Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
24
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 24 AS 846/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Berücksichtigung des Durchschnittseinkommens bei der endgültigen Entscheidung
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für die Monate April 2012 und August 2012 sowie die teilweise Aufhebung und Erstattung von Leistungen für den Zeitraum April bis August 2012 in Höhe von insgesamt 552,70 EUR.
Die 1954 geborene Klägerin und der 1952 geborene Kläger sind miteinander verheiratet und beziehen seit dem 01.05.2011 (ergänzend) Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. Im streitgegenständlichen Zeitraum bewohnten die Kläger zusammen eine Wohnung in M. mit einer Wohnfläche von 55 qm, für die sie monatlich 385 EUR aufzuwenden hatten. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Grundmiete von 264 EUR sowie einer Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von insgesamt 121 EUR. Die Warmwassererwärmung erfolgt über die Heizungsanlage.
Die Kläger waren beide nichtselbständig erwerbstätig und erzielten Einkünfte in monatlich wechselnder Höhe, das jeweils im Folgemonat zugeflossen ist.
Die Klägerin erzielte Einkommen wie folgt:
Abrechnungsmonat - Zuflussmonat - Bruttoeinkommen - Nettoeinkommen
03/2012 - 04/2012 - 231 EUR - 231 EUR
04/2012 - 05/2012 - 165 EUR - 165 EUR
05/2012 - 06/2012 - 165 EUR - 165 EUR
06/2012 - 07/2012 - 199,30 EUR - 199,30 EUR
07/2012 - 08/2012 - 192,12 EUR - 192,12 EUR
Gesamt - - 952,42 EUR - 952,42 EUR
Durchschnitt - - 190,48 EUR - 190,48 EUR
Der Kläger erzielte Einkommen wie folgt:
Abrechnungsmonat - Zuflussmonat - Bruttoeinkommen - Nettoeinkommen
03/2012 - 04/2012 - 192,84 EUR - 170,23 EUR
04/2012 - 05/2012 - 214,49 EUR - 189,34 EUR
05/2012 - 06/2012 - 281,21 EUR - 248,21 EUR
06/2012 - 07/2012 - 303,82 EUR - 266,66 EUR
07/2012 - 08/2012 - 207,92 EUR - 183,13 EUR
Gesamt - - 1.200,28 EUR - 1.057,57 EUR
Durchschnitt - - 240,06 EUR - 211,51 EUR
Auf den Fortzahlungsantrag vom 14.02.2012 gewährte der Beklagte mit vorläufigem Bescheid vom 28.02.2012 Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum 01.04.2012 bis 31.08.2012 in Höhe von monatlich 1.013,66 EUR (für beide Kläger jeweils 506,83 EUR). Der Beklagte teilte mit, dass das durchschnittliche Einkommen der letzten fünf Monate berücksichtigt worden sei, da das Einkommen unterschiedlich hoch sei.
Nachdem die Einkommensnachweise für den Bewilligungszeitraum vollständig vorlagen, setzte der Beklagte den Leistungsanspruch mit Änderungsbescheid vom 22.08.2012 endgültig fest und gewährte nunmehr Leistungen in Höhe von monatlich 903,12 EUR (für beide Kläger jeweils 451,56 EUR). Der Beklagte begründete diese Entscheidung damit, dass das monatliche Durchschnittseinkommen höher war, als bei der vorläufigen Entscheidung angenommen. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22.08.2012 hob der Beklagte den Bescheid vom 28.02.2012 teilweise auf und forderte von beiden Klägern Leistungen in Höhe von jeweils 276,35 EUR zurück. Dagegen richteten sich die am 30.08.2012 erhobenen Widersprüche der Kläger. Die Kläger machten geltend, die Einkommensberücksichtigung erfolge nicht nach den gesetzlichen Vorgaben. Der Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2013 als unbegründet zurück. Der Beklagte begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die endgültig zustehenden Leistungen anzurechnen und die zuviel erbrachten Leistungen zu erstatten seien. Bei der Bewilligung der Leistungen habe ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt werden können. Das tatsächliche Durchschnittseinkommen übersteige das vorläufig zugrunde gelegte Durchschnittseinkommen um mehr als 20 EUR und sei daher bei der endgültigen Leistungsbewilligung zugrunde zu legen.
Dagegen richtete sich die am 25.02.2013 vor dem Sozialgericht Halle erhobene Klage. Die Kläger beschränkten den Streitgegenstand hinsichtlich der zu gewährenden höheren Leistungen auf die Monate April und August 2012 und tragen vor, der Beklagte habe bei der endgültigen Leistungsberechnung kein Durchschnittseinkommen zugrunde legen dürfen. Die gesetzliche Regelung diene nur dazu festzustellen, ob die 20-EUR-Grenze über- oder unterschritten werden dürfe. Da die Differenz von vorläufig und endgültig zugrunde gelegtem Durchschnittseinkommen hier größer als 20 EUR sei, müsse das tatsächlich zugeflossene Einkommen berücksichtigt werden. Dadurch reduziere sich auch der Rückforderungsbetrag. Das vom Beklagten herangezogene Prinzip "einmal Durchschnittseinkommen – immer Durchschnittseinkommen" ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Vielmehr sei das Zuflussprinzip zu beachten. Auch bei der endgültigen Festsetzung sei Ermessen hinsichtlich der Heranziehung eines Durchschnittseinkommens auszuüben. Darüber hinaus sei im vorläufigen Bescheid vom 28.02.2012 für die Klägerin kein Einkommen berücksichtigt worden, da sie die Beschäftigung erst später aufgenommen hat. Rechtsgrundlage für eine Änderung könne nur die Regelung in § 48 SGB X sein. Die Prognoseentscheidung für den Ehemann sei für die Zukunft zu treffen. Hier sei lediglich das Einkommen aus der Vergangenheit berücksichtigt worden.
Die Kläger beantragen,
den Änderungsbescheid vom 22.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern höhere Leistungen für den Monat April 2012 in Höhe von 37,44 EUR und für den Monat August 2012 in Höhe von 20,63 EUR zu gewähren und weiterhin den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2013 insoweit abzuändern, als sich der Rückforderungsbetrag entsprechend der zu gewährenden Leistungen reduziert.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, im Fall der Nachreichung von Einkommensnachweisen dürfe nach der Rechtsprechung des LSG (Urteil vom 30.01.2013 – L 5 AS 487/19) bei der endgültigen Festsetzung ein Durchschnittseinkommen berücksichtigt werden. Sofern bei der vorläufigen Entscheidung bereits ein Durchschnittseinkommen berücksichtigt worden sei, verbleibe es auch bei der endgültigen Festsetzung bei einem Durchschnittseinkommen. Die vorläufige Leistungsbewilligung könne hier nicht mehr streitgegenständlich sein, da sie durch die endgültige Festsetzung ersetzt worden sei. Die Rechtsgrundlage könne von §§ 328, 330 SGB III zu § 48 SGB X ausgewechselt werden. Andere Anhaltspunkte für die Prognoseentscheidung als das bekannte Einkommen seien nicht vorhanden.
Das Gericht hat am 02.04.2014 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Monate April und August 2012 sowie die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum 01.04.2012 bis 31.08.2012 in Höhe von insgesamt 552,70 EUR, die durch Bescheide vom 22.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2013 geregelt worden sind.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet und war daher abzuweisen. Die Bescheide vom 22.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2013 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
I. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Monate April und August 2012.
Die Kläger sind leistungsberechtigt nach § 7 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2012 (BGBl. S. 2854). Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze noch nicht erreicht, sind erwerbsfähig, hilfebedürftig und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Leistungen nach dem SGB II setzten sich aus dem Regelbedarf und den Leistungen für Unterkunft und Heizung zusammen.
Der Leistungsanspruch nach dem SGB II errechnet sich aus der Differenz von Bedarf und anzurechnendem Einkommen.
Die Kläger haben einen Regelsatzbedarf in Höhe von jeweils 337 EUR als Partner einer Bedarfsgemeinschaft nach §§ 19, 20 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBl. I S. 859) und der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach dem SGB II vom 20.10.2011 (BGBl. I S. 2093). Die Kläger leben in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II zusammen. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen, angemessenen Aufwendungen erbracht. Die Kläger haben hier tatsächlich eine Miete von 385 EUR zu zahlen. Diese Kosten sind angemessen. Danach haben beide Kläger jeweils einen Bedarf in Höhe von monatlich 529,50 EUR (337 EUR Regelsatz und 192,50 EUR Mietanteil), mithin insgesamt 1.059 EUR.
Einkommen ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 anzurechnen. Das Einkommen ist nach § 11b SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2011 zu bereinigen. Dabei sind Einkünfte von weniger als 400 EUR nur um den Grundfreibetrag von 100 EUR monatlich zu bereinigen, ohne dass es auf gegebenenfalls höhere Absetzbeträge ankommt. Nach § 11b Abs. 3 SGB II ist weiterhin für den Teil des Einkommens, der 100 EUR übersteigt und nicht mehr als 1.000 EUR beträgt, ein Freibetrag von 20% abzusetzen.
Der Beklagte durfte der Leistungsberechnung hier ein Durchschnittseinkommen zugrunde legen. Nach der gesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind laufende Einnahmen im Gegensatz zu einmaligen Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-VO) vom 17.12.2007 (BGBl. I S. 2942) in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung (BGBl I S. 2833) kann als Einkommen ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt werden, wenn bei laufenden Einnahmen zu erwarten ist, dass diese in unterschiedlicher Höhe zufließen. Als monatliches Durchschnittseinkommen ist für jeden Monat der Teil des Einkommens anzunehmen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Soweit über die Gewährung von Leistungen vorläufig entschieden wurde, ist das bei der vorläufigen Entscheidung berücksichtigte monatliche Durchschnittseinkommen bei der abschließenden Entscheidung als Einkommen zugrunde zu legen, wenn das zuvor berücksichtigte Durchschnittseinkommen vom tatsächlichen Durchschnittseinkommen um nicht mehr als 20 EUR abweicht (§ 2 Abs. 3 Satz 3 ALG II-VO).
Danach darf auch bei der abschließenden Festsetzung der Leistungen ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11, LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30.01.2013 – L 5 AS 487/10). Die in der Rechtsprechung geäußerte Rechtsauffassung, dass sich die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 ALG II-VO nur auf vorläufige Regelungen bezieht (vgl. SG Nordhausen, Urteil vom 12.09.2013 – S 22 AS 7699/11) und demnach bei der endgültigen Festsetzung nicht mehr angewendet werden kann, findet nach Auffassung der Kammer keine Stütze im Gesetz. Zwar spricht für diese Auffassung, dass nach § 2 Abs. 3 Satz 1 ALG II-VO das "zu erwartende Einkommen" zu berücksichtigen ist. Wenn die endgültige Festsetzung der Leistungen erfolgen soll, ist das Einkommen nicht mehr zu erwarten, sondern steht fest. Andererseits wäre die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 3 ALG II-VO überflüssig, wenn die endgültige Festsetzung nicht mehr auf der Basis eines Durchschnittseinkommens erfolgen könnte. § 2 Abs. 3 Satz 3 ALG II-VO regelt systematisch einen Ausnahmefall, bei dem es bei der endgültigen Berechnung auf der Grundlage des vorläufig angesetzten Durchschnittseinkommens bleibt. Anhaltspunkte dafür, dass nur in diesem Ausnahmefall das Durchschnittseinkommen und im Regelfall nicht ein Durchschnittseinkommen, sondern das konkret zugeflossene Einkommen anzusetzen wäre, bestehen nicht.
Die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 3 der Verordnung greift hier nicht ein, weil das endgültige Durchschnittseinkommen um mehr als 20 EUR vom vorläufigen Durchschnittseinkommen abweicht und der Beklagte nicht das vorläufig zugrunde gelegte Einkommen auch bei der endgültigen Leistungsberechnung zugrunde gelegt hat. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger steht die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 3 SGB II hier nicht der Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Durchschnittseinkommens entgegen. Diese Regelung ist nur für Fälle anwendbar, in denen der Leistungsberechnung nicht das tatsächliche Durchschnittseinkommen, sondern weiterhin das vorläufig herangezogene Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt wird. Der Leistungsträger muss in den Fällen, in denen das tatsächliche Durchschnittseinkommen um nicht mehr als 20 EUR vom vorläufig zugrunde gelegten Durchschnittseinkommen unterscheidet, keine neue Berechnung vornehmen. Ein weiterer Anwendungsbereich lässt sich der Regelung nach dem Wortlaut nicht entnehmen.
Die Berechnung des Leistungsanspruchs auf der Basis eines Durchschnittseinkommens setzt voraus, dass Ermessen ausgeübt wurde. Der Beklagte hatte zwar im vorläufigen Bescheid vom 28.02.2012 kein Ermessen hinsichtlich der Anrechnung eines Durchschnittseinkommens ausgeübt und als Basis für die Berechnung das bekannte Einkommen herangezogen. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung im vorläufigen Bescheid darf durch das Gericht jedoch nicht mehr überprüft werden. Zum einen ist der Bescheid vom 28.02.2012 über die vorläufige Leistung bestandskräftig geworden. Zum anderen ist die vorläufige Entscheidung durch die endgültige Regelung im Änderungsbescheid vom 22.08.2012 ersetzt worden. Sowohl im Änderungsbescheid vom 22.08.2012 als auch im Widerspruchsbescheid vom 22.01.2013 wurde – wenn auch sehr knapp - Ermessen ausgeübt. Der Beklagte hat jedenfalls erkannt, dass die Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens nicht zwingend ist und hat sein Ermessen ausgeübt.
Danach verfügte die Klägerin über Einkünfte in Höhe von durchschnittlich 190,48 EUR, die um den Grundfreibetrag von 100 EUR und den weiteren Freibetrag von 18,10 EUR (20% von 90,48 EUR) zu bereinigen sind und damit in Höhe von 72,38 EUR zur Verfügung stehen. Der Kläger verfügte über Einkünfte in Höhe von durchschnittlich 211,51 EUR, die um den Grundfreibetrag von 100 EUR und den weiteren Freibetrag von 28,01 EUR (20% von 140,06 EUR) zu bereinigen sind und damit in Höhe von 83,50 EUR zur Verfügung stehen. Mithin verfügen beide Kläger zusammen über anrechenbare Einkünfte in Höhe von 155,88 EUR. Diese Einkünfte sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 verhältnismäßig entsprechend der Bedarfsanteile aufzuteilen. Danach gibt sich ein jeweils einzusetzendes Einkommen in Höhe von 77,94 EUR. Die Differenz von Bedarf (529,50 EUR) und einzusetzendem Einkommen (77,94 EUR) ergibt für jeden der Kläger einen Leistungsanspruch in Höhe von 451,56 EUR, zusammen 903,12 EUR pro Monat. Diese Leistungen gewährte der Beklagte im Änderungsbescheid vom 22.08.2012, so dass kein Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen besteht.
II. Die Entscheidung über die Aufhebung und Erstattung von Leistungen ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage ist die Regelung in § 40 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2011. Danach sind aufgrund einer vorläufigen Regelung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Zwar lässt sich der Aktenlage nicht entnehmen, dass die Kläger vor Erlass des Bescheides nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden sind. Eine Anhörung war jedoch hier nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X entbehrlich, weil eine einkommensabhängige Leistung den geänderten Verhältnissen angepasst worden ist. Im Übrigen ist ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden, in dem die Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.
Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen der ermächtigenden Norm liegen vor. Mit Bescheid vom 28.02.2012 war über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden worden. Mit der endgültigen Festsetzung des Leistungsanspruchs durch Bescheid vom 22.08.2012 wurden Leistungen in geringerer Höhe zuerkannt. Während zuvor jeweils 506,83 EUR zuerkannt worden waren, beträgt der endgültige Leistungsanspruch nur noch jeweils 451,56 EUR monatlich. Daraus ergibt sich eine Überzahlung in Höhe von jeweils 276,35 (506,83 EUR – 451,56 EUR = 55,27 EUR x 5), die zu erstatten ist. Ermessen ist nicht auszuüben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für die Monate April 2012 und August 2012 sowie die teilweise Aufhebung und Erstattung von Leistungen für den Zeitraum April bis August 2012 in Höhe von insgesamt 552,70 EUR.
Die 1954 geborene Klägerin und der 1952 geborene Kläger sind miteinander verheiratet und beziehen seit dem 01.05.2011 (ergänzend) Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. Im streitgegenständlichen Zeitraum bewohnten die Kläger zusammen eine Wohnung in M. mit einer Wohnfläche von 55 qm, für die sie monatlich 385 EUR aufzuwenden hatten. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Grundmiete von 264 EUR sowie einer Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von insgesamt 121 EUR. Die Warmwassererwärmung erfolgt über die Heizungsanlage.
Die Kläger waren beide nichtselbständig erwerbstätig und erzielten Einkünfte in monatlich wechselnder Höhe, das jeweils im Folgemonat zugeflossen ist.
Die Klägerin erzielte Einkommen wie folgt:
Abrechnungsmonat - Zuflussmonat - Bruttoeinkommen - Nettoeinkommen
03/2012 - 04/2012 - 231 EUR - 231 EUR
04/2012 - 05/2012 - 165 EUR - 165 EUR
05/2012 - 06/2012 - 165 EUR - 165 EUR
06/2012 - 07/2012 - 199,30 EUR - 199,30 EUR
07/2012 - 08/2012 - 192,12 EUR - 192,12 EUR
Gesamt - - 952,42 EUR - 952,42 EUR
Durchschnitt - - 190,48 EUR - 190,48 EUR
Der Kläger erzielte Einkommen wie folgt:
Abrechnungsmonat - Zuflussmonat - Bruttoeinkommen - Nettoeinkommen
03/2012 - 04/2012 - 192,84 EUR - 170,23 EUR
04/2012 - 05/2012 - 214,49 EUR - 189,34 EUR
05/2012 - 06/2012 - 281,21 EUR - 248,21 EUR
06/2012 - 07/2012 - 303,82 EUR - 266,66 EUR
07/2012 - 08/2012 - 207,92 EUR - 183,13 EUR
Gesamt - - 1.200,28 EUR - 1.057,57 EUR
Durchschnitt - - 240,06 EUR - 211,51 EUR
Auf den Fortzahlungsantrag vom 14.02.2012 gewährte der Beklagte mit vorläufigem Bescheid vom 28.02.2012 Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum 01.04.2012 bis 31.08.2012 in Höhe von monatlich 1.013,66 EUR (für beide Kläger jeweils 506,83 EUR). Der Beklagte teilte mit, dass das durchschnittliche Einkommen der letzten fünf Monate berücksichtigt worden sei, da das Einkommen unterschiedlich hoch sei.
Nachdem die Einkommensnachweise für den Bewilligungszeitraum vollständig vorlagen, setzte der Beklagte den Leistungsanspruch mit Änderungsbescheid vom 22.08.2012 endgültig fest und gewährte nunmehr Leistungen in Höhe von monatlich 903,12 EUR (für beide Kläger jeweils 451,56 EUR). Der Beklagte begründete diese Entscheidung damit, dass das monatliche Durchschnittseinkommen höher war, als bei der vorläufigen Entscheidung angenommen. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22.08.2012 hob der Beklagte den Bescheid vom 28.02.2012 teilweise auf und forderte von beiden Klägern Leistungen in Höhe von jeweils 276,35 EUR zurück. Dagegen richteten sich die am 30.08.2012 erhobenen Widersprüche der Kläger. Die Kläger machten geltend, die Einkommensberücksichtigung erfolge nicht nach den gesetzlichen Vorgaben. Der Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2013 als unbegründet zurück. Der Beklagte begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die endgültig zustehenden Leistungen anzurechnen und die zuviel erbrachten Leistungen zu erstatten seien. Bei der Bewilligung der Leistungen habe ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt werden können. Das tatsächliche Durchschnittseinkommen übersteige das vorläufig zugrunde gelegte Durchschnittseinkommen um mehr als 20 EUR und sei daher bei der endgültigen Leistungsbewilligung zugrunde zu legen.
Dagegen richtete sich die am 25.02.2013 vor dem Sozialgericht Halle erhobene Klage. Die Kläger beschränkten den Streitgegenstand hinsichtlich der zu gewährenden höheren Leistungen auf die Monate April und August 2012 und tragen vor, der Beklagte habe bei der endgültigen Leistungsberechnung kein Durchschnittseinkommen zugrunde legen dürfen. Die gesetzliche Regelung diene nur dazu festzustellen, ob die 20-EUR-Grenze über- oder unterschritten werden dürfe. Da die Differenz von vorläufig und endgültig zugrunde gelegtem Durchschnittseinkommen hier größer als 20 EUR sei, müsse das tatsächlich zugeflossene Einkommen berücksichtigt werden. Dadurch reduziere sich auch der Rückforderungsbetrag. Das vom Beklagten herangezogene Prinzip "einmal Durchschnittseinkommen – immer Durchschnittseinkommen" ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Vielmehr sei das Zuflussprinzip zu beachten. Auch bei der endgültigen Festsetzung sei Ermessen hinsichtlich der Heranziehung eines Durchschnittseinkommens auszuüben. Darüber hinaus sei im vorläufigen Bescheid vom 28.02.2012 für die Klägerin kein Einkommen berücksichtigt worden, da sie die Beschäftigung erst später aufgenommen hat. Rechtsgrundlage für eine Änderung könne nur die Regelung in § 48 SGB X sein. Die Prognoseentscheidung für den Ehemann sei für die Zukunft zu treffen. Hier sei lediglich das Einkommen aus der Vergangenheit berücksichtigt worden.
Die Kläger beantragen,
den Änderungsbescheid vom 22.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern höhere Leistungen für den Monat April 2012 in Höhe von 37,44 EUR und für den Monat August 2012 in Höhe von 20,63 EUR zu gewähren und weiterhin den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 22.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2013 insoweit abzuändern, als sich der Rückforderungsbetrag entsprechend der zu gewährenden Leistungen reduziert.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, im Fall der Nachreichung von Einkommensnachweisen dürfe nach der Rechtsprechung des LSG (Urteil vom 30.01.2013 – L 5 AS 487/19) bei der endgültigen Festsetzung ein Durchschnittseinkommen berücksichtigt werden. Sofern bei der vorläufigen Entscheidung bereits ein Durchschnittseinkommen berücksichtigt worden sei, verbleibe es auch bei der endgültigen Festsetzung bei einem Durchschnittseinkommen. Die vorläufige Leistungsbewilligung könne hier nicht mehr streitgegenständlich sein, da sie durch die endgültige Festsetzung ersetzt worden sei. Die Rechtsgrundlage könne von §§ 328, 330 SGB III zu § 48 SGB X ausgewechselt werden. Andere Anhaltspunkte für die Prognoseentscheidung als das bekannte Einkommen seien nicht vorhanden.
Das Gericht hat am 02.04.2014 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand ist die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Monate April und August 2012 sowie die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum 01.04.2012 bis 31.08.2012 in Höhe von insgesamt 552,70 EUR, die durch Bescheide vom 22.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2013 geregelt worden sind.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet und war daher abzuweisen. Die Bescheide vom 22.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2013 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
I. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Monate April und August 2012.
Die Kläger sind leistungsberechtigt nach § 7 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2012 (BGBl. S. 2854). Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze noch nicht erreicht, sind erwerbsfähig, hilfebedürftig und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Leistungen nach dem SGB II setzten sich aus dem Regelbedarf und den Leistungen für Unterkunft und Heizung zusammen.
Der Leistungsanspruch nach dem SGB II errechnet sich aus der Differenz von Bedarf und anzurechnendem Einkommen.
Die Kläger haben einen Regelsatzbedarf in Höhe von jeweils 337 EUR als Partner einer Bedarfsgemeinschaft nach §§ 19, 20 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBl. I S. 859) und der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach dem SGB II vom 20.10.2011 (BGBl. I S. 2093). Die Kläger leben in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II zusammen. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen, angemessenen Aufwendungen erbracht. Die Kläger haben hier tatsächlich eine Miete von 385 EUR zu zahlen. Diese Kosten sind angemessen. Danach haben beide Kläger jeweils einen Bedarf in Höhe von monatlich 529,50 EUR (337 EUR Regelsatz und 192,50 EUR Mietanteil), mithin insgesamt 1.059 EUR.
Einkommen ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 anzurechnen. Das Einkommen ist nach § 11b SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2011 zu bereinigen. Dabei sind Einkünfte von weniger als 400 EUR nur um den Grundfreibetrag von 100 EUR monatlich zu bereinigen, ohne dass es auf gegebenenfalls höhere Absetzbeträge ankommt. Nach § 11b Abs. 3 SGB II ist weiterhin für den Teil des Einkommens, der 100 EUR übersteigt und nicht mehr als 1.000 EUR beträgt, ein Freibetrag von 20% abzusetzen.
Der Beklagte durfte der Leistungsberechnung hier ein Durchschnittseinkommen zugrunde legen. Nach der gesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind laufende Einnahmen im Gegensatz zu einmaligen Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-VO) vom 17.12.2007 (BGBl. I S. 2942) in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung (BGBl I S. 2833) kann als Einkommen ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt werden, wenn bei laufenden Einnahmen zu erwarten ist, dass diese in unterschiedlicher Höhe zufließen. Als monatliches Durchschnittseinkommen ist für jeden Monat der Teil des Einkommens anzunehmen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Soweit über die Gewährung von Leistungen vorläufig entschieden wurde, ist das bei der vorläufigen Entscheidung berücksichtigte monatliche Durchschnittseinkommen bei der abschließenden Entscheidung als Einkommen zugrunde zu legen, wenn das zuvor berücksichtigte Durchschnittseinkommen vom tatsächlichen Durchschnittseinkommen um nicht mehr als 20 EUR abweicht (§ 2 Abs. 3 Satz 3 ALG II-VO).
Danach darf auch bei der abschließenden Festsetzung der Leistungen ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.10.2012 – L 12 AS 691/11, LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30.01.2013 – L 5 AS 487/10). Die in der Rechtsprechung geäußerte Rechtsauffassung, dass sich die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 1 ALG II-VO nur auf vorläufige Regelungen bezieht (vgl. SG Nordhausen, Urteil vom 12.09.2013 – S 22 AS 7699/11) und demnach bei der endgültigen Festsetzung nicht mehr angewendet werden kann, findet nach Auffassung der Kammer keine Stütze im Gesetz. Zwar spricht für diese Auffassung, dass nach § 2 Abs. 3 Satz 1 ALG II-VO das "zu erwartende Einkommen" zu berücksichtigen ist. Wenn die endgültige Festsetzung der Leistungen erfolgen soll, ist das Einkommen nicht mehr zu erwarten, sondern steht fest. Andererseits wäre die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 3 ALG II-VO überflüssig, wenn die endgültige Festsetzung nicht mehr auf der Basis eines Durchschnittseinkommens erfolgen könnte. § 2 Abs. 3 Satz 3 ALG II-VO regelt systematisch einen Ausnahmefall, bei dem es bei der endgültigen Berechnung auf der Grundlage des vorläufig angesetzten Durchschnittseinkommens bleibt. Anhaltspunkte dafür, dass nur in diesem Ausnahmefall das Durchschnittseinkommen und im Regelfall nicht ein Durchschnittseinkommen, sondern das konkret zugeflossene Einkommen anzusetzen wäre, bestehen nicht.
Die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 3 der Verordnung greift hier nicht ein, weil das endgültige Durchschnittseinkommen um mehr als 20 EUR vom vorläufigen Durchschnittseinkommen abweicht und der Beklagte nicht das vorläufig zugrunde gelegte Einkommen auch bei der endgültigen Leistungsberechnung zugrunde gelegt hat. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger steht die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 3 SGB II hier nicht der Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Durchschnittseinkommens entgegen. Diese Regelung ist nur für Fälle anwendbar, in denen der Leistungsberechnung nicht das tatsächliche Durchschnittseinkommen, sondern weiterhin das vorläufig herangezogene Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt wird. Der Leistungsträger muss in den Fällen, in denen das tatsächliche Durchschnittseinkommen um nicht mehr als 20 EUR vom vorläufig zugrunde gelegten Durchschnittseinkommen unterscheidet, keine neue Berechnung vornehmen. Ein weiterer Anwendungsbereich lässt sich der Regelung nach dem Wortlaut nicht entnehmen.
Die Berechnung des Leistungsanspruchs auf der Basis eines Durchschnittseinkommens setzt voraus, dass Ermessen ausgeübt wurde. Der Beklagte hatte zwar im vorläufigen Bescheid vom 28.02.2012 kein Ermessen hinsichtlich der Anrechnung eines Durchschnittseinkommens ausgeübt und als Basis für die Berechnung das bekannte Einkommen herangezogen. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung im vorläufigen Bescheid darf durch das Gericht jedoch nicht mehr überprüft werden. Zum einen ist der Bescheid vom 28.02.2012 über die vorläufige Leistung bestandskräftig geworden. Zum anderen ist die vorläufige Entscheidung durch die endgültige Regelung im Änderungsbescheid vom 22.08.2012 ersetzt worden. Sowohl im Änderungsbescheid vom 22.08.2012 als auch im Widerspruchsbescheid vom 22.01.2013 wurde – wenn auch sehr knapp - Ermessen ausgeübt. Der Beklagte hat jedenfalls erkannt, dass die Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens nicht zwingend ist und hat sein Ermessen ausgeübt.
Danach verfügte die Klägerin über Einkünfte in Höhe von durchschnittlich 190,48 EUR, die um den Grundfreibetrag von 100 EUR und den weiteren Freibetrag von 18,10 EUR (20% von 90,48 EUR) zu bereinigen sind und damit in Höhe von 72,38 EUR zur Verfügung stehen. Der Kläger verfügte über Einkünfte in Höhe von durchschnittlich 211,51 EUR, die um den Grundfreibetrag von 100 EUR und den weiteren Freibetrag von 28,01 EUR (20% von 140,06 EUR) zu bereinigen sind und damit in Höhe von 83,50 EUR zur Verfügung stehen. Mithin verfügen beide Kläger zusammen über anrechenbare Einkünfte in Höhe von 155,88 EUR. Diese Einkünfte sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 verhältnismäßig entsprechend der Bedarfsanteile aufzuteilen. Danach gibt sich ein jeweils einzusetzendes Einkommen in Höhe von 77,94 EUR. Die Differenz von Bedarf (529,50 EUR) und einzusetzendem Einkommen (77,94 EUR) ergibt für jeden der Kläger einen Leistungsanspruch in Höhe von 451,56 EUR, zusammen 903,12 EUR pro Monat. Diese Leistungen gewährte der Beklagte im Änderungsbescheid vom 22.08.2012, so dass kein Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen besteht.
II. Die Entscheidung über die Aufhebung und Erstattung von Leistungen ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage ist die Regelung in § 40 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2011. Danach sind aufgrund einer vorläufigen Regelung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Zwar lässt sich der Aktenlage nicht entnehmen, dass die Kläger vor Erlass des Bescheides nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden sind. Eine Anhörung war jedoch hier nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X entbehrlich, weil eine einkommensabhängige Leistung den geänderten Verhältnissen angepasst worden ist. Im Übrigen ist ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden, in dem die Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.
Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen der ermächtigenden Norm liegen vor. Mit Bescheid vom 28.02.2012 war über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden worden. Mit der endgültigen Festsetzung des Leistungsanspruchs durch Bescheid vom 22.08.2012 wurden Leistungen in geringerer Höhe zuerkannt. Während zuvor jeweils 506,83 EUR zuerkannt worden waren, beträgt der endgültige Leistungsanspruch nur noch jeweils 451,56 EUR monatlich. Daraus ergibt sich eine Überzahlung in Höhe von jeweils 276,35 (506,83 EUR – 451,56 EUR = 55,27 EUR x 5), die zu erstatten ist. Ermessen ist nicht auszuüben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
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