S 14 AS 444/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 444/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 11.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 wird aufgehoben. Der Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, der in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Sohn F. I., geb. am 00.00.00, lebenden Klägerin ab November 2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende – unter An-rechnung von Einkommen aus Zuwendungen des Herrn T. I. in Höhe von 300 EUR monatlich für sie persönlich sowie weiterer anzurechnender Einkünfte – nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Anspruchsberechtigung der Klägerin auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) ab November 2012.

Die Klägerin ist seit Juli 2009 arbeitssuchend. Bis dato arbeitete sie als Bürokauffrau. Sie stand bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin seit Beginn des Jahres 2010 überwiegend in Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

Die Klägerin ist seit ca. sieben Jahren mit Herrn T.I. bekannt. Seit ca. fünf Jahren verkehrt sie mit ihm im Rahmen einer Liebesbeziehung auch geschlechtlich. Gleichwohl Herr I. in Geilenkirchen mit seiner Ehefrau und drei gemeinsamen minderjährigen Kindern zusam-men lebt, hält er sich mindestens seit Beginn des Jahres 2012 zeitweise auch in der Wohnung der Klägerin in I. auf, in der er für gewöhnlich zwei bis drei Mal in der Woche übernachtet und persönliche Gegenstände vorhält. Mitte 2012 heirateten Herr I. und die Klägerin in der Moschee. In einer muslimischen Glaubenshaltung betrachtet Herr I. die Klägerin als seine "Zweitfrau". Nachdem Versuche scheiterten ein gemeinsames Kind auf natürlichem Wege zu zeugen, ließen die Klägerin und Herr I. letztlich eine künstliche Befruchtung durchführen. Die Kosten dafür trug Herr I., der nach der Geburt des Kindes E. I. (00.00.00) die Vaterschaft anerkannte. Bei laufenden Kreditraten aus – zu Zeiten der Erwerbstätigkeit abgeschlossenen - Kon-sumentenkrediten von deutlich über 200 EUR monatlich, erhielt die Klägerin zumindest seit dem Jahr 2011 bis zum Spätsommer 2013 unregelmäßig Geldbeträge von Bekannten.

Der Beklagte erlangte im Rahmen eines Hausbesuches am 16.02.2012 Kenntnis von einer Beziehung zwischen der Klägerin und Herrn I ... Aufgrund eines Änderungsbe-scheides vom selben Tag gewährte er der Klägerin daraufhin ab März 2012 laufende Leistungen zunächst nur noch unter Anrechnung eines "fiktiven" Einkommens von 500 EUR aus Unterstützungsleistungen des Herrn I. (vorläufig). Im weiteren Verlauf monierte die Klägerin diese Anrechnung. Ihr Freund unterstütze sie nicht, sonst würde sie keine Schulden machen. Sie könne Verbindlichkeiten wie Miete, Stromkosten und Kredite infolge der Einkommensanrechnung nicht mehr begleichen und müsse sich erneut Geld von Bekannten leihweise zur Verfügung stellen lassen.

Im Mai 2012 stellte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag beim Beklagten in dem sie jed-wedes Einkommen verneinte.

Mit Bescheid vom 09.05.2012 wurden ihr weiterhin (vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Anrechnung von 500 EUR Einkommen aus Zuwendungen des Freundes für die Zeit von Mai bis Oktober 2012 gewährt.

Im Juni 2012 erhielt der Beklagte Kenntnis von der Schwangerschaft der Klägerin und der durchgeführten Insamination.

Ab Juli 2012 wandte die Klägerin sich, nunmehr anwaltlich vertreten, erneut gegen die Einkommensanrechnung von 500 EUR, jedoch bei zunächst insoweit bestandskräftiger Be-scheidung. Im September 2012 wurde der Klägerin wegen Zahlungsrückständen bei mo-natlichen Mietzinsverpflichtungen von 460 EUR inklusive aller Nebenkosten fristlos ihre Wohnung in der Sstraße 00 in I. gekündigt.

Am 30.10.2012 stellte die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag beim Beklagten für Leistungen ab November 2012 - weiterhin unter Verneinung jedweden Einkommens. Unter dem 07.11.2012 lud der Beklagte die Klägerin zu einem Gesprächstermin. Der Beklagte sah Gesprächsbedarf zur Abklärung der Lebenssituation der Klägerin, insbesondere im Hinblick auf ein eventuelles Zusammenleben der Klägerin mit Herrn I. Zugleich forderte er sie auf, Kontoauszüge der letzten 6 Monate vorzulegen. Weiter anwaltlich vertreten legte die Klägerin im November 2012 Auszüge ihres Girokontos bei der U. Bank vor. Am 10.12.2012 sprach sie persönlich beim Beklagten vor, weigerte sich jedoch nähere Auskünfte zu ihren Lebensumständen zu machen und zu erläutern, woher etwa Gelder für zwischenzeitlich geleistete Mietzahlungen stammten.

Ende des Jahres 2012 drohte die Stromversorgung der Klägerin in Folge von Zahlungs-rückständen eingestellt zu werden. Nachdem die erste fristlose Kündigung im September 2012 offenbar durch fremdfinanzierte Nachzahlungen rückgängig gemacht werden konnte, wurde das Wohnraummietverhältnis der Klägerin unter dem 29.01.2013 erneut fristlos gekündigt. In einem Zahlungs- und Räumungsklageverfahren ist die Klägerin im Laufe des hiesigen Verfahrens vom Amtsgericht F. verurteilt worden, wohnt aber bis zum Entscheidungstag im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren – seit dessen Geburt gemeinsam mit ihrem Sohn – weiterhin in der o. a. Wohnung in Hückelhoven.

Mit Bescheid vom 11.01.2013 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag der Klägerin vom 30.10.2012 ab. Es sei davon auszugehen, dass der leistungsrechtliche Bedarf der Kläge-rin gedeckt sei. So ergäben sich – dies trifft tatsächlich zu - aus den vorgelegten Konto-auszügen keinerlei Barabhebungen für die Anschaffung von Lebensmitteln und auch keine Abbuchungen von Lebensmitteldiscountern. Auch werde keine Miete von diesem Konto bezahlt, gleichwohl die Miete jedenfalls bis einschließlich Oktober letztlich gezahlt worden sei. Hinzu träte, dass – insbesondere mit Blick auf das gemeinsame, durch künstliche Befruchtung gezeugte – Kind eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft mit Herrn I. bestehe. Es sei davon auszugehen, dass Herr I. über Einkommen/ Vermögen verfüge, aus dem er die Klägerin tatsächlich unterstütze. Darauf deute die Übernahme der Kosten für die künstliche Befruchtung und die Anerkennung der Vaterschaft des gemeinsamen Kindes.

Dagegen legte die Klägerin am 25.01.2013 über ihren Bevollmächtigen Widerspruch ein. Herr I. übernehme zwar Verantwortung für das gemeinsame Kind mit der Klägerin, unter-halte jedoch keinen gemeinsamen Wohnsitz mit der Klägerin und dem gemeinsamen Kind. Herr I. lebe vielmehr in H. mit seiner Ehefrau und drei gemeinsamen minderjährigen Kindern in einer Eigentumswohnung. Er unterstütze die Klägerin persönlich nicht nennenswert (über gelegentliche Einkäufe hinaus). Diese habe die letzten Monate nur überleben können, weil ein Freund der Familie (S. E. (S)) sie mit Privatkrediten unterstützt habe.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 03.04.2013 aus den Gründen der Ausgangsentscheidung zurück. Es verblieben erhebliche Zweifel an der Hilfebe-dürftigkeit.

Dagegen hat die Klägerin am 30.04.2013 Klage erhoben. Sie habe sich zuletzt mehr oder minder bei Freunden und Bekannten mitversorgt und das Notwendigste zur einen oder anderen Mietzins- oder Stromkostenzahlung geliehen. Hier hülfen Herr S. E. (S) und Herr L. aus. Die Klägerin hat dem Gericht eine eidesstattliche Versicherung übersendet: Sie sei völlig mittellos und derzeit ohne Krankenversicherungsschutz.

Die Klägerin beantragt über ihren Bevollmächtigten,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11.01.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2013 dem Grunde nach zu verpflichten, der Klägerin für die Zeit ab 01.11.2012 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in maßgeblicher Höhe zu zahlen.

Die Vertreterin des Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die tragenden Gründe der angefochtenen Verwaltungsentscheidun-gen. Die Klägerin bilde mit Herrn I. eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Daher sei Einkommen des Herrn I. auf den Bedarf der Klägerin anzurechnen.

Im Rahmen eines im Juni 2013 eingeleiteten parallelen Eilverfahrens (S 14 AS 594/13 ER) hat sich die Beklagte – nach durchgeführter Beweiserhebung des Gerichts durch Vernehmung des Zeugen I. - letztlich zu vorläufigen Leistungen ab Juni 2013, unter Ein-beziehung des Herrn I. in die Bedarfsgemeinschaft, bereit erklärt. Diese Akte hat das Ge-richt beigezogen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S., L. und I ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 18.02.2014 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte des Verfahrens S 14 AS 594/13 ER verwiesen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Ge-genstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin ist in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG verletzt. Der Ableh-nungsbescheid vom 11.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2013 ist rechtswidrig. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab November 2012.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunter-haltes nach dem SGB II Personen, die (1) das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, (2) erwerbsfähig sind, (3) hilfebedürftig sind und (4) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Während die Anspruchsvoraussetzungen (1), (2) und (4) nicht in Zweifel stehen ist zwischen den Beteiligten die Frage der Hilfebedürftigkeit der Klägerin streitig.

Die Klägerin ist hilfebedürftig. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist dies, wer seinen Lebensun-terhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs. 2 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch Ein-kommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

I. Die Klägerin bildet ab der Geburt ihres Sohnes F-T I. am 31.12.2012 mit ausschließlich mit diesem eine Bedarfsgemeinschaft. Das Einkommen des Herrn I.ist daher nicht auf den Bedarf der Klägerin anrechenbar.

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 lit. a), c) als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte bzw. eine Person, die mit der erwerbsfähigen Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Ein wechselseitiger Wille Verantwortung für einander zu tragen und für einander einzustehen wird gemäß § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn Partner 1. länger als ein Jahr zusammenleben, 2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, 3. Kinder oder angehörige im Haushalt versorgen oder 4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen.

§ 7 Abs. 3 Nr. 3 a) bzw. c) SGB II normieren für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft danach drei Voraussetzungen, die je kumulativ vorliegen müssen: Es muss sich in jedem Fall 1. um Partner handeln, die 2. Ehegatten sind (lit a) bzw. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben (lit. c) und 3. Nicht dauernd getrennt leben (lit. a) bzw. der Gestalt zusammenleben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (lit. c).

Vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R; Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 06.06.2013 – L 7 AS 914/12, juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 7.1.2011 - L 7 AS 115/09, juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 9.12.2009 - L 16 AS 779/09 B ER, juris.

In Bezug auf § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c) handelt es sich bei den Kriterien zu 1. und 2. (Part-nerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt) um objektive Tatbe-standsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II kumulativ zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Partnerschaft und Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt sind zugleich Anknüpfungspunkte der Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II.

Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 7 Rn. 31b.

Die subjektive Seite, dass die in einem Haushalt zusammenlebendenden Partner auch den gemeinsamen Willen füreinander Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen haben müssen, wird nach § 7 Abs 3a SGB II bei positiver Feststellung einer der dort aufgezählten vier Fälle - die ebenso wie die beiden objektiven Kriterien von Amts wegen ermittelt werden müssen (§ 20 SGB X bzw § 103 SGG) - allerdings vermutet. Es obliegt dann dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, diese Vermutung zu widerlegen. § 7 Abs. 3a SGB II regelt mithin (nur) die subjektive Voraussetzung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft und gibt mit den dort aufgezählten, nicht abschließenden (BT-Drucks 16/1410, 19) Fallgestaltungen Indizien für eine gesetzliche Vermutung von Tatsachen vor, mit deren Hilfe auf den inneren Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, geschlossen werden kann.

Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass ein wechselseitiger Verantwortungswille zwischen dem Zeugen I. und der Klägerin anzunehmen ist. Während die Klägerin angegeben hat, sie wünsche sich ein gemeinsames Leben mit dem Zeugen I. und dem gemeinsamen Sohn als Familie, hat der Zeuge I. klar formuliert, er fühle sich für die Klägerin und den gemeinsamen Sohn grundsätzlich - auch finanziell - verantwortlich. Wenn die Klägerin ein Problem habe, sei es auch sein Problem, da sie für ihn als muslimischen Mann seine zweite Frau sei.

Jedoch, diese Umstände betreffen ausschließlich die subjektive, dritte Voraussetzung des § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c). Vorliegend scheitert die Annahme einer Bedarfsgemein-schaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II indes an der objektiven Voraussetzung des Vorlie-gens einer Partnerschaft im Sinne der Norm.

Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist unter Berücksichtigung der Recht-sprechung von Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und Bundessozialgericht (BSG) auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt.

BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3; BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R; BSGE 90, 90, 100 = SozR 3-4100 § 119 Nr 26, Rn 39.

Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw. Begründung einer Le-benspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz bestehen. Nicht durchgesetzt hat sich die Auffassung, in der Änderung des Wortlauts des § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. b) SGB II a. F. vom Tatbestandsmerkmal der "eheähnlichen Gemeinschaft" zum § 7 Abs. 3 Nr. 3 li. c) n. F. (Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft) mit Wirkung zum 01.08.2006 sei eine Abkehr des Erfordernisses einer inneren Bindung, die sich dadurch auszeichnet, dass daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art möglich ist, zu erkennen.

So noch LSG NRW, Urteil vom 25.03.2010 – L 7 AS 110/08; Beschluss vom 27.02.2008 – L 7 294/07 AS; SG Aachen, S 6 AS 5/07 ("polyandrische Beziehung"); Wolff-Dellen, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Auflage 2011, § 7, Rn. 28 f ...

Gesetzgeberisches Motiv für die Neufassung des § 7 Abs. 3 SGB II war, dass zuvor (nicht eingetragene) gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht als Bedarfs-gemeinschaft eingestuft werden konnten. Dem Gesetzgeber ging es also in erster Linie darum, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften den eheähnlichen Lebensgemeinschaften gleichzustellen und nicht, den Begriff der Bedarfsgemeinschaft auf jede Lebensgemeinschaft respektive Beziehung auszudehnen, bei der nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Der Gesetzgeber wollte damit die "Vorgaben" des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts umsetzten, hetero- und homosexuelle Partner einer Verantwortungsgemeinschaft gleichermaßen zu erfassen. Entsprechend findet in der Gesetzeshistorie der Begriff der "eheähnlichen Gemeinschaft" nach wie vor Verwendung.

Vgl. BT-Drs 16/1410, S. 16, 19.

Das SGB II knüpft insoweit weiterhin an die bisherige Rechtslage und Rechtsprechung zu § 193 Sozialgesetzbuch Drittes Buch bzw. § 137 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und § 122 Bundessozialhilfegesetz an. § 137 Abs 2a AFG regelte für den Bereich der Arbeitslosenhilfe vor Inkrafttreten des § 193 SGB III, dass Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, wie das Einkommen und Vermögen eines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG war eine eheähnliche Gemeinschaft i. S. des § 137 Abs. 2a AFG gegeben, wenn zwei miteinander nicht verheiratete Personen, zwischen denen die Ehe jedoch rechtlich grundsätzlich möglich ist, so wie ein nicht getrennt lebendes Ehepaar in gemeinsamer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben, sie also in Übereinstimmung einen gemeinsamen Haushalt so führen, wie es für zusammenlebende Ehegatten typisch ist.

BSG, Urteil vom 24.3.1988 - 7 RAr 81/86 - BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 § 138 Nr. 17; BSG, Urteil vom 26.4.1989 - 7 RAr 116/87.

Das Bundessozialgericht bezog sich hierbei (auch) auf die Vorschrift des früheren § 149 Abs. 5 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG, i.d.F. vom 23.12.1956, BGBl. I 1018 - Bekanntmachung der Neufassung vom 3.4.1957, BGBl. I 321 - § 141e Abs. 5 desselben Gesetzes i.d.F. vom 16.4.1956, BGBl. I 243), wonach im Rahmen der dortigen Bedürftigkeitsprüfung bei der Arbeitslosenhilfe ebenfalls das Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, in gleicher Weise zu berücksichtigen war wie das Einkommen und Vermögen des Ehegatten. Diese Vorschrift hatte das Bundesverfas-sungsgericht als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt und als wesentliches Ver-gleichselement darauf abgestellt, dass in der eheähnlichen Gemeinschaft wie in einer Ehe "aus einem Topf" gewirtschaftet werde.

BVerfG, Beschluss vom 16.12.1958 - 1 BvL 3/57, 4/57 und 8/58 - BVerfGE 9, 20 = SozR Nr 42 zu Art 3 GG; Zum Ganzen: BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 34/12 R –, BSGE 111, 250-257.

In der Anlehnung an das Wesen einer eheähnlichen Gemeinschaft, gemeinsam einen Haushalt so führen, wie es für zusammenlebende Ehegatten typisch ist, ist für das Bestehen einer Partnerschaft i. S. d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II damit neben einer entsprechenden inneren Bindung weiterhin (wiederrum kumulativ) prägend, dass eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine Lebensgemeinschaft gleicher Art daneben zulässt. So erhält die Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft verfassungsrechtlich gebotene Schärfe.

LSG NRW, Urteil vom 06.06.2013 – L 7 AS 914/12; aus der Lit.:; Hackethal in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 7, Rn. 56; Schoch, in: LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, § 7, Rn. 62 f.;Hänlein, in: Gagel, SGB II, § 7, Rn. 45 ("monogam"); zum verfassungsrechtlichen Hintegrund: Sauer, SGB II, 2011, § 7, Rn. 20 ff.; vgl., wenngleich kritisch: Wolff-Dellen, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Auflage 2011, § 7, Rn. 30.

Eine solche Ausschließlichkeit der Beziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen I. konnte die Kammer nicht erkennen. Vielmehr steht nach der insoweit glaubhaften Einlassung der Klägerin und der übereinstimmenden, glaubhaften Aussage des Zeugen I. sowohl im Verfahren S 14 AS 594/13 ER als auch in diesem Verfahren fest, dass der Zeuge I. sich in erster Linie seiner Ehefrau sowie den gemeinsamen drei Kindern verbunden und verpflichtet fühlt, mit denen er in der ehelichen Wohnung in H. zusammen lebt. Der Zeuge verbringt nicht nur den überwiegenden Teil der Zeit bei dieser Familie, er wendet seine finanziellen Mittel auch zuvörderst zur Bedarfsdeckung dieser auf. Als muslimischer Mann kann er nach seiner Überzeugung bis zu vier Frauen haben. Zwar sieht er sich grundsätzlich nach dem Koran dazu verpflichtet auch seine "Zweitfrau" finanziell zu unterstützen. Der Vorbehalt des Möglichen geht aber zu Lasten dieser. Auch wenn er mit der Klägerin seit ca. 5 Jahren auch geschlechtlich verkehrt und mit ihr bewusst ein gemeinsames Kind im Wege einer Insamination gezeugt hat, betrachtet er die Familie mit der Klägerin und dem gemeinsamen Sohn – trotz des vorhandenen Ve-rantwortungsgefühls – letztlich als zweitrangig. Diese Stufung hat Zeuge – dessen Aussage insoweit von großer Offenheit geprägt war – unmissverständlich auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er erklärt hat, die Klägerin sei sozusagen seine zweite Frau. Insofern sei hier zu Lande von einer "Freundin" zu sprechen. Sofern nicht bereits der bloße Umstand des Vorliegens einer islamischen Mehrehe eine Ausschließlichkeit im dargelegten Sinn verhindert, ein ehetypisches (eheähnliches) Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auf dem Hintergrund einer überwiegend christlich geprägten gesellschaftlichen Werteordnung also nicht bereits eine Monogamie einschließt, so gilt dies im Falle einer Polygamie mit abgestuftem Verantwortungsempfinden zweifelsfrei jedenfalls für "nachrangige" Beziehungen.

II. Der Hilfebedarf der Klägerin wird jedoch in Höhe von 300 EUR monatlich durch Zuwen-dungen des Zeugen I. gedeckt, die gem. §§ 9 Abs. 1, 11 Abs. 1 S. 1 SGB II zu berück-sichtigen sind. Diesen Wert hat die Kammer - möglichst realitätsnah – gem. § 202 SGG i. V. m. § 287 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) schätzen müssen, da eine konkret monetär bezifferbare Höhe der monatlichen Hilfestellung nicht aufzuklären gewesen ist.

Vgl. zur Schätzung: BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R, juris.

Sowohl den Umstand tatsächlicher Zuwendungen des Zeugen I. an die Klägerin an sich, als auch die Grundlage der Schätzung entnimmt die Kammer zunächst der Ein-lassung der Klägerin in der öffentlichen Sitzung vom 18.02.2014. Die Angaben der Klägerin zur Unterstützung durch den Zeugen I. waren zwar im Laufe des Verwal-tungs- und Gerichtsverfahrens nicht konsistent. So hat die Klägerin bei Antragstellung am 30.10.2012 jedwedes Einkommen – wahrheitswidrig – verneint und zeitweise angegeben, sie erhalte keine Unterstützung ihres Freundes. Zu anderen Gelegenheiten hat sie mitgeteilt, er unterstütze sie vereinzelt durch Übernahme einer Handy- oder Stromrechnung, da er bei seinen Besuchen auch Nebenkosten verbrauche oder erklärt, der Zeuge I. unterstütze sie, wenn es am Monatsende "eng werde". Auch gemeinsame, durch Herrn I. finanzierte Lebensmitteleinkäufe kleineren Umfanges hat die Klägerin gelegentlich eingeräumt. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass die Klägerin in der öffentlichen Sitzung in diesem Punkt zur Wahrheit gefunden hat. Auf Befragen des Vorsitzenden hat sie erklärt, sie schätze den monatlichen Betrag, den der Zeuge I. ihr seit November 2012 monatlich zum endgültigen Verbleib zur Verfügung stelle – sei es durch Begleichen von Strom- oder Handyrechnungen oder in bar - bei schwankenden Beträgen auf 100 bis 150 EUR monatlich. Auf weiteres Befragen hat sie erklärt, Ausgaben des Zeugen I. für Lebensmitteleinkäufe zu ihren Gunsten seien in diesem Betrag nicht enthalten. In den letzten beiden Monaten habe der Zeuge – bis auf eine Ausnahme – auch für sie persönlich Lebensmittel eingekauft bzw. derartige Einkäufe finanziert. Andere Güter – etwa Kleidung – finanziere Herr I. ihr jedoch nicht. Diese Einlassung deckt sich mit der Aussage des Zeugen I. Auch er hat seine monetären Aufwendungen für die Klägerin auf 100 bis 150 EURmonatlich geschätzt. Zudem bezahle er nach Kräften Einkäufe und andere Kleinigkeiten. Der Zeuge I. war für die Kammer auch deshalb glaubwürdig, weil er in keiner Wiese versucht hat sein Verantwortungsgefühl gegenüber der Klägerin zu relativieren. Sein religiös hinterlegtes Pflichtgefühl macht in Bezug auf eine finanzielle Versorgung der Klägerin dabei eine bewusste Untertreibung seiner pekuniären Anstrengungen unwahrscheinlich. Plausibel war, dass eine präzise Bezeichnung der Aufwendungen, auch der Höhe nach, sowohl der Klägerin als auch dem Zeugen I. nicht möglich war. Denn neben der wechselhaften und situations-abhängigen Art der finanziellen Hilfestellungen erschwert die nicht trennscharfe personelle Abgrenzung im Rahmen gemeinsamer Lebensmitteleinkäufe die be-tragsmäßige Zuordnung. Die Annahme höherer monatlicher Zuwendungen – insbesondere eine bedarfsdeckende Versorgung der Klägerin durch den Zeugen I. – ließ sich nach Ansicht der Kammer deshalb nicht darstellen, weil der Zeuge I. bei einem angegebenen monatlichen Nettoverdienst als Lagerarbeiter von 1300 bis 1440 EUR auch bei hinzutretenden Mieteinnahmen von monatlich ca. 400 bis 430 EUR und einem Nebenverdienst aus einer Tätigkeit als Sänger von durchschnittlich ca. 210 EUR monatlich bei drei minderjährigen Kindern und der Versorgung seiner Ehefrau finanziell stark belastet ist. Zumal er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den folgenden plausiblen Angaben des Bevollmächtigten der Klägerin im Verfahren S 14 AS 549/13 ER weitere rund 209,50 EUR monatlich für den gemeinsamen Sohn mit der Klägerin aufbringt. Ein deutliches Indiz für eine Bedarfsunterdeckung der Klägerin ist die finanzielle Notlage in die sie offensichtlich bereits geriet, als der Beklagte ihr ein "fiktives" Einkommen aus Mitteln des Herrn I. ab März 2012 in Höhe von 500 EUR anrechnete. Die Kammer übersieht dabei nicht, dass die Klägerin auch durch Kreditraten von über 200 EUR monatlich belastet gewesen ist, die nicht zu ihrem Grundsicherungsbedarf zählen. Allerdings zeigt eine Durchsicht der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Kontoauszüge, dass ab März 2012 Lastschriften für Kreditraten, Versicherungen oder Handyrechnungen ohnehin meist mangels Kontodeckung zurückgegeben werden mussten. Diesbezüglich trat eine gewisse Entspannung offenbar erst bei Zufluss des Elterngeldes 2013 ein. Bis zur An-rechnung des "fiktiven" Einkommens durch den Beklagten ist anhand der vorliegenden Kontoauszüge auch eine regelmäßige Überweisung von Mietzahlungen erkennbar. Trotz regelmäßig durch Dritte zur Verfügung gestellter Geldbeträge bis Mitte 2013 ist es der Klägerin hingegen ab einem Zeitpunkt nach März des Jahres 2012 nicht mehr gelungen, ihre Miete regelmäßig zu entrichten. Letztlich führte dies zu fristlosen Kündigungen des Wohnraummietverhältnisses im September 2012 und Januar 2013, ferner zu einer mindestens drohenden Sperrung der Energieversorgung im Januar 2013. Es ist nicht zu unterstellen, dass die zu diesem Zeitpunkt schwangere bzw. frisch entbundene Klägerin dies billigend in Kauf genommen hat, obwohl sie eigentlich über die nötigen finanziellen Mittel verfügte.

III. Weiteres Einkommen aus Zuwendungen eines Dritten mindern den (Hilfe)bedarf der Klägerin nicht. Soweit die Zeugen S. und L. der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum jeweils mehrfach Geldbeträge zwischen 500 EUR und 1000 EUR zur Verfügung gestellt haben, handelt es sich bei dieser Unterstützung nicht um zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne der §§ 9 Abs. 1, 11 Abs. 1 S. 1 SGB II. Nach Sinn und Zweck dieser Norm kann eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung im Anschluss an obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung nicht als Einkommen qualifiziert werden. Der Zuwachs muss dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt er seine Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte und vorliegend auch verwandt wurde.

BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R m.w.N.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die finanzielle Unterstützung der Klä-gerin durch die Zeugen S. und L. lediglich – in Anlehnung an § 488 Bürgerliches Ge-setzbuch (BGB) – als Darlehen anzusehen. Zwar halten die zwischen der Klägerin und den beiden Zeugen mündlich geschlossenen "Darlehensverträge" einem strengen Fremdvergleich nach § 488 BGB nicht stand. In diesem Zusammenhang verkennt die Kammer insbesondere nicht, dass die von der Klägerin im Rahmen des Verfahrens S 14 AS 594/13 ER vorgelegte Auflistung bei den Zeugen "geliehener" Beträge ebenso nachträglich zu Demonstrationszwecken für das Gericht angefertigt worden ist, wie jene, die der Zeuge S. in der öffentlichen Sitzung vorgelegt hat. Gleiches gilt für die Quittungskopien, die der Zeuge L. zum Beleg einer Rückzahlungspflicht der Klägerin mitgebracht hat. Soweit der Zeuge S. erklärt hat, er habe sich die der Klägerin zur Verfügung gestellten Geldbeträge fortlaufend jeweils zum Zeitpunkt der Übergabe des Geldes in der gezeigten Form notiert, geht das Gericht von einer Falschaussage aus. Die vorgelegten Notizen waren nach dem Eindruck der Kammer mit demselben Stift und in identischer Schreibgeschwindigkeit säuberlich in einen offenbar aktuell verwendeten Kalender geschrieben. In Bezug auf die Quittungskopien des Zeugen L. hat schon die Angabe, die Originale befänden sich bei der Klägerin die Überzeugungskraft der Urkunden erschüttert. Die Klägerin hat keine überzeugende Erklärung dafür zu geben vermocht, weshalb diese Belege bislang von ihr keine Erwähnung fanden. Allerdings ist die Wahrung der im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten, zu denen neben der schriftlichen Fixierung einer Darlehensabrede etwa auch eine Vereinbarung der Rückzahlungsmodalitäten zählt, nicht entscheidend. Bei der Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer "Dar-lehensvertrag" im Sinne der sozialgerichtlichen Rechtsprechung geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog. Fremdvergleichs lediglich herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden. Bei der Beurteilung von "Darlehensverträgen" geht es – in dem zentralen Punkt, ob Geldleistungen zur endgültigen Verwendung zur Verfügung gestellt werden - im Kern um die Abgrenzung zu Schenkung bzw. verdeckter Unterhaltsgewährung.

BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R).LSG NRW, Urteil vom 06. Juni 2013 – L 7 AS 914/12 –, juris.

Zur Überzeugung der Kammer steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber fest, dass die Zeugen S. und L. der Klägerin die finanziellen Mittel "darlehensweise" zur Verfügung gestellt haben und die Klägerin zur Rückzahlung der Mittel verpflichtet gewesen ist. So hat der Zeuge S. ausgesagt, dass er die Klägerin finanziell unterstützt hat, weil er davon ausgegangen sei, die Klägerin habe Geld in einer dringenden Notlage benötigt. In Übereinstimmung mit den Angaben der Klägerin ist für ihn zweifelsfrei gewesen, dass das Geld nur "geliehen" sei. In diesem wesentlichen Punkt war die Aussage des Zeugen für die Kammer authentisch glaubhaft. Der Zeuge wirkte gerade im Kontrast zur Situation der vorgelegten Übersicht der "verliehenen" Beträge hier sicher. Abwehrend-aggressive Tendenzen, die seine Aussage im Übrigen teilweise begleiteten, waren an dieser Stelle nicht zu vernehmen. Lebensnah und nicht abgesprochen wirkend führte er aus, das Geld sei kein Geschenk. Die Klägerin habe versichert, sobald sie das Geld habe, werde sie es ihm zurückgeben. Er habe nicht damit gerechnet, dass es so lange dauern würde, bis es zurückgezahlt würde. Aufgrund seiner Absicht bald zu heiraten benötige er das Geld nun bald selbst. Glaubhaft war nach dem Eindruck der Kammer zudem die Aussage, zur Tilgung einer Teilschuld habe die Klägerin Anfang 2012 ihr Auto an ihn abgegeben. Dieses habe er mit einem Erlös von 2000 EUR für sich veräußert. Auch der Zeuge L. war in Bezug auf eine Rückzahlungsvereinbarung und Rückzahlungserwartung seinerseits nach dem Eindruck der Kammer glaubwürdig; auch wenn die Kammer nicht auszuschließen vermag, dass die Rückzahlungsmotivation der Klägerin hinter den Erwartungen des Zeugen – der nach Angaben der Klägerin im gemeinsamen Herkunftsdorf im L. als "Dorftrottel" bezeichnet wurde – zurückbleibt. Dem steht nicht entgegen, dass eine Zinsabrede offenbar nicht geschlossen wurde. Bei der Gesamtwürdigung zur Abgrenzung einer Schenkung bzw. verdeckten Unterhaltsgewährung hat die Kammer auch den kulturellen Kreis der Klägerin und der Zeugen berücksichtigt. Der Kammer ist bekannt, dass finanzielle Hilfestellungen dort – wie von der Klägerin auch im Verwaltungsverfahren vorgetragen – ohne weitreichende Modalitätsabsprachen vorkommen, die Rückzahlungserwartung gleichwohl zwischen den Beteiligten zweifelsfrei bleibt.

IV. Der seit Ende Dezember 2012 in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Sohn lebenden Klägerin stand danach im streitgegenständlichen Zeitraum folgendes Einkommen zur Verfügung: Von November 2012 bis Februar 2014 300 EUR Einkommen aus finanzieller Unterstützung des Zeugen I. für die Klägerin persönlich. Weitere 209,50 EUR monatlich wendet der Zeuge I. seit der Geburt des Sohnes F-T. I. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den folgenden Angaben des Bevollmächtigten der Klägerin im Verfahren S 14 AS 549/13 ER für diesen auf auf. Seit jenem Zeitpunkt treten Kinder-geldleitungen in Höhe von 184 EUR monatlich hinzu. Im gesamten Jahr 2013 hat die Klägerin ferner 300 EUR Elterngeld im Monat erhalten. Dem steht ein Regelleis-tungsbedarf nach §§ 19 Abs. 1, 20 SGB II der Klägerin in den Monaten November und Dezember 2012 von 374 EUR, im Jahr 2013 von monatlich 382 EUR und in den Monaten Ja-nuar und Februar 2014 von 391 EUR gegenüber. Hinzu tritt ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 2 bzw. 3 Nr. 1 SGB II. Der Regelbedarf des Sohnes der Klägerin betrug für Dezember 2012 219 EUR im Jahr 2013 monatlich 224 EUR und für die beiden ersten Monate 2014 229 EUR. Hinzu tritt ein Bedarf für angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung von monatlich 418 EUR (davon 209 EUR der Klägerin) gem. §§ 19 Abs. 1, 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, der, bei tatsächlichen Verpflichtungen in Höhe von 460 EUR monatlich, in Ermangelung eines schlüssigen Konzeptes des Beklagten und des Ausfalls entsprechender Ermittlungsmöglichkeiten der Kammer anhand der Werte zu § 12 Wohngeldgesetz zzgl. eines Sicherheitszuschlage von 10 % zu ermitteln ist.

Vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012 – B 4 AS 44/12 R, juris.

Unter Beachtung der vorrangigen Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf des F-T. I. gemäß § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II und des leistungsrechtlichen "Individualprinzips" ,

vgl. aus der st. Rspr. des BSG u.a., Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R, Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 204/10 R,

verbleibt bei der Klägerin persönlich während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraumes ein ungedeckter Bedarf, mithin eine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II.

V. Das danach gem. § 130 Abs. 1 SGG mögliche und durch die Kammer getroffene Grundurteil ist in der vorliegenden Konstellation einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage i. S.d. § 54 Abs. 4 SGG Endurteil.

Vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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