Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 37 AS 2335/14 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 836/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die auf § 12a Sätze 1 und 2 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 SGB II gestützte Aufforderung an einen Leistungsbrechtigten nach dem SGB II, ab Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, ist nicht unbillig im Sinne der Unbilligkeitsverordnung, wenn auch bei regulärer Rentenantragstellung eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII nicht vermieden werden kann und weitere Gesichtspunkte, die für eine Unbilligkeit sprächen, nicht vorliegen.
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit der an den Antragsteller ergangenen Aufforderung des Antragsgegners, vorzeitig Altersrente zu beantragen.
Der im Mai 1951 geborene Antragsteller bezieht seit 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 17.01.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.05.2014 i.H.v. monatlich 718,69 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 15.05.2014 nahm er die Bewilligung von Leistungen in derselben Höhe für den Zeitraum vom 01.06.2014 bis 30.11.2014 vor.
Nach Aufforderung durch den Antragsgegner reichte der Antragsteller eine Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung M vom 22.04.2014 ein. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente frühestens ab 01.06.2016 i.H.v. monatlich 710,34 EUR netto (791,46 EUR abzüglich 81,12 EUR Sozialversicherungsbeiträge).
Mit Bescheid vom 28.04.2014 forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur Beantragung der Altersrente auf. Auf den Widerspruch des Antragstellers hob die Beklagte diesen Bescheid mit Bescheid vom 15.05.2014 wieder auf. Mit weiterem Bescheid vom 15.05.2014 forderte der Antragsgegner den Antragsteller erneut zur Beantragung der Altersrente unter Nachweisführung bis 31.05.2014 auf. Im Rahmen des ausgeübten Ermessens seien keine Anhaltspunkte erkennbar, die eine anderweitige Entscheidung rechtfertigen könnten. Weder beziehe der Antragsteller Arbeitslosengeld noch stehe ihm ein Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente innerhalb der nächsten drei Monate zu. Auch übe er keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus, eine solche werde auch innerhalb der nächsten drei Monate nicht aufgenommen. Es werde voraussichtlich Hilfebedürftigkeit auch bei Inanspruchnahme einer ungeminderten Altersrente weiterhin bestehen. Aktuell habe der Antragsteller Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 718,69 EUR. Der Anspruch auf ungeminderte Altersrente betrage 791,46 EUR. Hiervon seien Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 81,12 EUR zu entrichten. Zu berücksichtigen sei, dass eine Mieterhöhung noch im Raum stehe. Der Antragsgegner sei gehalten, wirtschaftlich sowie sparsam zu handeln. Der Antragsteller sei verpflichtet, seine Hilfebedürftigkeit zu beseitigen oder zu verringern. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte sei der Antragsgegner zu der Entscheidung gelangt, den Antragsteller zur Beantragung der vorrangigen Leistung aufzufordern.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Antragstellers vom 19.05.2014. Diesen wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2014 zurück. Der Antragsteller könne ab 01.06.2016 eine abschlagsfreie Altersrente in Höhe von 710,87 EUR netto erhalten. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme ab 01.06.2014 betrage die Altersrente monatlich 622,29 EUR netto. Die Höhe der aktuell in Anspruch genommenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts lägen bei monatlich 718,69 EUR. Der Beklagte habe im Rahmen der Prüfung des § 12a SGB II Ermessen auszuüben. Die in der Unbilligkeitsverordnung genannten Ausnahmen liege beim Antragsteller nicht vor. Auch andere Gründe, die eine Ausnahme von der Inanspruchnahme einer Altersrente mit Abschlägen rechtfertigen würden, seien nicht erkennbar. Eine Prognose, den Antragsteller zeitnah in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vermitteln zu können, sei aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktlage und des Umstandes, dass der Antragsteller bereits seit längerem nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, negativ. Auch der Einwand des Antragstellers, die Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente bewirke Abschläge, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Der Antragsteller sei nämlich selbst bei Bezug einer abschlagsfreien Altersrente auf ergänzende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) angewiesen. Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente vermindere jedoch die Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II. Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben (S 29 AS 3052/14).
Der Antragsteller hat am 04.06.2014 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG gestellt. Die Aufforderung zur Beantragung der vorzeitigen Altersrente sei rechtswidrig. Die im Antragsverfahren eingereichte Probeberechnung der Deutschen Rentenversicherung M ergebe, dass sein Rentenanspruch bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente ab 01.06.2014 lediglich 622,29 EUR netto betrage. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente stelle eine erhebliche Einbuße dar, so dass er zwingend Leistungen nach dem SGB XII beantragen müsse. Hierdurch würde eine höhere Hilfebedürftigkeit gegenüber dem Sozialhilfeträger auf Lebenszeit herbeigeführt werden, als wenn er die abschlagsfreie Regelaltersrente in Anspruch nehmen würde.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 16.06.2014 abgelehnt. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.05.2014 habe gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 39 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Der Antragsgegner habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Bei Erlass des Bescheides vom 15.05.2014 habe dem Antragsgegner die Rentenauskunft bezüglich des Antragstellers vorgelegen. Aus dem Bescheid gehe hervor, dass der Antragsgegner die abschlagsfreie Altersrente i.H.v. 791,46 EUR brutto (abzüglich Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 81,12 EUR) und die bewilligten Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 718,96 EUR, bei denen noch nicht die Mieterhöhung berücksichtigt sei, gegenüber gestellt habe. Der Antragsgegner habe festgestellt, dass auch bei Inanspruchnahme einer ungeminderten Altersrente weiterhin Hilfebedürftigkeit bestehe. Eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Vermittlungsmöglichkeiten des Antragstellers in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe er getroffen. Der Antragsgegner habe festgestellt, dass die in der Unbilligkeitsverordnung genannten Ausnahmen nicht vorlägen. Darüber hinausgehende Härtefälle habe der Antragsgegner ebenfalls geprüft und verneint. Zwar möge der Einwand des Antragstellers, die Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente mit Abschlägen begründe eine höhere Hilfebedürftigkeit gegenüber dem Sozialhilfeträger auf Lebenszeit, zutreffen. Tatsächlich sei der Antragsteller aber selbst bei Bezug einer abschlagsfreien Altersrente weiterhin auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII angewiesen. Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente sowie ergänzender Leistungen nach dem SGB XII vermindere jedoch die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers im Sinne des SGB II. Daher bestehe eine Verpflichtung zur Beantragung vorrangiger Leistungen gemäß § 12a Satz 1 SGB II. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vom 15.05.2014 sei nicht ersichtlich, so dass von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an dessen Vollziehung auszugehen sei. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei abzulehnen. Aus denselben Gründen sei auch der Hilfsantrag, den Vollzug des Bescheides vom 15.05.2014 aufzuheben, abzulehnen.
Gegen den der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 19.06.2014 zugestellten Beschluss hat sie am 26.06.2014 Beschwerde beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) eingelegt. Vorliegend bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Die Regelaltersrente ab 01.07.2016 betrage voraussichtlich 710,87 EUR netto. Die Deutsche Rentenversicherung habe einen Anspruch i.H.v. 662,29 EUR netto bei vorzeitiger Inanspruchnahme ab 01.06.2014 berechnet. Die vorzeitige Inanspruchnahme stelle eine erhebliche Einbuße dar, so dass der Antragsteller zwingend Leistungen nach dem SGB XII beantragen müsse. Es werde eine höhere Hilfebedürftigkeit gegenüber dem Sozialhilfeträger auf Lebenszeit herbeigeführt, als wenn der Antragsteller die Regelaltersrente in Anspruch nähme. Ergänzend werde auf die Rentenauskunft vom 22.04.2014 Bezug genommen. Hiernach würde bei einem jährlichen Anpassungssatz von einem Prozent die monatliche Rente 810,00 EUR (brutto) betragen. Bei gleichbleibenden Abzügen würde damit die Rente 730,87 EUR (netto) betragen, so dass keine ergänzenden Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch zu nehmen wären.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.06.2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung zur Beantragung der vorzeitigen Rente anzuordnen, hilfsweise den Vollzug des Bescheides des Antragsgegners vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er erachtet den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend.
Der Antragsgegner hat den Antragsteller nach Zustellung des Beschlusses des SG nochmals aufgefordert, bis Ende Juli 2014 einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Dem ist der Antragsteller am 23.07.2014 nachgekommen, da die Einstellung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab August 2014 angekündigt worden sei. Ausweislich des Rentenbescheides der Deutschen Rentenversicherung M vom 11.08.2014 beträgt die Altersrente ab 01.09.2014 764,33 EUR (brutto) und 685,99 EUR (netto).
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners vor. Ihr Inhalt ist Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsstellers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 16.06.2014 den Antrag des Antragstellers abgelehnt.
Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 eingereichten Anfechtungsklage bzw. Aufhebung der Vollziehung der genannten Bescheide zu. Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 S. 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
Die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung zur vorzeitigen Beantragung der Rente hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage bzw. Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und das private Interesse an der Aussetzung der Vollziehung sind im Rahmen dessen gegeneinander abzuwägen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.03.2006 – L 8 AS 369/06 ER B, juris, RdNr. 19). Zu berücksichtigen ist, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an dem sofortigen Vollzug des angegriffenen Verwaltungsaktes Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2013, § 86a, RdNr. 12; Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 39, RdNr. 1). Bei der Abwägung sind neben den Folgen der Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtschutzes die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2013 – L 28 AS 2330/13 B, juris, RdNr. 3). Erfolgsaussichten sind gegeben, wenn der Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist (Keller, a.a.O., § 86b, RdNr. 12 f.).
Der Bescheid vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung zur Beantragung einer Rente ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
1. Die zunächst vor Erlass des Bescheides vom 15.05.2014 fehlende Anhörung (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) ist mit Erlass des Bescheides vom 15.05.2014 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden (BSG, Urteil vom 24.03.1994 – 5 RJ 22/93; BSG, Urteil vom 23.06.1993 – 9/9a RVs 1/92; BSG, Urteil vom 19.09.2000 – B 9 SB 1/00 R, alle juris).
2. Der Bescheid vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung zur Beantragung einer Rente ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Gemäß § 12a S. 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S.12) erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte gemäß § 12a S. 2 Nr. 1 SGB II nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II können die Leistungsträger, wenn die Leistungsberechtigten trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellen, den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Hieraus schließen die Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend, dass sowohl die Stellung des Antrags anstelle des Leistungsempfängers als auch die Aufforderung, einen derartigen Antrag zu stellen, im Ermessen des Leistungsträgers stehen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER, L 7 AS 526/13 B, RdNr. 22 ff.; SG Detmold, Beschluss vom 28.01.2013 – S 25 AS 4787/12 ER, RdNrn. 18 ff.; SG Dresden, Beschluss vom 21.02.2014 – S 28 AS 567/14 ER, RdNrn. 19 ff.; SG Leipzig, Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 – S 17 AS 4284/13, RdNrn. 19 ff.; SG Duisburg, Beschluss vom 28.01.2013 – S 25 AS 4787/12 ER, RdNrn. 18 ff., alle juris; Knickrehm, Soziale Sicherheit 2008, S. 192, 195; Hammel, info also 2013, S. 148, 151; Weth, info also 2013, S. 132).
§ 12a S. 1 SGB II beinhaltet eine Konkretisierung zu § 3 Abs. 3 S. 1 SGB II. Danach dürfen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Nach § 2 Abs. 1 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II ausschöpfen. Nach § 2 Abs. 2 SGB II haben erwerbsfähige Leistungsberechtigte in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten (vgl. Hammel, info also 2013, S.148, 149). Dazu gehört die Inanspruchnahme von im Laufe des Erwerbslebens erarbeiteten Rentenversicherungsleistungen der Deutschen Rentenversicherung.
Nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine "Unbilligkeit" im Sinne der auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 SGB II mit Wirkung ab dem 01.01.2008 erlassenen Unbilligkeitsverordnung vom 14.04.2008 (BGBl. I S. 734; abgedruckt in Eicher, SGB II, Anhang zu § 13) darstellt. Nach der gesetzlichen Konzeption (vgl. Wortlaut des § 13 Abs. 2 SGB II) stellt die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres den Grundsatz und die Freistellung von dieser Pflicht wegen Unbilligkeit die Ausnahme dar (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S. 12 zu § 13; Hengelhaupt, a.a.O., § 12a, RdNr. 30 ff., 38; LSG NRW, a.a.O.). Das bedeutet, eine Pflicht, nach Vollendung des 63. Lebensjahrs eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, besteht nur dann ausnahmsweise nicht, wenn dies unbillig wäre.
a) § 12a SGB II findet auf den Antragsteller Anwendung. § 12a SGB II betrifft unter Berücksichtigung von § 65 Abs. 4 SGB II alle Leistungsberechtigten, die nach dem 01.01.2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben und damit nicht mehr in den Genuss der sogenannten 58-iger Regelung kommen (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Stand: 6/2014, § 12a SGB II, RdNr. 30; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER, RdNr. 20; Hessisches LSG, Beschluss vom 24.05.2011 – L 7 AS 88/11 B ER, RdNr. 20, beide juris). Der im Mai 1951 geborene Antragsteller hat nach dem 01.01.2008, nämlich im Mai 2009, das 58. Lebensjahr vollendet.
Er hat im Mai 2014 das 63. Lebensjahr vollendet.
b) Der Antragsgegner hat im Bescheid vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und umfangreiche Ermessenserwägungen angestellt (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER, L 7 AS 526/13 B, RdNr. 22 ff.; SG Detmold, Beschluss vom 28.01.2013 – S 25 AS 4787/12 ER, RdNrn. 18 ff.; SG Dresden, Beschluss vom 21.02.2014 – S 28 AS 567/14 ER, RdNrn. 19 ff.; SG Leipzig, Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 – S 17 AS 4284/13, RdNrn. 19 ff., SG Duisburg, Beschluss vom 28.01.2013 – S 25 AS 4787/12 ER, RdNrn. 18 ff., alle juris; Knickrehm, Soziale Sicherheit 2008, S. 192, 195; Hammel, info also 2013, S. 148, 151; Weth, info also 2013, S. 132). Er hat sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten. Der Antragsgegner hat insbesondere den Bedarf sowie die Höhe der Altersrente bei regulärer und bei vorzeitiger Inanspruchnahme ermittelt und ausgehend von diesen Werten entschieden, dass eine Unbilligkeit im Falle des Antragstellers nicht gegeben ist. Die getroffene Entscheidung ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
c) Es bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich möglichen summarischen Prüfung keine Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters im Sinne der §§ 1 bis 5 der Unbilligkeitsverordnung.
Die Inanspruchnahme der Rente führt beim Antragsteller nicht zum Verlust von Arbeitslosengeld im Sinne des § 2 Unbilligkeitsverordnung. Der Antragsteller kann auch nicht gem. § 3 Unbilligkeitsverordnung in nächster Zukunft abschlagsfrei die Altersrente in Anspruch nehmen. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist mit "in nächster Zukunft" ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung, S. 8; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., RdNr. 21; Knickrehm, Soziale Sicherheit 2008, S. 192, 195). Er übt auch keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 4 Unbilligkeitsverordnung aus. Eine solche steht auch nicht bevor (§ 5 Unbilligkeitsverordnung). Eine diesbezügliche Prognoseentscheidung hinsichtlich der Vermittlungsmöglichkeiten des Antragstellers in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis hat der Antragsgegner getroffen.
Eine – über die in den §§ 2 bis 5 Unbilligkeitsverordnung genannten Sachverhalte hinausgehende – Unbilligkeit im Sinne des § 1 Unbilligkeitsverordnung (vgl. Hengelhaupt, a.a.O., RdNr. 298) hat der Antragsgegner zu Recht abgelehnt.
Gegen eine weite Auslegung von § 1 Unbilligkeitsverordnung, nach dem Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre, spricht die Gesetzesbegründung zu § 13 SGB II (BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 13): "Das in der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck gebrachte Regel-Ausnahme-Verhältnis soll verdeutlichen, dass die Verordnung lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen soll, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig wäre."
Nach Ansicht des LSG in Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013, a.a.O., RdNr. 22 ff., könnte die historische Auslegung anhand der Entwicklung vergleichbarer Normen des AFG bzw. des SGB III gegen eine Maßgeblichkeit einer unter dem Hilfebedarf liegenden Altersrente im Rahmen der Unbilligkeitsprüfung nach § 1 Unbilligkeitsverordnung sprechen:
"§ 134 Abs. 3c Satz 1 und 2 AFG in der bis zum 31.12.1997 gültigen Fassung sah ebenfalls die Möglichkeit vor, zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufzufordern, und ordnete bei Unterlassen das Ruhen des Arbeitslosenhilfeanspruchs an. Das Bundessozialgericht sah aber den Fall, dass die Altersrente niedriger als die Arbeitslosenhilfe sein würde, als atypischen Fall an, der angesichts des in § 134 Abs. 3c Satz 1 AFG vorgesehenen intendierten Ermessens ("soll") eine Ermessensprüfung eröffne (vgl. BSG Urteil vom 27.07.2000 - B 7 AL 42/99 R = juris Rn 29, 31). Das Bundessozialgericht bestätigte diese Rechtsprechung für die Folgeregelung in § 202 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2002 - B 7 AL 18/02 R = juris Rn 15 ff). In Reaktion hierauf änderte der Gesetzgeber § 202 Abs. 1 SGB III mit Wirkung vom 01.01.2002 dahingehend ab, dass die Höhe der Altersrente nicht maßgeblich sei (vgl. BT-Drs 14/6944 S 38 zu § 202). Mit Wegfall der Arbeitslosenhilfe zum 31.12.2004 ist diese Regelung aufgehoben worden. Sie könnte aber zur Auslegung von §§ 5, 12a, 13 SGB II bzw. der Unbilligkeitsverordnung herangezogen werden."
Es kann dahinstehen, ob dem zu folgen ist. Ungeachtet dessen ist die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller zur Stellung eines Rentenantrags aufzufordern, nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, weil eine Unbilligkeit im Sinne des § 1 Unbilligkeitsverordnung nicht vorliegt. Eine solche ist nicht gegeben, weil (aa) auch bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII voraussichtlich nicht vermieden würde, (bb) weitere Gesichtspunkte, die für eine Unbilligkeit im vorliegenden Einzelfalls sprächen, nicht vorliegen und (cc) durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung aus Sicht des Senats nicht bestehen.
aa) Auch bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 wird eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII voraussichtlich nicht vermieden. Der Antragsteller hat im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.11.2014 ausweislich der Bescheide des Antragsgegners vom 17.01.2014 und 15.05.2014 einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 718,69 EUR monatlich (391,00 EUR Regelleistung, 327,69 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung). Hinzu dürfte ab 01.04.2014 eine Mieterhöhung i.H.v. 6,25 EUR ausweislich des Schreibens des Vermieters vom 08.01.2014 kommen. Damit würden sich die Kosten der Unterkunft und Heizung noch erhöhen. Der Bedarf des Antragstellers dürfte unter Berücksichtigung dessen seit 01.04.2014 pro Monat 724,94 EUR betragen.
Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung M vom 22.04.2014 kann der Antragsteller frühestens ab 01.06.2016 eine abschlagsfreie Regelaltersrente i.H.v. 791,46 EUR (brutto) in Anspruch nehmen. Es ergibt sich ein Netto-Rentenanspruch i.H.v. 710,34 EUR. Ausweislich der mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 04.06.2014 eingereichten Probeberechnung der Deutschen Rentenversicherung M für den Fall des Rentenbeginns 01.06.2016 beträgt die Regelaltersrente des Antragstellers 792,06 EUR (brutto) und 710,87 EUR netto.
Auch bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 würde im Falle des Antragstellers folglich voraussichtlich eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII nicht vermieden. Der Bedarf des Antragstellers liegt nämlich unter Berücksichtigung des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters bei 724,94 EUR und damit über der zum 01.06.2016 zu erwartenden Rentenzahlung. Der Antragsteller hätte auch in diesem Falle voraussichtlich einen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII.
Mit dem LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER, L 7 AS 526/13 B, juris, RdNr. 23) geht der erkennende Senat zumindest für den hier zu entscheidenden Einzelfall davon aus, dass angesichts der Tatsache, dass auch die reguläre Altersrente nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken, und folglich auch in diesem Falle Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII nicht vermieden werden kann, ein Fall der Unbilligkeit nicht gegeben ist.
bb) Weitere Gesichtspunkte, die die Annahme einer Unbilligkeit aus anderen Gründen rechtfertigen könnten, sind vorliegend nämlich nicht gegeben.
Es muss nicht entschieden werden, ob sich der Antragsteller auf eine Unbilligkeit berufen könnte, die daraus resultierte, dass die nach § 12a SGB II eingesparten Leistungen geringer als die statt dessen prognostisch zu zahlenden SGB XII-Leistungen wären (vgl. Knickrehm, a.a.O., S. 195 ff.), weil ein solcher Sachverhalt vorliegend nicht gegeben ist.
Durch die Aufforderung des Antragsgegners kann eine Reduzierung nicht nur der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II, sondern auch der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II und dem SGB XII erreicht werden (vgl. Knickrehm, a.a.O., S. 195 ff.).
Bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente ab 01.06.2014 ermittelte die Deutsche Rentenversicherung Mittelsachsen nach der mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 04.06.2014 eingereichten Probeberechnung eine Rentenleistung i.H.v. 737,93 EUR (brutto) und 662,29 EUR netto. Nach dem vorgelegten Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung M vom 11.08.2014 beträgt die Altersrente ab 01.09.2014 tatsächlich 764,33 EUR (brutto) und 685,99 EUR (netto).
Der monatliche Bedarf des Antragstellers liegt bei 724,94 EUR. Die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II wäre bei Rentenantragstellung zum 01.06.2014 im Vergleich zur Situation bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 i.H.v. mindestens 17.398,56 EUR (724,94 EUR x 24 Monate bis 31.05.2016) beseitigt worden. Angesichts der nunmehr tatsächlich zum 01.09.2014 beantragten Altersrente wird die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II im Vergleich zur Situation bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 i.H.v. 15.223,74 EUR (724,94 EUR x 21 Monate) beseitigt. Bei dieser Berechnung sind Erhöhungen der Regelleistungen und der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht berücksichtigt.
Der Antragsteller erhält ausweislich des Rentenbescheides vom 11.08.2014 zum 01.09.2014 eine monatliche Nettorente i.H.v. 685,99 EUR. Er würde bei Antragstellung zum 01.06.2016 – nach den derzeit vorliegenden Berechnungen – eine solche i.H.v. 710,87 EUR erhalten. Bei vorzeitiger Rentenantragstellung bestünde – wie voraussichtlich ebenso bei regulärer Antragstellung – ein ergänzender Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Deren Differenz beträgt monatlich knapp 25,00 EUR (710,87 EUR abzüglich 685,99 EUR). Unter Zugrundelegung einer statistischen Lebenserwartung des Antragstellers von 80 bis 85 Lebensjahren (vgl. Statistisches Bundesamt, Lebenserwartung in Deutschland, Durchschnittliche und fernere Lebenserwartung nach ausgewählten Altersstufen; Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Fernere Lebenserwartung im Alter von 65 nach Geschlecht und Bundesländern, Sterbetafel 2009/2011; beide an die Beteiligten übersandt) wären bei vorzeitiger Rentenantragstellung Mehrleistungen nach dem SGB XII von deutlich weniger als 15.223,74 EUR zu erbringen (z.B. ausgehend von einer Lebenserwartung von 80 Lebensjahren: 17 Jahre x 12 Monate x 25,00 EUR monatlich = 5.100,00 EUR; bei 85 Lebensjahren: 22 Jahre x 12 Monate x 25,00 EUR = 6.600,00 EUR). Eine Verminderung der Hilfebedürftigkeit würde bei vorzeitiger Rentenantragstellung folglich nicht nur bei isolierter Betrachtung derjenigen nach dem SGB II, sondern auch bei (einer in § 12a SGB II nicht vorgesehenen) Berücksichtigung auch der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII eintreten. Eine vom Antragsteller im Schriftsatz vom 30.07.2014 angesprochene Möglichkeit der Inanspruchnahme von Wohngeld in Höhe von monatlich 46,00 EUR würde den Hilfebedarf nach dem SGB XII in beiden Konstellationen sogar entfallen lassen. In diesem Falle würde durch die vorzeitige Rentenantragstellung sogar eine Beseitigung der Hilfebedürftigkeit sowohl nach dem SGB II als auch SGB XII eintreten.
Zwar ist richtig, dass die Deutsche Rentenversicherung M im Schreiben vom 22.04.2014 ausgeführt hat, aufgrund künftiger Rentenanpassungen könnte "die errechnete Rente in Höhe von 791,46 EUR tatsächlich höher ausfallen. Allerdings können auch wir die Entwicklung nicht vorhersehen. Deshalb haben wir – ohne Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes – eine mögliche Variante für Sie gerechnet. Beträgt der jährliche Anpassungssatz 1 %, so ergäbe sich eine monatliche Rente von etwa 810,00 EUR." Dieser Wert kann den Berechnungen allerdings nicht zugrunde gelegt werden, weil er auch nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Mittelsachen kein verbindlicher Wert ist. Seine tatsächliche Höhe wird erst in Zukunft festgelegt werden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass neben Rentenanpassungen auch Anpassungen bei der Regelleistung wahrscheinlich sind und eine weitere Erhöhung des Kosten der Unterkunft und Heizung durch Anhebung des Mietzinses durch den Vermieter nicht ausgeschlossen ist.
cc) Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen aus Sicht des Senats nicht. Das SG Leipzig hat in der Entscheidung vom 13.05.2014 – S 17 AS 4284/13, juris, RdNr. 24 ausgeführt: "Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen sind nicht zu begründen. Denn die prozentuale Kürzung der Rentenleistung verletzt das eigentumsähnlich geschützte Äquivalenzprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung nicht, da sie die längere Rentenbezugsdauer kompensieren soll und den hierzu angemessenen Rahmen nicht überschreitet. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber nicht hilfebedürftigen Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung liegt nicht vor. Denn auch diese haben bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente gleiche Abschläge hinzunehmen. Dass steuerfinanzierte Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II von Verfassungs wegen nur die Deckung des aktuell nicht anders bestreitbaren Grundsicherungsbedarfs zur Wahrung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG und nicht die ungeschmälerte Aufrechterhaltung von Ansprüchen aus anderen Sozialversicherungszweigen gewährleisten müssen, bedarf keiner weiteren Begründung. Dass die Klägerin ihren erworbenen eigentumsgleichen Anspruch aus gesetzlicher Rentenversicherung schließlich für ihre Bedarfsdeckung vorrangig gegenüber Grundsicherungsleistungen einzusetzen hat, ist verfassungsrechtlich ebenso unbedenklich wie die Pflicht zum vorrangigen Einsatz von sonstigem Eigentum, soweit kein Schonvermögen besteht."
Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.
Nach alledem ist die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Der Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.
Weinholtz Wagner Dr. Anders
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit der an den Antragsteller ergangenen Aufforderung des Antragsgegners, vorzeitig Altersrente zu beantragen.
Der im Mai 1951 geborene Antragsteller bezieht seit 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 17.01.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.05.2014 i.H.v. monatlich 718,69 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 15.05.2014 nahm er die Bewilligung von Leistungen in derselben Höhe für den Zeitraum vom 01.06.2014 bis 30.11.2014 vor.
Nach Aufforderung durch den Antragsgegner reichte der Antragsteller eine Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung M vom 22.04.2014 ein. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente frühestens ab 01.06.2016 i.H.v. monatlich 710,34 EUR netto (791,46 EUR abzüglich 81,12 EUR Sozialversicherungsbeiträge).
Mit Bescheid vom 28.04.2014 forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur Beantragung der Altersrente auf. Auf den Widerspruch des Antragstellers hob die Beklagte diesen Bescheid mit Bescheid vom 15.05.2014 wieder auf. Mit weiterem Bescheid vom 15.05.2014 forderte der Antragsgegner den Antragsteller erneut zur Beantragung der Altersrente unter Nachweisführung bis 31.05.2014 auf. Im Rahmen des ausgeübten Ermessens seien keine Anhaltspunkte erkennbar, die eine anderweitige Entscheidung rechtfertigen könnten. Weder beziehe der Antragsteller Arbeitslosengeld noch stehe ihm ein Anspruch auf abschlagsfreie Altersrente innerhalb der nächsten drei Monate zu. Auch übe er keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus, eine solche werde auch innerhalb der nächsten drei Monate nicht aufgenommen. Es werde voraussichtlich Hilfebedürftigkeit auch bei Inanspruchnahme einer ungeminderten Altersrente weiterhin bestehen. Aktuell habe der Antragsteller Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 718,69 EUR. Der Anspruch auf ungeminderte Altersrente betrage 791,46 EUR. Hiervon seien Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 81,12 EUR zu entrichten. Zu berücksichtigen sei, dass eine Mieterhöhung noch im Raum stehe. Der Antragsgegner sei gehalten, wirtschaftlich sowie sparsam zu handeln. Der Antragsteller sei verpflichtet, seine Hilfebedürftigkeit zu beseitigen oder zu verringern. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte sei der Antragsgegner zu der Entscheidung gelangt, den Antragsteller zur Beantragung der vorrangigen Leistung aufzufordern.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Antragstellers vom 19.05.2014. Diesen wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2014 zurück. Der Antragsteller könne ab 01.06.2016 eine abschlagsfreie Altersrente in Höhe von 710,87 EUR netto erhalten. Bei vorzeitiger Inanspruchnahme ab 01.06.2014 betrage die Altersrente monatlich 622,29 EUR netto. Die Höhe der aktuell in Anspruch genommenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts lägen bei monatlich 718,69 EUR. Der Beklagte habe im Rahmen der Prüfung des § 12a SGB II Ermessen auszuüben. Die in der Unbilligkeitsverordnung genannten Ausnahmen liege beim Antragsteller nicht vor. Auch andere Gründe, die eine Ausnahme von der Inanspruchnahme einer Altersrente mit Abschlägen rechtfertigen würden, seien nicht erkennbar. Eine Prognose, den Antragsteller zeitnah in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vermitteln zu können, sei aufgrund der aktuellen Arbeitsmarktlage und des Umstandes, dass der Antragsteller bereits seit längerem nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, negativ. Auch der Einwand des Antragstellers, die Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente bewirke Abschläge, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Der Antragsteller sei nämlich selbst bei Bezug einer abschlagsfreien Altersrente auf ergänzende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) angewiesen. Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente vermindere jedoch die Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II. Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben (S 29 AS 3052/14).
Der Antragsteller hat am 04.06.2014 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG gestellt. Die Aufforderung zur Beantragung der vorzeitigen Altersrente sei rechtswidrig. Die im Antragsverfahren eingereichte Probeberechnung der Deutschen Rentenversicherung M ergebe, dass sein Rentenanspruch bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente ab 01.06.2014 lediglich 622,29 EUR netto betrage. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente stelle eine erhebliche Einbuße dar, so dass er zwingend Leistungen nach dem SGB XII beantragen müsse. Hierdurch würde eine höhere Hilfebedürftigkeit gegenüber dem Sozialhilfeträger auf Lebenszeit herbeigeführt werden, als wenn er die abschlagsfreie Regelaltersrente in Anspruch nehmen würde.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 16.06.2014 abgelehnt. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.05.2014 habe gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 39 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Der Antragsgegner habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Bei Erlass des Bescheides vom 15.05.2014 habe dem Antragsgegner die Rentenauskunft bezüglich des Antragstellers vorgelegen. Aus dem Bescheid gehe hervor, dass der Antragsgegner die abschlagsfreie Altersrente i.H.v. 791,46 EUR brutto (abzüglich Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. 81,12 EUR) und die bewilligten Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 718,96 EUR, bei denen noch nicht die Mieterhöhung berücksichtigt sei, gegenüber gestellt habe. Der Antragsgegner habe festgestellt, dass auch bei Inanspruchnahme einer ungeminderten Altersrente weiterhin Hilfebedürftigkeit bestehe. Eine Prognoseentscheidung hinsichtlich der Vermittlungsmöglichkeiten des Antragstellers in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis habe er getroffen. Der Antragsgegner habe festgestellt, dass die in der Unbilligkeitsverordnung genannten Ausnahmen nicht vorlägen. Darüber hinausgehende Härtefälle habe der Antragsgegner ebenfalls geprüft und verneint. Zwar möge der Einwand des Antragstellers, die Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente mit Abschlägen begründe eine höhere Hilfebedürftigkeit gegenüber dem Sozialhilfeträger auf Lebenszeit, zutreffen. Tatsächlich sei der Antragsteller aber selbst bei Bezug einer abschlagsfreien Altersrente weiterhin auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII angewiesen. Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente sowie ergänzender Leistungen nach dem SGB XII vermindere jedoch die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers im Sinne des SGB II. Daher bestehe eine Verpflichtung zur Beantragung vorrangiger Leistungen gemäß § 12a Satz 1 SGB II. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vom 15.05.2014 sei nicht ersichtlich, so dass von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an dessen Vollziehung auszugehen sei. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei abzulehnen. Aus denselben Gründen sei auch der Hilfsantrag, den Vollzug des Bescheides vom 15.05.2014 aufzuheben, abzulehnen.
Gegen den der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 19.06.2014 zugestellten Beschluss hat sie am 26.06.2014 Beschwerde beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) eingelegt. Vorliegend bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Die Regelaltersrente ab 01.07.2016 betrage voraussichtlich 710,87 EUR netto. Die Deutsche Rentenversicherung habe einen Anspruch i.H.v. 662,29 EUR netto bei vorzeitiger Inanspruchnahme ab 01.06.2014 berechnet. Die vorzeitige Inanspruchnahme stelle eine erhebliche Einbuße dar, so dass der Antragsteller zwingend Leistungen nach dem SGB XII beantragen müsse. Es werde eine höhere Hilfebedürftigkeit gegenüber dem Sozialhilfeträger auf Lebenszeit herbeigeführt, als wenn der Antragsteller die Regelaltersrente in Anspruch nähme. Ergänzend werde auf die Rentenauskunft vom 22.04.2014 Bezug genommen. Hiernach würde bei einem jährlichen Anpassungssatz von einem Prozent die monatliche Rente 810,00 EUR (brutto) betragen. Bei gleichbleibenden Abzügen würde damit die Rente 730,87 EUR (netto) betragen, so dass keine ergänzenden Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch zu nehmen wären.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.06.2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung zur Beantragung der vorzeitigen Rente anzuordnen, hilfsweise den Vollzug des Bescheides des Antragsgegners vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er erachtet den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend.
Der Antragsgegner hat den Antragsteller nach Zustellung des Beschlusses des SG nochmals aufgefordert, bis Ende Juli 2014 einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Dem ist der Antragsteller am 23.07.2014 nachgekommen, da die Einstellung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab August 2014 angekündigt worden sei. Ausweislich des Rentenbescheides der Deutschen Rentenversicherung M vom 11.08.2014 beträgt die Altersrente ab 01.09.2014 764,33 EUR (brutto) und 685,99 EUR (netto).
Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners vor. Ihr Inhalt ist Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsstellers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 16.06.2014 den Antrag des Antragstellers abgelehnt.
Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 eingereichten Anfechtungsklage bzw. Aufhebung der Vollziehung der genannten Bescheide zu. Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 S. 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
Die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung zur vorzeitigen Beantragung der Rente hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage bzw. Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und das private Interesse an der Aussetzung der Vollziehung sind im Rahmen dessen gegeneinander abzuwägen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.03.2006 – L 8 AS 369/06 ER B, juris, RdNr. 19). Zu berücksichtigen ist, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an dem sofortigen Vollzug des angegriffenen Verwaltungsaktes Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2013, § 86a, RdNr. 12; Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 39, RdNr. 1). Bei der Abwägung sind neben den Folgen der Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtschutzes die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2013 – L 28 AS 2330/13 B, juris, RdNr. 3). Erfolgsaussichten sind gegeben, wenn der Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist (Keller, a.a.O., § 86b, RdNr. 12 f.).
Der Bescheid vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung zur Beantragung einer Rente ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
1. Die zunächst vor Erlass des Bescheides vom 15.05.2014 fehlende Anhörung (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) ist mit Erlass des Bescheides vom 15.05.2014 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nachgeholt worden (BSG, Urteil vom 24.03.1994 – 5 RJ 22/93; BSG, Urteil vom 23.06.1993 – 9/9a RVs 1/92; BSG, Urteil vom 19.09.2000 – B 9 SB 1/00 R, alle juris).
2. Der Bescheid vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 und der neuerlichen Aufforderung zur Beantragung einer Rente ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Gemäß § 12a S. 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S.12) erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte gemäß § 12a S. 2 Nr. 1 SGB II nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II können die Leistungsträger, wenn die Leistungsberechtigten trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellen, den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Hieraus schließen die Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend, dass sowohl die Stellung des Antrags anstelle des Leistungsempfängers als auch die Aufforderung, einen derartigen Antrag zu stellen, im Ermessen des Leistungsträgers stehen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER, L 7 AS 526/13 B, RdNr. 22 ff.; SG Detmold, Beschluss vom 28.01.2013 – S 25 AS 4787/12 ER, RdNrn. 18 ff.; SG Dresden, Beschluss vom 21.02.2014 – S 28 AS 567/14 ER, RdNrn. 19 ff.; SG Leipzig, Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 – S 17 AS 4284/13, RdNrn. 19 ff.; SG Duisburg, Beschluss vom 28.01.2013 – S 25 AS 4787/12 ER, RdNrn. 18 ff., alle juris; Knickrehm, Soziale Sicherheit 2008, S. 192, 195; Hammel, info also 2013, S. 148, 151; Weth, info also 2013, S. 132).
§ 12a S. 1 SGB II beinhaltet eine Konkretisierung zu § 3 Abs. 3 S. 1 SGB II. Danach dürfen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Nach § 2 Abs. 1 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II ausschöpfen. Nach § 2 Abs. 2 SGB II haben erwerbsfähige Leistungsberechtigte in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten (vgl. Hammel, info also 2013, S.148, 149). Dazu gehört die Inanspruchnahme von im Laufe des Erwerbslebens erarbeiteten Rentenversicherungsleistungen der Deutschen Rentenversicherung.
Nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine "Unbilligkeit" im Sinne der auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 SGB II mit Wirkung ab dem 01.01.2008 erlassenen Unbilligkeitsverordnung vom 14.04.2008 (BGBl. I S. 734; abgedruckt in Eicher, SGB II, Anhang zu § 13) darstellt. Nach der gesetzlichen Konzeption (vgl. Wortlaut des § 13 Abs. 2 SGB II) stellt die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres den Grundsatz und die Freistellung von dieser Pflicht wegen Unbilligkeit die Ausnahme dar (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S. 12 zu § 13; Hengelhaupt, a.a.O., § 12a, RdNr. 30 ff., 38; LSG NRW, a.a.O.). Das bedeutet, eine Pflicht, nach Vollendung des 63. Lebensjahrs eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, besteht nur dann ausnahmsweise nicht, wenn dies unbillig wäre.
a) § 12a SGB II findet auf den Antragsteller Anwendung. § 12a SGB II betrifft unter Berücksichtigung von § 65 Abs. 4 SGB II alle Leistungsberechtigten, die nach dem 01.01.2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben und damit nicht mehr in den Genuss der sogenannten 58-iger Regelung kommen (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Stand: 6/2014, § 12a SGB II, RdNr. 30; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER, RdNr. 20; Hessisches LSG, Beschluss vom 24.05.2011 – L 7 AS 88/11 B ER, RdNr. 20, beide juris). Der im Mai 1951 geborene Antragsteller hat nach dem 01.01.2008, nämlich im Mai 2009, das 58. Lebensjahr vollendet.
Er hat im Mai 2014 das 63. Lebensjahr vollendet.
b) Der Antragsgegner hat im Bescheid vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2014 das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und umfangreiche Ermessenserwägungen angestellt (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER, L 7 AS 526/13 B, RdNr. 22 ff.; SG Detmold, Beschluss vom 28.01.2013 – S 25 AS 4787/12 ER, RdNrn. 18 ff.; SG Dresden, Beschluss vom 21.02.2014 – S 28 AS 567/14 ER, RdNrn. 19 ff.; SG Leipzig, Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 – S 17 AS 4284/13, RdNrn. 19 ff., SG Duisburg, Beschluss vom 28.01.2013 – S 25 AS 4787/12 ER, RdNrn. 18 ff., alle juris; Knickrehm, Soziale Sicherheit 2008, S. 192, 195; Hammel, info also 2013, S. 148, 151; Weth, info also 2013, S. 132). Er hat sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten. Der Antragsgegner hat insbesondere den Bedarf sowie die Höhe der Altersrente bei regulärer und bei vorzeitiger Inanspruchnahme ermittelt und ausgehend von diesen Werten entschieden, dass eine Unbilligkeit im Falle des Antragstellers nicht gegeben ist. Die getroffene Entscheidung ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.
c) Es bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich möglichen summarischen Prüfung keine Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters im Sinne der §§ 1 bis 5 der Unbilligkeitsverordnung.
Die Inanspruchnahme der Rente führt beim Antragsteller nicht zum Verlust von Arbeitslosengeld im Sinne des § 2 Unbilligkeitsverordnung. Der Antragsteller kann auch nicht gem. § 3 Unbilligkeitsverordnung in nächster Zukunft abschlagsfrei die Altersrente in Anspruch nehmen. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist mit "in nächster Zukunft" ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung, S. 8; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., RdNr. 21; Knickrehm, Soziale Sicherheit 2008, S. 192, 195). Er übt auch keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 4 Unbilligkeitsverordnung aus. Eine solche steht auch nicht bevor (§ 5 Unbilligkeitsverordnung). Eine diesbezügliche Prognoseentscheidung hinsichtlich der Vermittlungsmöglichkeiten des Antragstellers in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis hat der Antragsgegner getroffen.
Eine – über die in den §§ 2 bis 5 Unbilligkeitsverordnung genannten Sachverhalte hinausgehende – Unbilligkeit im Sinne des § 1 Unbilligkeitsverordnung (vgl. Hengelhaupt, a.a.O., RdNr. 298) hat der Antragsgegner zu Recht abgelehnt.
Gegen eine weite Auslegung von § 1 Unbilligkeitsverordnung, nach dem Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre, spricht die Gesetzesbegründung zu § 13 SGB II (BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 13): "Das in der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck gebrachte Regel-Ausnahme-Verhältnis soll verdeutlichen, dass die Verordnung lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen soll, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig wäre."
Nach Ansicht des LSG in Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013, a.a.O., RdNr. 22 ff., könnte die historische Auslegung anhand der Entwicklung vergleichbarer Normen des AFG bzw. des SGB III gegen eine Maßgeblichkeit einer unter dem Hilfebedarf liegenden Altersrente im Rahmen der Unbilligkeitsprüfung nach § 1 Unbilligkeitsverordnung sprechen:
"§ 134 Abs. 3c Satz 1 und 2 AFG in der bis zum 31.12.1997 gültigen Fassung sah ebenfalls die Möglichkeit vor, zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufzufordern, und ordnete bei Unterlassen das Ruhen des Arbeitslosenhilfeanspruchs an. Das Bundessozialgericht sah aber den Fall, dass die Altersrente niedriger als die Arbeitslosenhilfe sein würde, als atypischen Fall an, der angesichts des in § 134 Abs. 3c Satz 1 AFG vorgesehenen intendierten Ermessens ("soll") eine Ermessensprüfung eröffne (vgl. BSG Urteil vom 27.07.2000 - B 7 AL 42/99 R = juris Rn 29, 31). Das Bundessozialgericht bestätigte diese Rechtsprechung für die Folgeregelung in § 202 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2002 - B 7 AL 18/02 R = juris Rn 15 ff). In Reaktion hierauf änderte der Gesetzgeber § 202 Abs. 1 SGB III mit Wirkung vom 01.01.2002 dahingehend ab, dass die Höhe der Altersrente nicht maßgeblich sei (vgl. BT-Drs 14/6944 S 38 zu § 202). Mit Wegfall der Arbeitslosenhilfe zum 31.12.2004 ist diese Regelung aufgehoben worden. Sie könnte aber zur Auslegung von §§ 5, 12a, 13 SGB II bzw. der Unbilligkeitsverordnung herangezogen werden."
Es kann dahinstehen, ob dem zu folgen ist. Ungeachtet dessen ist die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller zur Stellung eines Rentenantrags aufzufordern, nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, weil eine Unbilligkeit im Sinne des § 1 Unbilligkeitsverordnung nicht vorliegt. Eine solche ist nicht gegeben, weil (aa) auch bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII voraussichtlich nicht vermieden würde, (bb) weitere Gesichtspunkte, die für eine Unbilligkeit im vorliegenden Einzelfalls sprächen, nicht vorliegen und (cc) durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Regelung aus Sicht des Senats nicht bestehen.
aa) Auch bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 wird eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII voraussichtlich nicht vermieden. Der Antragsteller hat im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.11.2014 ausweislich der Bescheide des Antragsgegners vom 17.01.2014 und 15.05.2014 einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 718,69 EUR monatlich (391,00 EUR Regelleistung, 327,69 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung). Hinzu dürfte ab 01.04.2014 eine Mieterhöhung i.H.v. 6,25 EUR ausweislich des Schreibens des Vermieters vom 08.01.2014 kommen. Damit würden sich die Kosten der Unterkunft und Heizung noch erhöhen. Der Bedarf des Antragstellers dürfte unter Berücksichtigung dessen seit 01.04.2014 pro Monat 724,94 EUR betragen.
Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung M vom 22.04.2014 kann der Antragsteller frühestens ab 01.06.2016 eine abschlagsfreie Regelaltersrente i.H.v. 791,46 EUR (brutto) in Anspruch nehmen. Es ergibt sich ein Netto-Rentenanspruch i.H.v. 710,34 EUR. Ausweislich der mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 04.06.2014 eingereichten Probeberechnung der Deutschen Rentenversicherung M für den Fall des Rentenbeginns 01.06.2016 beträgt die Regelaltersrente des Antragstellers 792,06 EUR (brutto) und 710,87 EUR netto.
Auch bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 würde im Falle des Antragstellers folglich voraussichtlich eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII nicht vermieden. Der Bedarf des Antragstellers liegt nämlich unter Berücksichtigung des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters bei 724,94 EUR und damit über der zum 01.06.2016 zu erwartenden Rentenzahlung. Der Antragsteller hätte auch in diesem Falle voraussichtlich einen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII.
Mit dem LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER, L 7 AS 526/13 B, juris, RdNr. 23) geht der erkennende Senat zumindest für den hier zu entscheidenden Einzelfall davon aus, dass angesichts der Tatsache, dass auch die reguläre Altersrente nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken, und folglich auch in diesem Falle Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII nicht vermieden werden kann, ein Fall der Unbilligkeit nicht gegeben ist.
bb) Weitere Gesichtspunkte, die die Annahme einer Unbilligkeit aus anderen Gründen rechtfertigen könnten, sind vorliegend nämlich nicht gegeben.
Es muss nicht entschieden werden, ob sich der Antragsteller auf eine Unbilligkeit berufen könnte, die daraus resultierte, dass die nach § 12a SGB II eingesparten Leistungen geringer als die statt dessen prognostisch zu zahlenden SGB XII-Leistungen wären (vgl. Knickrehm, a.a.O., S. 195 ff.), weil ein solcher Sachverhalt vorliegend nicht gegeben ist.
Durch die Aufforderung des Antragsgegners kann eine Reduzierung nicht nur der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II, sondern auch der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II und dem SGB XII erreicht werden (vgl. Knickrehm, a.a.O., S. 195 ff.).
Bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente ab 01.06.2014 ermittelte die Deutsche Rentenversicherung Mittelsachsen nach der mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 04.06.2014 eingereichten Probeberechnung eine Rentenleistung i.H.v. 737,93 EUR (brutto) und 662,29 EUR netto. Nach dem vorgelegten Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung M vom 11.08.2014 beträgt die Altersrente ab 01.09.2014 tatsächlich 764,33 EUR (brutto) und 685,99 EUR (netto).
Der monatliche Bedarf des Antragstellers liegt bei 724,94 EUR. Die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II wäre bei Rentenantragstellung zum 01.06.2014 im Vergleich zur Situation bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 i.H.v. mindestens 17.398,56 EUR (724,94 EUR x 24 Monate bis 31.05.2016) beseitigt worden. Angesichts der nunmehr tatsächlich zum 01.09.2014 beantragten Altersrente wird die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II im Vergleich zur Situation bei regulärer Rentenantragstellung zum 01.06.2016 i.H.v. 15.223,74 EUR (724,94 EUR x 21 Monate) beseitigt. Bei dieser Berechnung sind Erhöhungen der Regelleistungen und der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht berücksichtigt.
Der Antragsteller erhält ausweislich des Rentenbescheides vom 11.08.2014 zum 01.09.2014 eine monatliche Nettorente i.H.v. 685,99 EUR. Er würde bei Antragstellung zum 01.06.2016 – nach den derzeit vorliegenden Berechnungen – eine solche i.H.v. 710,87 EUR erhalten. Bei vorzeitiger Rentenantragstellung bestünde – wie voraussichtlich ebenso bei regulärer Antragstellung – ein ergänzender Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Deren Differenz beträgt monatlich knapp 25,00 EUR (710,87 EUR abzüglich 685,99 EUR). Unter Zugrundelegung einer statistischen Lebenserwartung des Antragstellers von 80 bis 85 Lebensjahren (vgl. Statistisches Bundesamt, Lebenserwartung in Deutschland, Durchschnittliche und fernere Lebenserwartung nach ausgewählten Altersstufen; Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Fernere Lebenserwartung im Alter von 65 nach Geschlecht und Bundesländern, Sterbetafel 2009/2011; beide an die Beteiligten übersandt) wären bei vorzeitiger Rentenantragstellung Mehrleistungen nach dem SGB XII von deutlich weniger als 15.223,74 EUR zu erbringen (z.B. ausgehend von einer Lebenserwartung von 80 Lebensjahren: 17 Jahre x 12 Monate x 25,00 EUR monatlich = 5.100,00 EUR; bei 85 Lebensjahren: 22 Jahre x 12 Monate x 25,00 EUR = 6.600,00 EUR). Eine Verminderung der Hilfebedürftigkeit würde bei vorzeitiger Rentenantragstellung folglich nicht nur bei isolierter Betrachtung derjenigen nach dem SGB II, sondern auch bei (einer in § 12a SGB II nicht vorgesehenen) Berücksichtigung auch der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII eintreten. Eine vom Antragsteller im Schriftsatz vom 30.07.2014 angesprochene Möglichkeit der Inanspruchnahme von Wohngeld in Höhe von monatlich 46,00 EUR würde den Hilfebedarf nach dem SGB XII in beiden Konstellationen sogar entfallen lassen. In diesem Falle würde durch die vorzeitige Rentenantragstellung sogar eine Beseitigung der Hilfebedürftigkeit sowohl nach dem SGB II als auch SGB XII eintreten.
Zwar ist richtig, dass die Deutsche Rentenversicherung M im Schreiben vom 22.04.2014 ausgeführt hat, aufgrund künftiger Rentenanpassungen könnte "die errechnete Rente in Höhe von 791,46 EUR tatsächlich höher ausfallen. Allerdings können auch wir die Entwicklung nicht vorhersehen. Deshalb haben wir – ohne Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes – eine mögliche Variante für Sie gerechnet. Beträgt der jährliche Anpassungssatz 1 %, so ergäbe sich eine monatliche Rente von etwa 810,00 EUR." Dieser Wert kann den Berechnungen allerdings nicht zugrunde gelegt werden, weil er auch nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Mittelsachen kein verbindlicher Wert ist. Seine tatsächliche Höhe wird erst in Zukunft festgelegt werden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass neben Rentenanpassungen auch Anpassungen bei der Regelleistung wahrscheinlich sind und eine weitere Erhöhung des Kosten der Unterkunft und Heizung durch Anhebung des Mietzinses durch den Vermieter nicht ausgeschlossen ist.
cc) Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen aus Sicht des Senats nicht. Das SG Leipzig hat in der Entscheidung vom 13.05.2014 – S 17 AS 4284/13, juris, RdNr. 24 ausgeführt: "Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen sind nicht zu begründen. Denn die prozentuale Kürzung der Rentenleistung verletzt das eigentumsähnlich geschützte Äquivalenzprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung nicht, da sie die längere Rentenbezugsdauer kompensieren soll und den hierzu angemessenen Rahmen nicht überschreitet. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber nicht hilfebedürftigen Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung liegt nicht vor. Denn auch diese haben bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente gleiche Abschläge hinzunehmen. Dass steuerfinanzierte Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II von Verfassungs wegen nur die Deckung des aktuell nicht anders bestreitbaren Grundsicherungsbedarfs zur Wahrung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG und nicht die ungeschmälerte Aufrechterhaltung von Ansprüchen aus anderen Sozialversicherungszweigen gewährleisten müssen, bedarf keiner weiteren Begründung. Dass die Klägerin ihren erworbenen eigentumsgleichen Anspruch aus gesetzlicher Rentenversicherung schließlich für ihre Bedarfsdeckung vorrangig gegenüber Grundsicherungsleistungen einzusetzen hat, ist verfassungsrechtlich ebenso unbedenklich wie die Pflicht zum vorrangigen Einsatz von sonstigem Eigentum, soweit kein Schonvermögen besteht."
Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.
Nach alledem ist die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Der Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.
Weinholtz Wagner Dr. Anders
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