Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 209/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es liegt ein Ermessenfehler vor, wenn die Bundesagentur die Weitergewährung des Gründungszuschusses für die zweite Phase starr von dem durchschnittlichen Unternehmensgewinn abhängig macht, der in der ersten Gründungsphase erzielt worden ist.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2012 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Gründungszuschusses für den Zeitraum vom 26.07.2012 bis 25.01.2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung eines Gründungszuschusses nach Ablauf der ersten Förderphase.
Der 1978 geborene Kläger machte sich im Oktober 2011 mit dem Angebot von Wimpernverlängerung- und verdichtung sowie Haarentfernung selbständig. Die Beklagte gewährte ihm hierfür mit Bescheid vom 08.11.2011 für den Zeitraum vom 26.10.2011 bis 25.07.2012 einen Gründungzuschuss in Höhe von monatlich 1315,50 Euro. Am 01.08.2012 beantragte der Kläger die Weitergewährung des Gründungszuschuss für die sogenannte 2. Phase in Höhe von 300,00 Euro monatlich für sechs Monate. Er legte eine Aufstellung des Betriebsergebnisses seit Gründung vor und eine Stellungnahme des "Gründungs-Hessen” Netzwerk, wonach mit wachsendem Bekanntheitsgrad mit weiteren Gewinnsteigerungen in den nächsten Monaten zu rechnen sei.
In den ersten neun Monaten seit Gründung erzielte der Kläger mit der selbständigen Tätigkeit folgenden Gewinn:
Monat Gewinn
November 2011 227,73 Euro
Dezember 2011 335,95 Euro
Januar 2012 343,46 Euro
Februar 2012 -222,97 Euro
März 2012 452,15 Euro
April 2012 168,32 Euro
Mai 2012 577,53 Euro
Juni 2012 1556,87 Euro
Juli 2012 1786,97 Euro
Die Beklagte lehnte die Weitergewährung des Gründungszuschusses mit Bescheid vom 09.08.2012 ab. Das monatliche Betriebsergebnis betrage seit der Gründung im Durchschnitt unter 950,00 Euro monatlich. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit sei damit nicht gegeben. Der Gründungszuschuss stelle eine Ermessensleistung dar, bei der die Beklagte eine Abwägungsentscheidung zu treffen habe.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Es sei zu berücksichtigen, dass der Gewinn kontinuierlich angestiegen sei und in den Monaten Juni und Juli 2012 1556,00 Euro und 1786,00 Euro betragen habe. Eine Durchschnittsberechnung unter Einbeziehung der Anlaufphase vorzunehmen, sei fehlerhaft.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2011 zurück. Das Interesse der Versichertengemeinschaft sei darauf gerichtet, möglichst viele Antragsteller zu fördern und die Gelder nur zu zahlen, wenn zu erwarten sei, dass der Lebensunterhalt aus der selbständigen Tätigkeit bestritten werden könne. Würden nur die letzten drei Monate der Tätigkeit für die Beurteilung herangezogen, ergebe sich ein monatliches Einkommen von 1300,00 Euro. Damit sei der Kläger in der Lage, die soziale Absicherung aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Der Kläger hat am 03.12.2012 Klage erhoben. Die Beklagte sei nicht befugt, entgegen der Beurteilung der fachkundigen Stelle die Tragfähigkeit abzulehnen. Da der Kläger die Gründung im Oktober 2011 begonnen habe, sei die bis zum 27.12.2011 geltende Gesetzesfassung anzuwenden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2012 zu verpflichten, ihm für weitere sechs Monate vom 26.07.2012 bis 25.01.2013 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 300,00 Euro zu gewähren,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den Antrag auf Weitergewährung des Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Weitergewährung des Gründungszuschusses komme nur in Betracht, wenn in dem vorangegangenen Gründungszeitraum die Einnahmen durchschnittlich zwischen 950,00 Euro und 1250,00 Euro monatlich gelegen hätten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im Sinne des Hilfsantrages begründet. Die Weitergewährung des Gründungzuschusses sieht das Gericht nicht als einzig rechtmäßige Entscheidung an. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind jedoch fehlerhaft, denn sie beachten die Umstände des Einzelfalles nicht angemessen und lassen notwendige Überlegungen vermissen.
Der Kläger hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Förderantrag, denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB III a.F. sind nach Auffassung des Gerichts gegeben.
Nach 132 SGB III in der Fassung (i.d.F.) ab 01.04.2012 ist vorliegend § 58 Abs. 2 SGB III i.d.F. bis zum 27.12.2011 anzuwenden, weil der dem Kläger für die erste Phase bewilligte Grünungszuschuss nach dieser Fassung bewilligt worden war. Danach kann der Gründungszuschuss für weitere sechs Monate mit 300,00 Euro monatlich gefördert werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel, kann die Agentur für Arbeit die erneute Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen.
Der Kläger hat in dem Weiterbewilligungsantrag geeignete Unterlagen vorgelegt, die seine Geschäftstätigkeit belegen, insbesondere eine betriebswirtschaftliche Auswertung des bisherigen Betriebsergebnisses sowie eine Stellungnahme der "Gründung-Hessen, Gründungsnetzwerk" v.17.07.2012. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Weitergewährung sind damit gegeben.
Die Entscheidung über die Verlängerung des Gründungszuschusses steht im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Die richterliche Überprüfung der Ablehnungsentscheidung beschränkt sich daher darauf, ob die Beklagte überhaupt Ermessen ausgeübt hat, ob die Ermessensausübung dem Zweck der Ermächtigung entspricht und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet hat (§ 39 SGB I, § 54 SGG). Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, 2012, § 54, RdNr. 27f.). Das Gericht darf sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der korrekten Ermessensausübung ist der Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung, d.h. der Zeitpunkt zum Erlass des Widerspruchsbescheides. Die weitere Geschäftsentwicklung ist außer Betracht zu lassen.
Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt. Sie hat auch das Ziel der zweiten Förderphase des Gründungszuschusses beachtet. Dieses Ziel besteht in der Stärkung der Nachhaltigkeit der Gründung und in der soziale Absicherung der Gründerinnen und Gründer (BT-Drucks 17/6277, S. 86). Mit der Pauschale von 300,- Euro soll die Absicherung der Existenzgründer in der Sozialversicherung ermöglicht werden, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nach Abschluss der ersten Förderungsphase das Unternehmen derart gefestigt ist, dass der Lebensunterhalt aus den Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden kann und (allenfalls) noch ein Bedürfnis für die Gewährung von Leistungen zur sozialen Absicherung besteht (vgl. BT-Drucks 16/1696, S. 31).
Die Beklagte hat sich dabei auf ermessenslenkende Weisungen berufen. Dies ist nach der Rechtsprechung des BSG zulässig und kann sogar zur Gleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz geboten sein. Entscheidend ist aber, dass die Behörde neben ihren internen Weisungen die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt (BSG v. 16.06.1999, B 9V 4/99 R m.w.N.).
Den Einzelfall hat die Beklagte nicht ausreichend beachtet. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, allein der durchschnittliche Unternehmensgewinn der ersten neun Monate sei für die Weitergewährung entscheidend. Die 2. Phase des Gründungszuschusses sei nur zu gewähren, wenn sich der Durchschnittsgewinn in der 1. Phase zwischen 950,00 Euro und 1250,00 Euro bewege. Liege der Gewinn darunter, sei die Tragfähigkeit nicht nachgewiesen, liege der Gewinn darüber, sei der Gründungszuschuss nicht erforderlich, weil der Unternehmer die soziale Absicherung, für welche die 300,00 Euro monatlich gewährt würden, selbst tragen könne.
Die Beklagte hat nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen waren, in ihre Entscheidungsfindung mit einbezogen. Es fehlen Ausführungen dazu, inwieweit die Art des Unternehmens zu beachten ist und ob dem Unternehmen eine Anlaufphase zuzubilligen ist, in der zunächst keine oder nur geringe Gewinne erwirtschaftet werden. Der Kläger hat sich mit Wimpernverlängerung- und verdichtung selbständig gemacht. Diese Dienstleistung ist auf dem Markt bislang wenig bekannt. Der Gründer war deshalb zunächst darauf angewiesen, Werbung zu machen, neue Kunden durch Mundpropaganda zu gewinnen und sich einen Kundenstamm aufzubauen.
Es fehlen weiter Erwägungen dazu, ob und wie die Beklagte die Entwicklung des Unternehmens berücksichtigt hat. Es ist deutlich zu erkennen, dass das Unternehmen sich einen Kundenstamm aufgebaut und die Gewinne gesteigert hat. In den Monaten Juli und August 2012 hat der Kläger 1556,00 Euro und 1786,00 Euro erwirtschaftet. Unter Zugrundelegung dieser Entwicklung hätte die Beklagte gut zu der Auffassung gelangen können, dass das Unternehmen sich inzwischen soweit gefestigt hat, dass zu erwarten war, dass der Gründer seinen Lebensunterhalt mit den laufenden Einnahmen im zweiten Bewilligungsabschnitt sicherstellen kann.
Schließlich hat die Beklagte die Ausführungen der fachkundigen Stelle "Gründung-Hessen, Gründungsnetzwerk” nicht in ihre Überlegungen mit einbezogen, obwohl der Gesetzgeber die weitere Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vor Weitergewährung ausdrücklich als beachtenswert für die neue Beurteilung in § 58 Abs. 2 Satz 2 SGB III genannt hat.
Wenn auch gewichtige Gründe für eine Weiterbewilligung des Gründungszuschuss sprechen, sieht das Gericht das Ermessen nicht auf Null reduziert. Dies würde voraussetzen, dass nach dem festgestellten Sachverhalt eine anderweitige Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei ausgeschlossen ist (z.B.: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.04.2011 - L 5 AS 454/10 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung eines Gründungszuschusses nach Ablauf der ersten Förderphase.
Der 1978 geborene Kläger machte sich im Oktober 2011 mit dem Angebot von Wimpernverlängerung- und verdichtung sowie Haarentfernung selbständig. Die Beklagte gewährte ihm hierfür mit Bescheid vom 08.11.2011 für den Zeitraum vom 26.10.2011 bis 25.07.2012 einen Gründungzuschuss in Höhe von monatlich 1315,50 Euro. Am 01.08.2012 beantragte der Kläger die Weitergewährung des Gründungszuschuss für die sogenannte 2. Phase in Höhe von 300,00 Euro monatlich für sechs Monate. Er legte eine Aufstellung des Betriebsergebnisses seit Gründung vor und eine Stellungnahme des "Gründungs-Hessen” Netzwerk, wonach mit wachsendem Bekanntheitsgrad mit weiteren Gewinnsteigerungen in den nächsten Monaten zu rechnen sei.
In den ersten neun Monaten seit Gründung erzielte der Kläger mit der selbständigen Tätigkeit folgenden Gewinn:
Monat Gewinn
November 2011 227,73 Euro
Dezember 2011 335,95 Euro
Januar 2012 343,46 Euro
Februar 2012 -222,97 Euro
März 2012 452,15 Euro
April 2012 168,32 Euro
Mai 2012 577,53 Euro
Juni 2012 1556,87 Euro
Juli 2012 1786,97 Euro
Die Beklagte lehnte die Weitergewährung des Gründungszuschusses mit Bescheid vom 09.08.2012 ab. Das monatliche Betriebsergebnis betrage seit der Gründung im Durchschnitt unter 950,00 Euro monatlich. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit sei damit nicht gegeben. Der Gründungszuschuss stelle eine Ermessensleistung dar, bei der die Beklagte eine Abwägungsentscheidung zu treffen habe.
Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Es sei zu berücksichtigen, dass der Gewinn kontinuierlich angestiegen sei und in den Monaten Juni und Juli 2012 1556,00 Euro und 1786,00 Euro betragen habe. Eine Durchschnittsberechnung unter Einbeziehung der Anlaufphase vorzunehmen, sei fehlerhaft.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2011 zurück. Das Interesse der Versichertengemeinschaft sei darauf gerichtet, möglichst viele Antragsteller zu fördern und die Gelder nur zu zahlen, wenn zu erwarten sei, dass der Lebensunterhalt aus der selbständigen Tätigkeit bestritten werden könne. Würden nur die letzten drei Monate der Tätigkeit für die Beurteilung herangezogen, ergebe sich ein monatliches Einkommen von 1300,00 Euro. Damit sei der Kläger in der Lage, die soziale Absicherung aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Der Kläger hat am 03.12.2012 Klage erhoben. Die Beklagte sei nicht befugt, entgegen der Beurteilung der fachkundigen Stelle die Tragfähigkeit abzulehnen. Da der Kläger die Gründung im Oktober 2011 begonnen habe, sei die bis zum 27.12.2011 geltende Gesetzesfassung anzuwenden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2012 zu verpflichten, ihm für weitere sechs Monate vom 26.07.2012 bis 25.01.2013 einen Gründungszuschuss in Höhe von monatlich 300,00 Euro zu gewähren,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den Antrag auf Weitergewährung des Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Weitergewährung des Gründungszuschusses komme nur in Betracht, wenn in dem vorangegangenen Gründungszeitraum die Einnahmen durchschnittlich zwischen 950,00 Euro und 1250,00 Euro monatlich gelegen hätten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im Sinne des Hilfsantrages begründet. Die Weitergewährung des Gründungzuschusses sieht das Gericht nicht als einzig rechtmäßige Entscheidung an. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind jedoch fehlerhaft, denn sie beachten die Umstände des Einzelfalles nicht angemessen und lassen notwendige Überlegungen vermissen.
Der Kläger hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Förderantrag, denn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB III a.F. sind nach Auffassung des Gerichts gegeben.
Nach 132 SGB III in der Fassung (i.d.F.) ab 01.04.2012 ist vorliegend § 58 Abs. 2 SGB III i.d.F. bis zum 27.12.2011 anzuwenden, weil der dem Kläger für die erste Phase bewilligte Grünungszuschuss nach dieser Fassung bewilligt worden war. Danach kann der Gründungszuschuss für weitere sechs Monate mit 300,00 Euro monatlich gefördert werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel, kann die Agentur für Arbeit die erneute Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen.
Der Kläger hat in dem Weiterbewilligungsantrag geeignete Unterlagen vorgelegt, die seine Geschäftstätigkeit belegen, insbesondere eine betriebswirtschaftliche Auswertung des bisherigen Betriebsergebnisses sowie eine Stellungnahme der "Gründung-Hessen, Gründungsnetzwerk" v.17.07.2012. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Weitergewährung sind damit gegeben.
Die Entscheidung über die Verlängerung des Gründungszuschusses steht im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Die richterliche Überprüfung der Ablehnungsentscheidung beschränkt sich daher darauf, ob die Beklagte überhaupt Ermessen ausgeübt hat, ob die Ermessensausübung dem Zweck der Ermächtigung entspricht und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet hat (§ 39 SGB I, § 54 SGG). Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, 2012, § 54, RdNr. 27f.). Das Gericht darf sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der korrekten Ermessensausübung ist der Zeitpunkt der letzten Ermessensentscheidung, d.h. der Zeitpunkt zum Erlass des Widerspruchsbescheides. Die weitere Geschäftsentwicklung ist außer Betracht zu lassen.
Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt. Sie hat auch das Ziel der zweiten Förderphase des Gründungszuschusses beachtet. Dieses Ziel besteht in der Stärkung der Nachhaltigkeit der Gründung und in der soziale Absicherung der Gründerinnen und Gründer (BT-Drucks 17/6277, S. 86). Mit der Pauschale von 300,- Euro soll die Absicherung der Existenzgründer in der Sozialversicherung ermöglicht werden, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nach Abschluss der ersten Förderungsphase das Unternehmen derart gefestigt ist, dass der Lebensunterhalt aus den Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden kann und (allenfalls) noch ein Bedürfnis für die Gewährung von Leistungen zur sozialen Absicherung besteht (vgl. BT-Drucks 16/1696, S. 31).
Die Beklagte hat sich dabei auf ermessenslenkende Weisungen berufen. Dies ist nach der Rechtsprechung des BSG zulässig und kann sogar zur Gleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz geboten sein. Entscheidend ist aber, dass die Behörde neben ihren internen Weisungen die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt (BSG v. 16.06.1999, B 9V 4/99 R m.w.N.).
Den Einzelfall hat die Beklagte nicht ausreichend beachtet. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, allein der durchschnittliche Unternehmensgewinn der ersten neun Monate sei für die Weitergewährung entscheidend. Die 2. Phase des Gründungszuschusses sei nur zu gewähren, wenn sich der Durchschnittsgewinn in der 1. Phase zwischen 950,00 Euro und 1250,00 Euro bewege. Liege der Gewinn darunter, sei die Tragfähigkeit nicht nachgewiesen, liege der Gewinn darüber, sei der Gründungszuschuss nicht erforderlich, weil der Unternehmer die soziale Absicherung, für welche die 300,00 Euro monatlich gewährt würden, selbst tragen könne.
Die Beklagte hat nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen waren, in ihre Entscheidungsfindung mit einbezogen. Es fehlen Ausführungen dazu, inwieweit die Art des Unternehmens zu beachten ist und ob dem Unternehmen eine Anlaufphase zuzubilligen ist, in der zunächst keine oder nur geringe Gewinne erwirtschaftet werden. Der Kläger hat sich mit Wimpernverlängerung- und verdichtung selbständig gemacht. Diese Dienstleistung ist auf dem Markt bislang wenig bekannt. Der Gründer war deshalb zunächst darauf angewiesen, Werbung zu machen, neue Kunden durch Mundpropaganda zu gewinnen und sich einen Kundenstamm aufzubauen.
Es fehlen weiter Erwägungen dazu, ob und wie die Beklagte die Entwicklung des Unternehmens berücksichtigt hat. Es ist deutlich zu erkennen, dass das Unternehmen sich einen Kundenstamm aufgebaut und die Gewinne gesteigert hat. In den Monaten Juli und August 2012 hat der Kläger 1556,00 Euro und 1786,00 Euro erwirtschaftet. Unter Zugrundelegung dieser Entwicklung hätte die Beklagte gut zu der Auffassung gelangen können, dass das Unternehmen sich inzwischen soweit gefestigt hat, dass zu erwarten war, dass der Gründer seinen Lebensunterhalt mit den laufenden Einnahmen im zweiten Bewilligungsabschnitt sicherstellen kann.
Schließlich hat die Beklagte die Ausführungen der fachkundigen Stelle "Gründung-Hessen, Gründungsnetzwerk” nicht in ihre Überlegungen mit einbezogen, obwohl der Gesetzgeber die weitere Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vor Weitergewährung ausdrücklich als beachtenswert für die neue Beurteilung in § 58 Abs. 2 Satz 2 SGB III genannt hat.
Wenn auch gewichtige Gründe für eine Weiterbewilligung des Gründungszuschuss sprechen, sieht das Gericht das Ermessen nicht auf Null reduziert. Dies würde voraussetzen, dass nach dem festgestellten Sachverhalt eine anderweitige Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei ausgeschlossen ist (z.B.: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.04.2011 - L 5 AS 454/10 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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