Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 SO 148/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 146/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 28/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Auslandssozialhilfe deutscher Staatsangehöriger aus dem früheren Ostpreußen, die in Litauen leben
1. Rückkehrhindernisse sind bei Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nachzuweisen.
2. Eine Ungleichbehandlung Deutscher im Ausland gegenüber denjenigen im Inland ist durch die Besonderheiten der Sozialhilfe gerechtfertigt.
3. Eine Orientierung an den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland kann dann durchaus zur Folge haben, dass das deutsche Lebens und Unterstützungsniveau in Ländern mit geringem Lebensstandard (teilweise) unterschritten wird.
4. Neben der außergewöhnlichen Notlage muss kumulativ auch ein besonderes Rückkehrhindernis bestehen.
1. Rückkehrhindernisse sind bei Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nachzuweisen.
2. Eine Ungleichbehandlung Deutscher im Ausland gegenüber denjenigen im Inland ist durch die Besonderheiten der Sozialhilfe gerechtfertigt.
3. Eine Orientierung an den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland kann dann durchaus zur Folge haben, dass das deutsche Lebens und Unterstützungsniveau in Ländern mit geringem Lebensstandard (teilweise) unterschritten wird.
4. Neben der außergewöhnlichen Notlage muss kumulativ auch ein besonderes Rückkehrhindernis bestehen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Versorgung der Klägerin im Ausland (Litauen) mit Mitteln der Sozialhilfe.
Die Klägerin ist 1935 in A-Stadt, Kreis T. (früher Ostpreußen), geboren und deutsche Staatsangehörige. Als elternloses deutsches Flüchtlingskind ("Wolfskind") hatte sie 1945 Aufnahme in einer litauischen Familie in Litauen (Kreis T., M.) gefunden. Dort hat sie geheiratet und vier Kinder großgezogen.
Die Klägerin besaß zur Zeit der Antragstellung am 23.02.2005 einen deutschen Pass. Dem bei der Botschaft der Bundesrepublik gestellten Antrag war eine Stellungnahme der Auslandsvertretung beigegeben, wonach Ansprüche auf Sozialhilfe in Litauen für die Klägerin nicht bestehen würden. Den Antrag auf Sozialhilfe (Leistungen für den Lebensunterhalt) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.03.2007 ab. Die monatliche litauische Rente betrage umgerechnet 31,65 EUR (109,27 Litas). Daneben werde eine Leistung im Umfang von 16,66 EUR (57,55 Litas) bezogen.
Am 12.04.2007 legte die Klägerin, vertreten durch G. F. T., B-Stadt, Widerspruch ein mit der Begründung, sie könne von ihrer schmalen Rente nicht leben und eine Rückkehr nach Deutschland sei ihr nicht zumutbar. Sie sei der deutschen Sprache nicht mehr mächtig; ihre geringe Schulbildung lasse deren (erneuten) Erwerb auch nicht zu.
Am 17.03.2009 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch zurück. Fehlende Deutschkenntnisse der Klägerin, die geringe Rente und eine gesundheitliche Verfassung, welche eine Bewirtschaftung ihres Ackers nicht mehr zulasse, stellten keine gesetzlich relevanten Rückkehrhindernisse dar.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben unter anderem mit dem Argument, sie sei pflegebedürftig. Beigelegt war in Übersetzung ein ärztliches Attest des Gesundheitsministeriums der Republik Litauen vom 08.11.2011 mit den Diagnosen einer Thromboseembolie der Lungenarterie am 10.10.2011 sowie einer Herzerkrankung ohne weitere Angabe von Leistungseinschränkungen. Des Weiteren hat die Klägerin vorgetragen, ohne die Hilfe ihrer Familie nicht überleben zu können. Der Beklagte hat unter anderem vorgebracht, dass in Litauen ein gutes System für Gesundheit und Pflege bestehe.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Juli 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach Aufführung des gesetzlichen Tatbestandes der Auslandssozialhilfe (§ 24 Abs. 1 SGB XII) hat es zur Begründung angeführt, dass die Hilfebedürftige abweichend vom ansonsten im Sozialhilferecht geltenden Amtsermittlungsgrundsatz die Rückkehrhindernisse nachzuweisen habe; bloße Glaubhaftmachung reiche nicht. Nach diesen Grundsätzen könne dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich pflegebedürftig sei, da jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Klägerin aufgrund einer eventuellen Pflegebedürftigkeit nicht transportfähig sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialhilfe lägen somit nicht vor. Ungeachtet des schweren Schicksals der Klägerin habe der Beklagte deshalb zu Recht einen Leistungsanspruch verneint. Den sog. "Wolfskindern" könne nur im Wege einer Gesetzesänderung geholfen werden.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Zur Begründung wird angeführt, dass im Einzelfall nicht am Wortlaut des Gesetzestextes geklebt werden dürfe. Zur Beurteilung des Ausmaßes der Pflegebedürftigkeit müssten auch die persönlichen und gegenwärtigen gesundheitlichen Lebensumstände der Klägerin Berücksichtigung finden. Diese sei nahezu Analphabetin und beherrsche im Wesentlichen nur die litauische Sprache. Dies und der Gesundheitszustand der Klägerin stünden einem Transport nach Deutschland ebenso entgegen wie einem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland.
Der Beklagte hat erwidert, bei der Klägerin sei sicher nicht von einer erheblichen Pflegebedürftigkeit auszugehen. Ausmaß und Umfang der notwendigen Unterstützung sei nicht belegt. Dazu sei die Klägerin selbst nachweispflichtig. Schließlich genüge eine Pflegebedürftigkeit nicht allein, sondern es müsse deswegen eine Hinderung an der Rückkehr nach Deutschland bestehen. Unkenntnis der Sprache reiche nicht aus.
Nach der vom Senat eingeholten Auskunft der Botschaft in W. vom Januar 2013 ist Litauen nicht dem Europäischen Fürsorgeabkommen beigetreten. Mittlerweile bestünden aber soziale Garantien im Rahmen der Europäischen Union. Auf Anfrage hat der Beklagte weiter bekundet, dass eine Entscheidung im Sinne von § 133 SGB XII nicht getroffen worden seien und gab dazu den Umstand an, dass das Deutsche Rote Kreuz (DRK) als beliehener Unternehmer zuständig sei. Für zurückgebliebene Deutsche in Litauen bestünden hierfür aber keine Regelungen. Später hat der Beklagte noch bestätigt, dass A-Stadt, der jetzige Wohnsitz der Klägerin, nicht im Gebiet des Artikel 116 Abs. 1 Grundgesetz liege. Der Ort liege außerhalb der deutschen Staatsgrenzen vom 31.12.1937.
Der Senat hat die im Rahmen der Prozesskostenhilfe vorgelegten Bescheinigungen über den Bezug von Sozialleistungen übersetzen lassen. Dieser wirtschaftliche Status der Klägerin ist dann auch von einer weiteren Auskunft der deutschen Botschaft bestätigt worden, wonach die Klägerin eine Rente von 270 Litas und eine monatliche Unterstützungsleistung (Unterstützungsrente) in Höhe von 124 Litas erhält. Beigegeben war eine Veröffentlichung der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2012 über Rechte der sozialen Sicherheit in Litauen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. Juli 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 17.03.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zum Lebensunterhalt zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen, der Widerspruchsbehörde und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid vom 13.Juli 2012, der den ablehnenden Bescheid der Verwaltung ab dem Jahre 2005 bestätigt.
Die Berufung ist unabhängig vom konkreten Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 144 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn der Beklagte hat zukunftsoffen Leistungen für weit über ein Jahr abgelehnt. Frist und Form der Berufung sind gewahrt.
Der Beklagte ist passivlegitimiert. Seine Zuständigkeit ist aufgrund von Sondervorschriften gegeben. In Abweichung von den allgemeinen Bestimmungen ist für die Hilfegewährung für Deutsche im Ausland der jeweils örtlich zuständige überörtliche Träger (§ 3 Abs. 3 SGB XII) sachlich zuständig (§ 24 Abs. 4 SGB XII). Die örtliche Zuständigkeit bemisst sich nach dem Geburtsort des Leistungsberechtigten, bei mehreren Leistungsberechtigten nach dem Geburtsort der ältesten im Inland geborenen Person (§ 24 Abs. 5 SGB XII). Ist danach keine örtliche Zuständigkeit begründbar, entscheidet analog § 108 Abs. 2 das Bundesverwaltungsamt als Schiedsstelle (LPK-SGB XII/Berlit § 24 Rn. 15). Das war hier der Fall.
Die Berufung ist unbegründet. Denn die Abweisung der Klage erfolgte zu Recht. Es besteht kein Anspruch der Klägerin. Ein Anspruch auf Sozialhilfe ins Ausland ist ausgeschlossen und die für eine entsprechende Ermessensleistung notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen sind nicht gegeben.
Gem. § 19 Abs. 2 SGB XII ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.
Diese Voraussetzungen sind dem Grunde nach bei der Klägerin erfüllt.
Das System der Sozialhilfe folgt aber entsprechend den allgemeinen Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs grundsätzlich dem Territorialprinzip (§ 30 Abs. 1 SGB I). Dementsprechend bestimmt § 24 Abs. 1 SGB XII (in der Fassung vom 27.12.2003, nach Art. 70 Abs. 2 des Gesetzes vom 27.12.2003 bereits am 01.01.2004 in Kraft getreten), dass Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen erhalten. Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus drei einzeln im Gesetz aufgeführten Gründen nicht möglich ist (vgl. Urteil des LSG vom 25. November 2010 - L 8 SO 167/10 -, juris). Dies sind - hier thematisch nicht zutreffend - Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss (Nr. 1) oder hoheitliche Gewalt (Nr. 3). Eine längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit als Rückkehrhindernis (§ 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 2. SGB XII) liegen nicht vor, was später noch ausgeführt wird.
Zunächst ist die Klägerin Deutsche im Sinne des Grundgesetzes (Art. 116 GG). Das ist durch ihren Reisepass belegt. Auf die genaue Kenntnis des Erwerbs der Staatsangehörigkeit kommt es damit nicht an. Sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland - in Litauen. Dieser gewöhnliche Aufenthalt orientiert sich überwiegend an tatsächlichen Merkmalen. Offensichtlich besteht eine Verfestigung der Lebensverhältnisse der Klägerin, die seit Kriegsende in Litauen lebt.
Damit besteht ein Ausschluss für Rechtsansprüche auf Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach § 24 Abs. 1 SGB XII. Es gilt insoweit das Territorialprinzip und zunächst wird der ausländische Staat als zuständig betrachtet. Dementsprechend besteht keine Veranlassung zur Ermessensausübung, wenn Leistungen von dem hierzu verpflichteten Aufenthaltsland erbracht werden (§ 24 Abs. 2 SGB XII). Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz des Einkommens und des Vermögens richten sich dabei nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland (§ 24 Abs. 3 SGB XII). Der Hilfesuchende hat kein Wahlrecht zwischen Leistungen nach dem SGB XII und Leistungen des Aufenthaltslandes. Letztere (Ansprüche auf Sozialleistungen durch den Aufenthaltsstaat) sind vorrangig in Anspruch zu nehmen.
Die Klägerin erhält monatliche Leistungen von der Verwaltung des staatlichen Sozialversicherungsfonds; eine staatliche Rente für geschädigte Personen in Höhe von 200 Litas und eine Witwenrente von 70 Litas von der Kreisverwaltung A-Stadt (Abteilung für Sozialhilfe) sowie eine Sozialrente nach Erreichen des Rentenalters von 125 Litas. Diese Erkenntnis aus den von der Klägerin vorgelegten und dem Senat in deutscher Übersetzung vorliegenden Unterlagen zur Prozesskostenhilfe sind in einer vom Senat eingeholten Auskunft der deutsche Botschaft in Litauen bestätigt worden. Weiter ist von der Botschaft bestätigt worden, dass die Klägerin trotz ihrer deutschen Staatsangehörigkeit sozialrechtlich wie eine litauische Staatsbürgerin behandelt wird. Des Weiteren besteht in Litauen nach der Auskunft der Botschaft ein soziales Fürsorgesystem, dass europäischen Maßstäben angeglichen wird. Das ergibt auch eine von der Botschaft vorgelegte Veröffentlichung der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2012 über Rechte der sozialen Sicherheit in Litauen. Damit ist der Klägerin auch in ihren gesundheitlichen Bedürfnissen ein Auskommen in Litauen gewährleistet.
Eine Ungleichbehandlung Deutscher im Ausland gegenüber denjenigen im Inland ist durch die Besonderheiten der Sozialhilfe gerechtfertigt, die keinen Leistungsexport vorsieht und aktuelle Notlagen im Inland beseitigt. Das System der Auslandssozialhilfe, insbesondere die Geltung des Territorialprinzips, entspricht nach Ansicht des Senats der Verfassung. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Das Gebot der Gleichbehandlung wird nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72; BVerfG, Beschluss vom 01.07.1986 - 1 BvL 26/83). Abweichungen von der Gleichbehandlung - hier aller deutschen Staatsangehörigen - müssen nach Art und Umfang durch die Ungleichheit der betroffenen Personen gerechtfertigt sein. Ein Versorgung derselben mit deutschen Sozialhilfeleistungen nach Litauen würde offensichtlich zu einer - auf litauische Verhältnisse bezogen - Überversorgung der Klägerin führen.
Damit ist die Klägerin auch nach § 24 Abs. 2 SGB XII von der Sozialhilfe ins Ausland ausgeschlossen. Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz des Einkommens und des Vermögens richten sich - § 24 Abs. 3 SGB XII - nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland. Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass die ausländischen Leistungen nach dem Maßstab der deutschen Regelbedarfe viel zu niedrig seien. Vielmehr hat im Grundsatz eine Beschränkung auf das allgemeine Lebensniveau im Aufenthaltsland zu erfolgen, das durch die dortigen Lebenshaltungskosten, den dortigen Warenkorb und durch die sozialen Rahmenbedingungen und die Lebensumstände des Aufenthaltslandes geprägt wird. Eine Orientierung an den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland kann dann durchaus zur Folge haben, dass das deutsche Lebens- und Unterstützungsniveau in Ländern mit geringem Lebensstandard (teilweise) unterschritten wird.
Damit liegt auch gleichzeitig eine weitere Tatbestandsvoraussetzung nicht vor, wonach die Hilfe wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar sein muss (§ 24 Abs.1 S. 2 SGB XII). Die Notlage muss in ihrer Intensität deutlich über diejenigen Notlagen hinausgehen, denen üblicherweise mit Mitteln der Sozialhilfe zu begegnen ist. Es müssten besonders bedeutsame, existenzielle Rechtsgüter unmittelbar gefährdet oder verletzt sein.
Liegen schon diese og. Voraussetzungen nicht vor, fehlt es zusätzlich an einem weiteren Tatbestandsmerkmal. Es müsste kumulativ auch ein besonderes Rückkehrhindernis besteht. Denn nach § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII müsste zugleich nachgewiesen sein, dass - auf den Fall der Klägerin bezogen - eine Rückkehr in das Inland aus Gründen längerfristiger stationärer Betreuung in einer Einrichtung oder der Schwere der Pflegebedürftigkeit nicht möglich ist. Insoweit besteht eine Verpflichtung zum Nachweis. Das Amtsermittlungsprinzip gilt insoweit schon wegen der tatsächlichen Schwierigkeiten von Ermittlungen im Ausland nur eingeschränkt. Für eine längerfristige stationäre Betreuung fehlt jegliche Darlegung. Hinsichtlich der Pflegebedürftigkeit erlaubt das vorgelegte Attest keinen Rückschluss auf massive Beeinträchtigungen in Alltagsverrichtungen. Die dort aufgezeichneten Diagnosen genügen nicht einmal zur Darlegung schwerer körperlicher Beeinträchtigungen. Die sonstigen kundgemachten Umstände, dass die Klägerin ihren Acker nicht mehr bewirtschaften kann und auch die Hilfe ihrer Familie nicht mehr gewährleistet sei, belegen keine schwere Pflegebedürftigkeit. Selbst Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I reicht insoweit grundsätzlich nicht (LSG Hessen ZfSH/SGB 2006, 492).
Soweit es die Verhältnisse bezüglich eines Rückkehrhindernisses unmittelbar nach Antragstellung betrifft, ist die Sachlage nach den Auskünften der Klägerin nicht anders. Es ist nicht nachgewiesen, dass im Zeitpunkt des Antragstellungsjahrs 2005 bis zur Vorlage des ärztlichen Attestes des Gesundheitsministeriums der Republik Litauen vom 08.11.2011 eine Pflegebedürftigkeit im Sinne von § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB XII bestanden hat.
Die Klägerin unterfällt auch keiner Übergangsvorschrift unter Berücksichtigung eines Sachverhalts vor Erlass des SGB XII. So bestimmt zwar § 132 SGB XII (Übergangsregelung zur Sozialhilfegewährung für Deutsche im Ausland), dass Deutsche, die am 31.12.2003 Leistungen nach § 147b des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung bezogen haben, diese Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit weiter erhalten. Diese Voraussetzungen liegen aber schon nach den Behauptungen der Klägerin nicht vor. Ebenso wenig hat die Klägerin (vgl. § 132 Abs. 2 SGB XII) in den dem 01.01.2004 vorangegangenen 24 Kalendermonaten ohne Unterbrechung Leistungen nach § 119 BSHG in der am 31.12.2003 geltenden Fassung bezogen, wenn sie auch über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in Litauen verfügt.
Die 1935 geborene Klägerin - § 132 Abs. 3 SGB XII - erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (als Verfolgte), wenn auch sie zwischen dem 30.01.1933 und dem 08.05.1945 das Gebiet des Deutschen Reiches oder der Freien Stadt Danzig verlassen hat.
§ 133 SGB XII gilt nicht für die Klägerin. Danach können Deutsche, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes, aber innerhalb des in Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes genannten Gebiets geboren sind und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, in außergewöhnlichen Notlagen besondere Hilfen erhalten, auch wenn sie nicht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB XII erfüllen (Übergangsregelung für besondere Hilfen an Deutsche nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, Fassung vom 27.12.2003, gültig ab 01.01.2004). Die Klägerin hat seit Kriegsende ihren Aufenthalt nicht mehr im ehemaligen Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12.1937. Sie ist zwar am 07.03.1935 in A-Stadt, Kreis T. (bis 1945 ein selbständiger Stadtkreis im Regierungsbezirk G. Ostpreußen). T. hingegen gehörte schon im Rahmen der dritten Teilung Polens 1795 zu Russland und seit der Unabhängigkeit Litauens im Jahre 1918 zu diesem Staat. Eine Befassung des Deutschen Roten Kreuzes ist somit nicht erforderlich. Nach § 133 Abs. 1 Satz 4 SGB XII werden die besonderen Hilfen unter Übernahme der Kosten durch den Bund durch Träger der freien Wohlfahrtspflege mit Sitz im Inland geleistet (Hilfegewährung über das DRK, Suchdienst Hamburg).
Damit hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Klägerin ist unterlegen. Ihr sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Versorgung der Klägerin im Ausland (Litauen) mit Mitteln der Sozialhilfe.
Die Klägerin ist 1935 in A-Stadt, Kreis T. (früher Ostpreußen), geboren und deutsche Staatsangehörige. Als elternloses deutsches Flüchtlingskind ("Wolfskind") hatte sie 1945 Aufnahme in einer litauischen Familie in Litauen (Kreis T., M.) gefunden. Dort hat sie geheiratet und vier Kinder großgezogen.
Die Klägerin besaß zur Zeit der Antragstellung am 23.02.2005 einen deutschen Pass. Dem bei der Botschaft der Bundesrepublik gestellten Antrag war eine Stellungnahme der Auslandsvertretung beigegeben, wonach Ansprüche auf Sozialhilfe in Litauen für die Klägerin nicht bestehen würden. Den Antrag auf Sozialhilfe (Leistungen für den Lebensunterhalt) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.03.2007 ab. Die monatliche litauische Rente betrage umgerechnet 31,65 EUR (109,27 Litas). Daneben werde eine Leistung im Umfang von 16,66 EUR (57,55 Litas) bezogen.
Am 12.04.2007 legte die Klägerin, vertreten durch G. F. T., B-Stadt, Widerspruch ein mit der Begründung, sie könne von ihrer schmalen Rente nicht leben und eine Rückkehr nach Deutschland sei ihr nicht zumutbar. Sie sei der deutschen Sprache nicht mehr mächtig; ihre geringe Schulbildung lasse deren (erneuten) Erwerb auch nicht zu.
Am 17.03.2009 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch zurück. Fehlende Deutschkenntnisse der Klägerin, die geringe Rente und eine gesundheitliche Verfassung, welche eine Bewirtschaftung ihres Ackers nicht mehr zulasse, stellten keine gesetzlich relevanten Rückkehrhindernisse dar.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben unter anderem mit dem Argument, sie sei pflegebedürftig. Beigelegt war in Übersetzung ein ärztliches Attest des Gesundheitsministeriums der Republik Litauen vom 08.11.2011 mit den Diagnosen einer Thromboseembolie der Lungenarterie am 10.10.2011 sowie einer Herzerkrankung ohne weitere Angabe von Leistungseinschränkungen. Des Weiteren hat die Klägerin vorgetragen, ohne die Hilfe ihrer Familie nicht überleben zu können. Der Beklagte hat unter anderem vorgebracht, dass in Litauen ein gutes System für Gesundheit und Pflege bestehe.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Juli 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach Aufführung des gesetzlichen Tatbestandes der Auslandssozialhilfe (§ 24 Abs. 1 SGB XII) hat es zur Begründung angeführt, dass die Hilfebedürftige abweichend vom ansonsten im Sozialhilferecht geltenden Amtsermittlungsgrundsatz die Rückkehrhindernisse nachzuweisen habe; bloße Glaubhaftmachung reiche nicht. Nach diesen Grundsätzen könne dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich pflegebedürftig sei, da jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Klägerin aufgrund einer eventuellen Pflegebedürftigkeit nicht transportfähig sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialhilfe lägen somit nicht vor. Ungeachtet des schweren Schicksals der Klägerin habe der Beklagte deshalb zu Recht einen Leistungsanspruch verneint. Den sog. "Wolfskindern" könne nur im Wege einer Gesetzesänderung geholfen werden.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Zur Begründung wird angeführt, dass im Einzelfall nicht am Wortlaut des Gesetzestextes geklebt werden dürfe. Zur Beurteilung des Ausmaßes der Pflegebedürftigkeit müssten auch die persönlichen und gegenwärtigen gesundheitlichen Lebensumstände der Klägerin Berücksichtigung finden. Diese sei nahezu Analphabetin und beherrsche im Wesentlichen nur die litauische Sprache. Dies und der Gesundheitszustand der Klägerin stünden einem Transport nach Deutschland ebenso entgegen wie einem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland.
Der Beklagte hat erwidert, bei der Klägerin sei sicher nicht von einer erheblichen Pflegebedürftigkeit auszugehen. Ausmaß und Umfang der notwendigen Unterstützung sei nicht belegt. Dazu sei die Klägerin selbst nachweispflichtig. Schließlich genüge eine Pflegebedürftigkeit nicht allein, sondern es müsse deswegen eine Hinderung an der Rückkehr nach Deutschland bestehen. Unkenntnis der Sprache reiche nicht aus.
Nach der vom Senat eingeholten Auskunft der Botschaft in W. vom Januar 2013 ist Litauen nicht dem Europäischen Fürsorgeabkommen beigetreten. Mittlerweile bestünden aber soziale Garantien im Rahmen der Europäischen Union. Auf Anfrage hat der Beklagte weiter bekundet, dass eine Entscheidung im Sinne von § 133 SGB XII nicht getroffen worden seien und gab dazu den Umstand an, dass das Deutsche Rote Kreuz (DRK) als beliehener Unternehmer zuständig sei. Für zurückgebliebene Deutsche in Litauen bestünden hierfür aber keine Regelungen. Später hat der Beklagte noch bestätigt, dass A-Stadt, der jetzige Wohnsitz der Klägerin, nicht im Gebiet des Artikel 116 Abs. 1 Grundgesetz liege. Der Ort liege außerhalb der deutschen Staatsgrenzen vom 31.12.1937.
Der Senat hat die im Rahmen der Prozesskostenhilfe vorgelegten Bescheinigungen über den Bezug von Sozialleistungen übersetzen lassen. Dieser wirtschaftliche Status der Klägerin ist dann auch von einer weiteren Auskunft der deutschen Botschaft bestätigt worden, wonach die Klägerin eine Rente von 270 Litas und eine monatliche Unterstützungsleistung (Unterstützungsrente) in Höhe von 124 Litas erhält. Beigegeben war eine Veröffentlichung der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2012 über Rechte der sozialen Sicherheit in Litauen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. Juli 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 17.03.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zum Lebensunterhalt zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen, der Widerspruchsbehörde und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid vom 13.Juli 2012, der den ablehnenden Bescheid der Verwaltung ab dem Jahre 2005 bestätigt.
Die Berufung ist unabhängig vom konkreten Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 144 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn der Beklagte hat zukunftsoffen Leistungen für weit über ein Jahr abgelehnt. Frist und Form der Berufung sind gewahrt.
Der Beklagte ist passivlegitimiert. Seine Zuständigkeit ist aufgrund von Sondervorschriften gegeben. In Abweichung von den allgemeinen Bestimmungen ist für die Hilfegewährung für Deutsche im Ausland der jeweils örtlich zuständige überörtliche Träger (§ 3 Abs. 3 SGB XII) sachlich zuständig (§ 24 Abs. 4 SGB XII). Die örtliche Zuständigkeit bemisst sich nach dem Geburtsort des Leistungsberechtigten, bei mehreren Leistungsberechtigten nach dem Geburtsort der ältesten im Inland geborenen Person (§ 24 Abs. 5 SGB XII). Ist danach keine örtliche Zuständigkeit begründbar, entscheidet analog § 108 Abs. 2 das Bundesverwaltungsamt als Schiedsstelle (LPK-SGB XII/Berlit § 24 Rn. 15). Das war hier der Fall.
Die Berufung ist unbegründet. Denn die Abweisung der Klage erfolgte zu Recht. Es besteht kein Anspruch der Klägerin. Ein Anspruch auf Sozialhilfe ins Ausland ist ausgeschlossen und die für eine entsprechende Ermessensleistung notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen sind nicht gegeben.
Gem. § 19 Abs. 2 SGB XII ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.
Diese Voraussetzungen sind dem Grunde nach bei der Klägerin erfüllt.
Das System der Sozialhilfe folgt aber entsprechend den allgemeinen Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs grundsätzlich dem Territorialprinzip (§ 30 Abs. 1 SGB I). Dementsprechend bestimmt § 24 Abs. 1 SGB XII (in der Fassung vom 27.12.2003, nach Art. 70 Abs. 2 des Gesetzes vom 27.12.2003 bereits am 01.01.2004 in Kraft getreten), dass Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen erhalten. Hiervon kann im Einzelfall nur abgewichen werden, soweit dies wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar ist und zugleich nachgewiesen wird, dass eine Rückkehr in das Inland aus drei einzeln im Gesetz aufgeführten Gründen nicht möglich ist (vgl. Urteil des LSG vom 25. November 2010 - L 8 SO 167/10 -, juris). Dies sind - hier thematisch nicht zutreffend - Pflege und Erziehung eines Kindes, das aus rechtlichen Gründen im Ausland bleiben muss (Nr. 1) oder hoheitliche Gewalt (Nr. 3). Eine längerfristige stationäre Betreuung in einer Einrichtung oder Schwere der Pflegebedürftigkeit als Rückkehrhindernis (§ 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 2. SGB XII) liegen nicht vor, was später noch ausgeführt wird.
Zunächst ist die Klägerin Deutsche im Sinne des Grundgesetzes (Art. 116 GG). Das ist durch ihren Reisepass belegt. Auf die genaue Kenntnis des Erwerbs der Staatsangehörigkeit kommt es damit nicht an. Sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland - in Litauen. Dieser gewöhnliche Aufenthalt orientiert sich überwiegend an tatsächlichen Merkmalen. Offensichtlich besteht eine Verfestigung der Lebensverhältnisse der Klägerin, die seit Kriegsende in Litauen lebt.
Damit besteht ein Ausschluss für Rechtsansprüche auf Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach § 24 Abs. 1 SGB XII. Es gilt insoweit das Territorialprinzip und zunächst wird der ausländische Staat als zuständig betrachtet. Dementsprechend besteht keine Veranlassung zur Ermessensausübung, wenn Leistungen von dem hierzu verpflichteten Aufenthaltsland erbracht werden (§ 24 Abs. 2 SGB XII). Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz des Einkommens und des Vermögens richten sich dabei nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland (§ 24 Abs. 3 SGB XII). Der Hilfesuchende hat kein Wahlrecht zwischen Leistungen nach dem SGB XII und Leistungen des Aufenthaltslandes. Letztere (Ansprüche auf Sozialleistungen durch den Aufenthaltsstaat) sind vorrangig in Anspruch zu nehmen.
Die Klägerin erhält monatliche Leistungen von der Verwaltung des staatlichen Sozialversicherungsfonds; eine staatliche Rente für geschädigte Personen in Höhe von 200 Litas und eine Witwenrente von 70 Litas von der Kreisverwaltung A-Stadt (Abteilung für Sozialhilfe) sowie eine Sozialrente nach Erreichen des Rentenalters von 125 Litas. Diese Erkenntnis aus den von der Klägerin vorgelegten und dem Senat in deutscher Übersetzung vorliegenden Unterlagen zur Prozesskostenhilfe sind in einer vom Senat eingeholten Auskunft der deutsche Botschaft in Litauen bestätigt worden. Weiter ist von der Botschaft bestätigt worden, dass die Klägerin trotz ihrer deutschen Staatsangehörigkeit sozialrechtlich wie eine litauische Staatsbürgerin behandelt wird. Des Weiteren besteht in Litauen nach der Auskunft der Botschaft ein soziales Fürsorgesystem, dass europäischen Maßstäben angeglichen wird. Das ergibt auch eine von der Botschaft vorgelegte Veröffentlichung der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2012 über Rechte der sozialen Sicherheit in Litauen. Damit ist der Klägerin auch in ihren gesundheitlichen Bedürfnissen ein Auskommen in Litauen gewährleistet.
Eine Ungleichbehandlung Deutscher im Ausland gegenüber denjenigen im Inland ist durch die Besonderheiten der Sozialhilfe gerechtfertigt, die keinen Leistungsexport vorsieht und aktuelle Notlagen im Inland beseitigt. Das System der Auslandssozialhilfe, insbesondere die Geltung des Territorialprinzips, entspricht nach Ansicht des Senats der Verfassung. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Das Gebot der Gleichbehandlung wird nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72; BVerfG, Beschluss vom 01.07.1986 - 1 BvL 26/83). Abweichungen von der Gleichbehandlung - hier aller deutschen Staatsangehörigen - müssen nach Art und Umfang durch die Ungleichheit der betroffenen Personen gerechtfertigt sein. Ein Versorgung derselben mit deutschen Sozialhilfeleistungen nach Litauen würde offensichtlich zu einer - auf litauische Verhältnisse bezogen - Überversorgung der Klägerin führen.
Damit ist die Klägerin auch nach § 24 Abs. 2 SGB XII von der Sozialhilfe ins Ausland ausgeschlossen. Art und Maß der Leistungserbringung sowie der Einsatz des Einkommens und des Vermögens richten sich - § 24 Abs. 3 SGB XII - nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland. Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass die ausländischen Leistungen nach dem Maßstab der deutschen Regelbedarfe viel zu niedrig seien. Vielmehr hat im Grundsatz eine Beschränkung auf das allgemeine Lebensniveau im Aufenthaltsland zu erfolgen, das durch die dortigen Lebenshaltungskosten, den dortigen Warenkorb und durch die sozialen Rahmenbedingungen und die Lebensumstände des Aufenthaltslandes geprägt wird. Eine Orientierung an den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland kann dann durchaus zur Folge haben, dass das deutsche Lebens- und Unterstützungsniveau in Ländern mit geringem Lebensstandard (teilweise) unterschritten wird.
Damit liegt auch gleichzeitig eine weitere Tatbestandsvoraussetzung nicht vor, wonach die Hilfe wegen einer außergewöhnlichen Notlage unabweisbar sein muss (§ 24 Abs.1 S. 2 SGB XII). Die Notlage muss in ihrer Intensität deutlich über diejenigen Notlagen hinausgehen, denen üblicherweise mit Mitteln der Sozialhilfe zu begegnen ist. Es müssten besonders bedeutsame, existenzielle Rechtsgüter unmittelbar gefährdet oder verletzt sein.
Liegen schon diese og. Voraussetzungen nicht vor, fehlt es zusätzlich an einem weiteren Tatbestandsmerkmal. Es müsste kumulativ auch ein besonderes Rückkehrhindernis besteht. Denn nach § 24 Abs. 1 S. 2 SGB XII müsste zugleich nachgewiesen sein, dass - auf den Fall der Klägerin bezogen - eine Rückkehr in das Inland aus Gründen längerfristiger stationärer Betreuung in einer Einrichtung oder der Schwere der Pflegebedürftigkeit nicht möglich ist. Insoweit besteht eine Verpflichtung zum Nachweis. Das Amtsermittlungsprinzip gilt insoweit schon wegen der tatsächlichen Schwierigkeiten von Ermittlungen im Ausland nur eingeschränkt. Für eine längerfristige stationäre Betreuung fehlt jegliche Darlegung. Hinsichtlich der Pflegebedürftigkeit erlaubt das vorgelegte Attest keinen Rückschluss auf massive Beeinträchtigungen in Alltagsverrichtungen. Die dort aufgezeichneten Diagnosen genügen nicht einmal zur Darlegung schwerer körperlicher Beeinträchtigungen. Die sonstigen kundgemachten Umstände, dass die Klägerin ihren Acker nicht mehr bewirtschaften kann und auch die Hilfe ihrer Familie nicht mehr gewährleistet sei, belegen keine schwere Pflegebedürftigkeit. Selbst Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I reicht insoweit grundsätzlich nicht (LSG Hessen ZfSH/SGB 2006, 492).
Soweit es die Verhältnisse bezüglich eines Rückkehrhindernisses unmittelbar nach Antragstellung betrifft, ist die Sachlage nach den Auskünften der Klägerin nicht anders. Es ist nicht nachgewiesen, dass im Zeitpunkt des Antragstellungsjahrs 2005 bis zur Vorlage des ärztlichen Attestes des Gesundheitsministeriums der Republik Litauen vom 08.11.2011 eine Pflegebedürftigkeit im Sinne von § 24 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB XII bestanden hat.
Die Klägerin unterfällt auch keiner Übergangsvorschrift unter Berücksichtigung eines Sachverhalts vor Erlass des SGB XII. So bestimmt zwar § 132 SGB XII (Übergangsregelung zur Sozialhilfegewährung für Deutsche im Ausland), dass Deutsche, die am 31.12.2003 Leistungen nach § 147b des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung bezogen haben, diese Leistungen bei fortdauernder Bedürftigkeit weiter erhalten. Diese Voraussetzungen liegen aber schon nach den Behauptungen der Klägerin nicht vor. Ebenso wenig hat die Klägerin (vgl. § 132 Abs. 2 SGB XII) in den dem 01.01.2004 vorangegangenen 24 Kalendermonaten ohne Unterbrechung Leistungen nach § 119 BSHG in der am 31.12.2003 geltenden Fassung bezogen, wenn sie auch über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in Litauen verfügt.
Die 1935 geborene Klägerin - § 132 Abs. 3 SGB XII - erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (als Verfolgte), wenn auch sie zwischen dem 30.01.1933 und dem 08.05.1945 das Gebiet des Deutschen Reiches oder der Freien Stadt Danzig verlassen hat.
§ 133 SGB XII gilt nicht für die Klägerin. Danach können Deutsche, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes, aber innerhalb des in Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes genannten Gebiets geboren sind und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, in außergewöhnlichen Notlagen besondere Hilfen erhalten, auch wenn sie nicht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB XII erfüllen (Übergangsregelung für besondere Hilfen an Deutsche nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, Fassung vom 27.12.2003, gültig ab 01.01.2004). Die Klägerin hat seit Kriegsende ihren Aufenthalt nicht mehr im ehemaligen Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12.1937. Sie ist zwar am 07.03.1935 in A-Stadt, Kreis T. (bis 1945 ein selbständiger Stadtkreis im Regierungsbezirk G. Ostpreußen). T. hingegen gehörte schon im Rahmen der dritten Teilung Polens 1795 zu Russland und seit der Unabhängigkeit Litauens im Jahre 1918 zu diesem Staat. Eine Befassung des Deutschen Roten Kreuzes ist somit nicht erforderlich. Nach § 133 Abs. 1 Satz 4 SGB XII werden die besonderen Hilfen unter Übernahme der Kosten durch den Bund durch Träger der freien Wohlfahrtspflege mit Sitz im Inland geleistet (Hilfegewährung über das DRK, Suchdienst Hamburg).
Damit hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Klägerin ist unterlegen. Ihr sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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