L 17 AS 743/14 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 471/14 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 AS 743/14 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es steht mit dem im Eilverfahren zu fordernden Überzeugungsgrad fest, dass neben einem Sanktionsbescheid auch eine Aufhebung einer zuvor wirksam gewordenen Bewilligungsentscheidung erfolgen muss.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 06.10.2014 wird abgeändert.

II. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis 30.11.2014 Leistungen in Höhe von 608,90 EUR monatlich zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

III. Der Antragsgegner hat für beide Instanzen die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers jeweils zu 1/2 zu erstatten.



Gründe:


I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Streitig ist der vollständige Wegfall des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.09.2014 bis 30.11.2014 wegen einer Leistungskürzung.
Der 1962 geborene, alleinstehende Antragsteller (Ast.) bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Zuletzt wurden ihm mit Bescheid vom 24.06.2014 für den Bewilligungszeitraum 01.07.2014 bis 31.12.2014 Leistungen bewilligt, für die Zeit vom 01.07.2014 bis 30.09.2014 in Höhe von 0,00 Euro, danach in Höhe von 648,00 Euro monatlich. Die Festsetzung auf 0,00 Euro beruht auf einem Sanktionsbescheid des Jobcenters vom 11.06.2014. Gegen die Bescheide vom 11.06.2014 und vom 24.06.2014 wurde jeweils Widerspruch eingelegt.
Am 07.04.2014 war mit dem Ast. eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen worden mit dem Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt. Der Ast. verpflichtete sich darin u.a., beginnend mit dem Datum der Unterzeichnung monatlich mindestens zwei Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen und Bewerbungsnachweise jeweils bis zum 4. des Folgemonats - erstmals zum 04.05.2014 - nachzuweisen, z.B. in Form von Kopien der Bewerbungen, Eingangsbestätigungen, Absagen, Auflistung der getätigten Bewerbungen. Bei Arbeitsunfähigkeit ist eine Bescheinigung hierzu vom Arzt umgehend ab dem ersten Tag vorzulegen.
Gegen den Ast. wurden bereits in der Vergangenheit Sanktionen verhängt. Mit Bescheiden vom 15.05.2013 und vom 24.09.2013 wurde das ALG II um 30 bzw. 60 % des maßgebenden Regelbedarfs für jeweils drei Monate abgesenkt. Zuletzt wurde mit Sanktionsbescheid vom 11.06.2014 ein vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes II wegen wiederholter Pflichtverletzung für den Zeitraum 01.07.2014 bis 30.09.2014 festgestellt, da der Ast. der mit Eingliederungsvereinbarung vom 07.04.2014 vereinbarten Maßnahme AViBa beim Träger U. L. ferngeblieben war.
Nachdem der Ast. Keinen Nachweis über Eigenbemühungen für den Zeitraum 05.05.2014 bis 04.06.2014 vorgelegt hatte, stellte der Antragsgegner (Ag.) nach vorheriger schriftlicher Anhörung (Schreiben vom 11.06.2014) mit Bescheid vom 22.08.2014 wegen einer wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGB II (vorangegangene Pflichtverletzung siehe Minderungsbescheid vom 11.06.2014) erneut den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.09.2014 bis 30.11.2014 fest. Zur Begründung führte der Ag. aus, dass der Ast. entgegen der Eingliederungsvereinbarung keine zwei Eigenbemühungen im Zeitraum 05.05.2014 bis 04.06.2014 nachgewiesen habe. Er habe die Eigenbemühungen auch nicht nachgereicht, obgleich in einem persönlichen Gespräch am 18.06.2014 über die Anhörung vom 11.06.2014 gesprochen und vereinbart worden sei, dass der Ast. die Eigenbemühungen innerhalb der Anhörungsfrist bis zum 02.07.2014 nachreichen könne. Der Sanktionsbescheid wie auch die vorherige Anhörung enthielten den Hinweis auf die Möglichkeit ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen.
Gegen den Bescheid vom 22.08.2014 legte der Ast. Widerspruch ein. Er habe keine Eigenbemühungen unternehmen können, da er ab dem 05.05.2014 krankgeschrieben und auch schon vorher arbeitsunfähig krank gewesen sei. Aufgrund seines schlechten Knies sei er durchgehend bis zum 05.09.2014 krankgeschrieben gewesen.
Mit weiterem, ebenfalls mit Widerspruch angefochtenem Bescheid vom 22.09.2014 stellte der Ag. eine Minderung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.12.2014 fest, da der Ast. zu einem Meldetermin am 08.09.2014 nicht erschienen sei. Mit Bescheid vom 30.09.2014 versagte der Ag. die Leistungen ab dem 01.10.2014 ganz, da der Ast. Einladungen zum 05.08.2014, 08.09.2014 und 18.09.2014 nicht nachgekommen sei, so dass Leistungen nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) für die Zukunft versagt werden könnten. Auch dagegen legte der Ast. Widerspruch ein.
Am 28.08.2014 hat der Ast. beim Sozialgericht Würzburg die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt und die Zahlung der Leistungen in ungekürzter Höhe beantragt.
Mit Beschluss vom 06.10.2014 hat das SG den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
Hiergegen hat der Ast. Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben, die nicht weiter begründet wurde.

Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 06.10.2014 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 22.08.2014 anzuordnen und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm Leistungen in ungekürzter Höhe für Unterkunft und Heizung und den Regelbedarf zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 06.10.2014 zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und teilweise begründet. Zwar ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Ast. gegen den Sanktionsbescheid vom 22.08.2014 nicht anzuordnen, doch war der Ag. im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Ast. für den Zeitraum Oktober und November 2014 Leistungen zu gewähren.
Das Begehren des Ast. ist auszulegen (§ 123 SGG). Er will erreichen, dass er für den vom Sanktionsbescheid vom 22.08.2014 erfassten Zeitraum und auch weiterhin (ungekürzte) Leistungen vom Ag. erhält. Dies setzt voraus, dass die gesetzlich vorgesehene Sofortvollziehbarkeit dieses Bescheides beseitigt wird (dazu unter 1) und dass er einen Anspruch auf Gewährung der begehrten Leistungen hat (dazu unter 2).

1.
Wegen des erstgenannten Begehrens ist statthaft ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (der auch eine nachfolgende Klage erfassen würde, vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg vom 17.01.2006, L 29 B 1104/05 AS ER juris Rn 22; LSG Nordrhein-Westfalen vom 17.01.2005, L 2 B 9/03 KR ER) des Ast. gegen die Feststellung von Pflichtverletzungen und der Minderung des "Auszahlungsanspruchs" für den Zeitraum vom 01.09.2014 bis 30.11.2014. Denn der dagegen gerichtete Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung, § 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 39 Nr 1 SGB II. Das Gericht der Hauptsache kann aber gemäß § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
In Anfechtungssachen wie der vorliegenden ist auf der Grundlage dieser Vorschrift eine Abwägung des Interesses des Antragstellers am Nichtvollzug und des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts durchzuführen. Dabei sind wegen der verfassungsrechtlich fundierten Sicherungs- und Rechtsschutzfunktion des Eilverfahrens grundsätzlich die Abwägungselemente des prospektiven Hauptsacheerfolgs und der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen zu beachten. Die Gewichtung der einzelnen Abwägungselemente hängt unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Ausgestaltung des fachgerichtlichen Eilverfahrens vom Rechtsschutzziel ab. Je schwerer die drohende Rechtsverletzung ist, umso höher sind die Anforderungen an die Genauigkeit der Prognose des Hauptsacheerfolgs zu stellen, um auf dieses Abwägungselement eine Ablehnung des Eilantrags zu stützen; gegebenenfalls muss sogar im Eilverfahren bereits eine abschließende Prüfung durchgeführt werden, um den Eilantrag wegen fehlender Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ablehnen zu können.
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben ist vorliegend die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Ast. nicht anzuordnen, weil der Senat zu der vollen Überzeugung gelangt ist, dass der Ast in einer den Bescheid vom 22.08.2014 betreffenden Hauptsache keinen Erfolg haben wird. Es fehlt daher bereits an einem sicherungsfähigen Recht des Ast. (vgl. zum Erfordernis eines sicherungsfähigen Rechts BVerfG vom 29.07.2003, 2 BvR 311/03, juris Rn 14). Die aufschiebende Wirkung ist demnach vorliegend nicht anzuordnen, da der Verwaltungsakt vom 22.08.2014 rechtmäßig ist.
Bei einer Pflichtverletzung nach § 31 SGB II mindert sich das Alg II in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs (§ 31a Abs 1 Satz 1 SGB II). Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung mindert sich das Alg II um 60 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs (§ 31a Abs 1 Satz 2). Voraussetzung für die vom Ag. insofern festgestellte Minderung des Auszahlungsanspruchs ist jeweils eine Pflichtverletzung iSv § 31 SGB II. Die ersten beiden Pflichtverletzungen sind durch die wirksamen Bescheide vom 15.05.2013 und 24.09.2013 festgestellt. Auch die vom Bescheid vom 22.08.2014 angenommene Pflichtverletzung liegt vor.
Nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte u.a. ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, in der EGV oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Voraussetzung ist dabei aber jedenfalls, dass die "festgelegte Pflicht" des Leistungsberechtigten hinreichend bestimmt ist. Dies wiederum ist nur der Fall, wenn die Pflicht dem Leistungsberechtigten nach Maßgabe seines Empfängerhorizontes das ihm abverlangte Verhalten unzweifelhaft erkennbar macht, wobei Unklarheiten zu Lasten des Ag. gehen (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.02.2007 - L 28 B 166/07 AS ER, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.10.2006 - L 1 B 27/06 AS ER; Münder in: LPK-SGB II, 4. Aufl, § 31 Rn 20; Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl, § 31 Rn 13).
Die in der EGV vom 07.04.2014 festgelegten, vom Ast. geforderten Bemühungen genügen diesen Vorgaben, insbesondere ist hinreichend bestimmt, ab wann (Datum der Unterzeichnung: 07.04.2014) und in welcher Form der Ast. seine Eigenbemühungen nachzuweisen hatte. Diese Pflicht hat der Ast. verletzt, da er dem Ag., insofern unstreitig, für den Monat Mai 2014 keine Eigenbemühungen nachgewiesen hat. Der Ast. hat damit keine selbständigen Bemühungen zur Aufnahme von Arbeit unternommen. Entsprechend legte er auch keinerlei Nachweise über Bewerbungen vor. Er holte die Eigenbemühungen auch nicht innerhalb der Anhörungsfrist nach, obgleich dies bei seiner persönlichen Vorsprache am 18.06.2014 so besprochen wurde.
Einen wichtigen Grund für sein Verhalten hat der Ast. weder im Rahmen seiner Anhörung noch im gerichtlichen Verfahren glaubhaft gemacht, wie das SG zu Recht ausgeführt hat.
Soweit der Ast. geltend macht, dass er seinen Bewerbungsbemühungen aus gesundheitlichen Gründen nicht habe nachkommen können, kann sich der Senat hiervon nicht überzeugen. Für den hier maßgeblichen Zeitraum 05.05.2014 bis 04.06.2014 hat der Ast. noch nicht einmal Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt, obgleich gemäß der Eingliederungsvereinbarung bei Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung hierüber umgehend ab dem 1. Tag vorzulegen gewesen wäre. Ausweislich der Behördenakte wurde indes Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 30.04.2014 und ab 20.06.2014 bis 25.07.2014 bestätigt. Es kann daher dahinstehen, ob eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allein überhaupt geeignet gewesen wäre, den Ast. von seiner Verpflichtung zum Nachweis von Eigenbemühungen zu entbinden. Auch ein ansonsten geeigneter Nachweis darüber, dass der Ast. aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, die geforderten zwei Bewerbungsbemühungen pro Monat zu unternehmen und nachzuweisen, ist nicht ersichtlich. Ein solcher ergibt sich weder aus dem ärztlichen Gutachten von Dr. E. vom 17.03.2014 noch aus der Heilmittelverordnung vom 10.07.2014. Zwar hat Dr. E. Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit nach dem erlittenen Schlaganfall festgestellt. Er bejaht jedoch noch ein 3- bis 6-stündiges Leistungsvermögen des Antragstellers für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen. Indem lediglich zwei Bewerbungsbemühungen pro Monat gefordert werden, wird dem eingeschränkten Leistungsvermögen des Ast. Rechnung getragen. Die Heilmittelverordnung belegt einen Zustand nach Schlaganfall und Hemiparese 2001 die eine zentral bedingte Muskelhypotonie und damit die von Dr. E. festgestellten Einschränkungen bedingen. Hieraus lässt sich also keine gesundheitliche Einschränkung ableiten, die das Verhalten des Ast. rechtfertigen könnten.
Eine Erkrankung seines Knies hat der Ast. nicht belegt. Das Gutachten von Dr. E. bestätigt die behaupteten Beschwerden nicht. Vielmehr hat Dr. E. bei seiner Untersuchung im März 2014 festgestellt, dass zwar das rechte Bein leicht muskelgemindert sei, es zeigte sich jedoch keine wesentliche Gangstörung. Allein die Behauptung des Ast. in der Widerspruchsbegründung, er habe ein "schlechtes" Knie und der Knorpel sei komplett abgerieben, reicht zur Glaubhaftmachung eines wichtigen Grundes nicht aus.
Der Ast. hat damit weder nachvollziehbar dargetan noch glaubhaft gemacht, dass er auch unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage war, zumindest von zu Hause aus Bewerbungsbemühungen zu unternehmen. Auch mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen hätte er sich initiativ um Tätigkeiten bewerben können.
Der Sanktionsbescheid vom 22.08.2014 ist nach alledem rechtmäßig, ein im Eilverfahren sicherungsfähiges Recht des Ast. liegt daher nicht vor.

2.
Allerdings hat das SG den Eilantrag des Ast. zu Unrecht für den gesamten Zeitraum abgelehnt, soweit es um vorläufige Leistungen für den Zeitraum vom 01.10. bis 30.11.2014 geht. Neben dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid ist ein Antrag nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG, hier gerichtet auf Gewährung der bereits bewilligten Leistungen, statthaft (sog. Vornahmesache).
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Hinblick auf den zu fordernden Überzeugungsgrad bzw. auf den Beweismaßstab verweist § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG unter anderem auf § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -, wonach Anspruch und Anordnungsgrund glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich zu machen sind. Allerdings gilt auch im sozialgerichtlichen Eilverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG. Aus den genannten Vorschriften ist der Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Beweismaßstab abzuleiten. Aus alledem ergibt sich, dass der Erfolg eines Eilantrags das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes in dem Sinne voraussetzt, dass ein Anordnungsanspruch gegeben ist, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Ast. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, und ein Anordnungsgrund, wenn im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein wesentlicher Nachteil im Sinne einer über Randbereiche hinausgehenden Rechtsverletzung droht (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 3 Auflage 2012 Rn 357 f.; 315 ff., jeweils m.w.N.; zur Glaubhaftmachung als Beweisgrad Rn 346 f.). Überwiegende Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung als Beweismaß und nicht als Verfahren, mit dem ein Beweisgrad herbeigeführt wird; vgl. dazu BSG vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R juris Rn 116; zu den verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten im öffentlich-rechtlichen Eilverfahren Burkholz, Der Untersuchungsgrundsatz im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren - Eine Untersuchung über die Bedeutung des § 920 ZPO im Verwaltungsprozess, 1988, S. 19) bedeutet die gute Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können; dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet (Vgl. BSG vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B juris Rn 5 und Orientierungssatz; vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 juris Rn 116; Keller, aaO, Rn 3 d mwN; zum Zivilrecht BGH vom 11.09.2003, IX ZB 37/03 juris Rn 8; vom 15.06.1994, IV ZB 6/94).
Ein Anordnungsanspruch ist gegeben. Dem Ast. steht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für den Zeitraum vom 01.10.2014 bis 30.11.2014 ein Anspruch auf Leistungen in Höhe von 608,90 EUR monatlich zu, da der Bewilligungsbescheid vom 24.06.2014, der dem Ast. für diesen Zeitraum, nicht aber für den Monat September 2014 Leistungen gewährt, vom Ag. bislang nicht aufgehoben wurde und dieser Bescheid dem Ast. daher auch weiterhin einen Leistungsanspruch einräumt (vgl. zum Erfordernis einer Aufhebung BSG vom 17.12.2009, B 4 AS 30/09 R und vom 15.12.2010, B 14 AS 92/09 R; Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, Rdnr. 7 zu § 31b mwN; fachliche Hinweise der Bundesagentur zu §§ 31, 31a, 31b SGB II, S. 7, www.arbeitsagentur.de, "Veröffentlichungen-Weisungen-Grundsicherung"; abw. LSG Bayern, Urteil vom 30.01.2014, L 7 AS 84/13; vgl dazu auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.02.2014, L 7 AS 1058/13 B). Es steht schon im Hinblick auf die genannte höchstrichterliche Rechtsprechung jedenfalls mit dem im Eilverfahren zu fordernden Überzeugungsgrad fest, dass neben dem Sanktionsbescheid stets auch eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung erfolgen muss. Eventuelle sich wegen der Neufassung des § 31b SGG ergebende Zweifel hieran führen jedenfalls nicht dazu, dass die im Eilverfahren nur zu fordernde überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht vorläge.

Der Bejahung eines Anordnungsanspruchs steht nicht der Bescheid vom 30.09.2014 entgegen, mit dem der Ag. die Leistungen auf der Grundlage des § 66 SGB I ab dem 01.10.2014 ganz versagt hat. Der Ast. hat gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt. Dieser Widerspruch hat - wovon auch der Ag. in seinem Schreiben vom 17.10.2014 ausgeht - gemäß § 86 a Abs. 1 S.1 SGG aufschiebende Wirkung. Die vorläufige Versagung nach § 66 SGB I wird nicht von § 39 SGB II erfasst; insbesondere regelt dessen Nr. 1 nur die Sofortvollziehbarkeit von Aufhebungen von Leistungsbewilligungen.
Der Anordnungsanspruch wird aber durch den im Bescheid vom 22.09.2014 geregelten Betrag gemindert. Der vom Ast. gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch hat gemäß § 39 Nr. 2 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Die Minderung ist daher sofort vollziehbar. In Bezug auf diesen Betrag hat der Ag. die Bewilligung auch aufgehoben (Bescheid vom 22.09.2014); die Aufhebung ist gemäß § 39 Nr. 1 SGB II sofort vollziehbar.
Auch ein Anordnungsgrund ("Eilbedürftigkeit") ist zu bejahen. Ohne vorläufige Übernahme der fraglichen Kosten drohen dem Ast. über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzungen. Auf der anderen Seite sind die Nachteile, die dem Ag. drohen, wenn Eilrechtsschutz gewährt wird und die Hauptsache gegen den Ag. ohne Erfolg bleibt, gegenüber den Folgen für die Ast. bei einer Ablehnung des Eilantrags und späterem Erfolg der Hauptsache gering zu achten. Denn der Ag. kann die vorläufig weitergezahlten Leistungen bei einem Obsiegen in der Hauptsache vom Ast. ganz oder teilweise zurückfordern.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass Sozialleistungen, die der Ast. per gerichtlicher Eilentscheidung zugesprochen erhält, unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen, und dass, sollte sich in einem möglichen Hauptsacheverfahren erweisen, dass die einstweilige Anordnung von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war, der Ast. verpflichtet ist, dem Ag. den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Vollziehung dieser Anordnung entsteht, §§ 86 b Abs, 2 S. 4 SGG, 945 ZPO.

3.
Da das Eilverfahren im Beschwerdeverfahren teilweise erfolgreich war, war der Ag. zur Erstattung eines angemessenen Teils der außergerichtlichen Kosten zu verpflichten, § 193 SGG analog.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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