Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
L 14 AS 4945/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von Grundsicherungsleistungen.
2.) Ermittlung des soziokulturellen Minimums im ALG II anhand der Reglungen des Bundessozialhilfegesetzes.
2.) Ermittlung des soziokulturellen Minimums im ALG II anhand der Reglungen des Bundessozialhilfegesetzes.
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit von, der Klägerin bewilligten, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II), für den Zeitraum 1. Juli 2011 bis 31. Juli 2011.
Die 1964 geborene Klägerin und ihre am 16. November 1993 geborene Tochter JS sowie ihre am 22. April 2001 geborene Tochter VS leben in Schipkau zur Miete. Die monatliche Miete betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 456,70 Euro. Im Juli 2011 erzielte die Klägerin aus einer Nebentätigkeit ein Einkommen in Höhe von 100,- Euro brutto (= netto). Im Monat Juli 2011 absolvierte die JS eine Ausbildung, aus der ihr eine Vergütung in Höhe von 428,92 Euro brutto (= 340,46 Euro netto) zufloss. Des Weiteren erhielt sie Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro. Die Tochter VS erzielte im Monat Juli 2011 Einkommen aus Unterhaltsvorschuss und Kindergeld in Höhe von 180,00 Euro bzw. 184,00 Euro. Im Monat Juli 2011 flossen der VS damit insgesamt 364,00 Euro Einkommen zu. Für die Klägerin wurde ein Regelbedarf in Höhe von monatlich 364,00 Euro, für die JS ein Regelbedarf in Höhe von 287,00 Euro und für die VS ein Regelbedarf in Höhe von 251,00 Euro der Berechnung zu Grunde gelegt. Mit Änderungsbescheid vom 17. August 2011 wurden der Klägerin und ihren Töchtern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des geänderten Einkommens der JS für Juli 2011 in Höhe von 152,54 Euro für die Klägerin, in Höhe von 80,55 Euro für die JS und in Höhe von 39,23 Euro für die VS bewilligt. Hierbei wurden die Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe anerkannt und zu jeweils 1/3 bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft als Bedarf angerechnet. Gegen den Änderungsbescheid vom 17. August 2011 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch bei dem Beklagten. Der Widerspruch enthielt keine Begründung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2011 zurück.
Mit ihrer am 22. November 2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel auf Gewährung höherer Leistungen weiter. Der Bevollmächtigte ist der Auffassung, dass das Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch verfassungswidrig sei. Das Gesetz erfülle insofern nicht die Anforderungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (B1 BvL 1/09 u.a.). Hierzu bezieht sich der Bevollmächtigte auf ein Rechtsgutachten des Prof. Dr. jur. Johannes Münder, TU Berlin, Lehrstuhl für Sozialrecht und Zivilrecht. Ferner verweist der Bevollmächtigte auf die Neukommentierung im LPK Münder SGB II, 4. Aufl. 2011.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
der Klägerin und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unter Abänderung des Bescheides vom 17. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2011 höhere Grundsicherungsleistungen zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist hierzu im Wesentlichen auf die streitgegenständlichen Entscheidungen sowie auf seine Bindung an das Gesetz.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig aber nicht begründet. Streitgegenstand sind allein die Ansprüche der Klägerin, da für deren Töchter keine Klage erhoben wurde. Insofern sind die Ansprüche der Töchter nicht weiter zu prüfen.
Der Bescheid vom 17. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Leistungsansprüche der Klägerin sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Sind höhere, oder generell Leistungen nach dem SGB II Gegenstand des Klagebegehrens, sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen des SGB II dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 Rn 16ff.).
Die Kammer schließt sich zunächst den Feststellungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 15. November 2011, gemäß § 136 Absatz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach §§ 9 und 7 SGB II und deren Vermögenssituation an und macht diese zum Gegenstand der Entscheidung hier. Die Klägerin ist auch erwerbs- und prozessfähig. Ebenso werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe berücksichtigt, so dass auch hier die Kammer sich den Feststellungen des Beklagten anschließt. Gegen die Einkommensbereinigung und die Höhe der erzielten Einkommen wurde seitens des Bevollmächtigten nichts vorgetragen, was dazu Anlass gegeben hätte an deren Richtigkeit zu zweifeln, oder von Amts wegen Ermittlungen hierüber anzustrengen. Auch unter Beachtung des § 103 SGG ist das Gericht hierbei nicht zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" verpflichtet. Nur wenn sich Anhaltspunkte für weiteren Ermittlungsbedarf ergeben, ist das Gericht von Amts wegen zu weiteren Ermittlungen verpflichtet (vgl. BSG 10 RV 945/55). Mangels substantiierten Vortrags des Bevollmächtigten waren daher weitere Ermittlungen hier nicht angezeigt.
Maßgeblich ist hier allein die Frage der Höhe des zu Grunde gelegten Regelsatzes.
Das Gericht ist zunächst an geltendes Recht gebunden. Das Verwerfungsmonopol bezüglich eines nachkonstitutionellen, formellen Gesetzes steht alleine dem Bundesverfassungsgericht zu (vgl. Jarass/Pieroth Grundgesetz (GG) Art. 100 Rn 1f.). Die Fachgerichte hingegen, wozu auch das erkennende Gericht gehört, haben nur die Möglichkeit einen Vorlagebeschluss nach Art. 100 GG zu fassen. Notwendig ist hierbei die Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der streitbehafteten Norm. Bloße Zweifel oder Unsicherheiten bei der Anwendung reichen nicht aus (vgl. hierzu BVerfgE 78, 104[117]; 80, 54 [59]; 86, 52 [57]. Anders als dies in einer Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 3. 12. 2008 (S 35 R 6322/08) anklingen mag, hat sich das Gericht nicht von der Verfassungsmäßigkeit einer Norm zu überzeugen, sondern von deren Verfassungswidrigkeit. Nachkonstitutionelles Recht trägt dem Grunde nach die Vermutung der Verfassungskonformität durch das ordnungsgemäße Gesetzgebungsverfahren in sich. Die Kammer ist hier von der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistungen nicht überzeugt.
Im Weiteren steht zu bedenken, dass die vom Bevollmächtigten beigebrachten Bedenken gegen die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sich ausschließlich mit der Frage des Verfahrens zur Ermittlung der Höhe des Regelbedarfes befassen, nicht aber mit der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung an sich.
Diesbezüglich hat die Kammer nicht einmal Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit. Aus der Verfassung selbst lassen sich keine konkreten subjektiven Rechte ableiten (vgl. BVerfGE 82, 60, 80; BVerfG 1 BvL 1/09 u.a.). Es besteht im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip ein Anspruch auf die Gewährung eines menschenwürdigen Daseins (vgl. BVerfGE aaO) und des sog. Existenzminimums. Zum Existenzminimum hat das BVerfG in den Entscheidungen 87, 153,171; 91, 93, 110, 112 ausgeführt, dass dieses sich an Sozialhilfeanforderungen zu orientieren hat.
Die Entscheidung des BVerfG 1 BvL 1/09 u.a. hat zwar Gesetzeskraft (vgl. § 31 BVerfGG); die Entscheidung trifft aber ebenfalls keine Reglung hinsichtlich einer bestimmten Regelleistungshöhe, so dass diese auch aus der Entscheidung nicht abgeleitet werden kann.
Es sind daher, mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum, die Regelungen des außer Kraft getretenen BSHG als verfassungskonforme Grundlage zur Gewährung des menschenwürdigen Daseins anzusehen und als Anhaltspunkt für die Bemessung der verfassungskonformen Höhe des Existenzminimums heranzuziehen. Zur Ableitung eines Anspruches aus dem Sozialstaatsprinzip kann daher auf das ehemalige BSHG zurückgegriffen werden. Der Regelsatz nach dem BSHG bestimmte sich nach § 22 BSHG.
Für das Land Brandenburg ergibt sich damit im Jahr 2003 ein maximaler Regelsatz von 283,- Euro, welcher entsprechend § 22 Absatz 6 S. 1 und 2 BSHG entsprechend der Rentenanpassung zu erhöhen wäre (wie dies auch in § 20 Absatz 4 SGB II geregelt ist).
Der maximale Regelsatz nach § 20 SGB II im Jahr 2005 betrug 345,- Euro. Selbst unter Berücksichtigung der Rentenanpassungen der Jahre 2004 und 2005 (jeweils 0,0%) liegt der Regelsatz nach dem BSHG unter dem des SGB II. Da beide Werte jeweils um die Rentensteigerung zu erhöhen sind, kann der (niedrigere) BSHG-Wert aus 2005 den (höheren) ALG II-Wert aus 2005 auch in Zukunft nicht übersteigen.
Ein Anspruch auf höhere Regelsatzleistungen ist daher aus der Verfassung selbst nicht zu entnehmen und kann vom Gericht ohne gesetzliche Grundlage auch nicht gewährt werden. Käme man also mit dem Bevollmächtigten zu dem Ergebnis, die Rechtsgrundlage für die bereits bewilligten Leistungen sei verfassungswidrig und damit unwirksam, könnten allenfalls die bereits bewilligten Leistungen zu hoch sein und abgesenkt werden müssen. Diese möglicherweise zu hohe Bewilligung greift jedoch nicht in die Rechte der Klägerin ein.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.
IV. Die Berufung war nach § 144 Absatz 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit von, der Klägerin bewilligten, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II), für den Zeitraum 1. Juli 2011 bis 31. Juli 2011.
Die 1964 geborene Klägerin und ihre am 16. November 1993 geborene Tochter JS sowie ihre am 22. April 2001 geborene Tochter VS leben in Schipkau zur Miete. Die monatliche Miete betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 456,70 Euro. Im Juli 2011 erzielte die Klägerin aus einer Nebentätigkeit ein Einkommen in Höhe von 100,- Euro brutto (= netto). Im Monat Juli 2011 absolvierte die JS eine Ausbildung, aus der ihr eine Vergütung in Höhe von 428,92 Euro brutto (= 340,46 Euro netto) zufloss. Des Weiteren erhielt sie Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro. Die Tochter VS erzielte im Monat Juli 2011 Einkommen aus Unterhaltsvorschuss und Kindergeld in Höhe von 180,00 Euro bzw. 184,00 Euro. Im Monat Juli 2011 flossen der VS damit insgesamt 364,00 Euro Einkommen zu. Für die Klägerin wurde ein Regelbedarf in Höhe von monatlich 364,00 Euro, für die JS ein Regelbedarf in Höhe von 287,00 Euro und für die VS ein Regelbedarf in Höhe von 251,00 Euro der Berechnung zu Grunde gelegt. Mit Änderungsbescheid vom 17. August 2011 wurden der Klägerin und ihren Töchtern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des geänderten Einkommens der JS für Juli 2011 in Höhe von 152,54 Euro für die Klägerin, in Höhe von 80,55 Euro für die JS und in Höhe von 39,23 Euro für die VS bewilligt. Hierbei wurden die Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe anerkannt und zu jeweils 1/3 bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft als Bedarf angerechnet. Gegen den Änderungsbescheid vom 17. August 2011 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch bei dem Beklagten. Der Widerspruch enthielt keine Begründung. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2011 zurück.
Mit ihrer am 22. November 2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel auf Gewährung höherer Leistungen weiter. Der Bevollmächtigte ist der Auffassung, dass das Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch verfassungswidrig sei. Das Gesetz erfülle insofern nicht die Anforderungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (B1 BvL 1/09 u.a.). Hierzu bezieht sich der Bevollmächtigte auf ein Rechtsgutachten des Prof. Dr. jur. Johannes Münder, TU Berlin, Lehrstuhl für Sozialrecht und Zivilrecht. Ferner verweist der Bevollmächtigte auf die Neukommentierung im LPK Münder SGB II, 4. Aufl. 2011.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
der Klägerin und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unter Abänderung des Bescheides vom 17. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2011 höhere Grundsicherungsleistungen zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist hierzu im Wesentlichen auf die streitgegenständlichen Entscheidungen sowie auf seine Bindung an das Gesetz.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig aber nicht begründet. Streitgegenstand sind allein die Ansprüche der Klägerin, da für deren Töchter keine Klage erhoben wurde. Insofern sind die Ansprüche der Töchter nicht weiter zu prüfen.
Der Bescheid vom 17. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Leistungsansprüche der Klägerin sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Sind höhere, oder generell Leistungen nach dem SGB II Gegenstand des Klagebegehrens, sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen des SGB II dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 Rn 16ff.).
Die Kammer schließt sich zunächst den Feststellungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 15. November 2011, gemäß § 136 Absatz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach §§ 9 und 7 SGB II und deren Vermögenssituation an und macht diese zum Gegenstand der Entscheidung hier. Die Klägerin ist auch erwerbs- und prozessfähig. Ebenso werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe berücksichtigt, so dass auch hier die Kammer sich den Feststellungen des Beklagten anschließt. Gegen die Einkommensbereinigung und die Höhe der erzielten Einkommen wurde seitens des Bevollmächtigten nichts vorgetragen, was dazu Anlass gegeben hätte an deren Richtigkeit zu zweifeln, oder von Amts wegen Ermittlungen hierüber anzustrengen. Auch unter Beachtung des § 103 SGG ist das Gericht hierbei nicht zu Ermittlungen "ins Blaue hinein" verpflichtet. Nur wenn sich Anhaltspunkte für weiteren Ermittlungsbedarf ergeben, ist das Gericht von Amts wegen zu weiteren Ermittlungen verpflichtet (vgl. BSG 10 RV 945/55). Mangels substantiierten Vortrags des Bevollmächtigten waren daher weitere Ermittlungen hier nicht angezeigt.
Maßgeblich ist hier allein die Frage der Höhe des zu Grunde gelegten Regelsatzes.
Das Gericht ist zunächst an geltendes Recht gebunden. Das Verwerfungsmonopol bezüglich eines nachkonstitutionellen, formellen Gesetzes steht alleine dem Bundesverfassungsgericht zu (vgl. Jarass/Pieroth Grundgesetz (GG) Art. 100 Rn 1f.). Die Fachgerichte hingegen, wozu auch das erkennende Gericht gehört, haben nur die Möglichkeit einen Vorlagebeschluss nach Art. 100 GG zu fassen. Notwendig ist hierbei die Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der streitbehafteten Norm. Bloße Zweifel oder Unsicherheiten bei der Anwendung reichen nicht aus (vgl. hierzu BVerfgE 78, 104[117]; 80, 54 [59]; 86, 52 [57]. Anders als dies in einer Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 3. 12. 2008 (S 35 R 6322/08) anklingen mag, hat sich das Gericht nicht von der Verfassungsmäßigkeit einer Norm zu überzeugen, sondern von deren Verfassungswidrigkeit. Nachkonstitutionelles Recht trägt dem Grunde nach die Vermutung der Verfassungskonformität durch das ordnungsgemäße Gesetzgebungsverfahren in sich. Die Kammer ist hier von der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistungen nicht überzeugt.
Im Weiteren steht zu bedenken, dass die vom Bevollmächtigten beigebrachten Bedenken gegen die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sich ausschließlich mit der Frage des Verfahrens zur Ermittlung der Höhe des Regelbedarfes befassen, nicht aber mit der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung an sich.
Diesbezüglich hat die Kammer nicht einmal Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit. Aus der Verfassung selbst lassen sich keine konkreten subjektiven Rechte ableiten (vgl. BVerfGE 82, 60, 80; BVerfG 1 BvL 1/09 u.a.). Es besteht im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip ein Anspruch auf die Gewährung eines menschenwürdigen Daseins (vgl. BVerfGE aaO) und des sog. Existenzminimums. Zum Existenzminimum hat das BVerfG in den Entscheidungen 87, 153,171; 91, 93, 110, 112 ausgeführt, dass dieses sich an Sozialhilfeanforderungen zu orientieren hat.
Die Entscheidung des BVerfG 1 BvL 1/09 u.a. hat zwar Gesetzeskraft (vgl. § 31 BVerfGG); die Entscheidung trifft aber ebenfalls keine Reglung hinsichtlich einer bestimmten Regelleistungshöhe, so dass diese auch aus der Entscheidung nicht abgeleitet werden kann.
Es sind daher, mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum, die Regelungen des außer Kraft getretenen BSHG als verfassungskonforme Grundlage zur Gewährung des menschenwürdigen Daseins anzusehen und als Anhaltspunkt für die Bemessung der verfassungskonformen Höhe des Existenzminimums heranzuziehen. Zur Ableitung eines Anspruches aus dem Sozialstaatsprinzip kann daher auf das ehemalige BSHG zurückgegriffen werden. Der Regelsatz nach dem BSHG bestimmte sich nach § 22 BSHG.
Für das Land Brandenburg ergibt sich damit im Jahr 2003 ein maximaler Regelsatz von 283,- Euro, welcher entsprechend § 22 Absatz 6 S. 1 und 2 BSHG entsprechend der Rentenanpassung zu erhöhen wäre (wie dies auch in § 20 Absatz 4 SGB II geregelt ist).
Der maximale Regelsatz nach § 20 SGB II im Jahr 2005 betrug 345,- Euro. Selbst unter Berücksichtigung der Rentenanpassungen der Jahre 2004 und 2005 (jeweils 0,0%) liegt der Regelsatz nach dem BSHG unter dem des SGB II. Da beide Werte jeweils um die Rentensteigerung zu erhöhen sind, kann der (niedrigere) BSHG-Wert aus 2005 den (höheren) ALG II-Wert aus 2005 auch in Zukunft nicht übersteigen.
Ein Anspruch auf höhere Regelsatzleistungen ist daher aus der Verfassung selbst nicht zu entnehmen und kann vom Gericht ohne gesetzliche Grundlage auch nicht gewährt werden. Käme man also mit dem Bevollmächtigten zu dem Ergebnis, die Rechtsgrundlage für die bereits bewilligten Leistungen sei verfassungswidrig und damit unwirksam, könnten allenfalls die bereits bewilligten Leistungen zu hoch sein und abgesenkt werden müssen. Diese möglicherweise zu hohe Bewilligung greift jedoch nicht in die Rechte der Klägerin ein.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.
IV. Die Berufung war nach § 144 Absatz 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.
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