Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 157 AS 7075/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 1764/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Mai 2013 geändert und dem Kläger ab dem 31. Oktober 2012 für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt R beigeordnet; Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Gründe:
Das Aktivrubrum war – wie geschehen – schon von Amts wegen zu berichtigen. Alleiniger Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller im Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des im Tenor bezeichneten Rechtsanwalts ist von Anfang an der am 04. Juli 2001 geborene C B (im Folgenden Kläger), der nach wie vor zusammen mit seinen miteinander verheirateten Eltern L und L B unter der im Rubrum genannten Adresse in einer Wohnung lebt und mit ihnen eine Bedarfsgemeinschaft iS von § 7 Abs 3 Nr 1 iVm Abs 3 Nr 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bildet, und nicht sein als solcher bisher nach außen allein in Erscheinung getretene Vater. Denn streitig ist im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin in gegenständlicher Hinsicht allein ein Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe nach §§ 19 Abs 2 Satz 1, 28 SGB II, bei dem es sich um einen Individualanspruch des einzelnen Kindes oder Jugendlichen handelt; ausschließlich diese werden in § 28 SGB II als anspruchsberechtigt für die Schulbedarfe und außerschulischen Teilhabebedarfe bezeichnet (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R, juris RdNr 13). Der Anspruch kann isoliert durchgesetzt werden, ohne dass dann die Höhe des dem Kläger während des streitigen Zeitraums (dazu später) zustehenden Sozialgeldes zu überprüfen ist. Die von dem anwaltlich vertretenen Kläger vorgenommene (gegenständliche) Begrenzung des Streitgegenstands ist auch zulässig, da es sich bei dem Anspruch auf Leistung für Bildung und Teilhabe um einen abtrennbaren Streitgegenstand handelt (BSG, aaO, juris RdNr 14).
Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des SG Berlin ist statthaft; der Kläger ist durch diesen Beschluss auch beschwert und die Beschwerde ist auch sonst zulässig. Die Beschwerde ist – unabhängig von der Frage, ob in der Hauptsache ein Fall zulassungsfreier Berufung vorliegt, was nur dann der Fall ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes iS des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mehr als 750,00 EUR beträgt oder die Voraussetzungen der (Rück-) Aus-nahme nach § 144 Abs 1 Satz 2 SGG vorliegen – nach § 172 Abs 1 SGG statthaft. Denn nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG (in der bis zum 24. Oktober 2013 geltenden, hier noch anwendbaren Fassung) sind Beschwerden gegen die Ablehnung von PKH für Klagen nur ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint hat, was hier nicht der Fall ist. Der Kläger ist durch den angefochtenen Beschluss auch beschwert. Zwar erschöpft sich dieser dem äußeren Schein nach darin, einen Antrag des Vaters abzulehnen, weil nur dieser im Aktivrubrum des Beschlusses genannt wird. Der Beschluss ist aber nach seinem Inhalt so auszulegen, dass (jedenfalls auch) der bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) allein gestellte Prozesskostenhilfeantrag des Klägers abgelehnt worden ist. Denn ausweislich der Gründe des Beschlusses, die insoweit ergänzend heranzuziehen sind, hat das SG ausdrücklich für den Fall, dass die Auslegung des Klagebegehrens ergeben sollte, dass auf der Aktivseite allein der Kläger beteiligt ist, die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage (ebenfalls) verneint. Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von PKH unter Beiordnung des im Tenor bezeichneten Rechtsanwalts, weil er nach seinen derzeitigen – hier mit Blick auf § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 1 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht näher darzulegenden – persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Klage auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 ZPO), der Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO) zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife (vgl zu diesem Begriff Beschluss des Senats vom 24. November 2010 - L 10 AS 2064/10 B PKH, juris RdNr 4 mwN), jedenfalls zum Teil nicht abgesprochen werden kann und die Beiordnung des bezeichneten Rechtsanwalts erforderlich erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 2 1. Alt ZPO).
Dabei beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig in summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes ohne strenge Anforderungen, dh ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance" (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88, juris RdNr 26 = BVerfGE 81, 347, 357f).
Gegenstand des Rechtsstreits (iS von § 95 SGG) ist der Bescheid vom 19. Oktober 2011, dessen Bekanntgabeadressat allein der Vater des Klägers ist, was zu einer wirksamen Bekanntgabe gegenüber dem Kläger geführt hat (§§ 37 Abs 1, 39 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)), weil es für die Bekanntgabe eine Verwaltungsaktes gegenüber Minderjährigen ausreicht, wenn der Verwaltungsakt einem seiner gesetzlichen Vertreter bekannt gegeben wird (BSG, Urteil vom 13. November 2008 – B 14 AS 2/08 R, juris RdNr 21 unter Berufung auf § 6 Abs 3 Verwaltungszustellungsgesetz; vgl auch Udsching/Link, SGb 2007, 513, 516), in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2012. Mit diesem hat der Beklagte den am 28. April 2011 vom Vater des Klägers für den Kläger gestellten Antrag abgelehnt, ab dem 01. Januar 2011 die durch die Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs entstandenen Kosten für seine Beförderung zu der von ihm besuchten L-T Grundschule im Hweg in B als Leistung für Bildung und Teilhabe (§ 28 Abs 4 SGB II) zu übernehmen, weswegen der Kläger alleiniger Inhaltsadressat und damit von der Re¬gelung des Bescheids materiell Betroffener (vgl dazu und zum Begriff des Bekanntgabeadressaten: Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand der Einzelbearbeitung April 2011, RdNr 13 zu § 39 SGB X) ist. Obgleich der Beklagte mit dem Bescheid vom 19. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2012 die ab dem 01. Januar 2011 beantragte Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat, so dass grundsätzlich Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache damit – so auch nach dem zeitlich unbefristeten Klageantrag – zulässigerweise die gesamte bis zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit ist, und zwar unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen, ohne dass es hierfür eines neuen Bescheides bedürfte (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R, juris RdNr 8 mwN), ist bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Klägers (§ 123 SGG) davon auszugehen, dass er keinen über den 31. Dezember 2011 hinausgehenden prozessualen Anspruch geltend macht. Denn der Beklagte hat mit (offenbar iS von § 77 SGG) bindend gewordenem Bescheid vom 06. März 2012 den weiteren Antrag des Klägers vom 19. Januar 2012, der gemäß § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II auf den Beginn des Antragsmonats zurückwirkt, weil diese Rückwirkungsfiktion auch für die nach § 37 Abs 1 Satz 2 SGB II gesondert zu beantragenden Leistungen für Mehrbedarfe nach § 28 Abs 4 SGB II gilt (BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R, juris RdNr 17), abgelehnt, ihm die durch die Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs entstandenen Kosten für seine Beförderung zu der von ihm besuchten Lisa-Tetzner Grundschule als Leistung für Bildung und Teilhabe (§§ 19 Abs 1 Satz 2, 28 Abs 4 SGB II) zu übernehmen, so dass sich der Bescheid vom 19. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2012 für die von dem Bescheid vom 06. März 2012 erfasste Zeit erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X). Dieser neue Bescheid ist allerdings auch nicht kraft Gesetzes gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden ist, weil die Ablehnung der Leistung kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, er also mit Wirkung für die Zukunft weder abgeändert noch ersetzt werden kann (BSG, aaO). Für eine analoge Anwendung des § 96 Abs 1 SGG, die das BSG bei erneuten Ablehnungsentscheidungen für Folgezeiträume für die vor dem 01. April 2008 geltende Fassung des § 96 Abs 1 SGG ohnehin abgelehnt hat (BSG, aa0), ist hier schon deshalb kein Raum, weil die hier anzuwendende, seit dem 01. April 2008 geltende Neufassung des § 96 Abs 1 SGG gerade einer extensiven Auslegung der Norm begegnen sollte (vgl BT-Dr 16/7716 S 18f). Die zur Durchsetzung des prozessualen Begehrens des Klägers, das nunmehr auf einen Kostenerstattungsanspruch gerichtet ist, nachdem für den streitigen Zeitraum – so die Angaben im Beschwerdeverfahren – jeweils ein Monatsschülerticket Berlin AB der Berliner Verkehrsbetriebe zum Preis von jeweils 28,00 EUR erworben worden sein soll, erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG) ist auch zulässig; insbesondere scheitert die Zulässigkeit (derzeit) nicht etwa am Fehlen eines ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahrens (§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG). Zwar wird im Widerspruchsbescheid vom 01. März 2012 als Widerspruchsführer nicht der Kläger genannt, sondern dessen Vater. Maßstab für die Inhaltsbestimmung der getroffenen Regelung ist aber der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 – 4 RA 57/89, juris RdNr 31). Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen hat, weil allein er von der angefochtenen ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 19. Oktober 2011 inhaltlich betroffen wird und der Widerspruch bei verständiger Würdigung des Vorbringens allein namens des Klägers eingelegt worden ist.
Dass die Klage mit dem erhobenen Anspruch gemäß §§ 19 Abs 2 Satz 1, 28 Abs 1 iVm Abs 4 SGB II jedenfalls teilweise begründet sein kann, ist zumindest nicht fernliegend.
Nach § 19 Abs 2 Satz 1 SGB II haben Leistungsberechtigte unter den Voraus-setzungen des § 28 SGB II Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuch haben. Der Kläger gehört potentiell zum an-spruchsberechtigten Personenkreis, weil er für den hier streitigen Zeitraum Sozialgeld bezogen hat und davon auszugehen sein dürfte, dass diese Bewilligung zu Recht erfolgt ist, und er auch Schüler iS der Legaldefinition des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB II ist.
Der Kläger hat die Teilhabeleistung auch rechtzeitig beantragt. Dem steht nicht entgegen, dass der Antrag erst am 28. April 2014 gestellt worden ist. Denn für Leistungen nach § 28 Abs 2 und 4 bis 7 SGB II gilt nach der Übergangsvorschrift des § 77 Abs 8 SGB II, dass der Antrag hierauf abweichend von § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II als zum 01. Januar 2011 gestellt gilt, wenn sie für den Zeitraum vom 01. Januar 2011 bis 31. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011 rückwirkend beantragt werden.
Nach § 28 Abs 4 SGB II in der hier für den Zeitraum vom 01. Januar 2011 bis zum 31. Juli 2011 noch anwendbaren Fassung vom 24. März 2011, die zum 01. Januar 2011 in Kraft getreten ist (im Folgenden aF) bzw § 28 Abs 4 Satz 1 SGB II in der ab dem 01. August 2011 geltenden Fassung, die auf den übrigen streitigen Zeitraum vom 01. August 2011 bis zum 31. Dezember 2011 Anwendung findet, werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten.
Wann ein Schüler auf die Schülerbeförderung angewiesen ist, regelt das Gesetz nicht. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angewiesenheit auf die Schülerbeförderung ist gerichtlich voll überprüfbar (Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, RdNr 34 zu § 28). Das SG hat sich in dem angefochtenen Beschluss dazu im Ausgangspunkt den im Schrifttum vorfindlichen Auslegungsvorschlägen angeschlossen. Danach sind Schüler und Schülerinnen auf Schülerbeförderung angewiesen, soweit ein Fuß- oder Radweg für den regelmäßigen Besuch der Bildungsmaßnahme objektiv nicht zumutbar ist (Leopold in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, RdNr 89 zu § 28; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand der Einzelbearbeitung November 2013, RdNr 67 zu § 28 und Lenze in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, RdNr 20 zu § 28). Ab welcher Entfernung bzw ab welchem Zeitaufwand für den Schulweg eine Unzumutbarkeit und damit eine Angewiesenheit für die Schülerbeförderung vorliegt, kann nach verbreiteter Auffassung nicht allgemein beantwortet werden, sondern es sollen die örtlichen Besonderheiten (Verkehrsaufkommen, Steigungen, Beschaffenheit der Fußwege) und persönliche Umstände (etwa Vorliegen einer Behinderung) in die Beurteilung der Zumutbarkeit einzubeziehen sein (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand der Einzelbearbeitung November 2013, RdNr 69 zu § 28, vgl auch Luik, aaO, und Leopold, aaO).
Diese konsequent auf die Verhältnisse des Einzelfalls abstellende Betrachtungsweise ist sicherlich vertretbar. Der Senat weist aber darauf hin, dass es insoweit an einer höchstrichterlichen oder breiten obergerichtlichen Bestätigung fehlt und es in Anbetracht der (absolut und relativ) geringen Höhe der Leistung durchaus vorstellbar erscheint, einen deutlich gröberen Maßstab anzulegen, der einer Pauschalierung nahekommt, beispielsweise eine feste, allenfalls an das Lebensalter gekoppelte Entfernungsgrenze zu entwickeln und daneben nur die Berücksichtigung evident gravierender persönlicher Besonderheiten zuzulassen.
Ausgehend vom bisherigen Ansatz des SG ist derzeit offen, ob dem Kläger während des streitigen Zeitraums die Bewältigung seines Schulweges zu Fuß bzw mit dem Fahrrad objektiv unzumutbar war.
Zum einen sind bisher weder vom Beklagten noch vom SG die örtlichen Verhältnisse des konkreten Schulwegs des Klägers in den Blick genommen worden, obwohl er geltend gemacht hat, sein Schulweg habe über mehrere stark befahrene mehrspurige Straßen geführt, die diesen Weg nicht ungefährlich erscheinen ließen (klagebegründender Schriftsatz vom 29. Oktober 2012, dort Seite 2/Bl 15 GA). Weiter wäre zu beachten, dass die ua zu § 28 Abs 4 SGB II erlassenen Ausführungsvorschriften des Landes Berlin vom 06. Dezember 2011 (ABl Seite 3044) in der geänderten Fassung vom 24. Januar 2014 nunmehr davon ausgehen, dass ein Schüler – entsprechend der Regelung der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung – bereits dann auf Schülerbeförderung angewiesen ist, wenn die Schule fußläufig nicht zu erreichen ist, wobei im Regelfall der Fußweg zwischen der Hauptwohnung und der nächstge¬legenen besuchten Schule für Grundschüler (Klassenstufe 1 bis 6) von 1 km Länge als zumutbar gilt (Teil B Ziff 4 Abs 3 Satz 1 bis 3 der zitierten Ausführungsvorschriften), während nach den entsprechende Ausführungsvorschriften in ihrer Ursprungsfassung vom 06. Dezember 2011 im Regelfall noch ein tatsächlicher Fußweg von 3 km als zumutbar galt. Je nach dem welchen Maßstab das SG hier anlegt, ist erheblich, ob die Entfernung zwischen Wohnung und Schule tatsächlich 3,2 km (so der Kläger im Antrag vom 19. Januar 2012) oder aber 2,57 km (so die Auffassung des Beklagten im hier streitigen Ablehnungsbescheid) bzw nur 2,2 km (so die Auffassung des Beklagten im Ablehnungsbescheid vom 06. März 2012) betragen hat. Bzgl der alten wie der neuen Entfernungsbestimmung ist allerdings nicht ersichtlich, dass sie aus tatsächlichen Verhältnissen im Berliner Stadtverkehr, die sich innerhalb weniger Jahre nicht einschneidend verändert haben, plausibel begründet werden könnten, insoweit dürfte eher eine geänderte Sichtweise zur Leistungsfähigkeit der betroffenen Schüler eine Rolle spielen (zu Schulwegen im Einschulungszusammenhang vgl etwa Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07. September 2011 – OVG 3 S 102.11, juris).
Sollte das SG den erhobenen Anspruch nach Durchführung der tatsächlichen und rechtlichen Prüfung bis zu diesem Punkt für unbegründet erachten, wird es weiter zu prüfen haben, ob der Kläger, der seit seiner Geburt an nächtlichem Einnässen während des Schlafes leidet, jedenfalls ab dem 30. Mai 2011 – wie er mit der Beschwerde unter Berufung auf das Gutachten des Facharztes für Urologie Dr. G vom 22. Mai 2012 meint – (auch) aus gesundheitlichen Gründen auf die Schülerbeförderung angewiesen gewesen ist, weil er ab diesem Tag für mehrere Monate das Medikament Mictonotm Uno 30 mg eingenommen hat, das ihm zur Behandlung dieses Leidens ärztlich verordnet worden war, obwohl es für Kinder nicht zugelassen ist, und der bezeichnete Gutachter die Auffassung vertreten hatte, dass durch die Einnahme des Medikaments die Teilnahme am Straßenverkehr mit dem Fahrrad, die Teilnahme am Schulunterricht und die Teilnahme am Sportunterricht eingeschränkt gewesen sein könnte (Seite 12 des Gutachtens).
Dass es sich bei der vom Kläger im streitigen Zeitraum besuchten Schule um die nächst gelegene Grundschule gehandelt hat, wird vom Beklagten nicht in Abrede gestellt und vom SG zu recht nicht problematisiert.
Dass der Kläger die behaupteten tatsächlichen Aufwendungen nicht mehr durch Vorlage der Monatskarten belegen kann, hindert die hinreichende Erfolgsaussicht nicht, denn der Beweis, dass die behaupten Kosten entstanden sind, kann auch auf andere Weise, zB durch Zeugenbeweis, geführt werden.
Auch die Frage, ob und ggf inwieweit der Kläger im streitigen Zeitraum in zumutbarer Weise die Kosten des Schülermonatstickets aus dem Regelbedarf bestreiten konnte, ob es mithin zu einer anspruchsverkürzenden oder anspruchsausschließenden Anrechnung kommt, ist als offen zu bezeichnen, da es an höchst- oder gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung fehlt. Während zum Teil vertreten wird, dass die nach § 6 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) maßgeblichen Verbrauchsausgaben der Referenzgruppe für Verkehr der Einkommens- und Verbrauchstichprobe 2008 der jeweiligen Altersgruppe in Abzug zu bringen ist, sofern die Karte – so wie hier – auch noch zur Abdeckung des privaten Mobilitätsbedarfs genutzt werden kann (Groth/Siebel-Huffmann, NJW 2011, 1105, 1107; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - L 12 AS 172/12, juris RdNr 15 unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. November 2011 - S 36 AS 1437/11, und die zitierten Ausführungsvorschriften des Landes Berlin), die für die hier in Rede stehenden Altersgruppe gemäß § 6 Abs 1 Nr 2 RBEG mit monatlich 14,00 EUR zu bemessen ist, hält das SG Dresden (Urteil vom 27. September 2013 - S 21 AS 671/12, juris RdNr 32ff) auch für Leistungszeiträume vor dem 01. August 2011 unter Heranziehung von § 28 Abs 1 Satz 2 SGB monatlich 5,00 EUR für angemessen, weil nicht ersichtlich sei, warum vor diesem Zeitpunkt ein höherer Eigenanteil zumutbar gewesen sein soll als nach derzeitiger Gesetzeslage, während wieder andere der Auffassung sind, das jedenfalls für Leistungszeiträume vor dem 01. August 2011 überhaupt kein Eigenanteil in Ansatz gebracht werden könne, weil die gesetzliche Regelung gegen System der Pauschalierung verstößt (Leopold, aaO, RdNr 96; vgl auch Luik, aaO, RdNr 37aE und SG Berlin, Urteil vom 01. Juni 2012 - S 37 AS 1126/12, juris).
Die Beschwerde ist im Übrigen unbegründet. Denn die Bewilligung von PKH unter Beiordnung des bezeichneten Rechtsanwalts kommt für den Zeitraum vor dem 31. Oktober 2012 nicht in Betracht, weil erst am 31. Oktober 2012 (Schriftsatz vom 29. Oktober 2012) die Bewilligungsreife des PKH-Antrags (zum Begriff der Bewilligungsreife Beschluss des Senats vom 24. November 2010 - L 10 AS 2064/10 B PKH, juris RdNr 4 mwN) eingetreten ist.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich; Gerichtskosten werden nicht erhoben und außergerichtliche Kosten werden nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Das Aktivrubrum war – wie geschehen – schon von Amts wegen zu berichtigen. Alleiniger Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller im Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des im Tenor bezeichneten Rechtsanwalts ist von Anfang an der am 04. Juli 2001 geborene C B (im Folgenden Kläger), der nach wie vor zusammen mit seinen miteinander verheirateten Eltern L und L B unter der im Rubrum genannten Adresse in einer Wohnung lebt und mit ihnen eine Bedarfsgemeinschaft iS von § 7 Abs 3 Nr 1 iVm Abs 3 Nr 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bildet, und nicht sein als solcher bisher nach außen allein in Erscheinung getretene Vater. Denn streitig ist im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin in gegenständlicher Hinsicht allein ein Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe nach §§ 19 Abs 2 Satz 1, 28 SGB II, bei dem es sich um einen Individualanspruch des einzelnen Kindes oder Jugendlichen handelt; ausschließlich diese werden in § 28 SGB II als anspruchsberechtigt für die Schulbedarfe und außerschulischen Teilhabebedarfe bezeichnet (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R, juris RdNr 13). Der Anspruch kann isoliert durchgesetzt werden, ohne dass dann die Höhe des dem Kläger während des streitigen Zeitraums (dazu später) zustehenden Sozialgeldes zu überprüfen ist. Die von dem anwaltlich vertretenen Kläger vorgenommene (gegenständliche) Begrenzung des Streitgegenstands ist auch zulässig, da es sich bei dem Anspruch auf Leistung für Bildung und Teilhabe um einen abtrennbaren Streitgegenstand handelt (BSG, aaO, juris RdNr 14).
Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des SG Berlin ist statthaft; der Kläger ist durch diesen Beschluss auch beschwert und die Beschwerde ist auch sonst zulässig. Die Beschwerde ist – unabhängig von der Frage, ob in der Hauptsache ein Fall zulassungsfreier Berufung vorliegt, was nur dann der Fall ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes iS des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mehr als 750,00 EUR beträgt oder die Voraussetzungen der (Rück-) Aus-nahme nach § 144 Abs 1 Satz 2 SGG vorliegen – nach § 172 Abs 1 SGG statthaft. Denn nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG (in der bis zum 24. Oktober 2013 geltenden, hier noch anwendbaren Fassung) sind Beschwerden gegen die Ablehnung von PKH für Klagen nur ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint hat, was hier nicht der Fall ist. Der Kläger ist durch den angefochtenen Beschluss auch beschwert. Zwar erschöpft sich dieser dem äußeren Schein nach darin, einen Antrag des Vaters abzulehnen, weil nur dieser im Aktivrubrum des Beschlusses genannt wird. Der Beschluss ist aber nach seinem Inhalt so auszulegen, dass (jedenfalls auch) der bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) allein gestellte Prozesskostenhilfeantrag des Klägers abgelehnt worden ist. Denn ausweislich der Gründe des Beschlusses, die insoweit ergänzend heranzuziehen sind, hat das SG ausdrücklich für den Fall, dass die Auslegung des Klagebegehrens ergeben sollte, dass auf der Aktivseite allein der Kläger beteiligt ist, die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage (ebenfalls) verneint. Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von PKH unter Beiordnung des im Tenor bezeichneten Rechtsanwalts, weil er nach seinen derzeitigen – hier mit Blick auf § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 1 Satz 3 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht näher darzulegenden – persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Klage auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 ZPO), der Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO) zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife (vgl zu diesem Begriff Beschluss des Senats vom 24. November 2010 - L 10 AS 2064/10 B PKH, juris RdNr 4 mwN), jedenfalls zum Teil nicht abgesprochen werden kann und die Beiordnung des bezeichneten Rechtsanwalts erforderlich erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 2 1. Alt ZPO).
Dabei beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig in summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes ohne strenge Anforderungen, dh ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffs. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht reicht die "reale Chance zum Obsiegen" aus, nicht hingegen eine "nur entfernte Erfolgschance" (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88, juris RdNr 26 = BVerfGE 81, 347, 357f).
Gegenstand des Rechtsstreits (iS von § 95 SGG) ist der Bescheid vom 19. Oktober 2011, dessen Bekanntgabeadressat allein der Vater des Klägers ist, was zu einer wirksamen Bekanntgabe gegenüber dem Kläger geführt hat (§§ 37 Abs 1, 39 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)), weil es für die Bekanntgabe eine Verwaltungsaktes gegenüber Minderjährigen ausreicht, wenn der Verwaltungsakt einem seiner gesetzlichen Vertreter bekannt gegeben wird (BSG, Urteil vom 13. November 2008 – B 14 AS 2/08 R, juris RdNr 21 unter Berufung auf § 6 Abs 3 Verwaltungszustellungsgesetz; vgl auch Udsching/Link, SGb 2007, 513, 516), in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2012. Mit diesem hat der Beklagte den am 28. April 2011 vom Vater des Klägers für den Kläger gestellten Antrag abgelehnt, ab dem 01. Januar 2011 die durch die Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs entstandenen Kosten für seine Beförderung zu der von ihm besuchten L-T Grundschule im Hweg in B als Leistung für Bildung und Teilhabe (§ 28 Abs 4 SGB II) zu übernehmen, weswegen der Kläger alleiniger Inhaltsadressat und damit von der Re¬gelung des Bescheids materiell Betroffener (vgl dazu und zum Begriff des Bekanntgabeadressaten: Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand der Einzelbearbeitung April 2011, RdNr 13 zu § 39 SGB X) ist. Obgleich der Beklagte mit dem Bescheid vom 19. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2012 die ab dem 01. Januar 2011 beantragte Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat, so dass grundsätzlich Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache damit – so auch nach dem zeitlich unbefristeten Klageantrag – zulässigerweise die gesamte bis zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit ist, und zwar unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen, ohne dass es hierfür eines neuen Bescheides bedürfte (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R, juris RdNr 8 mwN), ist bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Klägers (§ 123 SGG) davon auszugehen, dass er keinen über den 31. Dezember 2011 hinausgehenden prozessualen Anspruch geltend macht. Denn der Beklagte hat mit (offenbar iS von § 77 SGG) bindend gewordenem Bescheid vom 06. März 2012 den weiteren Antrag des Klägers vom 19. Januar 2012, der gemäß § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II auf den Beginn des Antragsmonats zurückwirkt, weil diese Rückwirkungsfiktion auch für die nach § 37 Abs 1 Satz 2 SGB II gesondert zu beantragenden Leistungen für Mehrbedarfe nach § 28 Abs 4 SGB II gilt (BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R, juris RdNr 17), abgelehnt, ihm die durch die Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs entstandenen Kosten für seine Beförderung zu der von ihm besuchten Lisa-Tetzner Grundschule als Leistung für Bildung und Teilhabe (§§ 19 Abs 1 Satz 2, 28 Abs 4 SGB II) zu übernehmen, so dass sich der Bescheid vom 19. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. März 2012 für die von dem Bescheid vom 06. März 2012 erfasste Zeit erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X). Dieser neue Bescheid ist allerdings auch nicht kraft Gesetzes gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden ist, weil die Ablehnung der Leistung kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, er also mit Wirkung für die Zukunft weder abgeändert noch ersetzt werden kann (BSG, aaO). Für eine analoge Anwendung des § 96 Abs 1 SGG, die das BSG bei erneuten Ablehnungsentscheidungen für Folgezeiträume für die vor dem 01. April 2008 geltende Fassung des § 96 Abs 1 SGG ohnehin abgelehnt hat (BSG, aa0), ist hier schon deshalb kein Raum, weil die hier anzuwendende, seit dem 01. April 2008 geltende Neufassung des § 96 Abs 1 SGG gerade einer extensiven Auslegung der Norm begegnen sollte (vgl BT-Dr 16/7716 S 18f). Die zur Durchsetzung des prozessualen Begehrens des Klägers, das nunmehr auf einen Kostenerstattungsanspruch gerichtet ist, nachdem für den streitigen Zeitraum – so die Angaben im Beschwerdeverfahren – jeweils ein Monatsschülerticket Berlin AB der Berliner Verkehrsbetriebe zum Preis von jeweils 28,00 EUR erworben worden sein soll, erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG) ist auch zulässig; insbesondere scheitert die Zulässigkeit (derzeit) nicht etwa am Fehlen eines ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahrens (§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG). Zwar wird im Widerspruchsbescheid vom 01. März 2012 als Widerspruchsführer nicht der Kläger genannt, sondern dessen Vater. Maßstab für die Inhaltsbestimmung der getroffenen Regelung ist aber der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 – 4 RA 57/89, juris RdNr 31). Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen hat, weil allein er von der angefochtenen ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 19. Oktober 2011 inhaltlich betroffen wird und der Widerspruch bei verständiger Würdigung des Vorbringens allein namens des Klägers eingelegt worden ist.
Dass die Klage mit dem erhobenen Anspruch gemäß §§ 19 Abs 2 Satz 1, 28 Abs 1 iVm Abs 4 SGB II jedenfalls teilweise begründet sein kann, ist zumindest nicht fernliegend.
Nach § 19 Abs 2 Satz 1 SGB II haben Leistungsberechtigte unter den Voraus-setzungen des § 28 SGB II Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuch haben. Der Kläger gehört potentiell zum an-spruchsberechtigten Personenkreis, weil er für den hier streitigen Zeitraum Sozialgeld bezogen hat und davon auszugehen sein dürfte, dass diese Bewilligung zu Recht erfolgt ist, und er auch Schüler iS der Legaldefinition des § 28 Abs 1 Satz 2 SGB II ist.
Der Kläger hat die Teilhabeleistung auch rechtzeitig beantragt. Dem steht nicht entgegen, dass der Antrag erst am 28. April 2014 gestellt worden ist. Denn für Leistungen nach § 28 Abs 2 und 4 bis 7 SGB II gilt nach der Übergangsvorschrift des § 77 Abs 8 SGB II, dass der Antrag hierauf abweichend von § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II als zum 01. Januar 2011 gestellt gilt, wenn sie für den Zeitraum vom 01. Januar 2011 bis 31. Mai 2011 bis zum 30. Juni 2011 rückwirkend beantragt werden.
Nach § 28 Abs 4 SGB II in der hier für den Zeitraum vom 01. Januar 2011 bis zum 31. Juli 2011 noch anwendbaren Fassung vom 24. März 2011, die zum 01. Januar 2011 in Kraft getreten ist (im Folgenden aF) bzw § 28 Abs 4 Satz 1 SGB II in der ab dem 01. August 2011 geltenden Fassung, die auf den übrigen streitigen Zeitraum vom 01. August 2011 bis zum 31. Dezember 2011 Anwendung findet, werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten.
Wann ein Schüler auf die Schülerbeförderung angewiesen ist, regelt das Gesetz nicht. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angewiesenheit auf die Schülerbeförderung ist gerichtlich voll überprüfbar (Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, RdNr 34 zu § 28). Das SG hat sich in dem angefochtenen Beschluss dazu im Ausgangspunkt den im Schrifttum vorfindlichen Auslegungsvorschlägen angeschlossen. Danach sind Schüler und Schülerinnen auf Schülerbeförderung angewiesen, soweit ein Fuß- oder Radweg für den regelmäßigen Besuch der Bildungsmaßnahme objektiv nicht zumutbar ist (Leopold in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, RdNr 89 zu § 28; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand der Einzelbearbeitung November 2013, RdNr 67 zu § 28 und Lenze in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, RdNr 20 zu § 28). Ab welcher Entfernung bzw ab welchem Zeitaufwand für den Schulweg eine Unzumutbarkeit und damit eine Angewiesenheit für die Schülerbeförderung vorliegt, kann nach verbreiteter Auffassung nicht allgemein beantwortet werden, sondern es sollen die örtlichen Besonderheiten (Verkehrsaufkommen, Steigungen, Beschaffenheit der Fußwege) und persönliche Umstände (etwa Vorliegen einer Behinderung) in die Beurteilung der Zumutbarkeit einzubeziehen sein (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand der Einzelbearbeitung November 2013, RdNr 69 zu § 28, vgl auch Luik, aaO, und Leopold, aaO).
Diese konsequent auf die Verhältnisse des Einzelfalls abstellende Betrachtungsweise ist sicherlich vertretbar. Der Senat weist aber darauf hin, dass es insoweit an einer höchstrichterlichen oder breiten obergerichtlichen Bestätigung fehlt und es in Anbetracht der (absolut und relativ) geringen Höhe der Leistung durchaus vorstellbar erscheint, einen deutlich gröberen Maßstab anzulegen, der einer Pauschalierung nahekommt, beispielsweise eine feste, allenfalls an das Lebensalter gekoppelte Entfernungsgrenze zu entwickeln und daneben nur die Berücksichtigung evident gravierender persönlicher Besonderheiten zuzulassen.
Ausgehend vom bisherigen Ansatz des SG ist derzeit offen, ob dem Kläger während des streitigen Zeitraums die Bewältigung seines Schulweges zu Fuß bzw mit dem Fahrrad objektiv unzumutbar war.
Zum einen sind bisher weder vom Beklagten noch vom SG die örtlichen Verhältnisse des konkreten Schulwegs des Klägers in den Blick genommen worden, obwohl er geltend gemacht hat, sein Schulweg habe über mehrere stark befahrene mehrspurige Straßen geführt, die diesen Weg nicht ungefährlich erscheinen ließen (klagebegründender Schriftsatz vom 29. Oktober 2012, dort Seite 2/Bl 15 GA). Weiter wäre zu beachten, dass die ua zu § 28 Abs 4 SGB II erlassenen Ausführungsvorschriften des Landes Berlin vom 06. Dezember 2011 (ABl Seite 3044) in der geänderten Fassung vom 24. Januar 2014 nunmehr davon ausgehen, dass ein Schüler – entsprechend der Regelung der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung – bereits dann auf Schülerbeförderung angewiesen ist, wenn die Schule fußläufig nicht zu erreichen ist, wobei im Regelfall der Fußweg zwischen der Hauptwohnung und der nächstge¬legenen besuchten Schule für Grundschüler (Klassenstufe 1 bis 6) von 1 km Länge als zumutbar gilt (Teil B Ziff 4 Abs 3 Satz 1 bis 3 der zitierten Ausführungsvorschriften), während nach den entsprechende Ausführungsvorschriften in ihrer Ursprungsfassung vom 06. Dezember 2011 im Regelfall noch ein tatsächlicher Fußweg von 3 km als zumutbar galt. Je nach dem welchen Maßstab das SG hier anlegt, ist erheblich, ob die Entfernung zwischen Wohnung und Schule tatsächlich 3,2 km (so der Kläger im Antrag vom 19. Januar 2012) oder aber 2,57 km (so die Auffassung des Beklagten im hier streitigen Ablehnungsbescheid) bzw nur 2,2 km (so die Auffassung des Beklagten im Ablehnungsbescheid vom 06. März 2012) betragen hat. Bzgl der alten wie der neuen Entfernungsbestimmung ist allerdings nicht ersichtlich, dass sie aus tatsächlichen Verhältnissen im Berliner Stadtverkehr, die sich innerhalb weniger Jahre nicht einschneidend verändert haben, plausibel begründet werden könnten, insoweit dürfte eher eine geänderte Sichtweise zur Leistungsfähigkeit der betroffenen Schüler eine Rolle spielen (zu Schulwegen im Einschulungszusammenhang vgl etwa Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 07. September 2011 – OVG 3 S 102.11, juris).
Sollte das SG den erhobenen Anspruch nach Durchführung der tatsächlichen und rechtlichen Prüfung bis zu diesem Punkt für unbegründet erachten, wird es weiter zu prüfen haben, ob der Kläger, der seit seiner Geburt an nächtlichem Einnässen während des Schlafes leidet, jedenfalls ab dem 30. Mai 2011 – wie er mit der Beschwerde unter Berufung auf das Gutachten des Facharztes für Urologie Dr. G vom 22. Mai 2012 meint – (auch) aus gesundheitlichen Gründen auf die Schülerbeförderung angewiesen gewesen ist, weil er ab diesem Tag für mehrere Monate das Medikament Mictonotm Uno 30 mg eingenommen hat, das ihm zur Behandlung dieses Leidens ärztlich verordnet worden war, obwohl es für Kinder nicht zugelassen ist, und der bezeichnete Gutachter die Auffassung vertreten hatte, dass durch die Einnahme des Medikaments die Teilnahme am Straßenverkehr mit dem Fahrrad, die Teilnahme am Schulunterricht und die Teilnahme am Sportunterricht eingeschränkt gewesen sein könnte (Seite 12 des Gutachtens).
Dass es sich bei der vom Kläger im streitigen Zeitraum besuchten Schule um die nächst gelegene Grundschule gehandelt hat, wird vom Beklagten nicht in Abrede gestellt und vom SG zu recht nicht problematisiert.
Dass der Kläger die behaupteten tatsächlichen Aufwendungen nicht mehr durch Vorlage der Monatskarten belegen kann, hindert die hinreichende Erfolgsaussicht nicht, denn der Beweis, dass die behaupten Kosten entstanden sind, kann auch auf andere Weise, zB durch Zeugenbeweis, geführt werden.
Auch die Frage, ob und ggf inwieweit der Kläger im streitigen Zeitraum in zumutbarer Weise die Kosten des Schülermonatstickets aus dem Regelbedarf bestreiten konnte, ob es mithin zu einer anspruchsverkürzenden oder anspruchsausschließenden Anrechnung kommt, ist als offen zu bezeichnen, da es an höchst- oder gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung fehlt. Während zum Teil vertreten wird, dass die nach § 6 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) maßgeblichen Verbrauchsausgaben der Referenzgruppe für Verkehr der Einkommens- und Verbrauchstichprobe 2008 der jeweiligen Altersgruppe in Abzug zu bringen ist, sofern die Karte – so wie hier – auch noch zur Abdeckung des privaten Mobilitätsbedarfs genutzt werden kann (Groth/Siebel-Huffmann, NJW 2011, 1105, 1107; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - L 12 AS 172/12, juris RdNr 15 unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. November 2011 - S 36 AS 1437/11, und die zitierten Ausführungsvorschriften des Landes Berlin), die für die hier in Rede stehenden Altersgruppe gemäß § 6 Abs 1 Nr 2 RBEG mit monatlich 14,00 EUR zu bemessen ist, hält das SG Dresden (Urteil vom 27. September 2013 - S 21 AS 671/12, juris RdNr 32ff) auch für Leistungszeiträume vor dem 01. August 2011 unter Heranziehung von § 28 Abs 1 Satz 2 SGB monatlich 5,00 EUR für angemessen, weil nicht ersichtlich sei, warum vor diesem Zeitpunkt ein höherer Eigenanteil zumutbar gewesen sein soll als nach derzeitiger Gesetzeslage, während wieder andere der Auffassung sind, das jedenfalls für Leistungszeiträume vor dem 01. August 2011 überhaupt kein Eigenanteil in Ansatz gebracht werden könne, weil die gesetzliche Regelung gegen System der Pauschalierung verstößt (Leopold, aaO, RdNr 96; vgl auch Luik, aaO, RdNr 37aE und SG Berlin, Urteil vom 01. Juni 2012 - S 37 AS 1126/12, juris).
Die Beschwerde ist im Übrigen unbegründet. Denn die Bewilligung von PKH unter Beiordnung des bezeichneten Rechtsanwalts kommt für den Zeitraum vor dem 31. Oktober 2012 nicht in Betracht, weil erst am 31. Oktober 2012 (Schriftsatz vom 29. Oktober 2012) die Bewilligungsreife des PKH-Antrags (zum Begriff der Bewilligungsreife Beschluss des Senats vom 24. November 2010 - L 10 AS 2064/10 B PKH, juris RdNr 4 mwN) eingetreten ist.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich; Gerichtskosten werden nicht erhoben und außergerichtliche Kosten werden nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
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