Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 26 AS 2036/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 1569/13 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es bestehen keine verfassungsrechltichen Bedenken gegen die Verkürzung der "Verfallsfrist" in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf ein Jahr gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab 01.04.2011.
I. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.08.2007 und vom 01.11.2007 bis 31.12.2007 im Überprüfungsverfahren.
Die 1956 geborene Klägerin bezieht laufend vom Beklagten Leistungen nach den Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnt eine 57,17 m² große Wohnung, für die sie Miete einschließlich Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 315,13 EUR zu zahlen hat. Mit Bescheid vom 05.06.2007 waren der Klägerin Leistungen u.a. für die streitgegenständliche Zeit bewilligt worden. Als Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigte der Beklagte nur 266,00 EUR. Den Antrag vom 14.12.2011 auf nachträgliche Überprüfung dieses Bescheides gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und rückwirkende Gewährung höherer Leistungen wegen Missachtung der Rundungsregel und Kürzung der Kosten der Unterkunft und Heizung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2011 ab. Der Widerspruch insoweit war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 – W 505/12).
Am 07.05.2012 hat der Prozessbevollmächtigte dagegen beim Sozialgericht Chemnitz Klage mit dem Ziel erhoben, der Klägerin höhere Leistungen zu bewilligen. Die Deckelung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf 266,00 EUR sei rechtswidrig. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 25.07.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2007 und Bewilligung weiterer Leistungen in der Zeit vom 01.07.2007 bis 31.08.2007 und vom 01.11.2007 bis 31.12.2007 im Wege entsprechender Bescheidung im Überprüfungsverfahren. Dem stehe § 44 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung entgegen. Die genannte Vorschrift unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 31.07.2013 oder am 13.08.2013 zugestellt worden.
Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 28.08.2013 beim Sozialgericht, eingegangen am 06.09.2013 beim Sächsischen Landessozialgericht, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt, denn es sei ein Revisionsverfahren unter B 14 AS 56/13 R anhängig. Am 04.10.2013 hat er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt sowie die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nebst Nachweisen vorgelegt und am 21.01.2014 seine Beiordnung beantragt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt sinngemäß, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.07.2013 zuzulassen und das Verfahren als Berufungsverfahren fortzuführen und der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unter seiner Beiordnung zu gewähren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
II.
Die statthafte und zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG eingelegte Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier maßgeblichen, seit 01.04.2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der ausdrücklichen Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Streitgegenstand sind vorliegend die Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung der Klägerin für insgesamt vier Monate im Überprüfungsverfahren nach § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X. Da die Differenz zwischen den vom Beklagten bisher für die streitigen Zeiträume vom 01.07.2007 bis 31.08.2007 und vom 01.11.2007 bis 31.12.2007 gewährten Unterkunftskosten und ihren tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich etwaiger Rundungsbeträge maximal 50,00 EUR monatlich beträgt, belaufen sich die von der Klägerin geltend gemachten Mehrleistungen auf zusammen 200,00 EUR. Dieser Betrag übersteigt nicht 750,00 EUR und es werden auch keine Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt. Die Berufung bedurfte somit der ausdrücklichen Zulassung, die vom Sozialgericht nicht ausgesprochen wurde.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Zulassungsgründe im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass eine Streitsache von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen könnte.
Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Indivi¬dualinteresse genügt nicht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 144 RdNr. 28). Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist, wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist, wenn sie so gut wie unbestritten ist, wenn sie praktisch außer Zweifel steht oder wenn sich für die Antwort in anderen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (vgl. BSG, Beschluss vom 22.07.2013 – B 9 SB 15/13 B, RdNr. 5 m.w.N., zitiert nach Juris). Die für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage muss nicht nur klärungsbedürftig, sondern im vorliegenden Rechtsstreit auch klärungsfähig sein, d.h. sie muss entscheidungserheblich sein (Leitherer, a.a.O., § 144 RdNr. 28 und § 160 RdNr. 9 ff. m.w.N.).
Soweit sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf das beim Bundessozialgericht anhängige Revisionsverfahren B 14 AS 56/13 R bezieht und ausführt die aufgeworfene Rechtsfrage sei bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden, könnte – ohne dass der Prozessbevollmächtigte eine konkrete Rechtsfrage formuliert hat – daraus zu schließen sein, dass er die Frage für klärungsbedürftig hält, ob § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der bis 31.03.2011 geltenden Fassung gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz verstößt. Diese Vorschrift spielt indes im vorliegenden Verfahren keine Rolle, da es nicht um die teilweise Aufhebung einer Bewilligung geht.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit 01.04.2011 geltenden Fassung, mit der die "Verfallsfrist" für rückwirkend zu gewährende Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X von vier Jahren für Leistungen nach dem SGB II auf ein Jahr verkürzt wurde, verfassungswidrig ist, steht außer Frage, dass diese Vorschrift verfassungsgemäß ist. Denn dem Gesetzgeber steht im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit schon seit jeher ein Gestaltungsspielraum zu, um den Umfang der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu bestimmen, der zudem auch dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) größte Zurückhaltung auferlegt, dem Gesetzgeber im Bereich der darreichenden Verwaltung über den Gleichheitssatz zusätzliche Leistungsverpflichtungen aufzuerlegen, vor allem wenn sie aus den Beiträgen der Gemeinschaft der Versicherten finanziert werden (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.02.2009 – 1 BvR 2982/07, RdNr. 13, und Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a., RdNr. 138, beide juris). Dies gilt umso mehr für Leistungen, die im Wege eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X unter Durchbrechung der Bestandskraft für die Vergangenheit gewährt werden sollen, sodass es der Gesetzgeber daher ohne Verfassungsverstoß in der Hand hat, gerade die zur aktuellen Existenzsicherung nicht vorgesehene, "rückwirkende" Leistungspflicht in zeitlicher Hinsicht zu beschränken (vgl. z.B. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24.03.2010 – 1 BvR 395/09, RdNr. 7). Insoweit stehen sich Verfassungsprinzipien wie die Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns einerseits und die Rechtssicherheit bezogen auf bestandskräftige Entscheidungen andererseits gleichberechtigt gegenüber. All dies ergibt sich ohne weiteres aus der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und ist somit bereits geklärt.
Hinzu kommt, dass das Bundessozialgericht (BSG) bereits mit Urteil vom 26.06.2013 (B 7 AY 6/12 R) entschieden hat, dass im Verfahren zur Überprüfung bestandskräftiger, rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in entsprechender Anwendung der Regelungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) rückwirkend längstens für einen Zeitraum bis zu einem Jahr zu erbringen sind, wenn der Antrag auf Rücknahme – wie hier – nach dem 31.03.2011 gestellt wurde. Das BSG hat diese Entscheidung auf eine Analogie zu § 116a SGB XII in der Fassung vom 24.03.2011 gestützt, der gleichzeitig mit § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II am 01.04.2011 in Kraft getreten ist. Nach beiden Vorschriften gilt für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 116a SGB XII sah das BSG dabei ebenso wenig wie in seinem Urteil zu § 40 Abs. 1 SGB II vom 13.02.2014 (B 4 AS 19/13 R). Dass ein Landessozialgericht (LSG) insoweit Bedenken geäußert hätte, ist nicht ersichtlich (vgl. BayLSG, Urteil vom 19.03.2014 – L 16 AS 289/13; LSG Bad.-Württemberg, Beschluss vom 24.10.2013 – L 13 AS 4917/12 B; LSG NRW, Urteil vom 19.09.2013 – L 7 AS 1050/13, alle Juris).
Schließlich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weder eine Divergenz zu anderen ober- und höchstrichterlichen Entscheidungen aufgezeigt, noch einen Verfahrensmangel i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG bezeichnet, geschweige denn dargelegt, dass er vorliegt und dass darauf die Entscheidung des Sozialgerichts beruhen könnte.
III.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten aus den o.g. Gründen abzulehnen (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO)). Damit scheidet auch die beantragte Beiordnung nach § 121 Abs. 1 ZPO aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG entsprechend.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Dr. Anders Brügmann Wagner
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.08.2007 und vom 01.11.2007 bis 31.12.2007 im Überprüfungsverfahren.
Die 1956 geborene Klägerin bezieht laufend vom Beklagten Leistungen nach den Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnt eine 57,17 m² große Wohnung, für die sie Miete einschließlich Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 315,13 EUR zu zahlen hat. Mit Bescheid vom 05.06.2007 waren der Klägerin Leistungen u.a. für die streitgegenständliche Zeit bewilligt worden. Als Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigte der Beklagte nur 266,00 EUR. Den Antrag vom 14.12.2011 auf nachträgliche Überprüfung dieses Bescheides gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und rückwirkende Gewährung höherer Leistungen wegen Missachtung der Rundungsregel und Kürzung der Kosten der Unterkunft und Heizung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22.12.2011 ab. Der Widerspruch insoweit war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20.04.2012 – W 505/12).
Am 07.05.2012 hat der Prozessbevollmächtigte dagegen beim Sozialgericht Chemnitz Klage mit dem Ziel erhoben, der Klägerin höhere Leistungen zu bewilligen. Die Deckelung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf 266,00 EUR sei rechtswidrig. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 25.07.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2007 und Bewilligung weiterer Leistungen in der Zeit vom 01.07.2007 bis 31.08.2007 und vom 01.11.2007 bis 31.12.2007 im Wege entsprechender Bescheidung im Überprüfungsverfahren. Dem stehe § 44 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung entgegen. Die genannte Vorschrift unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 31.07.2013 oder am 13.08.2013 zugestellt worden.
Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 28.08.2013 beim Sozialgericht, eingegangen am 06.09.2013 beim Sächsischen Landessozialgericht, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt, denn es sei ein Revisionsverfahren unter B 14 AS 56/13 R anhängig. Am 04.10.2013 hat er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt sowie die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nebst Nachweisen vorgelegt und am 21.01.2014 seine Beiordnung beantragt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt sinngemäß, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.07.2013 zuzulassen und das Verfahren als Berufungsverfahren fortzuführen und der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unter seiner Beiordnung zu gewähren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
II.
Die statthafte und zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG eingelegte Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier maßgeblichen, seit 01.04.2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der ausdrücklichen Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Streitgegenstand sind vorliegend die Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung der Klägerin für insgesamt vier Monate im Überprüfungsverfahren nach § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X. Da die Differenz zwischen den vom Beklagten bisher für die streitigen Zeiträume vom 01.07.2007 bis 31.08.2007 und vom 01.11.2007 bis 31.12.2007 gewährten Unterkunftskosten und ihren tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich etwaiger Rundungsbeträge maximal 50,00 EUR monatlich beträgt, belaufen sich die von der Klägerin geltend gemachten Mehrleistungen auf zusammen 200,00 EUR. Dieser Betrag übersteigt nicht 750,00 EUR und es werden auch keine Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt. Die Berufung bedurfte somit der ausdrücklichen Zulassung, die vom Sozialgericht nicht ausgesprochen wurde.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Zulassungsgründe im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass eine Streitsache von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen könnte.
Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Indivi¬dualinteresse genügt nicht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 144 RdNr. 28). Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist, wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist, wenn sie so gut wie unbestritten ist, wenn sie praktisch außer Zweifel steht oder wenn sich für die Antwort in anderen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (vgl. BSG, Beschluss vom 22.07.2013 – B 9 SB 15/13 B, RdNr. 5 m.w.N., zitiert nach Juris). Die für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage muss nicht nur klärungsbedürftig, sondern im vorliegenden Rechtsstreit auch klärungsfähig sein, d.h. sie muss entscheidungserheblich sein (Leitherer, a.a.O., § 144 RdNr. 28 und § 160 RdNr. 9 ff. m.w.N.).
Soweit sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf das beim Bundessozialgericht anhängige Revisionsverfahren B 14 AS 56/13 R bezieht und ausführt die aufgeworfene Rechtsfrage sei bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden, könnte – ohne dass der Prozessbevollmächtigte eine konkrete Rechtsfrage formuliert hat – daraus zu schließen sein, dass er die Frage für klärungsbedürftig hält, ob § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der bis 31.03.2011 geltenden Fassung gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz verstößt. Diese Vorschrift spielt indes im vorliegenden Verfahren keine Rolle, da es nicht um die teilweise Aufhebung einer Bewilligung geht.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit 01.04.2011 geltenden Fassung, mit der die "Verfallsfrist" für rückwirkend zu gewährende Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X von vier Jahren für Leistungen nach dem SGB II auf ein Jahr verkürzt wurde, verfassungswidrig ist, steht außer Frage, dass diese Vorschrift verfassungsgemäß ist. Denn dem Gesetzgeber steht im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit schon seit jeher ein Gestaltungsspielraum zu, um den Umfang der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu bestimmen, der zudem auch dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) größte Zurückhaltung auferlegt, dem Gesetzgeber im Bereich der darreichenden Verwaltung über den Gleichheitssatz zusätzliche Leistungsverpflichtungen aufzuerlegen, vor allem wenn sie aus den Beiträgen der Gemeinschaft der Versicherten finanziert werden (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27.02.2009 – 1 BvR 2982/07, RdNr. 13, und Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a., RdNr. 138, beide juris). Dies gilt umso mehr für Leistungen, die im Wege eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X unter Durchbrechung der Bestandskraft für die Vergangenheit gewährt werden sollen, sodass es der Gesetzgeber daher ohne Verfassungsverstoß in der Hand hat, gerade die zur aktuellen Existenzsicherung nicht vorgesehene, "rückwirkende" Leistungspflicht in zeitlicher Hinsicht zu beschränken (vgl. z.B. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24.03.2010 – 1 BvR 395/09, RdNr. 7). Insoweit stehen sich Verfassungsprinzipien wie die Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns einerseits und die Rechtssicherheit bezogen auf bestandskräftige Entscheidungen andererseits gleichberechtigt gegenüber. All dies ergibt sich ohne weiteres aus der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und ist somit bereits geklärt.
Hinzu kommt, dass das Bundessozialgericht (BSG) bereits mit Urteil vom 26.06.2013 (B 7 AY 6/12 R) entschieden hat, dass im Verfahren zur Überprüfung bestandskräftiger, rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in entsprechender Anwendung der Regelungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) rückwirkend längstens für einen Zeitraum bis zu einem Jahr zu erbringen sind, wenn der Antrag auf Rücknahme – wie hier – nach dem 31.03.2011 gestellt wurde. Das BSG hat diese Entscheidung auf eine Analogie zu § 116a SGB XII in der Fassung vom 24.03.2011 gestützt, der gleichzeitig mit § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II am 01.04.2011 in Kraft getreten ist. Nach beiden Vorschriften gilt für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 116a SGB XII sah das BSG dabei ebenso wenig wie in seinem Urteil zu § 40 Abs. 1 SGB II vom 13.02.2014 (B 4 AS 19/13 R). Dass ein Landessozialgericht (LSG) insoweit Bedenken geäußert hätte, ist nicht ersichtlich (vgl. BayLSG, Urteil vom 19.03.2014 – L 16 AS 289/13; LSG Bad.-Württemberg, Beschluss vom 24.10.2013 – L 13 AS 4917/12 B; LSG NRW, Urteil vom 19.09.2013 – L 7 AS 1050/13, alle Juris).
Schließlich hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weder eine Divergenz zu anderen ober- und höchstrichterlichen Entscheidungen aufgezeigt, noch einen Verfahrensmangel i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG bezeichnet, geschweige denn dargelegt, dass er vorliegt und dass darauf die Entscheidung des Sozialgerichts beruhen könnte.
III.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten aus den o.g. Gründen abzulehnen (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO)). Damit scheidet auch die beantragte Beiordnung nach § 121 Abs. 1 ZPO aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG entsprechend.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Dr. Anders Brügmann Wagner
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