Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 206/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 45/13
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei dem Arbeitsplatz eines aktiven Soldaten handelt es sich nicht um einen solchen i.S.v. § 2 Abs 3 SGB IX in Verbindung mit § 73 SGB IX. Die Berufsgruppe der Soldaten ist von der Gleichstellungsmöglichkeit im Hinblick auf die Besonderheiten des Soldatenverhältnisses ausgenommen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 29.01.2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen (§ 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB IX-).
Der 1966 geborene Kläger ist seit 1984 als Berufssoldat bei der Bundeswehr. Mit Bescheid vom 22.03.2011 stellte das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) bei ihm einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 im Hinblick auf Funktionseinschränkungen der HWS und LWS, degenerative Veränderungen, Bandscheibenschäden, Foramenstenose und Skoliose fest. Diese Diagnosen finden sich im wesentlichen auch im Arztbrief der A.-Klinik vom 04.03.2011 sowie der KLINIK B. vom 13.04.2010 und vom 27.04.2009. Nach einer Bescheinigung des Truppenarztes Dr. W. vom 21.06.2010 werde eine Arbeitsplatzveränderung insbesondere im Hinblick auf einen Telearbeitsplatz mit Vorstellung auf der Dienststelle nach Absprache und dienstlicher Notwendigkeit empfohlen.
Am 14.04.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs 3 SGB IX. Sein Arbeitsverhältnis sei behinderungsbedingt gefährdet. Eine innerbetriebliche Umsetzung wegen der Auswirkungen der Behinderung sei bereits erfolgt. Er arbeite Vollzeit, wobei anteilig bis zu 23 Stunden pro Woche auf Telearbeit entfallen würden. Auch im Hinblick auf den Stellenabbau im Rahmen der anstehenden Bundeswehrreform sei das Arbeitsverhältnis gefährdet. Es drohe die Entlassung wegen "Dienstunfähigkeit" und bei einer Gleichstellung sei eine bessere Ausstattung mit Arbeitsmitteln möglich.
Die Bundeswehr teilte der Beklagten mit, dass die Gleichstellung von Soldaten kraft Gesetzes nicht möglich sei. Die Dienstposten von Soldaten seien keine Arbeitsplätze iSv § 73 Abs 1 SGB IX. Eine Gleichstellung komme nur mit Wirkung ab dem Ausscheiden aus dem Wehrdienstverhältnis als Soldat in Betracht.
Mit Bescheid vom 08.06.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gleichstellung ab. Stellen als Soldaten würden nicht als Arbeitsplätze § 73 Abs 2 Nr 1 SGB IX gelten. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Da eine Gleichstellung von Beamten und Richtern bei besonderen Umständen in Betracht komme, müsse dies auch für Soldaten gelten. Besondere Umstände lägen hier darin, dass infolge der größten Reformprozesse der Bundeswehr mit bundesweiten Versetzungen und weiterer, nicht absehbarer persönlicher Härten zu rechnen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2011 zurück. Soldaten seien in § 73 Abs 1 SGB IX nicht erwähnt, so dass deren Tätigkeit nicht auf einem Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschrift erbracht werde. § 2 Abs 3 SGB IX finde damit vorliegend keine Anwendung.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die internen Weisungen, wonach eine Gleichstellung bei Soldaten nicht in Betracht komme, würden dem Gesetzesvorbehalt nicht gerecht. Zwar möge es durch die Anwendung des Fürsorgeerlasses keine Nachteile bei der Erlangung oder beim Erhalt des Arbeitsplatzes geben, jedoch würde den Soldaten aufgrund der Nichtgleichstellung wesentliche Leistungen und Möglichkeiten schon dem Grunde nach versagt. Es sei anhand objektiver Gesichtspunkte nicht nachvollziehbar, warum allein die Dienstposten der Soldaten keine Arbeitsplätze im Sinne des § 73 SGB IX darstellen sollen. Sofern der Ausschluss einer Gleichstellung von Soldaten ausdrücklich erwünscht sein sollte, so müsste dies im SGB IX klar verständlich zum Ausdruck kommen. Dass Soldaten grundsätzlich nicht gleichgestellt werden können, sei ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz (GG).
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Betätigung des Soldaten stelle keinen Arbeitsplatz im Sinne des Teils II des SGB IX dar. Diese seien in § 73 Abs 1 SGB IX nicht erwähnt. Ein Verstoß gegen Art 3 GG lasse sich nicht feststellen. Soldaten seien im Hinblick auf deren körperlichen Anforderungen nicht mit Richtern oder Beamten zu vergleichen.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Auch bei bestimmten Beamtengruppen, wie zB Feuerwehrbeamten oder Spezialeinsatzkräften der Polizei sei eine körperliche Leistungsfähigkeit zwingend notwendig. Die Regelung des § 128 Abs 4 Satz 2 SGB IX sei ohne Belang. Zurzeit sei er auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt für maximal zwei Jahre beschäftigt. Was mit ihm nach Ablauf der zwei Jahre im März 2015 geschehe, sei offen. Unklar sei, weshalb das SG durch Gerichtsbescheid entschieden habe, obwohl es um ein komplexes Rechtsthema gehe.
Der Kläger beantragt:
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 29.01.2013 sowie den Bescheid vom 08.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2011 aufzuheben und den Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Ein Verfahrensfehler des SG liegt im Hinblick auf dessen Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vor. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt war geklärt (§ 105 Abs 1 Satz 1 SGG). Eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX kam für das SG bereits aus dem Umstand nicht in Betracht, dass der Kläger Soldat ist. Der Sachverhalt war insofern geklärt. Eine Schwierigkeit rechtlicher Art war ebenfalls nicht anzunehmen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können (§ 2 Abs 3 SGB IX). Für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen ist dabei auf den Zeitraum von der Antragstellung bis zur letzten mündlichen Verhandlung abzustellen und es sind alle wesentlichen Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen (vgl dazu BSG, Urteil vom 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - SozR 3-3870 § 2 Nr 1).
Der Kläger hat zwar seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland und es ist bei ihm ein GdB von 30 anerkannt. Allerdings handelt es sich bei dem Arbeitsplatz eines aktiven Soldaten nicht um einen solchen i.S.v. § 2 Abs 3 SGB IX in Verbindung mit § 73 SGB IX. Die Berufsgruppe der Soldaten ist von der Gleichstellungsmöglichkeit im Hinblick auf die Besonderheiten des Soldatenverhältnisses ausgenommen. Für die persönliche Rechtsstellung schwerbehinderter Soldaten (GdB von 50) gelten die Besonderheiten des § 128 Abs 4 SGB IX. Insoweit werden die § 2 Abs 1 und 2, §§ 69, 93 bis 99, 116 Abs 1 sowie §§ 123, 125, 126 und 145 bis 147 SGB IX für anwendbar erklärt (§ 128 Abs 4 Satz 1 SGB IX). Im Übrigen gelten für Soldaten die Vorschriften über die persönliche Rechtsstellung der schwerbehinderten Menschen, soweit sie mit den Besonderheiten des Dienstverhältnisses vereinbar sind (§ 128 Abs 4 Satz 2 SGB IX). Die Beschränkung der Anwendbarkeit weiterer Vorschriften des SGB IX unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Dienstverhältnisses als Soldat trägt dem Erfordernis der Verteidigungsbereitschaft im Rahmen der soldatenrechtlichen Vorschriften Rechnung (vgl BT-Drs 10/3138 Seite 27). Nicht ausdrücklich genannt sind in § 128 Abs 4 Satz 1 SGB IX dabei die Vorschriften über die Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX und die Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber nach §§ 71 ff SGB IX. Aufgrund der Besonderheiten des Soldatenverhältnisses bleiben diese auch unter Berücksichtigung des § 128 Abs 4 Satz 2 SGB IX nicht anwendbar (vgl Masuch in: Hauck/Noftz, SGB IX, Stand 04/2010, § 128 Rn 22; Neumann in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Aufl, § 73 Rn 28; aA lediglich Joussen/Düwell in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl, § 128 Rn 36 zum Fall der hier nicht vorliegenden Vermittlungserschwernis). So hat der Gesetzgeber mit der entsprechenden Einführung der Vorschrift in das Schwerbehindertengesetz sicherstellen wollen, dass der Dienstherr im Interesse der Verteidigungsbereitschaft im Rahmen der maßgebenden soldatenrechtlichen Vorschriften jederzeit frei darüber entscheiden kann, wie er einen schwerbehinderten Soldaten einsetzt und ob er das Soldatenverhältnis vorzeitig beendet (Joussen/Düwell aaO Rn 18 mwN).
Es liegt insofern auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 GG vor. So liegt ein vergleichbarer Sachverhalt mit Beamten - wie ihn der Kläger zugrunde legt - nicht vor. Wie oben bereits ausgeführt hat sich der Gesetzgeber bei der unterschiedlichen Behandlung von Soldaten zu anderen Beschäftigten am Interesse der Verteidigungsbereitschaft orientiert. Da aber Polizisten nicht im Bereich der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland tätig sind, handelt es sich insofern um verschiedene Personengruppen. Auch im Hinblick auf die Herausnahme der Gruppe der Soldaten aus dem Bereich des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) ist der Verweis auf das "überragende Erfordernis der Einsatzbereitschaft und Schlagkraft der Streitkräfte" anerkannt (vgl dazu BVerwG, Beschluss vom 11.03.2008 - 1 WB 8.08 - http://www.bverwg.de/entscheidungen/ entscheidung.php?ent =110308B1WB8.08.0 - mit Verweis auf BT-Drs 16/1780 Seite 27).
Im Übrigen werden den Soldaten verschiedene andere Schutzbestimmungen und Nachteilsausgleiche gewährt (vgl dazu Fürsorge für schwerbehinderte Menschen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung - Fürsorgeerlass - vom 30.01.2007 - www.schwbv.de/pdf/fuersorgeerlass bundeswehr 2007.pdf). Im Hinblick auf die vor der Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der Dienstunfähigkeit durch die Entlassungsdienststelle vorrangig zu prüfende Möglichkeit, ob ein Verbleiben im Dienst möglich ist und in welchen dienstlichen Verwendungen der Soldat behinderungsgerecht - möglichst in seiner Fachrichtung/Ausbildungs- und Verwendungsreihe oder seinem Dienstbereich - weiterverwendet werden kann, werden Soldaten mit einem GdB von mindestens 30, aber weniger als 50 schwerbehinderten Soldaten gleichgestellt (vgl Ziff. 2.1 i.V.m. Ziff. 12.1 Fürsorgeerlass).
Konsequenterweise wird das Soldatenverhältnis nicht von § 73 Abs 1 SGB IX erfasst (vgl dazu Schneider in: Hauck/Noftz, SGB IX, Stand 03/2012, § 73 Rn 3a mwN; Goebel in: jurisPK-SGB IX, Stand 08.11.2013, § 73 Rn 18). Die Voraussetzungen der Möglichkeit einer Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX sind damit nicht gegeben, da es sich bei dem konkret maßgeblichen Arbeitsplatz eines Soldaten nicht um einen solchen i.S.v. § 73 SGB IX handelt.
Eine Gleichstellung von behinderten Soldaten kommt damit erst nach deren Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis in Betracht. Sie kann daher grundsätzlich nur mit Wirkung ab dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis ausgesprochen werden (vgl. dazu SG Chemnitz, Urteil vom 22.11.2012 - S 26 AL 132/11 - juris; Knittel SGB IX Kommentar, 6. Aufl, § 2 Rn 183). Ein kurz bevorstehendes Ausscheiden aus dem Dienst ist beim Kläger nicht gegeben. Vielmehr ist er derzeit bis mindestens März 2015 nach eigenen Angaben auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt beschäftigt.
Nachdem der Kläger keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen hat, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Berufung nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen (§ 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB IX-).
Der 1966 geborene Kläger ist seit 1984 als Berufssoldat bei der Bundeswehr. Mit Bescheid vom 22.03.2011 stellte das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) bei ihm einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 im Hinblick auf Funktionseinschränkungen der HWS und LWS, degenerative Veränderungen, Bandscheibenschäden, Foramenstenose und Skoliose fest. Diese Diagnosen finden sich im wesentlichen auch im Arztbrief der A.-Klinik vom 04.03.2011 sowie der KLINIK B. vom 13.04.2010 und vom 27.04.2009. Nach einer Bescheinigung des Truppenarztes Dr. W. vom 21.06.2010 werde eine Arbeitsplatzveränderung insbesondere im Hinblick auf einen Telearbeitsplatz mit Vorstellung auf der Dienststelle nach Absprache und dienstlicher Notwendigkeit empfohlen.
Am 14.04.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs 3 SGB IX. Sein Arbeitsverhältnis sei behinderungsbedingt gefährdet. Eine innerbetriebliche Umsetzung wegen der Auswirkungen der Behinderung sei bereits erfolgt. Er arbeite Vollzeit, wobei anteilig bis zu 23 Stunden pro Woche auf Telearbeit entfallen würden. Auch im Hinblick auf den Stellenabbau im Rahmen der anstehenden Bundeswehrreform sei das Arbeitsverhältnis gefährdet. Es drohe die Entlassung wegen "Dienstunfähigkeit" und bei einer Gleichstellung sei eine bessere Ausstattung mit Arbeitsmitteln möglich.
Die Bundeswehr teilte der Beklagten mit, dass die Gleichstellung von Soldaten kraft Gesetzes nicht möglich sei. Die Dienstposten von Soldaten seien keine Arbeitsplätze iSv § 73 Abs 1 SGB IX. Eine Gleichstellung komme nur mit Wirkung ab dem Ausscheiden aus dem Wehrdienstverhältnis als Soldat in Betracht.
Mit Bescheid vom 08.06.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gleichstellung ab. Stellen als Soldaten würden nicht als Arbeitsplätze § 73 Abs 2 Nr 1 SGB IX gelten. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Da eine Gleichstellung von Beamten und Richtern bei besonderen Umständen in Betracht komme, müsse dies auch für Soldaten gelten. Besondere Umstände lägen hier darin, dass infolge der größten Reformprozesse der Bundeswehr mit bundesweiten Versetzungen und weiterer, nicht absehbarer persönlicher Härten zu rechnen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2011 zurück. Soldaten seien in § 73 Abs 1 SGB IX nicht erwähnt, so dass deren Tätigkeit nicht auf einem Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschrift erbracht werde. § 2 Abs 3 SGB IX finde damit vorliegend keine Anwendung.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die internen Weisungen, wonach eine Gleichstellung bei Soldaten nicht in Betracht komme, würden dem Gesetzesvorbehalt nicht gerecht. Zwar möge es durch die Anwendung des Fürsorgeerlasses keine Nachteile bei der Erlangung oder beim Erhalt des Arbeitsplatzes geben, jedoch würde den Soldaten aufgrund der Nichtgleichstellung wesentliche Leistungen und Möglichkeiten schon dem Grunde nach versagt. Es sei anhand objektiver Gesichtspunkte nicht nachvollziehbar, warum allein die Dienstposten der Soldaten keine Arbeitsplätze im Sinne des § 73 SGB IX darstellen sollen. Sofern der Ausschluss einer Gleichstellung von Soldaten ausdrücklich erwünscht sein sollte, so müsste dies im SGB IX klar verständlich zum Ausdruck kommen. Dass Soldaten grundsätzlich nicht gleichgestellt werden können, sei ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz (GG).
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Betätigung des Soldaten stelle keinen Arbeitsplatz im Sinne des Teils II des SGB IX dar. Diese seien in § 73 Abs 1 SGB IX nicht erwähnt. Ein Verstoß gegen Art 3 GG lasse sich nicht feststellen. Soldaten seien im Hinblick auf deren körperlichen Anforderungen nicht mit Richtern oder Beamten zu vergleichen.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Auch bei bestimmten Beamtengruppen, wie zB Feuerwehrbeamten oder Spezialeinsatzkräften der Polizei sei eine körperliche Leistungsfähigkeit zwingend notwendig. Die Regelung des § 128 Abs 4 Satz 2 SGB IX sei ohne Belang. Zurzeit sei er auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt für maximal zwei Jahre beschäftigt. Was mit ihm nach Ablauf der zwei Jahre im März 2015 geschehe, sei offen. Unklar sei, weshalb das SG durch Gerichtsbescheid entschieden habe, obwohl es um ein komplexes Rechtsthema gehe.
Der Kläger beantragt:
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 29.01.2013 sowie den Bescheid vom 08.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2011 aufzuheben und den Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Ein Verfahrensfehler des SG liegt im Hinblick auf dessen Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vor. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt war geklärt (§ 105 Abs 1 Satz 1 SGG). Eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX kam für das SG bereits aus dem Umstand nicht in Betracht, dass der Kläger Soldat ist. Der Sachverhalt war insofern geklärt. Eine Schwierigkeit rechtlicher Art war ebenfalls nicht anzunehmen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können (§ 2 Abs 3 SGB IX). Für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen ist dabei auf den Zeitraum von der Antragstellung bis zur letzten mündlichen Verhandlung abzustellen und es sind alle wesentlichen Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen (vgl dazu BSG, Urteil vom 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - SozR 3-3870 § 2 Nr 1).
Der Kläger hat zwar seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland und es ist bei ihm ein GdB von 30 anerkannt. Allerdings handelt es sich bei dem Arbeitsplatz eines aktiven Soldaten nicht um einen solchen i.S.v. § 2 Abs 3 SGB IX in Verbindung mit § 73 SGB IX. Die Berufsgruppe der Soldaten ist von der Gleichstellungsmöglichkeit im Hinblick auf die Besonderheiten des Soldatenverhältnisses ausgenommen. Für die persönliche Rechtsstellung schwerbehinderter Soldaten (GdB von 50) gelten die Besonderheiten des § 128 Abs 4 SGB IX. Insoweit werden die § 2 Abs 1 und 2, §§ 69, 93 bis 99, 116 Abs 1 sowie §§ 123, 125, 126 und 145 bis 147 SGB IX für anwendbar erklärt (§ 128 Abs 4 Satz 1 SGB IX). Im Übrigen gelten für Soldaten die Vorschriften über die persönliche Rechtsstellung der schwerbehinderten Menschen, soweit sie mit den Besonderheiten des Dienstverhältnisses vereinbar sind (§ 128 Abs 4 Satz 2 SGB IX). Die Beschränkung der Anwendbarkeit weiterer Vorschriften des SGB IX unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Dienstverhältnisses als Soldat trägt dem Erfordernis der Verteidigungsbereitschaft im Rahmen der soldatenrechtlichen Vorschriften Rechnung (vgl BT-Drs 10/3138 Seite 27). Nicht ausdrücklich genannt sind in § 128 Abs 4 Satz 1 SGB IX dabei die Vorschriften über die Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX und die Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber nach §§ 71 ff SGB IX. Aufgrund der Besonderheiten des Soldatenverhältnisses bleiben diese auch unter Berücksichtigung des § 128 Abs 4 Satz 2 SGB IX nicht anwendbar (vgl Masuch in: Hauck/Noftz, SGB IX, Stand 04/2010, § 128 Rn 22; Neumann in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Aufl, § 73 Rn 28; aA lediglich Joussen/Düwell in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl, § 128 Rn 36 zum Fall der hier nicht vorliegenden Vermittlungserschwernis). So hat der Gesetzgeber mit der entsprechenden Einführung der Vorschrift in das Schwerbehindertengesetz sicherstellen wollen, dass der Dienstherr im Interesse der Verteidigungsbereitschaft im Rahmen der maßgebenden soldatenrechtlichen Vorschriften jederzeit frei darüber entscheiden kann, wie er einen schwerbehinderten Soldaten einsetzt und ob er das Soldatenverhältnis vorzeitig beendet (Joussen/Düwell aaO Rn 18 mwN).
Es liegt insofern auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 GG vor. So liegt ein vergleichbarer Sachverhalt mit Beamten - wie ihn der Kläger zugrunde legt - nicht vor. Wie oben bereits ausgeführt hat sich der Gesetzgeber bei der unterschiedlichen Behandlung von Soldaten zu anderen Beschäftigten am Interesse der Verteidigungsbereitschaft orientiert. Da aber Polizisten nicht im Bereich der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland tätig sind, handelt es sich insofern um verschiedene Personengruppen. Auch im Hinblick auf die Herausnahme der Gruppe der Soldaten aus dem Bereich des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) ist der Verweis auf das "überragende Erfordernis der Einsatzbereitschaft und Schlagkraft der Streitkräfte" anerkannt (vgl dazu BVerwG, Beschluss vom 11.03.2008 - 1 WB 8.08 - http://www.bverwg.de/entscheidungen/ entscheidung.php?ent =110308B1WB8.08.0 - mit Verweis auf BT-Drs 16/1780 Seite 27).
Im Übrigen werden den Soldaten verschiedene andere Schutzbestimmungen und Nachteilsausgleiche gewährt (vgl dazu Fürsorge für schwerbehinderte Menschen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung - Fürsorgeerlass - vom 30.01.2007 - www.schwbv.de/pdf/fuersorgeerlass bundeswehr 2007.pdf). Im Hinblick auf die vor der Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der Dienstunfähigkeit durch die Entlassungsdienststelle vorrangig zu prüfende Möglichkeit, ob ein Verbleiben im Dienst möglich ist und in welchen dienstlichen Verwendungen der Soldat behinderungsgerecht - möglichst in seiner Fachrichtung/Ausbildungs- und Verwendungsreihe oder seinem Dienstbereich - weiterverwendet werden kann, werden Soldaten mit einem GdB von mindestens 30, aber weniger als 50 schwerbehinderten Soldaten gleichgestellt (vgl Ziff. 2.1 i.V.m. Ziff. 12.1 Fürsorgeerlass).
Konsequenterweise wird das Soldatenverhältnis nicht von § 73 Abs 1 SGB IX erfasst (vgl dazu Schneider in: Hauck/Noftz, SGB IX, Stand 03/2012, § 73 Rn 3a mwN; Goebel in: jurisPK-SGB IX, Stand 08.11.2013, § 73 Rn 18). Die Voraussetzungen der Möglichkeit einer Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX sind damit nicht gegeben, da es sich bei dem konkret maßgeblichen Arbeitsplatz eines Soldaten nicht um einen solchen i.S.v. § 73 SGB IX handelt.
Eine Gleichstellung von behinderten Soldaten kommt damit erst nach deren Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis in Betracht. Sie kann daher grundsätzlich nur mit Wirkung ab dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis ausgesprochen werden (vgl. dazu SG Chemnitz, Urteil vom 22.11.2012 - S 26 AL 132/11 - juris; Knittel SGB IX Kommentar, 6. Aufl, § 2 Rn 183). Ein kurz bevorstehendes Ausscheiden aus dem Dienst ist beim Kläger nicht gegeben. Vielmehr ist er derzeit bis mindestens März 2015 nach eigenen Angaben auf einem dienstpostenähnlichen Konstrukt beschäftigt.
Nachdem der Kläger keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen hat, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Berufung nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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