L 34 AS 224/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 168 AS 2475/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 224/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2013 aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 04. April 2013 verurteilt, dem Kläger für die Monate Juli bis Dezember 2012 höhere Leistungen zur Grundsicherung unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,34 EUR zu gewähren. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Grundsicherung für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012 unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,34 Euro.

Der 1961 geborene Kläger, der seit Januar 2000 als Rechtsanwalt selbständig tätig ist, ist seit dem 1. September 2002 mit seinem Wohnsitz in der Z Straße, 1. Etage links, gemeldet. Er bewohnt eine 73,79 m2 große 3 Zimmer Küche Bad Wohnung in einem Wohnhaus - Baujahr 1900 - mit einer Gesamtwohnfläche von 1144,30 m2. Die Wohnung wird zentral mit Erdgas beheizt, wobei auch die Warmwasserversorgung zentral erfolgt. Im streitigen Zeitraum hatte der Kläger ein Zimmer dieser Wohnung untervermietet und daraus Einkünfte in Höhe von 300,00 Euro monatlich bezogen.

Nachdem der Beklagte ihm für die Zeit vom 10. Februar 2010 bis zum 31. August 2010 sowie erneut für die Zeit vom 29. Dezember 2010 bis zum 30. Juni 2011 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewährt hatte, wies er den Kläger mit Schreiben vom 11. Februar 2011 darauf hin, dass seine Bruttowarmmiete unangemessen hoch sei und den Richtwert von 378,00 Euro für einen Einpersonenhaushalt in Berlin nach den AV Wohnen übersteige. Auf die Stellungnahme des Klägers hierzu (Schreiben vom 28. Februar 2011) kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 2. März 2011 an, die tatsächlich anfallenden Kosten für die Unterkunft und Heizung des Klägers nur noch bis zum 30. September 2011 zu übernehmen. Nach Ablauf der Frist werde nur noch der Richtwert in Höhe von 378,00 Euro ohne einen Zuschlag von 10 % anerkannt.

Im Sommer 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für das zweite Halbjahr 2011 Arbeitslosengeld II, wobei er für Juli bis September 2011 die damaligen tatsächlichen Wohnkosten (Bruttowarmmiete von 692,04 Euro für Juli 2011 und von 702,34 Euro für August und September 2011), für den Zeitraum ab 1. Oktober 2011 bis 31. Dezember 2011 hingegen monatlich nur noch 378,00 Euro berücksichtigte. Das hiergegen gerichtete Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Das hierzu beim Sozialgericht Berlin geführte Klageverfahren (Aktenzeichen S 39 AS 29240/11) ist zwischenzeitlich beendet.

Nachdem der Kläger im ersten Halbjahr 2012 keine Leistungen vom Beklagten bezogen hatte, beantragte er am 30. Juli 2012 erneut Arbeitslosengeld II. Die Kosten seiner Mietwohnung gab er mit 490,00 Euro Grundmiete, 70,87 Euro kalte Betriebskosten und 141,47 Euro Heizkosten (= 702,34 Euro) abzgl. 300,00 Euro aus der Untervermietung eines Zimmers, mithin mit 402,34 Euro an.

Der Beklagte bewilligte ihm daraufhin für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 zunächst vorläufige Leistungen in Höhe von 254,67 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 389,00 Euro für die Kosten für Unterkunft und Heizung – Letzteres unter Hinweis auf die Richtwerte für die Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungen-Verord¬nung WAV ) vom 3. April 2012 des Senats von Berlin (Bescheid vom 24. August 2012).

Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die vollständige Übernahme der Kosten seiner Wohnung verlangte (Widerspruch vom 28. September 2012), wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2013 zurück: Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen seien. Die monatliche Warmmiete der Wohnung des Klägers betrage 702,34 Euro. Durch Untervermietung eines Zimmers reduzierten sich diese Kosten auf 402,34 Euro, die auf den Kläger entfielen und von diesem zu tragen seien. In Anwendung der WAV 2012 seien angemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 380,00 Euro zzgl. eines Zuschlages von 9,00 Euro für zentrale Warmwasserversorgung, insgesamt also 389,00 Euro festzustellen. Da die vom Kläger zu tragenden tatsächlichen Unterkunftskosten diesen Betrag überstiegen, sei nur der als angemessen erachtete Betrag in Höhe von 389,00 Euro als Kosten der Unterkunft und Heizung monatlich zu gewähren. Daran ändere auch der kurzfristige Nichtbezug von Leistungen nach dem SGB II nichts. Der Beklagte sei insbesondere nicht verpflichtet, erneut ein Absenkungsverfahren durchzuführen oder eine Schonfrist zu gewähren, da der Kläger bereits seit März 2011 Kenntnis über die nicht angemessene Miete für einen Einpersonenhaushalt habe. Gründe, die eine Senkung der Unterkunftskosten dem Kläger unmöglich machten, seien nicht vorgetragen, so dass die im angefochtenen Bescheid festgesetzten Unterkunftskosten rechtlich nicht zu beanstanden seien. Darüber hinaus seien auch keine Gründe vorgetragen worden, die dem Kläger den Umzug in eine solche Unterkunft unmöglich machten. Dass der Kläger aufgrund seiner Selbständigkeit Unterlagen lagern müsse, könne nicht zur Gewährung eines größeren Wohnraumes führen, da dieser ggf. benötigte Platz beruflich bedingt und daher der beruflichen Tätigkeit und nicht dem Wohnen zuzurechnen sei. Zudem handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Die durchgeführte Wirtschaftlichkeitsberechnung belege die Wirtschaftlichkeit eines Umzuges. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass es ihm unmöglich sei, Wohnraum zu finden, der den Richtwerten für angemessenen Wohnraum entspreche.

Hiergegen hat der Kläger am 28. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und die Meinung vertreten, dass ohne erneute Aufforderung zur Kostensenkung eine Senkung der Leistungen für Unterkunft und Heizung unzulässig sei. Aufgrund des Zeitraums ohne Leistungsbezug komme es auf die vorangegangene Aufforderung zur Kostensenkung nicht an. Im Übrigen habe er beruflich bedingt - aufgrund der Notwendigkeit, in erheblichem Umfang auch berufliche Unterlagen in seiner Wohnung aufbewahren zu müssen - einen erhöhten Raumbedarf, so dass ein Umzug unverhältnismäßig teuer und nur mit einer Fachfirma zu bewerkstelligen sei. Die geringe Überschreitung der tatsächlichen Wohnkosten habe auch angesichts seiner guten Aussichten, eine auskömmliche Tätigkeit zu finden, einen Umzug nicht gerechtfertigt. Er beziehe zurzeit keine Leistungen. Im Übrigen habe es sich als aussichtslos erwiesen, eine den Anforderungen des Beklagten genügende Wohnung zu finden. Er könne auch nicht auf eine Einzimmerwohnung verwiesen werden, weil es ihm dort nicht möglich sei, Mandanten zu empfangen; eine Zweizimmerwohnung sei unter Beachtung der von der Beklagten vorgegebenen Grenzen nicht zu finden.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beklagte, der davon ausgegangen ist, dass beim Kläger das Erzielen existenzsichernder Einkünfte in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei, mit Bescheid vom 4. April 2013 die Leistungen für den Kläger für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2012 endgültig festgesetzt und ihm den Regelbedarf in Höhe von 374,00 Euro sowie für die Kosten der Unterkunft und Heizung 389,00 Euro gewährt.

Durch Urteil des SG vom 16. Dezember 2013 ist die auf Gewährung monatlicher Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,34 Euro gerichtete Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen worden. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,34 Euro monatlich habe. Den nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestehenden Anspruch auf Anerkennung der angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 389,00 Euro habe der Beklagte bereits erfüllt. Soweit der Beklagte diesen Wert aus der WAV vom 3. April 2012 des Senats von Berlin errechnet habe, sei dies rechtmäßig. Selbst wenn die WAV nicht anzuwenden sei, könne der Kläger keinen höheren Bedarf für sich beanspruchen. Denn nach dem von der Kammer angewendeten Konzept der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ergebe sich für einen Einpersonenhaushalt eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete von 322,50 Euro, die sich berechne aus dem Produkt der für die hier zu beurteilende Haushaltsgröße höchstens angemessenen Wohnungsgröße (50 m2) und der angemessenen Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete zzgl. Betriebskosten in Höhe von 6,45 Euro/m2 = 4,91 Euro + 1,54 Euro). Diese Werte würden auf der Grundlage des qualifizierten Berliner Mietspiegels des Landes Berlin 2011 (Amtsblatt für Berlin 2011, Nr. 22 vom 30. Mai 2011) und dem darin angegebenen durchschnittlichen Berliner Betriebskostenwert errechnet. Zusätzlich seien vom Grundsicherungsträger angemessene Heizkosten zu übernehmen. Der Grenzwert, bis zu welchem Heizkosten übernommen werden müssten, betrage nach der Entscheidung des BSG vom 2. Juli 2009 (B 14 AS 36/08 R) nach Maßgabe des bundesdeutschen Heizkostenspiegels 2012 bei einer Beheizung mit Erdgas und einer zu beheizenden Gebäudefläche von 1 000 m2 14,70 Euro/m2 pro Jahr, entsprechend 1,225 Euro/m2 pro Monat, mithin bei 50 m2 61,25 Euro pro Monat. Allein dieser Grenzwert sei zu übernehmen, weil die maßgebliche Vorauszahlung von 141,47 Euro den Grenzwert übersteige. Das Übersteigen dieses Grenzwertes rechtfertige die Annahme, dass die Heizkosten unangemessen hoch seien. Nach Addition der höchstens als angemessen anzusehenden Bruttokaltmiete von 322,50 Euro sowie des maßgeblichen Heizkostengrenzwerts von 61,25 Euro ergebe sich eine abstrakt angemessene Bruttowarmmiete von höchstens 383,75 Euro. Diesen abstrakt angemessenen Wert übersteige die Miete der Wohnung, so dass sie auch nach Maßgabe des vom SG entwickelten schlüssigen Konzepts nicht angemessen wäre. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Übernahme höherer Kosten aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Nach dieser Vorschrift seien die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor; vielmehr sei es ihm zumutbar, seine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu senken. Der Beklagte habe ihn mit Schreiben vom 2. März 2011 darauf hingewiesen, dass seine Wohnkosten zu hoch seien, und ihn zur Senkung auf die für angemessen gehaltene Bruttowarmmiete von 378,00 Euro aufgefordert. Dem Kläger hätte sich aufdrängen müssen, dass er zu teuer gewohnt habe. Eine neue Kostensenkungsaufforderung sei wegen der kurzzeitigen – sechsmonatigen Unterbrechung des Leistungsbezuges nicht erforderlich. Der Kläger habe keine begründete Hoffnung darauf haben können, dass er zukünftig aus seiner selbständigen Tätigkeit existenzsichernde Einnahmen erzielen würde, weil er diese unter denselben Bedingungen wie zuvor ausgeübt habe und er daher jederzeit habe damit rechnen müssen, dass er wieder hilfebedürftig werden würde. Dem Kläger sei die Senkung der Unterkunftskosten durch einen Umzug auch nicht unmöglich oder unzumutbar; insbesondere könne der von ihm angeführte erhöhte Platzbedarf infolge beruflicher Tätigkeit nicht als Grund für die Unzumutbarkeit der Kostensenkung herangezogen werden.

Gegen das ihm am 28. Dezember 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger, der nach Ablauf des hier streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums im Dezember 2012 keine weiteren Leistungen zur Grundsicherung mehr bezogen hat, am 22. Januar 2014 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, dass selbst im Falle der rechtlichen Fortwirkung der Kostensenkungsaufforderung vom 2. März 2011 zu berücksichtigen sei, dass er gute Aussichten gehabt habe, existenzsichernde Einkünfte zu erzielen. Dies, die für ihn mit einem Umzug verbundene, über das normale Maß hinausgehende Belastung und die Tatsache, dass seine Wohnkosten nur äußerst geringfügig die Angemessenheitsgrenze überschritten hätten, habe der Beklagte bei der Ausübung seines Ermessens nicht berücksichtigt. Eine Weiterzahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe sei daher für weitere sechs Monate geboten gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 04. April 2013 zu verurteilen, ihm für die Monate Juli bis Dezember 2012 höhere Leistungen zur Grundsicherung unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,34 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist im Wesentlichen auf sein im Jahre 2011 durchgeführtes Kostenabsenkungsverfahren und ist der Meinung, ein erneutes Kostensenkungsverfahren sei nicht durchzuführen gewesen, da die Leistungsbezugsunterbrechung weit weniger als ein Jahr betragen habe und der Kläger bereits zu Beginn der Leistungsunterbrechung von einem erneuten Leistungsbezug habe ausgehen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten (3 Bände zum Az.: ) Bezug genommen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Sozialgerichtsgesetz SGG ). Die Berufungssumme von 750,00 Euro und der Leistungszeitraum von mehr als einem Jahr werden zwar nicht erreicht, die Berufung wurde vom SG aber zugelassen (§§ 144 Abs. 1, 145 SGG).

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren des Klägers, unter Ansatz höherer Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt 80,04 Euro mehr als mit Bescheid vom 4. April 2013 festgesetzt zu erhalten. Der Betrag ergibt sich aus dem Unterschied zwischen den tatsächlichen monatlichen Aufwendungen des Klägers für Miete und Nebenkosten in Höhe von 402,34 Euro (702,34 Euro abzüglich 300,00 Euro Einnahmen aus Untervermietung) und den vom Beklagten gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung von 389 Euro (402,34 – 389 = 13,34 Euro) im Bewilligungszeitraum von Juli bis Dezember 2012 (6 x 13,34 Euro). Die vorläufige Festsetzung der Leistungshöhe im Bescheid vom 24. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2013 ist nicht mehr Streitgegenstand. Sie hat sich bereits im Klageverfahren auf sonstige Weise im Sinne des § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch den Erlass des Bescheides vom 4. April 2013, mit dem der Beklagte eine endgültige Bestimmung der Leistungshöhe für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 verfügt hat, erledigt; der endgültige Bescheid hat den vorläufigen Bescheid ersetzt, so dass insoweit auch die Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 139/10 R, dort Rz. 13). Der endgültige Bescheid vom 4. April 2013 ist - entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid - gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (vgl. Wehrhahn, in Estelmann Hrsg. , SGB II Rz. 108). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass der Bescheid über die endgültige Leistung, der während des Klageverfahrens ergeht, in welchem der Bescheid über die vorläufige Entscheidung Gegenstand ist, den letztgenannten Bescheid nach § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes (unmittelbar und nicht lediglich in analoger Anwendung dieser Vorschrift) ersetzt (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2011, B 10 EG 1/11 R; vom 27. Juni 2013, B 10 EG 8/12 R; vom 19. Dezember 2012, B 12 KR 29/10 R; vom 24. Januar 2003, B 12 KR 18/02 R; vom 14. Mai 1997, 6 RKa 25/96; vom 25. Oktober 1961, 7 RKg 3/61; alle Urteile veröffentlicht in juris). Auch wenn es sich materiell-rechtlich bei vorläufigen Leistungen um ein aliud zu endgültigen handelt (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 139/10 R, veröffentlicht in juris, dort Rn. 15), sind bei beiden Leistungsarten – bis auf die Vorschriften über die Vorläufigkeit – grundsätzlich dieselben materiell-rechtlichen Vorschriften bezogen auf denselben Sachverhalt heranzuziehen, so dass sich beide Ansprüche nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Damit wird nicht nur dem Zweck der Prozessökonomie, sondern zugleich dem weiteren Zweck, der mit der zum 01. April 2008 erfolgten Änderung des § 96 Abs. 1 SGG erreicht werden sollte, nämlich eine Ausweitung des Prozessstoffes zu vermeiden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, Rndrn. 1a, 4 unter Hinweis auf Bundestag-Drucksache 16/7716, S 18 f.) Rechnung getragen. Die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG liegen auch im Übrigen vor; insbesondere ist die Höhe der (vorläufigen) Leistung bei Erlass des Bescheides vom 4. April 2013 angefochten gewesen.

Soweit der Kläger im Klageverfahren ausdrücklich nur eine höhere Leistung für Unterkunft und Heizung beantragt hat, entscheidet der Senat über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Anträge gebunden zu sein (§ 123 SGG); im Lichte des im Berufungsverfahren gestellten Antrages lässt sich auch schon dem Klageantrag das Begehren des Klägers auf eine im Ergebnis um 80,04 Euro höhere Gesamtleistung entnehmen.

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn dem Kläger stehen für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012 Leistungen zur Grundsicherung unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,34 EUR zu.

Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum Berechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Er hatte zwar das 15. Lebensjahr vollendet, nicht aber die Altersgrenze des § 7a erreicht (Nr. 1), war erwerbsfähig (Nr. 2), hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4) und war unstreitig auch hilfebedürftig (Nr. 3). Er hatte daher im Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012 Anspruch nicht nur auf den vom Beklagten zu Recht gewährten monatlichen Regelbedarf in Höhe von 374,00 Euro (§ 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 SGB II in der Fassung der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012 vom 17. Oktober 2011 - BGBl. 2011, 2090 -), sondern dem Grunde nach auch auf Übernahme der Kosten für seine Unterkunft einschließlich Heizung. Soweit der Beklagte diesen Anspruch auf 389,00 Euro beziffert hat, ist dies rechtswidrig. Dem Kläger stehen vielmehr Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der von ihm geltend gemachten 402,34 Euro im Monat zu.

In welchem Umfang Hilfebedürftigen Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren sind, bestimmt sich nach § 22 Abs. 1 SGB II. Nach Satz 1 dieser Vorschrift werden sie grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum Mietzahlungen in Höhe von 702,34 Euro zu leisten; sein Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung betrug jedoch lediglich 402,34 Euro. Denn Erträge aus der Untervermietung von Teilen der angemieteten Wohnung als Kostensenkungsmaßnahme – hier 300,00 Euro monatlich – sind im Rahmen der Bedarfsberechnung bei den Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen. Die Zahlungen aus der Untervermietung stellen kein Einkommen im Sinne von § 11 SGB II dar, solange – wie hier – durch die Erträge aus der Untervermietung die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft nicht überschritten werden (vgl. BSG, Urteil vom 06. August 2014, B 4 AS 37/13 R, laut Terminbericht Nr. 37/14 vom 06. August 2014).

Ob vorliegend die um 13,34 Euro (402,34 Euro – 389 Euro) über den vom Beklagten als angemessen beurteilten monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung liegenden möglicherweise tatsächlich angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II waren, bedarf hier keiner abschließenden Klärung; denn selbst wenn dies – wie das SG im angegriffenen Urteil ausgeführt hat – nicht der Fall war, ergibt sich der Anspruch des Klägers unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 402,34 Euro aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II.

Nach dieser Vorschrift sind den angemessenen Umfang übersteigende Kosten so lange anzuerkennen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Die Norm enthält eine Zumutbarkeitsregelung im Sinne eines zeitlich beschränkten Bestandsschutzes. Es soll verhindert werden, dass der Leistungsberechtigte bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit gezwungen wird, seine bisherige Wohnung aufzugeben.

Vorliegend war dem Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum die Kostensenkung zwar nicht objektiv unmöglich, wohl aber subjektiv unzumutbar. Subjektiv möglich sind einem Leistungsberechtigten Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis davon hatte, dass zum einen der kommunale Träger bzw. das Jobcenter von unangemessenen Kosten ausgeht und zum anderen ihn die Obliegenheit trifft, kostensenkende Maßnahmen zu ergreifen. Dass dies vorliegend der Fall war, ist zur Überzeugung des Senats nicht anzunehmen.

Der Beklagte hatte den Kläger zwar mit Kostensenkungsaufforderung vom 02. März 2011 über die Höhe der aus seiner Sicht angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung aufgeklärt, hatte bei der Leistungsbewilligung die tatsächlich anfallenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung – seiner Ankündigung entsprechend – nur bis einschließlich September 2011 anerkannt und sodann für die Monate Oktober bis Dezember 2011 diese nur noch in der von ihm als angemessen angesehenen Höhe von 378,00 Euro berücksichtigt. Daraus folgt jedoch nicht, dass auch bezogen auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum eine Absenkung der Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung auf 389,00 Euro rechtmäßig gewesen wäre. Im Gegenteil geht der Senat davon aus, dass dies ohne erneutes Kostensenkungsverfahren nicht der Fall war. Denn vorliegend besteht die Besonderheit, dass der Kläger im Zeitraum von Januar bis Juni 2012 in der Lage war, seinen Bedarf durch Einnahmen aus seiner selbständigen Tätigkeit zu decken, und daher nicht mehr im Leistungsbezug stand.

Ob bereits in Anlehnung an die zu § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ergangene Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 9. April 2014, B 14 AS 23/13 R, veröffentlicht in juris, dort Rdnrn. 22 ff.), wonach nach einer mindestens einmonatigen Phase der Beschäftigung mit Eintritt erneuter Hilfebedürftigkeit ein neuer Leistungsfall eintritt und die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht mehr nur in Höhe der vor einem nicht erforderlichen Umzug entstanden anerkannt werden dürfen, sondern an den Maßstäben des § 22 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II zu messen sind, regelmäßig bei Wiedereintritt in den Leistungsbezug nach mindestens einmonatiger Unterbrechung eine Absenkung der Kosten für Unterkunft und Heizung auf das angemessene Maß stets erst nach Durchführung eines vollständig neuen Kostensenkungsverfahrens und Ablauf einer sechsmonatigen Schonfrist zulässig ist, kann der Senat offen lassen. Im vorliegenden Fall wäre ein entsprechendes Verfahren jedenfalls nötig gewesen.

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt davon ausgehen musste, dass der Beklagte seinen für die Kosten der Unterkunft und Heizung geltend gemachten Bedarf als unangemessen ansehen würde. Denn dieser lag schon nicht wesentlich über der vom Beklagten für das Jahr 2011 angesetzten Angemessenheitsgrenze, und zwischenzeitlich war die – höhere Kosten anerkennende - WAV in Kraft gesetzt worden, so dass immerhin die Chance bestand, der entstehende Bedarf halte sich nunmehr im Rahmen des Angemessenen. Tatsächlich ist es auch lediglich zu einem geringfügigen Überschreiten um monatlich 13,34 Euro gekommen.

Selbst wenn man jedoch annehmen wollte, der Kläger hätte zumindest mit einer noch immer bestehenden Unangemessenheit seiner Kosten rechnen müssen, so musste er zur Überzeugung des Senats jedenfalls nicht davon ausgehen, dass der Beklagte diese Kosten bei Wiedereintritt in den – für sechs Monate unterbrochenen - Leistungsbezug mangels zwischenzeitlich ergriffener Kostensenkungsmaßnahmen weiterhin – ohne Einräumen einer erneuten Schonfrist - auf das nunmehr als angemessen angesehene Maß reduzieren würde.

Der Kläger hatte nach dem Ende des Leistungsbezuges am 31. Dezember 2011 in der Zeit bis zum 30. Juni 2012 mit 2472,43 Euro monatlich (vgl. vorläufige Gewinnermittlung für das erste Halbjahr 2012, Stand 21. August 2012, die einen Gewinn in Höhe von 14.834,58 Euro aufweist) ein mehr als bedarfsdeckendes Einkommen aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt erzielt. In diesem Zeitraum hatte er keinerlei Veranlassung, aufgrund einer aktuellen Nichtbefriedigung seines Bedarfs seine Kosten zu senken.

Ebenso wenig aber traf ihn eine Obliegenheit, in Erwartung eines möglichen (erneuten) Leistungsbezuges seine Kosten zu reduzieren. Dafür spricht bereits, dass der Kläger Einnahmen nicht aus einer von vornherein befristeten Beschäftigung (vgl. zu einer entsprechenden Fallgestaltung: Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. August 2013, L 7 AS 589/11, veröffentlicht in juris), sondern aus seiner selbständigen Tätigkeit bezogen hat, die sich zuvor über mehrere Jahre hinweg als durchaus tragfähig erwiesen hatte. Denn seit Beginn der Ausübung seiner Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt im Jahre 2000 hatte der Kläger bis zum Juli 2012 lediglich in der Zeit vom 10. Februar bis zum 31. August 2010 sowie wieder vom 29. Dezember 2010 bis zum 31. Dezember 2011 und damit für gut anderthalb Jahre Leistungen bezogen. Dass es ihm schon Ende 2010 und wieder Anfang 2012 möglich gewesen war, seinen Bedarf zu decken, begründete durchaus die berechtigte Aussicht, trotz der mandatsabhängigen Schwankungen des Einkommens zukünftig wieder Einkommen in bedarfssichernder Höhe zu erzielen. Jedenfalls aber musste der Kläger im fraglichen Zeitraum nicht davon ausgehen, nunmehr nicht mehr nur zur kurzfristigen Überbrückung, sondern längerfristig auf Grundsicherungsleistungen angewiesen zu sein mit der Folge, dass von ihm eine Anpassung seiner Verpflichtungen auf das entsprechende Niveau erwartet werden kann. Dass diese positive Prognose gerechtfertigt war, zeigt nicht zuletzt, dass der Kläger seit Januar 2013 und damit seit nunmehr einem Jahr und neun Monaten aus dem Leistungsbezug ausgeschieden ist.

Hinzu kommt hier, dass dem verhältnismäßig geringfügigen Überschreiten der vom Beklagten angesetzten Angemessenheitsgrenze ein ganz erheblicher Verlust des Wohnwertes auf Seiten des Klägers gegenüberstand. Denn während er davon ausgehen konnte, den anfallenden Differenzbetrag im Falle des Erzielens ggf. auch nicht bedarfsdeckenden Einkommens aus dem Erwerbstätigenfreibetrag begleichen zu können, hätte ein Umzug für ihn erhebliche Nachteile nach sich gezogen. So ist bereits ganz allgemein die Motivation eines Rechtsanwalts, dessen Kanzleiadresse mit der seiner Wohnadresse identisch ist, die Wohnung so lange wie möglich beizubehalten, gut nachvollziehbar. Erst recht aber hat dies dann zu gelten, wenn die innegehabte Wohnung es aufgrund der Anzahl der Räumlichkeiten ermöglicht, Mandanten dort zu empfangen, während dies im Falle eines Umzuges in eine dann wohl nur zu finanzierende, gleichwohl aber nur unwesentlich günstigere Einzimmerwohnung als nahezu ausgeschlossen anzusehen sein dürfte und damit letztlich für Büroräume weitere Kosten anfielen.

Da der Beklagte ein neues Kostensenkungsverfahren nicht durchgeführt hat, hat er gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II Leistungen unter Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.Juli bis zum 31. Dezember 2012 zu erbringen.

Die Kostenentscheidung, die dem Ausgang des Rechtsstreits entspricht, beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Der Senat hat die Revision nach §§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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