Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 3231/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Verzieht ein Hilfeempfänger, der neben der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel SGB XII auch Leistungen für ambulant betreutes Wohnen erhält, in den örtlichen Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers, bleibt der bisherige Sozialhilfeträger dann für die Leistungserbringung weiterhin örtlich zuständig, wenn der Hilfeempfänger Leistungen des ambulant betreuten Wohnens durchgehend weiter oder innerhalb eines Monats erneut erhält.
Der Antragsgegner wird im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 01. Oktober 2014 bis längstens zum 30. September 2015 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einschließlich der Kosten der Unterkunft nach den Bestimmungen des 4. Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - in gesetzlicher Höhe zu erbringen. Der Antragsgegner erstattet der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung zwischen den Beteiligten nicht statt.
Gründe:
I.
Die xxxx geborene Antragstellerin begehrt im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihr vorläufig ab dem 01.10.2014 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des 4. Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Sie bezieht wegen einer psychischen Erkrankung von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg seit dem 01.01.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei der Beigeladenen stand sie bis zum 30.06.2014 im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII; außerdem übernahm die Beigeladene bis zu diesem Zeitpunkt die Kosten für das ambulant betreute Wohnen der Antragstellerin durch die Einrichtung L., K ...
Zum 11.06.2014 verzog die Antragstellerin nach Kündigung ihrer bisherigen Wohnung wegen Eigenbedarfs von K. nach E-L. Leistungen des ambulanten betreuten Wohnens nahm sie durch den bisherigen Leistungserbringer offenbar bis zum 14.07.2014 weiterhin in Anspruch.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin für die Zeit vom 01.07.2014 bis zum 30.09.2014 Grundsicherungsleistungen einschließlich der Kosten der Unterkunft nach dem SGB XII. Zwischen ihm und der Beigeladenen ist die Zuständigkeit für die Leistungserbringung seit dem 01.07.2014 umstritten.
Mit ihrem am 29.09.2014 beim erkennenden Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt die Antragstellerin
die Verpflichtung des Antragsgegners, ihr vorläufig ab dem 01.10.2014 "Leistungen zum Lebensunterhalt" zu erbringen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beigeladene zu verpflichten, der Antragstellerin entsprechende Leistungen ab dem 01.10.2014 zu erbringen.
Er trägt vor, die Antragstellerin sei auch nach ihrem Umzug nach E-L im Rahmen des ambulanten betreuten Wohnens nahtlos noch bis Ende Juli 2014 betreut worden. Damit sei die Beigeladene für die weitere Leistungserbringung örtlich zuständiger Leistungsträger. Soweit die Antragstellerin im Mai 2014 der Beigeladenen gegenüber erklärt habe, keine Hilfe mehr zu benötigen, sei dies rechtsunerheblich, weil die Antragstellerin durchgängig unter rechtlicher Betreuung gestanden habe und die gesetzliche Betreuerin in die Entscheidungsfindung nicht eingeschlossen gewesen sei.
Die durch Beschluss vom 29.09.2014 zum Verfahren Beigeladene ist der Auffassung, der Antragsgegner sei der für die Erbringung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung örtlich zuständige Leistungsträger.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Antragsgegners und der Beigeladenen sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
II.
Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist begründet.
1. Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall von § 86 b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ast vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind gemäß Satz 2 der genannten Bestimmung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86 b Abs. 3 SGG).
Vorliegend kommt, da es ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Zustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Antrags (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86 b, Rd-Nr. 26 ff.), und des Weiteren auf der Begründetheitsebene die - summarische (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86 b, Rd-Nrn. 16 c und 36; Binder in Hk-SGG, 4. Aufl. 2012, § 86 b Rd-Nr. 41) - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruchs, ferner die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123, Rd-Nr. 64, 73 ff. und 80 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 123, Rd-Nr. 23 ff.). Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung), wobei mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) und die Ausgestaltung des Eilverfahrens die diesbezüglichen Anforderungen um so niedriger sind, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG, NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f und NVwZ 2005, 927 ff. sowie SuP 2009, 235). Deshalb ist in den Fällen, in denen es um existenziell bedeutsame Leistungen für den Antragsteller geht, den Gerichten eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich verwehrt; vielmehr müssen die Gerichte unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen. Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. BVerfG, NVwZ 2005, 927, 928; vom 06.02.2007 - 1 BvR 3101/06 - (juris) und BVerfG, SuP 2009, 235 sowie Bay. LSG vom 06.03.2009 - L 17 U 167/08 ER -). Dies gilt indes nicht, wenn die Aufklärung des Sachverhalts an der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers scheitert (vgl. Hess. LSG vom 08.08.2008 - L 7 AS 149/08 b ER -).
Um einen Anordnungsgrund im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der Antragsteller nachvollziehbar darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird.
2. Orientiert an diesen rechtlichen Bestimmungen sind hier die Voraussetzungen für den Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung gegenüber dem Antragsgegner gegeben. Denn die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
a) Materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin sind §§ 41 ff. SGB XII. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten ältere und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung umfassen nach § 42 Satz 1 u.a. die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 sowie Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels.
Dass die Antragstellerin zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis gehört, dem Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des SGB XII zustehen, ist zwischen den Beteiligten unstrittig. Deren Bedürftigkeit ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Antragsgegner entsprechende Leistungen zuletzt für die Zeitspanne vom 01.07.2014 bis zum 30.09.2014 erbracht hat und Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung der Bedarfslage auf Seiten der Antragstellerin oder deren Einkünfte oder Vermögen nicht ersichtlich sind. Streitig ist hier allein die örtliche Zuständigkeit zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen nach dem Umzug der Antragstellerin zum 11.06.2014 von K nach E-L, Landkreis K ...
Vorliegend dürfte für die Erbringung der vorliegend allein im Streit stehenden Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII für die Zeit ab dem 01.10.2014 - entgegen seiner Auffassung - der Antragsgegner der örtlich zuständige Leistungsträger sein. Denn gem. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Örtliche Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII sind die Stadtkreise und die Landkreise (§ 1 Abs. 1 des baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AGSGB XII)). Die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind nach § 2 AGSGB XII auch sachlich zuständig für die in § 8 SGB XII genannten Hilfen, mithin auch für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§ 8 Nr. 2 SGB XII). Dass die aktuelle Wohnortgemeinde der Antragstellerin - hier: E-L - zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners gehört, bestreitet dieser nicht.
Auf die abweichende Zuständigkeitsregelung in § 46 b Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 98 Abs. 5 SGB XII dürfte sich der Antragsgegner vorliegend nicht berufen können. Nach dieser Bestimmung ist für Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, § 98 Abs. 5 entsprechend anzuwenden. Bezogen auf die hier im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab dem 01.10.2014 findet diese Zuständigkeitsregelung jedoch bereits ihrem Wortlaut nach keine Anwendung, weil die Antragstellerin nach Aktenlage seit dem 15.07.2014 keine Leistungen des ambulant betreuten Wohnens mehr erhält. Denn nach der aktenkundigen Telefonnotiz der Beigeladenen hat die Antragstellerin Leistungen des ambulant betreuten Wohnens durch das L., K., nach ihrem Umzug nach E-L lediglich bis zum 14.07.2014 tatsächlich in Anspruch genommen. Am 31.07.2014 ist sie entsprechend der schriftlichen Mitteilung des Heimträgers vom 20.08.2014 gegenüber der Beigeladenen aus dem ambulant betreuten Wohnen ausgetreten.
Ob für die Antragstellerin entsprechend der Auffassung ihrer jetzigen neuen Betreuerin weiterhin Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erforderlich sind, kann die Kammer wegen der Eilbedürftigkeit im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zum Einen nicht abschließend klären. Denn insoweit ist gegebenenfalls weitere medizinische Beweiserhebung durchzuführen, was einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Zum Anderen kommt es hierauf vorliegend auch nicht entscheidungserheblich an, weil die Antragstellerin entsprechend der telefonischen Auskunft ihrer Betreuerin gegenüber der Beigeladenen seit dem 01.08.2014 keine Leistungen des ambulant betreuten Wohnens in Anspruch genommen hat und Grund hierfür - jedenfalls auch - ist, dass sich die Betreuerin noch nicht um einen neuen Leistungserbringer gekümmert hat. Außerdem wollte die Betreuerin zunächst durch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung den Lebensunterhalt der Antragstellerin sicherstellen (vgl. Telefonnotiz vom 30.09.2014).
Nachdem zwischen dem Ende der tatsächlichen Erbringung von Leistungen des ambulant betreuten Wohnens durch die Beigeladene am 14.07.2014 und einer eventuellen Wiederaufnahme dieser Leistungen ab dem 01.10.2014 ein Zeitraum von mehr als einem Monat liegt, dürfte sich der Antragsgegner auch nicht mit Erfolg auf die Vereinbarung der Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg zum Herkunftsprinzip - hier: Nr. 5 der Vereinbarung -, in Kraft getreten am 01.01.2005, berufen können. Vielmehr dürfte durch die Unterbrechung des Leistungsbezugs ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit zur Leistungserbringung von der Beigeladenen auf den Antragsgegner eingetreten sein.
b) Aus dem Vorliegen eines Anordnungsanspruch ergibt sich zugleich auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes.
Aus eben diesen Gründen war dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stattzugeben.
Die Kammer hat die Dauer der vorläufigen Leistungen entsprechend der Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zeitlich begrenzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe:
I.
Die xxxx geborene Antragstellerin begehrt im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners, ihr vorläufig ab dem 01.10.2014 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des 4. Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Sie bezieht wegen einer psychischen Erkrankung von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg seit dem 01.01.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei der Beigeladenen stand sie bis zum 30.06.2014 im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII; außerdem übernahm die Beigeladene bis zu diesem Zeitpunkt die Kosten für das ambulant betreute Wohnen der Antragstellerin durch die Einrichtung L., K ...
Zum 11.06.2014 verzog die Antragstellerin nach Kündigung ihrer bisherigen Wohnung wegen Eigenbedarfs von K. nach E-L. Leistungen des ambulanten betreuten Wohnens nahm sie durch den bisherigen Leistungserbringer offenbar bis zum 14.07.2014 weiterhin in Anspruch.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin für die Zeit vom 01.07.2014 bis zum 30.09.2014 Grundsicherungsleistungen einschließlich der Kosten der Unterkunft nach dem SGB XII. Zwischen ihm und der Beigeladenen ist die Zuständigkeit für die Leistungserbringung seit dem 01.07.2014 umstritten.
Mit ihrem am 29.09.2014 beim erkennenden Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt die Antragstellerin
die Verpflichtung des Antragsgegners, ihr vorläufig ab dem 01.10.2014 "Leistungen zum Lebensunterhalt" zu erbringen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beigeladene zu verpflichten, der Antragstellerin entsprechende Leistungen ab dem 01.10.2014 zu erbringen.
Er trägt vor, die Antragstellerin sei auch nach ihrem Umzug nach E-L im Rahmen des ambulanten betreuten Wohnens nahtlos noch bis Ende Juli 2014 betreut worden. Damit sei die Beigeladene für die weitere Leistungserbringung örtlich zuständiger Leistungsträger. Soweit die Antragstellerin im Mai 2014 der Beigeladenen gegenüber erklärt habe, keine Hilfe mehr zu benötigen, sei dies rechtsunerheblich, weil die Antragstellerin durchgängig unter rechtlicher Betreuung gestanden habe und die gesetzliche Betreuerin in die Entscheidungsfindung nicht eingeschlossen gewesen sei.
Die durch Beschluss vom 29.09.2014 zum Verfahren Beigeladene ist der Auffassung, der Antragsgegner sei der für die Erbringung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung örtlich zuständige Leistungsträger.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Antragsgegners und der Beigeladenen sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
II.
Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist begründet.
1. Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall von § 86 b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ast vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind gemäß Satz 2 der genannten Bestimmung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86 b Abs. 3 SGG).
Vorliegend kommt, da es ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Zustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Antrags (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86 b, Rd-Nr. 26 ff.), und des Weiteren auf der Begründetheitsebene die - summarische (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86 b, Rd-Nrn. 16 c und 36; Binder in Hk-SGG, 4. Aufl. 2012, § 86 b Rd-Nr. 41) - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruchs, ferner die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123, Rd-Nr. 64, 73 ff. und 80 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 123, Rd-Nr. 23 ff.). Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung), wobei mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) und die Ausgestaltung des Eilverfahrens die diesbezüglichen Anforderungen um so niedriger sind, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG, NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f und NVwZ 2005, 927 ff. sowie SuP 2009, 235). Deshalb ist in den Fällen, in denen es um existenziell bedeutsame Leistungen für den Antragsteller geht, den Gerichten eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich verwehrt; vielmehr müssen die Gerichte unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen. Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. BVerfG, NVwZ 2005, 927, 928; vom 06.02.2007 - 1 BvR 3101/06 - (juris) und BVerfG, SuP 2009, 235 sowie Bay. LSG vom 06.03.2009 - L 17 U 167/08 ER -). Dies gilt indes nicht, wenn die Aufklärung des Sachverhalts an der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers scheitert (vgl. Hess. LSG vom 08.08.2008 - L 7 AS 149/08 b ER -).
Um einen Anordnungsgrund im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen, hat der Antragsteller nachvollziehbar darzulegen, welche Nachteile zu erwarten sind, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird.
2. Orientiert an diesen rechtlichen Bestimmungen sind hier die Voraussetzungen für den Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung gegenüber dem Antragsgegner gegeben. Denn die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
a) Materiell-rechtliche Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin sind §§ 41 ff. SGB XII. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten ältere und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung umfassen nach § 42 Satz 1 u.a. die Regelsätze nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 sowie Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels.
Dass die Antragstellerin zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis gehört, dem Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des SGB XII zustehen, ist zwischen den Beteiligten unstrittig. Deren Bedürftigkeit ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Antragsgegner entsprechende Leistungen zuletzt für die Zeitspanne vom 01.07.2014 bis zum 30.09.2014 erbracht hat und Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung der Bedarfslage auf Seiten der Antragstellerin oder deren Einkünfte oder Vermögen nicht ersichtlich sind. Streitig ist hier allein die örtliche Zuständigkeit zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen nach dem Umzug der Antragstellerin zum 11.06.2014 von K nach E-L, Landkreis K ...
Vorliegend dürfte für die Erbringung der vorliegend allein im Streit stehenden Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII für die Zeit ab dem 01.10.2014 - entgegen seiner Auffassung - der Antragsgegner der örtlich zuständige Leistungsträger sein. Denn gem. § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Örtliche Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII sind die Stadtkreise und die Landkreise (§ 1 Abs. 1 des baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AGSGB XII)). Die örtlichen Träger der Sozialhilfe sind nach § 2 AGSGB XII auch sachlich zuständig für die in § 8 SGB XII genannten Hilfen, mithin auch für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§ 8 Nr. 2 SGB XII). Dass die aktuelle Wohnortgemeinde der Antragstellerin - hier: E-L - zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners gehört, bestreitet dieser nicht.
Auf die abweichende Zuständigkeitsregelung in § 46 b Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 98 Abs. 5 SGB XII dürfte sich der Antragsgegner vorliegend nicht berufen können. Nach dieser Bestimmung ist für Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem Sechsten bis Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, § 98 Abs. 5 entsprechend anzuwenden. Bezogen auf die hier im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes streitigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab dem 01.10.2014 findet diese Zuständigkeitsregelung jedoch bereits ihrem Wortlaut nach keine Anwendung, weil die Antragstellerin nach Aktenlage seit dem 15.07.2014 keine Leistungen des ambulant betreuten Wohnens mehr erhält. Denn nach der aktenkundigen Telefonnotiz der Beigeladenen hat die Antragstellerin Leistungen des ambulant betreuten Wohnens durch das L., K., nach ihrem Umzug nach E-L lediglich bis zum 14.07.2014 tatsächlich in Anspruch genommen. Am 31.07.2014 ist sie entsprechend der schriftlichen Mitteilung des Heimträgers vom 20.08.2014 gegenüber der Beigeladenen aus dem ambulant betreuten Wohnen ausgetreten.
Ob für die Antragstellerin entsprechend der Auffassung ihrer jetzigen neuen Betreuerin weiterhin Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erforderlich sind, kann die Kammer wegen der Eilbedürftigkeit im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zum Einen nicht abschließend klären. Denn insoweit ist gegebenenfalls weitere medizinische Beweiserhebung durchzuführen, was einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Zum Anderen kommt es hierauf vorliegend auch nicht entscheidungserheblich an, weil die Antragstellerin entsprechend der telefonischen Auskunft ihrer Betreuerin gegenüber der Beigeladenen seit dem 01.08.2014 keine Leistungen des ambulant betreuten Wohnens in Anspruch genommen hat und Grund hierfür - jedenfalls auch - ist, dass sich die Betreuerin noch nicht um einen neuen Leistungserbringer gekümmert hat. Außerdem wollte die Betreuerin zunächst durch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung den Lebensunterhalt der Antragstellerin sicherstellen (vgl. Telefonnotiz vom 30.09.2014).
Nachdem zwischen dem Ende der tatsächlichen Erbringung von Leistungen des ambulant betreuten Wohnens durch die Beigeladene am 14.07.2014 und einer eventuellen Wiederaufnahme dieser Leistungen ab dem 01.10.2014 ein Zeitraum von mehr als einem Monat liegt, dürfte sich der Antragsgegner auch nicht mit Erfolg auf die Vereinbarung der Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg zum Herkunftsprinzip - hier: Nr. 5 der Vereinbarung -, in Kraft getreten am 01.01.2005, berufen können. Vielmehr dürfte durch die Unterbrechung des Leistungsbezugs ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit zur Leistungserbringung von der Beigeladenen auf den Antragsgegner eingetreten sein.
b) Aus dem Vorliegen eines Anordnungsanspruch ergibt sich zugleich auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes.
Aus eben diesen Gründen war dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stattzugeben.
Die Kammer hat die Dauer der vorläufigen Leistungen entsprechend der Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zeitlich begrenzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
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