Entgegen der Auffassung des Klägers trifft die Rechtsprechung des BSG deshalb gerade nicht auf ihn und seinen Sohn zu. Das hat das BSG in seinem Urteil deutlich gemacht, indem es eine Ungleichbehandlung mit nicht in einer Bedarfs¬gemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung mit der Begründung ausgeschlossen hat, dass eine andere Ausgangslage gegeben sei (BSG a.a.O. Rn. 24).
Ausschlaggebend ist hier die gegenseitige wirtschaftliche Verantwortung in einer Be-darfsgemeinschaft, die ein gemeinsames Wirtschaften und Wohnen zur Folge hat. Die Wohngemeinschaft des Klägers und seines Sohnes, die getrennt wirtschaften und - zumindest rechtlich - finanziell nicht mehr füreinander verantwortlich sind, genießt nicht allein deshalb besonderen Schutz vor Mietschulden oder Kündigung, weil beide Mitbewohner (zufällig) ihren Lebensunterhalt über den Grundsicherungsträger decken. Eine Kündigung droht immer der gesamten Wohngemeinschaft, sobald ein Mitbewohner seinen Mietanteil nicht mehr leisten kann oder will. Dabei handelt es sich um das übliche Risiko, wenn freiwillig eine gemeinsame (miet-)vertragliche Ver-pflichtung eingegangen wird. Auch einem Mieter, der zur Finanzierung der Wohnung noch einen Untermietvertrag mit einer anderen Person schließt, entstehen Mietschulden und droht eine Kündigung, falls der Untermieter nicht wie vereinbart seinen Teil der Miete zahlt. Auch Studenten oder Wohngemeinschaften, in denen alle Mitbewohner über Einkommen verfügen, sind einer schwierigen Situation ausgesetzt, wenn ein Mietanteil wegfällt. Falls die anderen nicht einspringen können oder wollen, droht eine Kündigung wegen Mietrückstandes. Es ist nicht Ziel der BSG-Rechtsprechung gewesen, Leistungsbezieher generell vor Mietschulden dadurch zu schützen, dass den anderen Mitbewohnern zuliebe die KdU weitergezahlt werden.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine rückwirkende Leistungserbringung nach § 44 Abs. 4 SGB X aufgrund der für das SGB II speziellen Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur für ein Jahr ab dem Stellen des Überprüfungsantrags (hier der 29. Juli 2013) möglich wäre und eine rückwirkende Bewilligung für den Kläger erst ab 29. Juli 2012 in Betracht käme.
Auch die hilfsweise begehrte Darlehensgewährung kommt für den Kläger nicht in Betracht. Gemäß § 22 Abs. 8 SGB II können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 ist vorrangig einzusetzen. Diese Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
Bei der Wohngemeinschaft des Klägers und seines Sohnes hat es in der Verantwortung des Sohnes gelegen, seinen Teil der Miete beizusteuern - sei es über Einkommen oder über SGB II-Leistungen. Zwar beträfe der Wohnungsverlust auch den Kläger, die Mietschulden betreffen aber den Mietanteil seines Sohnes und damit nicht den Bedarf des Klägers, so dass ein Darlehensanspruch zur Tilgung der Mietschulden nur für seinen Sohn in Betracht käme.
Aus diesen Gründen ist auch der Bescheid vom 13. September 2012 bezüglich der Nebenkosten nicht zu beanstanden, da der Beklagte dem Kläger die für ihn noch zu zahlenden Nebenkosten erstattet hat. Die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene niedrigere Nachzahlung an den Sohn des Klägers ist nicht Gegenstand seines Bedarfs, sondern ist ebenfalls zwischen seinem Sohn und dem Beklagten zu klären.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.
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