Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 11 AS 1028/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 273/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegner zu tragen.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer und Antragsgegner (im Folgenden: Antragsgegner) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, das ihn verpflichtet hat, den Beschwerdegegnern und Antragstellern (im Folgenden: Antragsteller) vorläufig höhere Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. August 2014 zu bewilligen und an sie auszuzahlen.
Zunächst bezogen die Antragstellerin zu 1. als Mutter der minderjährigen Antragsteller zu 3. und 4. fortlaufend Leistungen nach dem SGB II. Am 13. Februar 2014 beantragte sie die Weiterbewilligung von Leistungen. Bereits am 27. Februar 2013 hatte sie mit der C. einen Mietvertrag über Wohnräume (ca. 72 qm) in der J-Str. (2.OG) geschlossen (Mietzins: 309,60 EUR; Betriebskostenvorauszahlungen: 180,00 EUR; Heizkostenpauschale: 90,00 EUR). Am 12. August 2013 hatte die Antragstellerin zu 1. zudem mit dem Vermieter einen Arbeitsvertrag geschlossen. Hiernach wurde sie zum 1. September 2013 als Anlagen- und Baufinanzierungsberaterin eingestellt (40 Stunden im Monat; Bruttogehalt: 451,00 EUR). Mit vorläufigem Bescheid vom 17. Februar 2014 bewilligte der Antragsgegner für den Zeitraum 1. März 2014 bis 31. August 2014 Leistungen von monatlich knapp über 1000 EUR. Auf Bl. 400 bis 401 der Verwaltungsakte wird Bezug genommen.
Nach einem Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 15. August 2012 hat der Antragsteller zu 2. für den am ... 2004 geborenen Antragsteller zu 5. ab April 2012 Unterhalt in Höhe von 272,00 EUR zu zahlen. Insoweit bestand zwischen dem Antragsteller zu 2. und der Kindesmutter D. auch eine Vereinbarung vom 30. Januar 2014, die u.a. einen Umgang alle 14 Tage festlegte. Nach dem Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht - Dessau Roßlau wurde am 6. November 2013 die Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers zu 2. festgestellt und die Vermögensverwaltung dem Insolvenzverwalter – Rechtsanwalt Prof. Dr. S. aus H. – übertragen.
Am 24. Februar 2014 teilte die Antragstellerin zu 1. dem Antragsgegner Veränderungen mit. Der Antragsteller zu 2. gehöre nunmehr auch zur Haushaltsgemeinschaft. Nach einer Umgangsregelung wohne der Antragsteller zu 5. als minderjähriger Sohn des Antragstellers zu 2. alle vierzehn Tage in der Bedarfsgemeinschaft am Wochenende. Wegen des Zusammenzuges legte die Antragstellerin zu 1. einen neuen Mietvertrag mit ihrem bisherigen Vermieter über Wohnräume (ca. 115 qm) zum 1. März 2014 über eine Mietwohnung in der J-Str. (2. OG) vor. Hieraus ergab sich ein Mietzins in Höhe von 575,00 EUR, eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 230,00 EUR sowie eine Heizkostenpauschale von 126,50 EUR, d.h. insgesamt 931,50 EUR.
Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 7. März 2014, wies der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Februar 2014 monatliche Gesamtleistungen für den Zeitraum vom 1. April bis 31. August 2014 von jeweils knapp 1.000,00 EUR aus.
Durch eine anonyme Anzeige wurde der Antragsgegner darüber informiert, dass die Antragsteller zu 1. bis zu 4. in der Zeit vom 14. Dezember 2013 bis 4. Januar 2014 ohne Ortsabwesenheitsantrag Urlaub in Ä. gemacht hätten. Am 24. Februar 2014 legte die Antragstellerin zu 1. dem Antragsgegner einen Reisepass mit Ein- und Ausreisestempeln aus Ä. vor und gab an: Die Reise hätten ihre Eltern den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft geschenkt. Sie habe mit ihrer Mutter die Reise gebucht und von ihr den Reisepreis von 5.856,00 EUR in bar erhalten. Nach einer vorgelegten Kassenquittung vom 13. Dezember 2013 ist dieser Betrag im Reisebüro bar bezahlt worden.
Mit Schreiben vom 10. April 2014 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1. zu einer beabsichtigten Teilaufhebung der Bewilligung für Januar bis Juni 2014 in Höhe von 5.856,00 EUR an, da ihr dieser Betrag zugeflossen und als einmalige Einnahme auf sechs Monate zu verteilen sei. In weiteren Änderungsbescheiden vom 10. April 2014 hob der Antragsgegner die Bescheide vom 17. Februar und 7. März 2014 auf und bewilligte für den Monat Mai 2014 bis August 2014 folgende Beträge:
Mai 2014: 127,69 EUR,
Juni 2014: 139,90 EUR,
Juli 2014: 1.136,99 EUR,
August 2014: 1.154,60 EUR.
Im Dezember 2013 habe die Antragstellerin zu 1. 5.856,00 EUR erhalten. Diese einmalige Einnahme sei über einen Zeitraum von sechs Monaten (Januar bis Juni 2014) in monatlicher Höhe von 976,00 EUR zu verrechnen.
Am 2. April 2014 reichte die Antragstellerin zu 1. einen Aufhebungsvertrag vom 27. März 2014 ein. Hiernach sei das Arbeitsverhältnis zur C. zum 31. März 2014 beendet worden. Der damit verbundene Wegfall von Einkünften der Antragstellerin zu 1. führte zum weiteren Änderungsbescheid vom 15. Mai 2014 (Bl. 654 d. VA).
Gegen sämtliche Bescheide vom 10. April 2014 haben die Antragsteller noch im April 2014 Widerspruch eingelegt und u.a. geltend gemacht: Seit dem 1. April 2014 verfüge die Antragstellerin zu 1. über kein Einkommen mehr. Die monatliche Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 976,00 EUR sei unzutreffend. Es habe sich um ein zweckgebundenes Geschenk gehandelt, das für den Urlaub verwendet worden sei. Die Antragstellerin zu 1. habe ihre minderjährigen Kinder nicht allein nach Ä. fahren lassen können. Der aktuelle Leistungsbewilligung von 127,69 EUR genüge zum Bestreiten des Lebensunterhaltes nicht.
Am 28. April 2014 haben die Antragsteller vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und höhere Leistungen begehrt. Die Antragstellerin zu 1. habe kein Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis mehr. Die Finanzierung der Urlaubsreise sei eine Zweckschenkung gewesen und durch die Reise verbraucht worden. Nunmehr habe der Vermieter bereits mit Schreiben vom 16. Mai 2014 die Zahlung der Mai-Miete angemahnt. Aus den der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung stehenden Mitteln könne die Miete nicht mehr bezahlt werden. Es drohe die Kündigung. Nach einem vorgelegten Kontoauszug hat die Antragstellerin am 30. April 2014 auf dem Privatkonto ein Guthaben von 731,36 EUR.
Das SG hat unter dem 12. Mai 2014 auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum bereiten Mittel hingewiesen und die Rechtsposition der Antragsteller gestützt. Hiergegen hat der Antragsgegner geltend gemacht: Weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund seien erkennbar. Der im Dezember 2013 erhaltene Barbetrag in Höhe von 5.856,00 EUR stelle eine einmalige Einnahme dar, die gemäß § 11 Abs. 3 SGB II auf sechs Monate habe verrechnet werden können. Für Januar bis Juni 2014 sei daher ein Einkommen von 976,00 EUR zu berücksichtigen. Die BSG-Rechtsprechung sei nach der Neufassung von § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II nicht mehr anwendbar. Dies habe das LSG Niedersachen-Bremen in seinem Beschluss vom 3. Februar 2014 – L 15 AS 437/13 B ER, juris, ausdrücklich klargestellt.
Mit Beschluss vom 30. Mai 2014 hat das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu 1. bis 4. weitere SGB II-Leistungen in Höhe von rund 912 EUR für Mai bis Juni 2014 zu gewähren und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Der Bescheid vom 10. April 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides von 15. Mai 2014 sei bis einschließlich Juni 2014 rechtswidrig, soweit ein Einkommen in Höhe von 976,00 EUR angerechnet werde. Nach summarischer Prüfung sei davon auszugehen, dass die einmalige Zuwendung in Höhe von 5856,00 EUR verbraucht sei und daher als sog. bereites Mittel den Antragstellern nicht mehr zu Verfügung gestanden habe. Nach der Rechtsprechung des BSG könnten Einnahmen nur solange als Einkommen berücksichtigt werden, wie sie vorhanden seien, d.h. als bereites Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen. Die von Seiten des Antragsgegners angeführte LSG-Rechtsprechung, nach der "fiktive" Einnahmen ausreichten, sei mit der BSG-Rechtsprechung nicht vereinbar. Denn "fiktive" Einnahmen seien nicht in der Lage, eine konkrete Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. Ein Anordnungsgrund liege vor, da mangels bedarfsdeckender SGB II-Leistungen die Existenz der Antragsteller gefährdet sei.
Der Antragsgegner hat gegen den am 3. Juni 2014 zugestellten Beschluss am 12. Juni 2014 Beschwerde eingelegt, die Aussetzung der Vollstreckung beantragt und ergänzend vorgetragen: Bereits die Herkunft des Barbetrages sei von den Antragstellern nicht glaubhaft gemacht worden. Zudem sei der Sachvortrag der Antragsteller hinsichtlich der Barzuwendung widersprüchlich, da die genaue Herkunft des Geldes unterschiedlich begründet werde. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 3. Februar 2014, L 15 AS 437/ B ER, sowie der des LSG Mecklenburg-Vorpommern im Beschluss vom 12. Dezember 2013, L 8 AS 9/13 B ER, juris, könne die Rechtsprechung des BSG zur alten Gesetzeslage nicht auf die hier maßgebliche aktuelle Gesetzeslage übertragen werden. Auch ein Anordnungsgrund bestehe nicht, da die Antragsteller mit dem vorhandenen Einkommen die Lebensführung sichern könnten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zu 2. ab dem 1. April 2014 Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit habe. Eine Notlage sei auch bezogen auf die unangemessen hohe Miete nicht erkennbar. Weder drohe eine Wohnungskündigung noch eine Räumungsklage. Überdies bestehe zwischen der Firma des Vermieters mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden E. und der Antragstellerin zu 1. eine persönliche bzw. wirtschaftliche Verflechtung. Der Mietvertrag sei zudem unwirksam, da die Vermieterin nicht Eigentümer des Vermietungsobjektes sei. Eigentümer sei die E. L. des Landes Sachsen-Anhalt.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. Mai 2014 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie haben vorgetragen: Durch die unzureichenden Zahlungen des Antragsgegners seien die Antragsteller mit der Miete in Rückstand geraten. Wegen der Mietrückstände habe der Vermieter nunmehr mit Schreiben vom 3. Juli 2014 die fristlose Kündigung des Mietvertrages erklärt. Die Mutter der Antragstellerin zu 1. habe das Geld in bar von ihrem eigenen Konto abgehoben. Es habe sich um eine zweckgebundene Zuwendung für die Enkel gehandelt. Der Antragsteller zu 2. habe seinen Anteil der Urlaubsreise selbst aus eigenen Mitteln bezahlt. Am 1. April 2014 habe der Antragsteller zu 2. seine Tätigkeit als freiberuflicher Coach wieder aufgenommen. Dies benötige jedoch noch eine Zustimmung des Insolvenzverwalters und des Finanzamtes.
Der Antragsgegner hat hierauf entgegnet: Wenn der Antragsteller zu 2. seinen Anteil selbst bezahlt habe, sei unklar, woher er das Geld genommen habe. Aus den vorgelegten Kontoauszügen seien Ab- und Umbuchungen in Höhe von 2.322,25 EUR nicht erkennbar. Im Übrigen könnte der Antragsteller zu 2. mit diesem Mitteleinsatz gegen seine Pflichten aus dem Privatinsolvenzverfahren verstoßen haben. Wegen der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers zu 2. sei von der Existenz eines weiteren Geschäftskontos auszugehen.
Die Antragsteller haben daraufhin vorgetragen: Die Mutter der Antragstellerin zu 1. habe entsprechend eines vorgelegten Kontoauszuges vom 11. Dezember 2013 7.500,00 EUR Barmittel von ihrem Konto abgehoben. Nach diesem Auszug ist am 11. Dezember 2013 eine Überweisung in Höhe von 8.000,00 EUR durch die H. unter der Überschrift "Darlehen" erfolgt. Der Antragsteller zu 2. habe Barmittel am 30. August 2013 in Höhe von 11.990,00 EUR erhalten, was dem Insolvenzverwalter und dem Finanzamt auch bekannt sei.
Der Antragsgegner rügt, es fehle nach wie vor eine Erklärung der Großeltern über die Geldzuwendung. Die Barabhebung sowie die Darlehensgewährung auf dem Konto der Mutter der Antragstellerin zu 1. gebe zu Zweifeln Anlass, ob sich die Mutter der Antragstellerin zu 1. tatsächlich selbst verschuldet habe, um den Enkelkindern eine Reise zu ermöglichen. Die Herkunft des Geldes bleibe daher nach wie vor unklar.
Mit Beschluss vom 9. Juli 2014 hat der Vorsitzende des 4. Senats den Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollstreckung zurückgewiesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Der Wert der Beschwerde übersteigt den Berufungswert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in Höhe von 750,00 EUR. Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung durch das SG, die im Beschluss vom 30. Mai 2014 austenorierten Zahlungen vorläufig zu leisten.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antragsgegner verpflichtet, vorläufig in den Monaten Mai bis Juni 2014 an die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II ohne anteilige Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 5.856 EUR zu gewähren. Ein Anordnungsgrund und -anspruch gegen den Antragsgegner liegen vor. Der Senat verweist nach eigener Prüfung insoweit vollinhaltlich auf die Ausführungen des Sozialgerichts (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch die in der Beschwerde benannten Argumente des Antragsgegners führen zu keinem anderen Ergebnis.
Die Antragstellerin zu 1. hat glaubhaft gemacht, am 13. Dezember 2013 eine Pauschalreise ab dem 14. Dezember 2013 bis zum 4. Januar 2014 nach Ä. beim Reisebüro D. L. bezahlt zu haben (vgl. Barzahlungsquittung vom 13. Dezember 2013), und hat diese Reise mit den Antragstellern auch durchgeführt (vgl. Eintragung im Reisepass; Fotoaufnahmen). Nach den vorgelegten Kontoauszügen der Antragstellerin zu 1. und des Antragstellers zu 2. ist überdies glaubhaft gemacht, dass die Antragsteller die Reise aus einer einmaligen Zuwendung endgültig verbraucht haben.
Daher ist die vom Antragsgegner vorgenommene anteilige Anrechnung des einmaligen Einkommens für die Monate Mai und Juni 2014 rechtswidrig. Der Verpflichtungsausspruch des SG für die beiden Monate ist nicht zu beanstanden.
Die vom Antragsgegner zitierte Rechtsprechung (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Februar 2014, L 15 AS 437/13 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12. Dezember 2013, L 8 AS 9/12 B ER, jeweils zitiert nach juris) ist weder auf den vorliegenden Fall übertragbar (im Folgenden: 1.), noch entspricht sie der Rechtsprechung des BSG zum sog. "bereiten Mittel" (im Folgenden: 2.).
1. Beide Sachverhalte in den vom Antragsgegner genannten LSG-Entscheidungen, sind nicht mit dem vorliegenden Fall zu vergleichen. Im Sachverhalt, der dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 3. Februar 2014 (a.a.O.) zugrunde lag, verfügten die Antragsteller über einmalige Einnahmen von insgesamt 2.461,57 EUR aus einer Steuerrückerstattung und behaupteten im gerichtlichen Verfahren, sie hätten diese Einnahmen verbraucht, ohne dies konkret nachzuweisen und glaubhaft zu machen. In dem Sachverhalt, der Grundlage des Beschlusses des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 12. Dezember 2013 war (a.a.O.), erhielt ein Leistungsbezieher von seiner Mutter einen Geldbetrag von 5.000,00 EUR für die Beschaffung seines verunfallten Altfahrzeuges. Dieses neue Fahrzeug war dem Leistungsbezieher als Wertfaktor noch verblieben und hätte – nach Verwertung – zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden. Im vorliegenden Fall steht dagegen außer Zweifel, dass die Zuwendung durch Bezahlung der Reise verbraucht war. Gegenteiliges hat der Antragsgegner auch nicht vorgetragen.
2. Auch inhaltlich ist dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen (a.a.O.) nicht zu folgen. Soweit darin behauptet wird, die Rechtsprechung des BSG zum sog. "bereiten Mittel" sei auf die neue Gesetzeslage der §§ 11, 11a SGB II nicht übertragbar, verkennt dies die klaren Vorgaben des BSG. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 76/12 R; Urteil vom 20. Februar 2014, B 14 AS 53/12 R) kommt es bei Berücksichtigung einer Einnahme als Einkommen in einem abschließenden Prüfungsschritt darauf an, ob zugeflossenes Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken. Wenn die einmalige Einnahme, deren Berücksichtigung als Einkommen in Rede steht, tatsächlich aber nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfügung steht, ist ein Leistungsanspruch nicht ausgeschlossen. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten - hier dem Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen - (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 GG nicht vereinbar (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, juris). Diesem Gedanken folgt auch das gesetzgeberische Grundprinzip, dass Einkommen nicht "fiktiv" berücksichtigt werden darf, sondern tatsächlich geeignet sein muss, Hilfebedürftigkeit zu beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012, B 14 AS 33/12 R, juris). Diese Rechtsprechung des BSG zum sog. "bereiten Mittel" ist auch durch die Neuregelung der §§ 11, 11 a SGB II nicht überholt. Insoweit ist auf das Urteil des BSG vom 20. Februar 2014, B 14 AS 53/12 R, juris zu verweisen, in dem die Rechtsprechung zum "bereiten Mitteln" bekräftigt wurde.
Für die Fortgeltung der BSG-Rechtsprechung zum sog. "bereiten Mittel" sprechen auch gesetzessystematische Gründe. Wenn der Gesetzgeber, worauf das BSG zu Recht verweist, einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II wegen sozialwidrigem Verhalten schafft, ist damit die gesetzgeberische Grundentscheidung getroffen, unter welchen Umständen ein sozialwidriges Verhalten den Leistungspflichtigen ersatzpflichtig macht. Der Versuch des Antragsgegners, sich einen "neuen und vereinfachten" Erstattungsanspruch über fiktive Einkommensanrechnungen gemäß §§ 11, 11a SGB II zu verschaffen, widerspricht dieser Regelung. Hat der Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen von Dritten – wenn auch sozialwidrig – zum persönlichen Vergnügen verbraucht und steht ihm dieses Geld nachgewiesenermaßen nicht mehr zur Verfügung, ist er in grundrechtlich schützenswerter Weise hilfebedürftig. Die fiktive Anrechnung eines ihm nicht mehr verfügbaren Einkommens läuft mit der damit verbundenen Verweigerung von existenziell notwendigen Geldzahlungen auf eine Sanktionsnorm "sui generis" hinaus. Hätte der Gesetzgeber eine solche (verfassungswidrige) Gesetzesänderung tatsächlich schaffen wollen, hätte § 34 SGB II konkret geändert werden müssen. Demgegenüber ist aus §§ 11, 11 a SGB II schon vom Wortlaut her kein Sanktionscharakter ableitbar. Diese Norm regelt lediglich die Verrechnungsmodalitäten von vorhandenem Einkommen von Leistungsbeziehern; sie enthält keine Regelung für den Fall eines vorherigen Verbrauchs wegen sozialwidrigen Verhaltens.
Durch den Änderungsbescheid vom 10. April 2014 reduzierte der Antragsgegner für zwei laufende Monate die Leistungen auf 127,69 EUR bzw. 139,90 EUR, obwohl den Antragstellern das angerechnete Einkommen in Höhe von 976,00 EUR nicht mehr zur Verfügung stand. Dies führte zu einer finanziellen Notlage der Antragsteller und im Verlauf zu einer fristlosen Kündigung des Mietvertrages durch den Vermieter im Juli 2014. Damit liegen die Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes vor.
3. Auch die weiteren Einwendungen des Antragsgegners bleiben unerheblich. Soweit dieser Widersprüche im Sachvortrag der Antragsteller rügt, die Unklarheit der Herkunft des Geldes bemängelt, vermeintliche weitere Einkommensquellen der Antragsteller vermutet, die überhöhte Miete sowie personelle und wirtschaftliche Verflechtungen zwischen dem Vermieter und dem Vater der Antragstellerin zu 1. kritisiert, bleiben diese Fragen, soweit sie überhaupt entscheidungsrelevant sein sollten, einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die wenig substanzvollen Annahmen und Vermutungen des Antragsgegners können die Glaubhaftmachung der Antragsteller im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht erschüttern.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Der Beschwerdeführer hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegner zu tragen.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer und Antragsgegner (im Folgenden: Antragsgegner) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, das ihn verpflichtet hat, den Beschwerdegegnern und Antragstellern (im Folgenden: Antragsteller) vorläufig höhere Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. August 2014 zu bewilligen und an sie auszuzahlen.
Zunächst bezogen die Antragstellerin zu 1. als Mutter der minderjährigen Antragsteller zu 3. und 4. fortlaufend Leistungen nach dem SGB II. Am 13. Februar 2014 beantragte sie die Weiterbewilligung von Leistungen. Bereits am 27. Februar 2013 hatte sie mit der C. einen Mietvertrag über Wohnräume (ca. 72 qm) in der J-Str. (2.OG) geschlossen (Mietzins: 309,60 EUR; Betriebskostenvorauszahlungen: 180,00 EUR; Heizkostenpauschale: 90,00 EUR). Am 12. August 2013 hatte die Antragstellerin zu 1. zudem mit dem Vermieter einen Arbeitsvertrag geschlossen. Hiernach wurde sie zum 1. September 2013 als Anlagen- und Baufinanzierungsberaterin eingestellt (40 Stunden im Monat; Bruttogehalt: 451,00 EUR). Mit vorläufigem Bescheid vom 17. Februar 2014 bewilligte der Antragsgegner für den Zeitraum 1. März 2014 bis 31. August 2014 Leistungen von monatlich knapp über 1000 EUR. Auf Bl. 400 bis 401 der Verwaltungsakte wird Bezug genommen.
Nach einem Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 15. August 2012 hat der Antragsteller zu 2. für den am ... 2004 geborenen Antragsteller zu 5. ab April 2012 Unterhalt in Höhe von 272,00 EUR zu zahlen. Insoweit bestand zwischen dem Antragsteller zu 2. und der Kindesmutter D. auch eine Vereinbarung vom 30. Januar 2014, die u.a. einen Umgang alle 14 Tage festlegte. Nach dem Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht - Dessau Roßlau wurde am 6. November 2013 die Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers zu 2. festgestellt und die Vermögensverwaltung dem Insolvenzverwalter – Rechtsanwalt Prof. Dr. S. aus H. – übertragen.
Am 24. Februar 2014 teilte die Antragstellerin zu 1. dem Antragsgegner Veränderungen mit. Der Antragsteller zu 2. gehöre nunmehr auch zur Haushaltsgemeinschaft. Nach einer Umgangsregelung wohne der Antragsteller zu 5. als minderjähriger Sohn des Antragstellers zu 2. alle vierzehn Tage in der Bedarfsgemeinschaft am Wochenende. Wegen des Zusammenzuges legte die Antragstellerin zu 1. einen neuen Mietvertrag mit ihrem bisherigen Vermieter über Wohnräume (ca. 115 qm) zum 1. März 2014 über eine Mietwohnung in der J-Str. (2. OG) vor. Hieraus ergab sich ein Mietzins in Höhe von 575,00 EUR, eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 230,00 EUR sowie eine Heizkostenpauschale von 126,50 EUR, d.h. insgesamt 931,50 EUR.
Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 7. März 2014, wies der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Februar 2014 monatliche Gesamtleistungen für den Zeitraum vom 1. April bis 31. August 2014 von jeweils knapp 1.000,00 EUR aus.
Durch eine anonyme Anzeige wurde der Antragsgegner darüber informiert, dass die Antragsteller zu 1. bis zu 4. in der Zeit vom 14. Dezember 2013 bis 4. Januar 2014 ohne Ortsabwesenheitsantrag Urlaub in Ä. gemacht hätten. Am 24. Februar 2014 legte die Antragstellerin zu 1. dem Antragsgegner einen Reisepass mit Ein- und Ausreisestempeln aus Ä. vor und gab an: Die Reise hätten ihre Eltern den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft geschenkt. Sie habe mit ihrer Mutter die Reise gebucht und von ihr den Reisepreis von 5.856,00 EUR in bar erhalten. Nach einer vorgelegten Kassenquittung vom 13. Dezember 2013 ist dieser Betrag im Reisebüro bar bezahlt worden.
Mit Schreiben vom 10. April 2014 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1. zu einer beabsichtigten Teilaufhebung der Bewilligung für Januar bis Juni 2014 in Höhe von 5.856,00 EUR an, da ihr dieser Betrag zugeflossen und als einmalige Einnahme auf sechs Monate zu verteilen sei. In weiteren Änderungsbescheiden vom 10. April 2014 hob der Antragsgegner die Bescheide vom 17. Februar und 7. März 2014 auf und bewilligte für den Monat Mai 2014 bis August 2014 folgende Beträge:
Mai 2014: 127,69 EUR,
Juni 2014: 139,90 EUR,
Juli 2014: 1.136,99 EUR,
August 2014: 1.154,60 EUR.
Im Dezember 2013 habe die Antragstellerin zu 1. 5.856,00 EUR erhalten. Diese einmalige Einnahme sei über einen Zeitraum von sechs Monaten (Januar bis Juni 2014) in monatlicher Höhe von 976,00 EUR zu verrechnen.
Am 2. April 2014 reichte die Antragstellerin zu 1. einen Aufhebungsvertrag vom 27. März 2014 ein. Hiernach sei das Arbeitsverhältnis zur C. zum 31. März 2014 beendet worden. Der damit verbundene Wegfall von Einkünften der Antragstellerin zu 1. führte zum weiteren Änderungsbescheid vom 15. Mai 2014 (Bl. 654 d. VA).
Gegen sämtliche Bescheide vom 10. April 2014 haben die Antragsteller noch im April 2014 Widerspruch eingelegt und u.a. geltend gemacht: Seit dem 1. April 2014 verfüge die Antragstellerin zu 1. über kein Einkommen mehr. Die monatliche Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 976,00 EUR sei unzutreffend. Es habe sich um ein zweckgebundenes Geschenk gehandelt, das für den Urlaub verwendet worden sei. Die Antragstellerin zu 1. habe ihre minderjährigen Kinder nicht allein nach Ä. fahren lassen können. Der aktuelle Leistungsbewilligung von 127,69 EUR genüge zum Bestreiten des Lebensunterhaltes nicht.
Am 28. April 2014 haben die Antragsteller vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und höhere Leistungen begehrt. Die Antragstellerin zu 1. habe kein Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis mehr. Die Finanzierung der Urlaubsreise sei eine Zweckschenkung gewesen und durch die Reise verbraucht worden. Nunmehr habe der Vermieter bereits mit Schreiben vom 16. Mai 2014 die Zahlung der Mai-Miete angemahnt. Aus den der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung stehenden Mitteln könne die Miete nicht mehr bezahlt werden. Es drohe die Kündigung. Nach einem vorgelegten Kontoauszug hat die Antragstellerin am 30. April 2014 auf dem Privatkonto ein Guthaben von 731,36 EUR.
Das SG hat unter dem 12. Mai 2014 auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum bereiten Mittel hingewiesen und die Rechtsposition der Antragsteller gestützt. Hiergegen hat der Antragsgegner geltend gemacht: Weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund seien erkennbar. Der im Dezember 2013 erhaltene Barbetrag in Höhe von 5.856,00 EUR stelle eine einmalige Einnahme dar, die gemäß § 11 Abs. 3 SGB II auf sechs Monate habe verrechnet werden können. Für Januar bis Juni 2014 sei daher ein Einkommen von 976,00 EUR zu berücksichtigen. Die BSG-Rechtsprechung sei nach der Neufassung von § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II nicht mehr anwendbar. Dies habe das LSG Niedersachen-Bremen in seinem Beschluss vom 3. Februar 2014 – L 15 AS 437/13 B ER, juris, ausdrücklich klargestellt.
Mit Beschluss vom 30. Mai 2014 hat das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu 1. bis 4. weitere SGB II-Leistungen in Höhe von rund 912 EUR für Mai bis Juni 2014 zu gewähren und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Der Bescheid vom 10. April 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides von 15. Mai 2014 sei bis einschließlich Juni 2014 rechtswidrig, soweit ein Einkommen in Höhe von 976,00 EUR angerechnet werde. Nach summarischer Prüfung sei davon auszugehen, dass die einmalige Zuwendung in Höhe von 5856,00 EUR verbraucht sei und daher als sog. bereites Mittel den Antragstellern nicht mehr zu Verfügung gestanden habe. Nach der Rechtsprechung des BSG könnten Einnahmen nur solange als Einkommen berücksichtigt werden, wie sie vorhanden seien, d.h. als bereites Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen. Die von Seiten des Antragsgegners angeführte LSG-Rechtsprechung, nach der "fiktive" Einnahmen ausreichten, sei mit der BSG-Rechtsprechung nicht vereinbar. Denn "fiktive" Einnahmen seien nicht in der Lage, eine konkrete Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. Ein Anordnungsgrund liege vor, da mangels bedarfsdeckender SGB II-Leistungen die Existenz der Antragsteller gefährdet sei.
Der Antragsgegner hat gegen den am 3. Juni 2014 zugestellten Beschluss am 12. Juni 2014 Beschwerde eingelegt, die Aussetzung der Vollstreckung beantragt und ergänzend vorgetragen: Bereits die Herkunft des Barbetrages sei von den Antragstellern nicht glaubhaft gemacht worden. Zudem sei der Sachvortrag der Antragsteller hinsichtlich der Barzuwendung widersprüchlich, da die genaue Herkunft des Geldes unterschiedlich begründet werde. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 3. Februar 2014, L 15 AS 437/ B ER, sowie der des LSG Mecklenburg-Vorpommern im Beschluss vom 12. Dezember 2013, L 8 AS 9/13 B ER, juris, könne die Rechtsprechung des BSG zur alten Gesetzeslage nicht auf die hier maßgebliche aktuelle Gesetzeslage übertragen werden. Auch ein Anordnungsgrund bestehe nicht, da die Antragsteller mit dem vorhandenen Einkommen die Lebensführung sichern könnten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zu 2. ab dem 1. April 2014 Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit habe. Eine Notlage sei auch bezogen auf die unangemessen hohe Miete nicht erkennbar. Weder drohe eine Wohnungskündigung noch eine Räumungsklage. Überdies bestehe zwischen der Firma des Vermieters mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden E. und der Antragstellerin zu 1. eine persönliche bzw. wirtschaftliche Verflechtung. Der Mietvertrag sei zudem unwirksam, da die Vermieterin nicht Eigentümer des Vermietungsobjektes sei. Eigentümer sei die E. L. des Landes Sachsen-Anhalt.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. Mai 2014 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie haben vorgetragen: Durch die unzureichenden Zahlungen des Antragsgegners seien die Antragsteller mit der Miete in Rückstand geraten. Wegen der Mietrückstände habe der Vermieter nunmehr mit Schreiben vom 3. Juli 2014 die fristlose Kündigung des Mietvertrages erklärt. Die Mutter der Antragstellerin zu 1. habe das Geld in bar von ihrem eigenen Konto abgehoben. Es habe sich um eine zweckgebundene Zuwendung für die Enkel gehandelt. Der Antragsteller zu 2. habe seinen Anteil der Urlaubsreise selbst aus eigenen Mitteln bezahlt. Am 1. April 2014 habe der Antragsteller zu 2. seine Tätigkeit als freiberuflicher Coach wieder aufgenommen. Dies benötige jedoch noch eine Zustimmung des Insolvenzverwalters und des Finanzamtes.
Der Antragsgegner hat hierauf entgegnet: Wenn der Antragsteller zu 2. seinen Anteil selbst bezahlt habe, sei unklar, woher er das Geld genommen habe. Aus den vorgelegten Kontoauszügen seien Ab- und Umbuchungen in Höhe von 2.322,25 EUR nicht erkennbar. Im Übrigen könnte der Antragsteller zu 2. mit diesem Mitteleinsatz gegen seine Pflichten aus dem Privatinsolvenzverfahren verstoßen haben. Wegen der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers zu 2. sei von der Existenz eines weiteren Geschäftskontos auszugehen.
Die Antragsteller haben daraufhin vorgetragen: Die Mutter der Antragstellerin zu 1. habe entsprechend eines vorgelegten Kontoauszuges vom 11. Dezember 2013 7.500,00 EUR Barmittel von ihrem Konto abgehoben. Nach diesem Auszug ist am 11. Dezember 2013 eine Überweisung in Höhe von 8.000,00 EUR durch die H. unter der Überschrift "Darlehen" erfolgt. Der Antragsteller zu 2. habe Barmittel am 30. August 2013 in Höhe von 11.990,00 EUR erhalten, was dem Insolvenzverwalter und dem Finanzamt auch bekannt sei.
Der Antragsgegner rügt, es fehle nach wie vor eine Erklärung der Großeltern über die Geldzuwendung. Die Barabhebung sowie die Darlehensgewährung auf dem Konto der Mutter der Antragstellerin zu 1. gebe zu Zweifeln Anlass, ob sich die Mutter der Antragstellerin zu 1. tatsächlich selbst verschuldet habe, um den Enkelkindern eine Reise zu ermöglichen. Die Herkunft des Geldes bleibe daher nach wie vor unklar.
Mit Beschluss vom 9. Juli 2014 hat der Vorsitzende des 4. Senats den Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollstreckung zurückgewiesen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Der Wert der Beschwerde übersteigt den Berufungswert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in Höhe von 750,00 EUR. Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung durch das SG, die im Beschluss vom 30. Mai 2014 austenorierten Zahlungen vorläufig zu leisten.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antragsgegner verpflichtet, vorläufig in den Monaten Mai bis Juni 2014 an die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II ohne anteilige Anrechnung eines Einkommens in Höhe von 5.856 EUR zu gewähren. Ein Anordnungsgrund und -anspruch gegen den Antragsgegner liegen vor. Der Senat verweist nach eigener Prüfung insoweit vollinhaltlich auf die Ausführungen des Sozialgerichts (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch die in der Beschwerde benannten Argumente des Antragsgegners führen zu keinem anderen Ergebnis.
Die Antragstellerin zu 1. hat glaubhaft gemacht, am 13. Dezember 2013 eine Pauschalreise ab dem 14. Dezember 2013 bis zum 4. Januar 2014 nach Ä. beim Reisebüro D. L. bezahlt zu haben (vgl. Barzahlungsquittung vom 13. Dezember 2013), und hat diese Reise mit den Antragstellern auch durchgeführt (vgl. Eintragung im Reisepass; Fotoaufnahmen). Nach den vorgelegten Kontoauszügen der Antragstellerin zu 1. und des Antragstellers zu 2. ist überdies glaubhaft gemacht, dass die Antragsteller die Reise aus einer einmaligen Zuwendung endgültig verbraucht haben.
Daher ist die vom Antragsgegner vorgenommene anteilige Anrechnung des einmaligen Einkommens für die Monate Mai und Juni 2014 rechtswidrig. Der Verpflichtungsausspruch des SG für die beiden Monate ist nicht zu beanstanden.
Die vom Antragsgegner zitierte Rechtsprechung (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Februar 2014, L 15 AS 437/13 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12. Dezember 2013, L 8 AS 9/12 B ER, jeweils zitiert nach juris) ist weder auf den vorliegenden Fall übertragbar (im Folgenden: 1.), noch entspricht sie der Rechtsprechung des BSG zum sog. "bereiten Mittel" (im Folgenden: 2.).
1. Beide Sachverhalte in den vom Antragsgegner genannten LSG-Entscheidungen, sind nicht mit dem vorliegenden Fall zu vergleichen. Im Sachverhalt, der dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 3. Februar 2014 (a.a.O.) zugrunde lag, verfügten die Antragsteller über einmalige Einnahmen von insgesamt 2.461,57 EUR aus einer Steuerrückerstattung und behaupteten im gerichtlichen Verfahren, sie hätten diese Einnahmen verbraucht, ohne dies konkret nachzuweisen und glaubhaft zu machen. In dem Sachverhalt, der Grundlage des Beschlusses des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 12. Dezember 2013 war (a.a.O.), erhielt ein Leistungsbezieher von seiner Mutter einen Geldbetrag von 5.000,00 EUR für die Beschaffung seines verunfallten Altfahrzeuges. Dieses neue Fahrzeug war dem Leistungsbezieher als Wertfaktor noch verblieben und hätte – nach Verwertung – zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden. Im vorliegenden Fall steht dagegen außer Zweifel, dass die Zuwendung durch Bezahlung der Reise verbraucht war. Gegenteiliges hat der Antragsgegner auch nicht vorgetragen.
2. Auch inhaltlich ist dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen (a.a.O.) nicht zu folgen. Soweit darin behauptet wird, die Rechtsprechung des BSG zum sog. "bereiten Mittel" sei auf die neue Gesetzeslage der §§ 11, 11a SGB II nicht übertragbar, verkennt dies die klaren Vorgaben des BSG. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 76/12 R; Urteil vom 20. Februar 2014, B 14 AS 53/12 R) kommt es bei Berücksichtigung einer Einnahme als Einkommen in einem abschließenden Prüfungsschritt darauf an, ob zugeflossenes Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken. Wenn die einmalige Einnahme, deren Berücksichtigung als Einkommen in Rede steht, tatsächlich aber nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfügung steht, ist ein Leistungsanspruch nicht ausgeschlossen. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten - hier dem Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen - (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 GG nicht vereinbar (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, juris). Diesem Gedanken folgt auch das gesetzgeberische Grundprinzip, dass Einkommen nicht "fiktiv" berücksichtigt werden darf, sondern tatsächlich geeignet sein muss, Hilfebedürftigkeit zu beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012, B 14 AS 33/12 R, juris). Diese Rechtsprechung des BSG zum sog. "bereiten Mittel" ist auch durch die Neuregelung der §§ 11, 11 a SGB II nicht überholt. Insoweit ist auf das Urteil des BSG vom 20. Februar 2014, B 14 AS 53/12 R, juris zu verweisen, in dem die Rechtsprechung zum "bereiten Mitteln" bekräftigt wurde.
Für die Fortgeltung der BSG-Rechtsprechung zum sog. "bereiten Mittel" sprechen auch gesetzessystematische Gründe. Wenn der Gesetzgeber, worauf das BSG zu Recht verweist, einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II wegen sozialwidrigem Verhalten schafft, ist damit die gesetzgeberische Grundentscheidung getroffen, unter welchen Umständen ein sozialwidriges Verhalten den Leistungspflichtigen ersatzpflichtig macht. Der Versuch des Antragsgegners, sich einen "neuen und vereinfachten" Erstattungsanspruch über fiktive Einkommensanrechnungen gemäß §§ 11, 11a SGB II zu verschaffen, widerspricht dieser Regelung. Hat der Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen von Dritten – wenn auch sozialwidrig – zum persönlichen Vergnügen verbraucht und steht ihm dieses Geld nachgewiesenermaßen nicht mehr zur Verfügung, ist er in grundrechtlich schützenswerter Weise hilfebedürftig. Die fiktive Anrechnung eines ihm nicht mehr verfügbaren Einkommens läuft mit der damit verbundenen Verweigerung von existenziell notwendigen Geldzahlungen auf eine Sanktionsnorm "sui generis" hinaus. Hätte der Gesetzgeber eine solche (verfassungswidrige) Gesetzesänderung tatsächlich schaffen wollen, hätte § 34 SGB II konkret geändert werden müssen. Demgegenüber ist aus §§ 11, 11 a SGB II schon vom Wortlaut her kein Sanktionscharakter ableitbar. Diese Norm regelt lediglich die Verrechnungsmodalitäten von vorhandenem Einkommen von Leistungsbeziehern; sie enthält keine Regelung für den Fall eines vorherigen Verbrauchs wegen sozialwidrigen Verhaltens.
Durch den Änderungsbescheid vom 10. April 2014 reduzierte der Antragsgegner für zwei laufende Monate die Leistungen auf 127,69 EUR bzw. 139,90 EUR, obwohl den Antragstellern das angerechnete Einkommen in Höhe von 976,00 EUR nicht mehr zur Verfügung stand. Dies führte zu einer finanziellen Notlage der Antragsteller und im Verlauf zu einer fristlosen Kündigung des Mietvertrages durch den Vermieter im Juli 2014. Damit liegen die Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes vor.
3. Auch die weiteren Einwendungen des Antragsgegners bleiben unerheblich. Soweit dieser Widersprüche im Sachvortrag der Antragsteller rügt, die Unklarheit der Herkunft des Geldes bemängelt, vermeintliche weitere Einkommensquellen der Antragsteller vermutet, die überhöhte Miete sowie personelle und wirtschaftliche Verflechtungen zwischen dem Vermieter und dem Vater der Antragstellerin zu 1. kritisiert, bleiben diese Fragen, soweit sie überhaupt entscheidungsrelevant sein sollten, einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die wenig substanzvollen Annahmen und Vermutungen des Antragsgegners können die Glaubhaftmachung der Antragsteller im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht erschüttern.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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