Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 107 AS 3367/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 502/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2014 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Verfahren nicht zu erstatten. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskosten-hilfe bewilligt und Rechtsanwalt M G, R, B, beigeordnet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2014 ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu Unrecht vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses (18. Februar 2014) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - zu gewähren.
Der rumänische Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§§ 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -).
Ein Anordnungsanspruch aus den §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) scheitert bereits daran, dass der Antragsteller dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterliegt.
Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich nicht aus § 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU u. a. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen (Nr. 1) oder Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige) (Nr. 2). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge 2009 zur Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er ist weder selbständig tätig noch übt er eine abhängige Beschäftigung aus. Daher verbleibt allein ein Recht zum Aufenthalt zur Arbeitssuche, welches nicht zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II berechtigt.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen ausgenommen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ein anderes als dem Zweck der Arbeitsuche dienendes Aufenthaltsrecht hat.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist als geltendes Recht auch anzuwenden (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG). Der Senat ist von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1. Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht überzeugt. Nur eine solche Überzeugung könnte ihn ausnahmsweise berechtigen, dieses formelle Gesetz nicht anzuwenden. Anders als in Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG, bei denen ggf. eine Entscheidung aufgrund einer Interessenabwägung zu treffen ist (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13. März 1996 – 7 NC 147.95, NVwZ 1996, 1239; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 10. März 2010 – 12 ME 176/08, NuR 2010, 290, und vom 5. Januar 2011 – 1 MN 178/10, BauR 2010, 990), sind die Gerichte im Rahmen des § 86b Abs. 2 SGG grundsätzlich nicht berechtigt, formelle Gesetze als unwirksam zu behandeln. Dies gilt insbesondere, wenn das Gericht lediglich Zweifel an der Vereinbarkeit der Norm mit höherrangigem Recht hat (a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2011 – L 15 AS 188/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 30. November 2010 – L 34 AS 1501/10 B ER –, vom 17. Mai 2011 – L 28 AS 566/11 B ER –, vom 20. Juni 2011 – L 25 AS 535/11 B ER – und vom 30. September 2011 – L 14 AS 1148/11 B ER, L 14 AS 1152/11 B PKH; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Dezember 2010 – L 16 AS 767/10 B ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Juli 2011 – L 7 AS 107/11 B ER). Nur ausnahmsweise, wenn das Gericht von der Europarechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Norm überzeugt ist und zudem die Durchsetzung der Ansprüche der Erinnerungsführer endgültig versagt würde, kommt Art. 19 Abs. 4 GG Vorrang vor Art. 20 Abs. 3 GG zu mit der Folge, dass ausnahmsweise eine einstweilige Anordnung ergehen kann. Diese setzt jedoch eine ansonsten abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage auch im Eilverfahren voraus (OVG Berlin-Brandenburg v. 18.03.2013 – OVG 12 S 14.13, juris, Rn. 5f.); für eine "Folgenabwägung" ist hingegen kein Raum (so im Ergebnis auch SG Dresden, Beschluss vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER). Eine Überzeugung von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II lässt sich den vorgenannten Entscheidungen der Landessozial-gerichte nicht entnehmen. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof durch ein Landessozialgericht ist nicht bekannt. Auch der Senat kann eine solche Überzeugung nicht gewinnen.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist nicht schon wegen des Gleichbehandlungsgebots des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) unanwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 14/10 R). Der Antragsteller ist nicht vom Schutzbereich des EFA erfasst, weil Rumänien dieses Abkommens bislang nicht ratifiziert hat.
Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG – sog. Unionsbürgerrichtlinie – gedeckt ist, soweit Leistungen zum Lebensunter-halt begehrt werden (so auch Peters in Estelmann, SGB II, § 7 Rn. 14, und mit zutreffenden Erwägungen LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 8. Juni 2009 – L 34 AS 790/09 B ER –; inzwischen hat dieser Senat seine Rechtsprechung allerdings aufgegeben, Beschluss vom 30. November 2011 – L 34 AS 1501/10B ER, L 34 AS 1518/10 B PKH). Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens zu gewähren. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie bestimmt, dass auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden darf, wenn die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II beruht auf diesen europarechtlichen Bestimmungen (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 13). Der Senat hat auch keine Bedenken, die vorliegend erstrebten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie anzusehen. Die Frage, welche Leistungen unter diesen Sozialhilfebegriff fallen, ist im Einklang mit Art. 39 Abs. 2 des EG-Vertrags (EGV) zu beantworten (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras, Koupatantze, C 22-/08 und C 23/08). Nach Art. 39 Abs. 2 EGV umfasst die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die nach Art. 39 Abs. 1 EGV gewährleistet wird, die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Vor dem Hintergrund dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es nicht mehr möglich, Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, von finanziellen Leistungen auszunehmen, sofern diese den Zugang zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates erleichtern sollen (EuGH, Urteile vom 23. März 2004, Collins, C-138/02, und vom 15. September 2005, Ioannidis, C-258/04). Es kann dahin stehen, dass Rumänen gemäß § 1 Abs. 3 EU-Beitrittsvertrag in Verbindung mit dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 7. Dezember 2011 noch bis zum 31. Dezember 2013 in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt waren, da es sich bei den von dem Antragsteller beantragten Leistungen ohnehin nicht um finanzielle Leistungen handelt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, sondern um staatliche Fürsorgeleistungen, die der Existenzsicherung dienen. Es ist Sache der nationalen Behörden und innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistungen zu prüfen (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras, Koupatantze, C 22-/08 und C 23/08). Grundlegendes Merkmal der von dem Antragsteller begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist deren "Passivität", das heißt deren Existenz sichernde Funktion (vgl. zum Charakter des SGB II als Fürsorgegesetz BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R); er begehrt hingegen nicht "aktive" Leistungen der Eingliederung in Arbeit (vgl. zur Trennbarkeit der Leistungen im SGB II auch ausführlich SG Berlin, Urteil vom 16. Dezember 2011 – S 26 AS 10021/08; Beschluss des SG Dresden vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER; LSG Berlin-Brandenburg, 34. Senat, a. a. O.; a.A. LSG Rheinland-Pfalz v. 21.08.2012, L 3 AS 250/12 B ER, Juris allerdings mit dem Ergebnis, dass bei der Anwendung des Art 24 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie bezogen auf einen Leistungsanspruch nach dem SGB II eine tatsächlichen Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt in der Person des Erinnerungsführers vorliegen muss). Die Regelungen des SGB II führen die frühere Arbeitslosenhilfe einerseits und die frühere Sozialhilfe andererseits zusammen (BT-Drs. 15/1516, S. 44). Das bisherige Nebeneinander von zwei staatlichen Fürsorgeleistungen sollte beendet, der Grundsatz "Arbeit statt passiver Leistung" besser umgesetzt werden (a. a. O.). Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit werden aber weiterhin als aktive Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und als passive Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht (a. a. O., S. 50). Während die aktiven Leistungen den Erwerbsfähigen bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen sollen, sollen die passiven Leistungen den Lebensunterhalt des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können (a. a. O.). Dass die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II bei "Erwerbsfähigkeit" erbracht werden, führt nicht schon zu der Annahme, dass es sich um Leistungen handelt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (in diese Richtung aber wohl BSG v. 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R -, juris, Rn. 25). Die "Erwerbsfähigkeit" schließt die Annahme einer Fürsorgeleistung nicht aus, da sie, was die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II anbelangt, lediglich zu einer anderen Zuständigkeit für die Leistung führt, die sich ansonsten qualitativ nicht von den (Fürsorge-)Leistungen für Nichterwerbsfähige nach dem SGB XII unterscheiden. So sind im Übrigen auch Grundsicherungsleistungen für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu leisten, was verdeutlicht, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts jedenfalls nicht über eine vorausgesetzte Erwerbsfähigkeit als "Zugangsleistungen" zum Arbeitsmarkt zu qualifizieren sind. Der Antragsteller begehrt allein Leistungen, die der Existenzsicherung dienen, und damit Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie. Dabei können nationale Regelungen vorsehen, dass die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger, die wirtschaftlich nicht aktiv sind, von dem Erfordernis eines rechtmäßigen Aufenthalts abhängig gemacht werden (EUGH, Urteil vom 19.09.2013, Brey, C-140/12, Rn.44). Die Regelungen der Richtlinie 2004/38 sollen das Freizügigkeitsrecht erleichtern und verstärken. Sie lassen es grundsätzlich zu, das Aufenthaltsrecht bei unangemessener Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen einzuschränken (EUGH, aaO., Rn. 55, 57). Die Frage, ob das nationale Recht die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen beschränken darf, wird von den Regelungen jedoch nicht erfasst. Art. 7 Abs. 1 Buchst. B der Richtlinie 2004/38/EG schließt nach der neuesten Rechtsprechung des EUGH (a.a.O. Rn 72) lediglich nationale Regelungen aus, die das Aufenthaltsrecht selbst ausschließen, ohne dass die zuständigen nationalen Behörden befugt sind, zu prüfen ob die Gewährung von Sozialhilfeleistungen im Einzelfall das nationale Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates unangemessen belastet. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II knüpft aber an den Zweck des bestehenden Aufenthaltsrechts an und hängt nicht von einem Aufenthaltsrecht in Abhängigkeit ausreichender eigener Existenzmittel ab (vgl. hierzu EUGH, aaO., Rn. 80).
Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass sich eine Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aus einem Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – VO 883/2004 – ergibt. Es werden zwar Zweifel erhoben, ob der Leistungsausschluss im SGB II mit der VO 883/2004 vereinbar ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2011 – L 14 AS 1148/11 B ER, L 14 AS 1152/11 B PKH; SG Dresden, Beschluss vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER). Der Senat hält die Annahme der Unvereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aber nicht für zwingend.
Die VO 883/2004 sichert den Unionsbürgern, die von der Arbeitnehmer-freizügigkeit Gebrauch machen, die Beibehaltung eines Anspruchs auf bestimmte Sozialleistungen, die im Herkunftsland gewährt wurden und trifft daher Regelungen zur Exportierbarkeit von Leistungen (EUGH, Urteil vom 19.09.2013, Brey, C-140/12, Rn.52, 57). Art. 4 der VO 883/2004 bestimmt dabei auch, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats haben wie die Staatsangehörigen dieses Staats, soweit mit der VO nichts anderes bestimmt ist. Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung erstreckt sich gemäß Art. 2 Abs. 1 u. a. auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der sachliche Geltungsbereich gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. h) auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Während Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 die Anwendbarkeit der VO auf die Systeme der sozialen Sicherheit regelt und damit diese einer Exportpflicht unterwirft, regelt Art. 3 Abs. 5 Lit. a) VO 883/2004 den Ausschluss der Fürsorgeleistungen vom Anwendungsbereich der VO und damit von der Exportpflicht. In Reaktion auf Ausgestaltungen von Sozialleistungssystemen in den Mitgliedsstaaten, die die Kategorisierung von Leistungen in solche der sozialen Sicherung einerseits und Leistungen der Fürsorge andererseits erschwerten und aufgrund der Rechtsprechung des EuGH wurde bereits mit Art. 10a Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 eine Regelung geschaffen, die für etwaige "Mischleistungen", nämlich für besondere beitragsunabhängige Leistungen, eine Ausnahme von der generellen Exportpflicht (Art. 10 Abs. 1 VO 1408/71) vorsah. Für diese Leistungen, sofern sie denn als beitragsunabhängige Sonderleistungen von den Koordinierungsregelungen der VO erfasst waren, sollte der Leistungstransfer in das europäische Ausland ausgeschlossen werden. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises war damit nicht verbunden; bereits Art 10a Abs. 1 Satz 2 VO 1408/71 bestimmte, dass die Leistungen ausschließlich im Wohnmitgliedsstaat und ausschließlich nach dessen Rechtsvorschriften erbracht werden.
Auch nach Art. 3 Abs. 3 VO 883/2004 gilt nunmehr die (Nachfolge-)Verordnung ausdrücklich auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Art. 70. Als solche Leistungen sind gemäß Art. 70 Abs. 2 lit. c) i. V. m. Anhang X für Deutschland auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 SGB II) erfüllt sind, aufgeführt. Dies führt jedoch nicht zu der Annahme eines grundsätzlichen Anspruchs aller Unionsbürger auf scheinbar alle Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Art. 4 VO 883/2004 bestimmt den Gleichbehandlungsgrundsatz sofern in der VO selbst nichts anderes bestimmt ist. Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004 regelt, dass die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnortlandes geleistet werden. Hier können Zugangsregelungen geschaffen werden. Eine Ausweitung der grundsätzlichen Leistungsberechtigungen der beitragsunabhängigen Leistungen nach nationalem Recht für alle Unionsbürger war auch mit der Regelung des Art. 70 VO 883/2004 nicht bezweckt. Dieses Verständnis entspricht der historisch-systematischen sowie teleologischen Auslegung. Die Unionsbürgerrichtlinie, die in Art. 24 Abs. 2 die Möglichkeit eines Leistungsausschlusses eröffnet, und die VO 883/2004, wonach der vorgenannte Leistungsausschluss gerade nicht möglich sein soll, datieren auf denselben Tag, nämlich den 29. April 2004. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Europäische Parlament und der Rat sich widersprechende Regelungswerke in Kraft setzen wollten (vgl. zu den "Widersprüchlichkeiten" SG Dresden, a. a. O., das allerdings deshalb zu dem Schluss der Unvereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit der VO 883/2004 kommt). Dies gilt umso mehr, als mit der VO 883/2004 die Koordinierung der Sozialsysteme, aber gerade nicht die Vereinheitlichung der materiellen Standards bezweckt war (vgl. Schreiber in VO (EG) Nr. 883/2004, Kommentar, 2012, Einleitung Rn. 5), eine Aushöhlung der Möglichkeit des mitgliederstaatlichen Leistungsausschlusses auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie durch die Regelungen in VO 883/2004 also nicht beabsichtigt gewesen sein dürfte. Nach dem bisherigen materiellen Standard, der in der Verordnung (EG) Nr. 1408/71, die durch Art. 90 der VO 883/2004 überwiegend aufgehoben wurde, abgebildet ist, waren nicht auch Arbeitssuchende vom persönlichen Anwendungsbereich erfasst (Art. 2 VO 1408/71; vgl. hierzu Schreiber, a. a. O. Art. 70 Rn. 5; LSG Rheinland-Pfalz v. 21.08.2012, L 3 AS 250/12 B ER, Juris, Rn. 26). Da die VO 883/2004 Regelungen zum Leistungsexport bestimmt, wäre eine nationale Regelung, die einen Exportausschluss vorsieht, an den Vorgaben der VO zu messen. Die Regelung des § 7 SGB II betrifft nicht die Exportierbarkeit von Leistungsansprüchen.
Mit der Aufnahme der Leistungen zur Sicherung der Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende in den zuvor leeren Anhang X der VO 883/2004 mit der Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 ist auch keine Abkehr vom bisherigen materiellen Standard erfolgt, sondern auf die Einführung dieser Leistungen und der Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - SGB XII - reagiert und sichergestellt worden, dass diese Leistungen - soweit sie die weiteren Voraussetzungen des Art. 70 Abs. 2 VO 883/04 erfüllen, also "Mischleistungen" sind - nicht dem generellen Exportgebot unterfallen, sondern nur in Deutschland erbracht werden (hierzu ausführlich: LSG Rheinland-Pfalz v. 21.08.2012, L 3 AS 250/12 B ER, Juris, Rn. 24). Soweit es sich bei den Leistungen nach dem SGB II nicht um "besondere beitragsunabhängige" i.S. des Art. 70 Abs. 2 VO 883/04 handelt, sie reine Fürsorgeleistungen sind, sind sie weiterhin bereits nach Art 3 Abs. 5 VO 883/04 nicht von den Koordinierungsvorschriften erfasst.
Die Leistungen nach dem SGB II sind mit Aufnahme im Anhang X als insoweit besondere beitragsunabhängige Leistungen im Sinne des Art. 70 VO 883/2004 qualifiziert, als sie – nach den vorstehenden Ausführungen – Leistungen der sozialen Fürsorge darstellen und eine Leistung der Sozialen Sicherheit ersetzen oder ergänzen. Die Leistungen nach §§ 19 ff. "ergänzen" nicht Leistungen der sozialen Sicherheit (vgl. hierzu Fuchs, in Europäisches Sozialrecht, 5. Auflage 2010, Rn. 11), da sie nicht zusammen mit einer der von Art. 3 Abs. 1 VO 883/04 erfassten Leistung erbracht werden (hier Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III -). Die Leistungen der §§ 19 ff. SGB II ersetzen auch nicht in jeder Leistungsform eine Leistung der Sozialen Sicherheit im Sinne des Art. 3 VO 883/04, hier eine Leistung bei Arbeitslosigkeit. Ersatzweise i.S. Art. Abs. 2 VO 883/04 werden solche Leistungen gewährt, die anstelle von Regelleistungen in Versicherungsfällen nach Art. 3 Abs. 1 VO 883/04 gewährt werden, es muss ein "exakt identischer Versicherungsfall" (Fuchs, a.a.O.) gegeben sein. Dies ist in den Fällen, in denen das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II, welches nicht an die Arbeitslosigkeit, sondern an die Bedürftigkeit mangels Einkommens und Vermögens trotz bestehender Erwerbsfähigkeit anknüpft, jedenfalls dann nicht gegeben, wenn der reine Fürsorgecharakter der Leistung im Vordergrund steht, d.h. kein Bezug zu einem vorausgegangenen Verlust eines Arbeitsplatzes gegeben ist.
Ob die hier in Rede stehenden Leistungen der §§ 19 ff. SGB II insgesamt tatsächlich besondere beitragsunabhängige Sonderleistungen oder nicht doch insgesamt Leistungen der sozialen Fürsorge sind, wäre ggf. vom EuGH zu überprüfen (vgl. hierzu Schreiber a. a. O., Art. 70 Rn. 22). § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II regelt jedenfalls allein einen Ausschluss von reinen Fürsorgeleistungen i.S. des Art. 3 VO 883/2004. Die so verstandene Regelung der Art. 3 Abs. 3, Art. 70 VO 883/2004 führt auch nicht zu der Annahme, dass die Aufnahme der Leistungen der Grundsicherung nach §§ 19 ff. SGB etwa ins Leere läuft. Da Unionsbürger nicht generell vom Leistungsbezug nach §§ 19 ff. SGB II ausgeschlossen sind, bestand ein Regelungsbedarf dahin, diese betragsunabhängige Leistung, soweit sie eine besondere Leistung i.S. des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 ist, nicht den generellen Exportverpflichtungen der VO zu unterwerfen (Art. 7 VO 883/2004) und nur spezielle Koordinierungs-regelungen für anwendbar zu erklären (so das Wohnortprinzip, Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004).
Ein Anordnungsanspruch folgt auch nicht aus § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II im Hinblick darauf, dass das Bundessozialgericht am 12. Dezember 2013 das Verfahren zum Az. B 4 AS 9/13 ausgesetzt und dem EuGH – im Hinblick auf § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II – diverse Fragen über die Auslegung der Verträge bzw. der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstiger Stellen der Union im Wege der so genannten Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) vorgelegt hat (so aber SG Berlin, Beschluss vom 11. Februar 2014 - S 144 AS 1681/14 ER – unveröffentlicht). Nach § 328 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III kann über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist. Für den Erlass eines vorläufigen Bescheides ist jedoch dann kein Raum mehr, wenn - wie hier - über den Leistungsanspruch endgültig - abschlägig - entschieden wurde (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Oktober 2012 – L 12 AS 691/11 –, juris; vgl. zum Ausschluss der Anwendung einer Vorschussregelung nach endgültiger Bescheidung auch: BayVGH vom 26.6.2002 – 12 CE 02.376). § 328 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB III i. V. m. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II stellt eine Regelung nur für den Zeitraum bis zur endgültigen Entscheidung der Behörde dar. Vorläufige Leistungsbescheide werden durch endgültige Leistungsbescheide ersetzt und erledigen sich hierdurch auf sonstige Weise im Sinn von § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 139/10 R m.w.N. - juris). Der Erlass eines vorläufigen Bescheides durch den Antragsgegner wäre nicht mehr rechtmäßig. Damit scheidet auch eine Verpflichtung durch das Gericht zu einer Leistungserbringung nach § 328 Absatz 1 Nr. 1 SGB III aus.
Einer Beiladung des Trägers der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – bedurfte es nicht, da ein Anspruch gegen diesen nicht in Betracht kam. Der Antragsteller ist als Erwerbsfähiger von den Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, die hier allein Streitgegenstand sind, ausgeschlossen (vgl. Beschluss des Senats vom 05. Februar 2013 – L 20 AS 199/13 B ER, L 20 AS 197/13 B PKH –, juris).
Art 1. Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 3 Grundgesetz wird durch das gefundene Ergebnis nicht verletzt. Der Staat ist zwar verpflichtet, dem mittellosen Bürger die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern. Dabei ist dem Gesetzgeber allerdings im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang Fürsorgeleistungen unter Berücksichtigung vorhandener Mittel gewährt werden können, ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 29.05.1990, Az. 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 80 f = SozR 3-5870 § 10 Nr 1 S 5 f). Danach ist nicht zu beanstanden, wenn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für arbeitsuchende Unionsbürger europarechtskonform nicht gewährt werden und diese damit auf die Inanspruchnahme entsprechender Leistungen in ihrem Heimatland verwiesen werden (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Februar 2010 – L 15 AS 30/10 B ER –, juris). Insoweit unterscheidet sich dieser Personenkreis auch von den Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, deren Ausreise trotz vollziehbarer Ausreisepflicht nicht durchgesetzt werden kann.
Der Senat verkennt nicht, dass der Antragsteller trotz rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet keinen Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II hat und daher auch sein Freizügigkeitsrecht tatsächlich nicht mit Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II wahrnehmen kann. Dies ist jedoch – wie dargestellt – mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Inwieweit unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben der Zugang zur Übernahme von Reise und Verpflegungskosten zur Existenzsicherung (vgl. hierzu BVerfG v. 09.02.2001, 1 BvR 781/98, juris zu § 120 Abs. 5 BSHG) im bundesdeutschen Recht gewährleistet sein muss, um die Inanspruchnahme von Leistungen im Heimatland zu ermöglichen (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg v. 11.03.2013 – L 31 AS 318/13 B ER – juris) und ggf. eine einschränkende Auslegung von Leistungsausschlüssen im Recht der existenzsichernden Leistungen geboten ist, war nicht zu entscheiden, da der Antragsteller solche Leistungen nicht beantragt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2014 ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu Unrecht vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit ab Zustellung des Beschlusses (18. Februar 2014) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - zu gewähren.
Der rumänische Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§§ 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -).
Ein Anordnungsanspruch aus den §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) scheitert bereits daran, dass der Antragsteller dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterliegt.
Danach sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich nicht aus § 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU u. a. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen (Nr. 1) oder Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige) (Nr. 2). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge 2009 zur Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er ist weder selbständig tätig noch übt er eine abhängige Beschäftigung aus. Daher verbleibt allein ein Recht zum Aufenthalt zur Arbeitssuche, welches nicht zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II berechtigt.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen ausgenommen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ein anderes als dem Zweck der Arbeitsuche dienendes Aufenthaltsrecht hat.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist als geltendes Recht auch anzuwenden (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG). Der Senat ist von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1. Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht überzeugt. Nur eine solche Überzeugung könnte ihn ausnahmsweise berechtigen, dieses formelle Gesetz nicht anzuwenden. Anders als in Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG, bei denen ggf. eine Entscheidung aufgrund einer Interessenabwägung zu treffen ist (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13. März 1996 – 7 NC 147.95, NVwZ 1996, 1239; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 10. März 2010 – 12 ME 176/08, NuR 2010, 290, und vom 5. Januar 2011 – 1 MN 178/10, BauR 2010, 990), sind die Gerichte im Rahmen des § 86b Abs. 2 SGG grundsätzlich nicht berechtigt, formelle Gesetze als unwirksam zu behandeln. Dies gilt insbesondere, wenn das Gericht lediglich Zweifel an der Vereinbarkeit der Norm mit höherrangigem Recht hat (a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2011 – L 15 AS 188/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 30. November 2010 – L 34 AS 1501/10 B ER –, vom 17. Mai 2011 – L 28 AS 566/11 B ER –, vom 20. Juni 2011 – L 25 AS 535/11 B ER – und vom 30. September 2011 – L 14 AS 1148/11 B ER, L 14 AS 1152/11 B PKH; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Dezember 2010 – L 16 AS 767/10 B ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Juli 2011 – L 7 AS 107/11 B ER). Nur ausnahmsweise, wenn das Gericht von der Europarechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Norm überzeugt ist und zudem die Durchsetzung der Ansprüche der Erinnerungsführer endgültig versagt würde, kommt Art. 19 Abs. 4 GG Vorrang vor Art. 20 Abs. 3 GG zu mit der Folge, dass ausnahmsweise eine einstweilige Anordnung ergehen kann. Diese setzt jedoch eine ansonsten abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage auch im Eilverfahren voraus (OVG Berlin-Brandenburg v. 18.03.2013 – OVG 12 S 14.13, juris, Rn. 5f.); für eine "Folgenabwägung" ist hingegen kein Raum (so im Ergebnis auch SG Dresden, Beschluss vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER). Eine Überzeugung von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II lässt sich den vorgenannten Entscheidungen der Landessozial-gerichte nicht entnehmen. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof durch ein Landessozialgericht ist nicht bekannt. Auch der Senat kann eine solche Überzeugung nicht gewinnen.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist nicht schon wegen des Gleichbehandlungsgebots des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) unanwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 14/10 R). Der Antragsteller ist nicht vom Schutzbereich des EFA erfasst, weil Rumänien dieses Abkommens bislang nicht ratifiziert hat.
Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG – sog. Unionsbürgerrichtlinie – gedeckt ist, soweit Leistungen zum Lebensunter-halt begehrt werden (so auch Peters in Estelmann, SGB II, § 7 Rn. 14, und mit zutreffenden Erwägungen LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 8. Juni 2009 – L 34 AS 790/09 B ER –; inzwischen hat dieser Senat seine Rechtsprechung allerdings aufgegeben, Beschluss vom 30. November 2011 – L 34 AS 1501/10B ER, L 34 AS 1518/10 B PKH). Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens zu gewähren. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie bestimmt, dass auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden darf, wenn die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II beruht auf diesen europarechtlichen Bestimmungen (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 13). Der Senat hat auch keine Bedenken, die vorliegend erstrebten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie anzusehen. Die Frage, welche Leistungen unter diesen Sozialhilfebegriff fallen, ist im Einklang mit Art. 39 Abs. 2 des EG-Vertrags (EGV) zu beantworten (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras, Koupatantze, C 22-/08 und C 23/08). Nach Art. 39 Abs. 2 EGV umfasst die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die nach Art. 39 Abs. 1 EGV gewährleistet wird, die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Vor dem Hintergrund dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es nicht mehr möglich, Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, von finanziellen Leistungen auszunehmen, sofern diese den Zugang zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates erleichtern sollen (EuGH, Urteile vom 23. März 2004, Collins, C-138/02, und vom 15. September 2005, Ioannidis, C-258/04). Es kann dahin stehen, dass Rumänen gemäß § 1 Abs. 3 EU-Beitrittsvertrag in Verbindung mit dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 7. Dezember 2011 noch bis zum 31. Dezember 2013 in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt waren, da es sich bei den von dem Antragsteller beantragten Leistungen ohnehin nicht um finanzielle Leistungen handelt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, sondern um staatliche Fürsorgeleistungen, die der Existenzsicherung dienen. Es ist Sache der nationalen Behörden und innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistungen zu prüfen (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras, Koupatantze, C 22-/08 und C 23/08). Grundlegendes Merkmal der von dem Antragsteller begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist deren "Passivität", das heißt deren Existenz sichernde Funktion (vgl. zum Charakter des SGB II als Fürsorgegesetz BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R); er begehrt hingegen nicht "aktive" Leistungen der Eingliederung in Arbeit (vgl. zur Trennbarkeit der Leistungen im SGB II auch ausführlich SG Berlin, Urteil vom 16. Dezember 2011 – S 26 AS 10021/08; Beschluss des SG Dresden vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER; LSG Berlin-Brandenburg, 34. Senat, a. a. O.; a.A. LSG Rheinland-Pfalz v. 21.08.2012, L 3 AS 250/12 B ER, Juris allerdings mit dem Ergebnis, dass bei der Anwendung des Art 24 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie bezogen auf einen Leistungsanspruch nach dem SGB II eine tatsächlichen Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt in der Person des Erinnerungsführers vorliegen muss). Die Regelungen des SGB II führen die frühere Arbeitslosenhilfe einerseits und die frühere Sozialhilfe andererseits zusammen (BT-Drs. 15/1516, S. 44). Das bisherige Nebeneinander von zwei staatlichen Fürsorgeleistungen sollte beendet, der Grundsatz "Arbeit statt passiver Leistung" besser umgesetzt werden (a. a. O.). Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit werden aber weiterhin als aktive Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und als passive Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht (a. a. O., S. 50). Während die aktiven Leistungen den Erwerbsfähigen bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen sollen, sollen die passiven Leistungen den Lebensunterhalt des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können (a. a. O.). Dass die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II bei "Erwerbsfähigkeit" erbracht werden, führt nicht schon zu der Annahme, dass es sich um Leistungen handelt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (in diese Richtung aber wohl BSG v. 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R -, juris, Rn. 25). Die "Erwerbsfähigkeit" schließt die Annahme einer Fürsorgeleistung nicht aus, da sie, was die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II anbelangt, lediglich zu einer anderen Zuständigkeit für die Leistung führt, die sich ansonsten qualitativ nicht von den (Fürsorge-)Leistungen für Nichterwerbsfähige nach dem SGB XII unterscheiden. So sind im Übrigen auch Grundsicherungsleistungen für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu leisten, was verdeutlicht, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts jedenfalls nicht über eine vorausgesetzte Erwerbsfähigkeit als "Zugangsleistungen" zum Arbeitsmarkt zu qualifizieren sind. Der Antragsteller begehrt allein Leistungen, die der Existenzsicherung dienen, und damit Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie. Dabei können nationale Regelungen vorsehen, dass die Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger, die wirtschaftlich nicht aktiv sind, von dem Erfordernis eines rechtmäßigen Aufenthalts abhängig gemacht werden (EUGH, Urteil vom 19.09.2013, Brey, C-140/12, Rn.44). Die Regelungen der Richtlinie 2004/38 sollen das Freizügigkeitsrecht erleichtern und verstärken. Sie lassen es grundsätzlich zu, das Aufenthaltsrecht bei unangemessener Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen einzuschränken (EUGH, aaO., Rn. 55, 57). Die Frage, ob das nationale Recht die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen beschränken darf, wird von den Regelungen jedoch nicht erfasst. Art. 7 Abs. 1 Buchst. B der Richtlinie 2004/38/EG schließt nach der neuesten Rechtsprechung des EUGH (a.a.O. Rn 72) lediglich nationale Regelungen aus, die das Aufenthaltsrecht selbst ausschließen, ohne dass die zuständigen nationalen Behörden befugt sind, zu prüfen ob die Gewährung von Sozialhilfeleistungen im Einzelfall das nationale Sozialhilfesystem des Aufnahmestaates unangemessen belastet. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II knüpft aber an den Zweck des bestehenden Aufenthaltsrechts an und hängt nicht von einem Aufenthaltsrecht in Abhängigkeit ausreichender eigener Existenzmittel ab (vgl. hierzu EUGH, aaO., Rn. 80).
Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass sich eine Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aus einem Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – VO 883/2004 – ergibt. Es werden zwar Zweifel erhoben, ob der Leistungsausschluss im SGB II mit der VO 883/2004 vereinbar ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2011 – L 14 AS 1148/11 B ER, L 14 AS 1152/11 B PKH; SG Dresden, Beschluss vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER). Der Senat hält die Annahme der Unvereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aber nicht für zwingend.
Die VO 883/2004 sichert den Unionsbürgern, die von der Arbeitnehmer-freizügigkeit Gebrauch machen, die Beibehaltung eines Anspruchs auf bestimmte Sozialleistungen, die im Herkunftsland gewährt wurden und trifft daher Regelungen zur Exportierbarkeit von Leistungen (EUGH, Urteil vom 19.09.2013, Brey, C-140/12, Rn.52, 57). Art. 4 der VO 883/2004 bestimmt dabei auch, dass Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats haben wie die Staatsangehörigen dieses Staats, soweit mit der VO nichts anderes bestimmt ist. Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung erstreckt sich gemäß Art. 2 Abs. 1 u. a. auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der sachliche Geltungsbereich gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. h) auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Während Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 die Anwendbarkeit der VO auf die Systeme der sozialen Sicherheit regelt und damit diese einer Exportpflicht unterwirft, regelt Art. 3 Abs. 5 Lit. a) VO 883/2004 den Ausschluss der Fürsorgeleistungen vom Anwendungsbereich der VO und damit von der Exportpflicht. In Reaktion auf Ausgestaltungen von Sozialleistungssystemen in den Mitgliedsstaaten, die die Kategorisierung von Leistungen in solche der sozialen Sicherung einerseits und Leistungen der Fürsorge andererseits erschwerten und aufgrund der Rechtsprechung des EuGH wurde bereits mit Art. 10a Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 eine Regelung geschaffen, die für etwaige "Mischleistungen", nämlich für besondere beitragsunabhängige Leistungen, eine Ausnahme von der generellen Exportpflicht (Art. 10 Abs. 1 VO 1408/71) vorsah. Für diese Leistungen, sofern sie denn als beitragsunabhängige Sonderleistungen von den Koordinierungsregelungen der VO erfasst waren, sollte der Leistungstransfer in das europäische Ausland ausgeschlossen werden. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises war damit nicht verbunden; bereits Art 10a Abs. 1 Satz 2 VO 1408/71 bestimmte, dass die Leistungen ausschließlich im Wohnmitgliedsstaat und ausschließlich nach dessen Rechtsvorschriften erbracht werden.
Auch nach Art. 3 Abs. 3 VO 883/2004 gilt nunmehr die (Nachfolge-)Verordnung ausdrücklich auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Art. 70. Als solche Leistungen sind gemäß Art. 70 Abs. 2 lit. c) i. V. m. Anhang X für Deutschland auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 SGB II) erfüllt sind, aufgeführt. Dies führt jedoch nicht zu der Annahme eines grundsätzlichen Anspruchs aller Unionsbürger auf scheinbar alle Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Art. 4 VO 883/2004 bestimmt den Gleichbehandlungsgrundsatz sofern in der VO selbst nichts anderes bestimmt ist. Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004 regelt, dass die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnortlandes geleistet werden. Hier können Zugangsregelungen geschaffen werden. Eine Ausweitung der grundsätzlichen Leistungsberechtigungen der beitragsunabhängigen Leistungen nach nationalem Recht für alle Unionsbürger war auch mit der Regelung des Art. 70 VO 883/2004 nicht bezweckt. Dieses Verständnis entspricht der historisch-systematischen sowie teleologischen Auslegung. Die Unionsbürgerrichtlinie, die in Art. 24 Abs. 2 die Möglichkeit eines Leistungsausschlusses eröffnet, und die VO 883/2004, wonach der vorgenannte Leistungsausschluss gerade nicht möglich sein soll, datieren auf denselben Tag, nämlich den 29. April 2004. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Europäische Parlament und der Rat sich widersprechende Regelungswerke in Kraft setzen wollten (vgl. zu den "Widersprüchlichkeiten" SG Dresden, a. a. O., das allerdings deshalb zu dem Schluss der Unvereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit der VO 883/2004 kommt). Dies gilt umso mehr, als mit der VO 883/2004 die Koordinierung der Sozialsysteme, aber gerade nicht die Vereinheitlichung der materiellen Standards bezweckt war (vgl. Schreiber in VO (EG) Nr. 883/2004, Kommentar, 2012, Einleitung Rn. 5), eine Aushöhlung der Möglichkeit des mitgliederstaatlichen Leistungsausschlusses auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie durch die Regelungen in VO 883/2004 also nicht beabsichtigt gewesen sein dürfte. Nach dem bisherigen materiellen Standard, der in der Verordnung (EG) Nr. 1408/71, die durch Art. 90 der VO 883/2004 überwiegend aufgehoben wurde, abgebildet ist, waren nicht auch Arbeitssuchende vom persönlichen Anwendungsbereich erfasst (Art. 2 VO 1408/71; vgl. hierzu Schreiber, a. a. O. Art. 70 Rn. 5; LSG Rheinland-Pfalz v. 21.08.2012, L 3 AS 250/12 B ER, Juris, Rn. 26). Da die VO 883/2004 Regelungen zum Leistungsexport bestimmt, wäre eine nationale Regelung, die einen Exportausschluss vorsieht, an den Vorgaben der VO zu messen. Die Regelung des § 7 SGB II betrifft nicht die Exportierbarkeit von Leistungsansprüchen.
Mit der Aufnahme der Leistungen zur Sicherung der Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende in den zuvor leeren Anhang X der VO 883/2004 mit der Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 ist auch keine Abkehr vom bisherigen materiellen Standard erfolgt, sondern auf die Einführung dieser Leistungen und der Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - SGB XII - reagiert und sichergestellt worden, dass diese Leistungen - soweit sie die weiteren Voraussetzungen des Art. 70 Abs. 2 VO 883/04 erfüllen, also "Mischleistungen" sind - nicht dem generellen Exportgebot unterfallen, sondern nur in Deutschland erbracht werden (hierzu ausführlich: LSG Rheinland-Pfalz v. 21.08.2012, L 3 AS 250/12 B ER, Juris, Rn. 24). Soweit es sich bei den Leistungen nach dem SGB II nicht um "besondere beitragsunabhängige" i.S. des Art. 70 Abs. 2 VO 883/04 handelt, sie reine Fürsorgeleistungen sind, sind sie weiterhin bereits nach Art 3 Abs. 5 VO 883/04 nicht von den Koordinierungsvorschriften erfasst.
Die Leistungen nach dem SGB II sind mit Aufnahme im Anhang X als insoweit besondere beitragsunabhängige Leistungen im Sinne des Art. 70 VO 883/2004 qualifiziert, als sie – nach den vorstehenden Ausführungen – Leistungen der sozialen Fürsorge darstellen und eine Leistung der Sozialen Sicherheit ersetzen oder ergänzen. Die Leistungen nach §§ 19 ff. "ergänzen" nicht Leistungen der sozialen Sicherheit (vgl. hierzu Fuchs, in Europäisches Sozialrecht, 5. Auflage 2010, Rn. 11), da sie nicht zusammen mit einer der von Art. 3 Abs. 1 VO 883/04 erfassten Leistung erbracht werden (hier Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III -). Die Leistungen der §§ 19 ff. SGB II ersetzen auch nicht in jeder Leistungsform eine Leistung der Sozialen Sicherheit im Sinne des Art. 3 VO 883/04, hier eine Leistung bei Arbeitslosigkeit. Ersatzweise i.S. Art. Abs. 2 VO 883/04 werden solche Leistungen gewährt, die anstelle von Regelleistungen in Versicherungsfällen nach Art. 3 Abs. 1 VO 883/04 gewährt werden, es muss ein "exakt identischer Versicherungsfall" (Fuchs, a.a.O.) gegeben sein. Dies ist in den Fällen, in denen das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II, welches nicht an die Arbeitslosigkeit, sondern an die Bedürftigkeit mangels Einkommens und Vermögens trotz bestehender Erwerbsfähigkeit anknüpft, jedenfalls dann nicht gegeben, wenn der reine Fürsorgecharakter der Leistung im Vordergrund steht, d.h. kein Bezug zu einem vorausgegangenen Verlust eines Arbeitsplatzes gegeben ist.
Ob die hier in Rede stehenden Leistungen der §§ 19 ff. SGB II insgesamt tatsächlich besondere beitragsunabhängige Sonderleistungen oder nicht doch insgesamt Leistungen der sozialen Fürsorge sind, wäre ggf. vom EuGH zu überprüfen (vgl. hierzu Schreiber a. a. O., Art. 70 Rn. 22). § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II regelt jedenfalls allein einen Ausschluss von reinen Fürsorgeleistungen i.S. des Art. 3 VO 883/2004. Die so verstandene Regelung der Art. 3 Abs. 3, Art. 70 VO 883/2004 führt auch nicht zu der Annahme, dass die Aufnahme der Leistungen der Grundsicherung nach §§ 19 ff. SGB etwa ins Leere läuft. Da Unionsbürger nicht generell vom Leistungsbezug nach §§ 19 ff. SGB II ausgeschlossen sind, bestand ein Regelungsbedarf dahin, diese betragsunabhängige Leistung, soweit sie eine besondere Leistung i.S. des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 ist, nicht den generellen Exportverpflichtungen der VO zu unterwerfen (Art. 7 VO 883/2004) und nur spezielle Koordinierungs-regelungen für anwendbar zu erklären (so das Wohnortprinzip, Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004).
Ein Anordnungsanspruch folgt auch nicht aus § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II im Hinblick darauf, dass das Bundessozialgericht am 12. Dezember 2013 das Verfahren zum Az. B 4 AS 9/13 ausgesetzt und dem EuGH – im Hinblick auf § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II – diverse Fragen über die Auslegung der Verträge bzw. der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstiger Stellen der Union im Wege der so genannten Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) vorgelegt hat (so aber SG Berlin, Beschluss vom 11. Februar 2014 - S 144 AS 1681/14 ER – unveröffentlicht). Nach § 328 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III kann über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist. Für den Erlass eines vorläufigen Bescheides ist jedoch dann kein Raum mehr, wenn - wie hier - über den Leistungsanspruch endgültig - abschlägig - entschieden wurde (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Oktober 2012 – L 12 AS 691/11 –, juris; vgl. zum Ausschluss der Anwendung einer Vorschussregelung nach endgültiger Bescheidung auch: BayVGH vom 26.6.2002 – 12 CE 02.376). § 328 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB III i. V. m. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II stellt eine Regelung nur für den Zeitraum bis zur endgültigen Entscheidung der Behörde dar. Vorläufige Leistungsbescheide werden durch endgültige Leistungsbescheide ersetzt und erledigen sich hierdurch auf sonstige Weise im Sinn von § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 139/10 R m.w.N. - juris). Der Erlass eines vorläufigen Bescheides durch den Antragsgegner wäre nicht mehr rechtmäßig. Damit scheidet auch eine Verpflichtung durch das Gericht zu einer Leistungserbringung nach § 328 Absatz 1 Nr. 1 SGB III aus.
Einer Beiladung des Trägers der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – bedurfte es nicht, da ein Anspruch gegen diesen nicht in Betracht kam. Der Antragsteller ist als Erwerbsfähiger von den Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, die hier allein Streitgegenstand sind, ausgeschlossen (vgl. Beschluss des Senats vom 05. Februar 2013 – L 20 AS 199/13 B ER, L 20 AS 197/13 B PKH –, juris).
Art 1. Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 3 Grundgesetz wird durch das gefundene Ergebnis nicht verletzt. Der Staat ist zwar verpflichtet, dem mittellosen Bürger die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern. Dabei ist dem Gesetzgeber allerdings im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang Fürsorgeleistungen unter Berücksichtigung vorhandener Mittel gewährt werden können, ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 29.05.1990, Az. 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 80 f = SozR 3-5870 § 10 Nr 1 S 5 f). Danach ist nicht zu beanstanden, wenn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für arbeitsuchende Unionsbürger europarechtskonform nicht gewährt werden und diese damit auf die Inanspruchnahme entsprechender Leistungen in ihrem Heimatland verwiesen werden (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Februar 2010 – L 15 AS 30/10 B ER –, juris). Insoweit unterscheidet sich dieser Personenkreis auch von den Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, deren Ausreise trotz vollziehbarer Ausreisepflicht nicht durchgesetzt werden kann.
Der Senat verkennt nicht, dass der Antragsteller trotz rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet keinen Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II hat und daher auch sein Freizügigkeitsrecht tatsächlich nicht mit Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II wahrnehmen kann. Dies ist jedoch – wie dargestellt – mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Inwieweit unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben der Zugang zur Übernahme von Reise und Verpflegungskosten zur Existenzsicherung (vgl. hierzu BVerfG v. 09.02.2001, 1 BvR 781/98, juris zu § 120 Abs. 5 BSHG) im bundesdeutschen Recht gewährleistet sein muss, um die Inanspruchnahme von Leistungen im Heimatland zu ermöglichen (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg v. 11.03.2013 – L 31 AS 318/13 B ER – juris) und ggf. eine einschränkende Auslegung von Leistungsausschlüssen im Recht der existenzsichernden Leistungen geboten ist, war nicht zu entscheiden, da der Antragsteller solche Leistungen nicht beantragt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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