Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 26 SO 387/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 31/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Leistungen für die sog. gastweise Unterbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Der am xxxxx 1975 geborene Kläger ist mehrfach körperlich behindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Für ihn sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Nachteilsausgleiche G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) und H (Hilflosigkeit) festgestellt. Er erhält Leistungen der Pflegekasse. Pflegeperson ist bis heute im Wesentlichen seine Mutter. Bis Ende des Jahres 2004 wohnte der Kläger bei seinen Eltern, er zog dann in eine eigene, etwa 4,5 km entfernt gelegene Wohnung. Der Kläger steht in einem Beschäftigungsverhältnis.
In den Jahren 2003 und 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur sogenannten gastweisen Unterbringung bei Ferienreisen (gemäß Dienstanweisung zu § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX, Kurzfristige vollstationäre Betreuung "Gastweise Unterbringung" (GU), Az. 147.00-58-1, Stand Dezember 2005). Ein im Jahre 2005 gestellter Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 11. April 2005 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger nicht mehr im Haushalt der Eltern lebe. Das Ziel der beantragten Leistung sei es, Personen zu unterstützen und zu entlasten, die einen behinderten Angehörigen in ihrem Haushalt betreuten und versorgten. Diese Voraussetzung liege bei dem Kläger jedoch nicht mehr vor. Ein weiterer Antrag des Klägers vom 10. Juli 2008 auf Übernahme von Kosten für eine Ferienreise wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 22. Juli 2008 abgelehnt; der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgenommen, nachdem die Beklagte in einem weiteren Schreiben vom 9. Oktober 2008 mitgeteilt hatte, dass eine Kostenübernahme schon wegen der verspäteten Antragstellung nicht erfolgen werde.
Am 23. Januar 2009 beantragte der Kläger erneut die Bewilligung einer Pauschale für die gastweise Unterbringung, was die Beklagte am 26. Januar 2009 mit der Begründung ablehnte, dass der Kläger nicht in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werde. Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 12. Februar 2009, eingegangen bei der Beklagten am 13. Februar 2009, begründete der Kläger damit, dass er seine Mutter zeitlich begrenzt von der Pflegetätigkeit entlasten wolle. Das gelte unabhängig von der Frage, ob die Pflege in der familiären Häuslichkeit stattfinde. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es wiederum, dass Voraussetzung dieser Leistung sei, dass der Kläger in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werde. Die Inanspruchnahme sei dann "rund um die Uhr" gegeben, davon solle entlastet werden. Mit einer Verhinderungspflege sei die gastweise Unterbringung nicht vergleichbar, da erstere der Aufrechterhaltung kontinuierlicher Pflege diene, wenn die Pflegeperson verhindert sei.
Der Kläger hat am 1. Oktober 2009 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Er hat geltend gemacht, dass ihm die für eine gastweise Unterbringung vorgesehene Pauschale zustehe, denn es sei kein sachlicher Grund erkennbar, diese Leistungen auf behinderte Menschen zu beschränken, die im elterlichen Haushalt gepflegt und betreut würden. Die Belastung der Pflegepersonen – hier vor allem der Mutter des Klägers – sei praktisch in jeder Hinsicht mit der Belastung vergleichbar, die mit der Pflege des Klägers im elterlichen Haushalt verbunden gewesen sei. Teilweise sei der Aufwand nach dem Auszug des Klägers sogar noch höher gewesen. Hinzu komme, dass die Wohnung der Eltern baulich nicht für den Aufenthalt und die Pflege des Klägers geeignet sei.
Die Beklagte hat sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide berufen und ergänzend vorgetragen, dass es sich bei der beantragten Leistung nicht um eine Pflichtleistung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) handele, sondern um eine freiwillige Leistung des Trägers der Sozialhilfe. Der Kreis der Leistungsberechtigten sei durch die entsprechende Dienstanweisung auf Personen begrenzt, die zum Kreis der Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe zählten und die regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt würden. Mit der Leistung solle die Familie eine temporäre Entlastung erfahren und die Bereitschaft zur Pflege in der Häuslichkeit der eigenen Familie erhalten und stabilisiert werden. Es sei auch gerechtfertigt, zwischen der Pflege im Haushalt der Pflegeperson und der Pflege im Haushalt des behinderten Menschen zu differenzieren, da sich aus dem Zusammenleben in einem Haushalt zusätzliche Belastungen ergeben würden.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach § 54 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX würden für behinderte Personen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichten oder sicherten oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machten. Hierzu gehörten nach § 55 Abs. 2 SGB IX unter anderem Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX). Diese Hilfen umfassten auch Hilfen zur Förderung der Bewegung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen und Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen (vgl. § 58 SGB IX). Die Beklagte habe im Rahmen dieser Vorgaben durch ihre Dienstanweisung über die Leistungen der gastweisen Unterbringung die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe konkretisiert. Diese Dienstanweisung sei keine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch, aufgrund der Verwaltungspraxis der Beklagten bei der Umsetzung der Dienstanweisung in der Vergangenheit hätte der Kläger jedoch einen Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), falls die Voraussetzungen der in der Dienstanweisung genannten Leistungsbewilligung erfüllt wären. Dies sei jedoch nicht der Fall. Denn nach Nr. 2.1. der Dienstanweisung werde die gastweise Unterbringung behinderten Personen gewährt, die die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 SGB XII erfüllten und die regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt würden. Nach Nr. 2.3.1. werde die Leistung zur gastweisen Unterbringung als Pauschale gewährt, wenn die Zielsetzung, die Betreuungsperson(en) in der eigenen Familie vorübergehend zu entlasten, um die weitere Betreuung in der Familie und damit die gesellschaftliche Teilhabe zu sichern, verfolgt werde. Der Kläger gehöre auf Grund seiner körperlichen Einschränkungen zu den Leistungsberechtigten des § 53 Abs. 1 SGB XII. Er werde jedoch nicht regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt, denn er sei Ende 2004 in eine eigene Wohnung gezogen. Die in der Dienstanweisung vorgenommene Differenzierung nach der häuslichen Situation des Leistungsberechtigten sei nicht zu beanstanden. Zwar könne die Belastung auch für Pflegepersonen, die Angehörige außerhalb ihres Haushalts pflegten, erheblich sein. Aus dem Zusammenleben des behinderten Menschen mit den Pflegepersonen – regelmäßig die Eltern oder die Kinder des zu Pflegenden – ergäben sich aber – etwa durch die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten – oft zusätzliche Belastungen und Konflikte, so dass hier die Schaffung von Freizeitmöglichkeiten besonders wichtig erscheine. Im Rahmen der Eingliederungshilfe sei es der Beklagten nicht verwehrt, eine Förderung auf Sachverhalte zu begrenzen, in denen eine Belastungssituation in der Regel höher sei. Eine individuelle Prüfung, ob die Belastungen bei Pflegepersonen, die ihre Angehörigen in deren Haushalt pflegten, ähnlich hoch seien, sei dabei aus Gleichbehandlungsgrundsätzen nicht geboten, zumal die konkrete Ermittlung dieser Belastung außerordentlich schwierig erscheine. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus den sonstigen Vorschriften der Eingliederungshilfe außerhalb der gastweisen Unterbringung. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, Freizeitaktivitäten behinderter Menschen in jedem Einzelfall zu unterstützen.
Gegen das am 26. April 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Mai 2012 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und macht zudem geltend, dass die Dienstanweisung der Beklagten offenbar nur zwischen der Häuslichkeit in der eigenen Familie und der Pflegefamilie unterscheide und damit den Fall der eigenen Häuslichkeit gar nicht geregelt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2011 sowie den Bescheid vom 26. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Kosten der gastweisen Unterbringung für die Sommerreise 2009 des ASBH zu bewilligen, hilfsweise, den entsprechenden Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und bei der Beratung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf die pauschale Leistung der sog. gastweisen Unterbringung für das Jahr 2009 und die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Bescheide vom 26. Januar und 2. September 2009.
II. Die Berufungen ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistung der Pauschale für die gastweise Unterbringung im Jahr 2009.
1. Als gesetzliche Anspruchsgrundlage kommen allein die §§ 53 Abs. 1, 3 und 4, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, 58 Nr. 1 SGB IX in Betracht. Deren Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen, eingeschränkt sind, wenn Aussicht besteht, dass hierdurch die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Eine solche, nach § 1 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung wesentliche Behinderung liegt hier wegen der Querschnittslähmung des Klägers vor, da seine Bewegungsfähigkeit durch Beeinträchtigung des Stütz- und Bewegungssystems in erheblichem Umfang eingeschränkt ist.
Ein Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme scheitert aber daran, dass die Teilnahme an der Ferienreise, um deren Kosten es geht, im Hinblick auf den Kläger nicht zur Erfüllung der besonderen Aufgaben der Eingliederungshilfe dient. Die besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53 Abs. 3 SGB XII, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört es, ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Nach §§ 53 Abs. 4, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX werden Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft als Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern. Dazu gehören nach § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die nach § 58 Nr. 1 SGB IX die Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nicht behinderten Menschen umfassen.
Das kann grundsätzlich auch Urlaubsreisen und Ferienlager einschließen (LSG NW, Urt. v. 17.6.2010 – L 9 SO 163/10; Joussen, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl. 2014, § 55 Rn. 18). So hat etwa das Verwaltungsgericht Potsdam (Urt. v. 28.3.2008 – 11 K 2698/04) die Teilnahme an einer Gruppenreise schon deswegen als förderlich für die Aufgaben der Eingliederungshilfe angesehen, weil sie Abwechslungen und Anregungen biete, die die Erfahrung ermöglichten, sich besser in der Welt der nicht behinderten Menschen zu bewegen. Das ermögliche die Überwindung der "engen Welt der Häuslichkeit" (a.a.O., Rn. 16 bei juris, unter Bezugnahme auf die gleichlautende Formulierung bei VG Hamburg, Urt. v. 24.9.2004 – 13 K 1721/03). Scheider (in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 54 Rn. 65) zieht Leistungen der Eingliederungshilfe für Ferienlager dann in Betracht, wenn sie die spezielle Zielsetzung verfolgten, zur psychischen und physischen Rehabilitation beizutragen und zu lernen, in der Gemeinschaft mit Mitmenschen als gleichberechtigter Partner zu leben. Zur Wahrung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist nach Auffassung des Senats allerdings zu fordern, dass durch die Ferienfreizeit die Folgen der Behinderung mindestens gemildert werden und die Freizeit dazu beiträgt, den Anspruchsteller in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere die Begegnung mit nicht behinderten Menschen zu fördern, wobei zu berücksichtigen ist, ob der Kläger nicht schon auf andere Weise in die Gesellschaft eingegliedert ist (so auch LSG NW, a.a.O.; SG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2010 – S 17 SO 109/09; Wahrendorf, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl. 2012, § 54 Rn. 32, unter Hinweis auf LSG NW, a.a.O., und LSG Thüringen, Beschl. v. 22.12.2008 – L 1 SO 619/08; ähnlich Joussen, a.a.O., § 58 Rn. 5).
An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch. Es ist zunächst festzustellen, dass der Kläger aufgrund seiner Wohnsituation und seines Beschäftigungsverhältnisses bereits an dem Leben in der Gesellschaft teilhat, vor allem aber, dass zunächst ohne Bezugnahme auf eine bestimmte Reise lediglich die Pauschale beantragt worden war und – nach Konkretisierung der Reisepläne im Widerspruch – auch die Sommerreise des ASBH keine speziellen Inhalte zur Begegnung mit nicht behinderten Menschen aufweist. Insoweit fehlt es an jeglichem Bezug zu einer Teilhabe an der Gemeinschaft mit nicht behinderten Menschen.
2. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Praxis der Beklagten, nach ihrer entsprechenden Dienstanweisung Leistungen der gastweisen Unterbringung zu erbringen. Da – wie oben unter 1. dargelegt – kein Anspruch auf Eingliederungshilfe bestand, war hier Ermessen eröffnet, das die Beklagte mit ihrer Dienstanweisung insoweit ausgeübt hat, als Leistungen der gastweisen Unterbringung behinderten Personen gewährt werden, welche die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 SGB XII erfüllen und die regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werden (Nr. 2.1. der Dienstanweisung). Zielsetzung ist dabei, über die vorübergehende Entlastung der Betreuungsperson(en) die Lebenssituation der behinderten Menschen in der Familie und damit die gesellschaftliche Teilhabe zu stabilisieren (Nr. 2.3.1.).
Die Voraussetzungen der Dienstanweisung sind nicht erfüllt, weil der Kläger in der eigenen Häuslichkeit, also einer eigenen Wohnung lebt. Er kann auch keine Gleichbehandlung mit den von der Dienstanweisung begünstigten Fällen fordern wegen der mindestens ebenso erheblichen Inanspruchnahme seiner Mutter als Betreuungsperson. Dabei kann dahinstehen, ob das überhaupt einen Leistungsanspruch begründen könnte oder der Beklagten nicht vielmehr auch die Möglichkeit der Einstellung aller Hilfen der gastweisen Unterbringung eröffnen müsste. Der Senat kann nämlich keine willkürliche oder unverhältnismäßige Ungleichbehandlung erkennen. Insoweit kann den Überlegungen des Sozialgerichts gefolgt und darauf verwiesen werden, dass das Fehlen eines Rückzugsraumes für die Betreuungsperson bei der Pflege in der familiären Häuslichkeit die Unterscheidung rechtfertigt. Eine vollständige Vergleichbarkeit der Betreuungs- und Pflegesituation – wie der Kläger behauptet – ist daher nicht gegeben. Selbst falls der Betreuungs- und Pflegeaufwand im Einzelfall höher sein mag, wenn dazu die Häuslichkeit des behinderten Menschen aufgesucht werden muss, bleibt es doch dabei, dass eine Rückzugsmöglichkeit der Betreuungsperson gegeben ist, die in der familiären Häuslichkeit nicht besteht. Die Leistung dient der zeitweisen Aufbrechung dieser engen Verklammerung von gemeinsamem Wohnen und Betreuen; sie darf daher auf das Kriterium gemeinsamen Wohnens abstellen. Mit dieser Zielsetzung unterscheidet sich die Leistung auch deutlich von der Verhinderungspflege nach § 39 SGB IX: Nur Letztere bezweckt die Entlastung der Betreuungs- und Pflegeperson von den Strapazen der Betreuung und Pflege.
Es ist auch nicht zutreffend, dass die Dienstanweisung den Fall des selbständigen Wohnens des Betreuten nicht in den Blick genommen und geregelt hat. Das lässt sich nicht daraus ableiten, dass sie neben der familiären Häuslichkeit lediglich auf das Leben in einer Pflege- oder Betreuungsfamilie abstellt. Diese Fälle sind nur deshalb angesprochen, weil insoweit – anders als bei eigener Wohnung des behinderten Menschen – dieselbe Situation des gemeinsamen Wohnens und Betreuens vorliegt, so dass an sich eine Gleichbehandlung naheliegen würde. Um das zu vermeiden, musste die Dienstanweisung gesonderte Bestimmungen aufnehmen. In der aktuellen Fassung der Dienstanweisung ist das übrigens aufgegeben; auch Pflege- und Betreuungsfamilien kommen in den Genuss der Leistungen gastweiser Unterbringung. Die Situation der Aufgehobenheit des behinderten Menschen in seiner eigenen Wohnung berührt von vornherein nicht diese Zielsetzung der Leistung und musste daher konsequenter Weise nicht weiter abgegrenzt werden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Leistungen für die sog. gastweise Unterbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Der am xxxxx 1975 geborene Kläger ist mehrfach körperlich behindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. Für ihn sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Nachteilsausgleiche G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), RF (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) und H (Hilflosigkeit) festgestellt. Er erhält Leistungen der Pflegekasse. Pflegeperson ist bis heute im Wesentlichen seine Mutter. Bis Ende des Jahres 2004 wohnte der Kläger bei seinen Eltern, er zog dann in eine eigene, etwa 4,5 km entfernt gelegene Wohnung. Der Kläger steht in einem Beschäftigungsverhältnis.
In den Jahren 2003 und 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur sogenannten gastweisen Unterbringung bei Ferienreisen (gemäß Dienstanweisung zu § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX, Kurzfristige vollstationäre Betreuung "Gastweise Unterbringung" (GU), Az. 147.00-58-1, Stand Dezember 2005). Ein im Jahre 2005 gestellter Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 11. April 2005 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger nicht mehr im Haushalt der Eltern lebe. Das Ziel der beantragten Leistung sei es, Personen zu unterstützen und zu entlasten, die einen behinderten Angehörigen in ihrem Haushalt betreuten und versorgten. Diese Voraussetzung liege bei dem Kläger jedoch nicht mehr vor. Ein weiterer Antrag des Klägers vom 10. Juli 2008 auf Übernahme von Kosten für eine Ferienreise wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 22. Juli 2008 abgelehnt; der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgenommen, nachdem die Beklagte in einem weiteren Schreiben vom 9. Oktober 2008 mitgeteilt hatte, dass eine Kostenübernahme schon wegen der verspäteten Antragstellung nicht erfolgen werde.
Am 23. Januar 2009 beantragte der Kläger erneut die Bewilligung einer Pauschale für die gastweise Unterbringung, was die Beklagte am 26. Januar 2009 mit der Begründung ablehnte, dass der Kläger nicht in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werde. Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 12. Februar 2009, eingegangen bei der Beklagten am 13. Februar 2009, begründete der Kläger damit, dass er seine Mutter zeitlich begrenzt von der Pflegetätigkeit entlasten wolle. Das gelte unabhängig von der Frage, ob die Pflege in der familiären Häuslichkeit stattfinde. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es wiederum, dass Voraussetzung dieser Leistung sei, dass der Kläger in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werde. Die Inanspruchnahme sei dann "rund um die Uhr" gegeben, davon solle entlastet werden. Mit einer Verhinderungspflege sei die gastweise Unterbringung nicht vergleichbar, da erstere der Aufrechterhaltung kontinuierlicher Pflege diene, wenn die Pflegeperson verhindert sei.
Der Kläger hat am 1. Oktober 2009 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Er hat geltend gemacht, dass ihm die für eine gastweise Unterbringung vorgesehene Pauschale zustehe, denn es sei kein sachlicher Grund erkennbar, diese Leistungen auf behinderte Menschen zu beschränken, die im elterlichen Haushalt gepflegt und betreut würden. Die Belastung der Pflegepersonen – hier vor allem der Mutter des Klägers – sei praktisch in jeder Hinsicht mit der Belastung vergleichbar, die mit der Pflege des Klägers im elterlichen Haushalt verbunden gewesen sei. Teilweise sei der Aufwand nach dem Auszug des Klägers sogar noch höher gewesen. Hinzu komme, dass die Wohnung der Eltern baulich nicht für den Aufenthalt und die Pflege des Klägers geeignet sei.
Die Beklagte hat sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide berufen und ergänzend vorgetragen, dass es sich bei der beantragten Leistung nicht um eine Pflichtleistung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) handele, sondern um eine freiwillige Leistung des Trägers der Sozialhilfe. Der Kreis der Leistungsberechtigten sei durch die entsprechende Dienstanweisung auf Personen begrenzt, die zum Kreis der Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe zählten und die regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt würden. Mit der Leistung solle die Familie eine temporäre Entlastung erfahren und die Bereitschaft zur Pflege in der Häuslichkeit der eigenen Familie erhalten und stabilisiert werden. Es sei auch gerechtfertigt, zwischen der Pflege im Haushalt der Pflegeperson und der Pflege im Haushalt des behinderten Menschen zu differenzieren, da sich aus dem Zusammenleben in einem Haushalt zusätzliche Belastungen ergeben würden.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach § 54 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX würden für behinderte Personen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichten oder sicherten oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machten. Hierzu gehörten nach § 55 Abs. 2 SGB IX unter anderem Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX). Diese Hilfen umfassten auch Hilfen zur Förderung der Bewegung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen und Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen (vgl. § 58 SGB IX). Die Beklagte habe im Rahmen dieser Vorgaben durch ihre Dienstanweisung über die Leistungen der gastweisen Unterbringung die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe konkretisiert. Diese Dienstanweisung sei keine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch, aufgrund der Verwaltungspraxis der Beklagten bei der Umsetzung der Dienstanweisung in der Vergangenheit hätte der Kläger jedoch einen Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), falls die Voraussetzungen der in der Dienstanweisung genannten Leistungsbewilligung erfüllt wären. Dies sei jedoch nicht der Fall. Denn nach Nr. 2.1. der Dienstanweisung werde die gastweise Unterbringung behinderten Personen gewährt, die die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 SGB XII erfüllten und die regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt würden. Nach Nr. 2.3.1. werde die Leistung zur gastweisen Unterbringung als Pauschale gewährt, wenn die Zielsetzung, die Betreuungsperson(en) in der eigenen Familie vorübergehend zu entlasten, um die weitere Betreuung in der Familie und damit die gesellschaftliche Teilhabe zu sichern, verfolgt werde. Der Kläger gehöre auf Grund seiner körperlichen Einschränkungen zu den Leistungsberechtigten des § 53 Abs. 1 SGB XII. Er werde jedoch nicht regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt, denn er sei Ende 2004 in eine eigene Wohnung gezogen. Die in der Dienstanweisung vorgenommene Differenzierung nach der häuslichen Situation des Leistungsberechtigten sei nicht zu beanstanden. Zwar könne die Belastung auch für Pflegepersonen, die Angehörige außerhalb ihres Haushalts pflegten, erheblich sein. Aus dem Zusammenleben des behinderten Menschen mit den Pflegepersonen – regelmäßig die Eltern oder die Kinder des zu Pflegenden – ergäben sich aber – etwa durch die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten – oft zusätzliche Belastungen und Konflikte, so dass hier die Schaffung von Freizeitmöglichkeiten besonders wichtig erscheine. Im Rahmen der Eingliederungshilfe sei es der Beklagten nicht verwehrt, eine Förderung auf Sachverhalte zu begrenzen, in denen eine Belastungssituation in der Regel höher sei. Eine individuelle Prüfung, ob die Belastungen bei Pflegepersonen, die ihre Angehörigen in deren Haushalt pflegten, ähnlich hoch seien, sei dabei aus Gleichbehandlungsgrundsätzen nicht geboten, zumal die konkrete Ermittlung dieser Belastung außerordentlich schwierig erscheine. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus den sonstigen Vorschriften der Eingliederungshilfe außerhalb der gastweisen Unterbringung. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, Freizeitaktivitäten behinderter Menschen in jedem Einzelfall zu unterstützen.
Gegen das am 26. April 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Mai 2012 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und macht zudem geltend, dass die Dienstanweisung der Beklagten offenbar nur zwischen der Häuslichkeit in der eigenen Familie und der Pflegefamilie unterscheide und damit den Fall der eigenen Häuslichkeit gar nicht geregelt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2011 sowie den Bescheid vom 26. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Kosten der gastweisen Unterbringung für die Sommerreise 2009 des ASBH zu bewilligen, hilfsweise, den entsprechenden Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und bei der Beratung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf die pauschale Leistung der sog. gastweisen Unterbringung für das Jahr 2009 und die Rechtmäßigkeit der ablehnenden Bescheide vom 26. Januar und 2. September 2009.
II. Die Berufungen ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistung der Pauschale für die gastweise Unterbringung im Jahr 2009.
1. Als gesetzliche Anspruchsgrundlage kommen allein die §§ 53 Abs. 1, 3 und 4, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, 58 Nr. 1 SGB IX in Betracht. Deren Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen, eingeschränkt sind, wenn Aussicht besteht, dass hierdurch die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Eine solche, nach § 1 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung wesentliche Behinderung liegt hier wegen der Querschnittslähmung des Klägers vor, da seine Bewegungsfähigkeit durch Beeinträchtigung des Stütz- und Bewegungssystems in erheblichem Umfang eingeschränkt ist.
Ein Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme scheitert aber daran, dass die Teilnahme an der Ferienreise, um deren Kosten es geht, im Hinblick auf den Kläger nicht zur Erfüllung der besonderen Aufgaben der Eingliederungshilfe dient. Die besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53 Abs. 3 SGB XII, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört es, ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Nach §§ 53 Abs. 4, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX werden Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft als Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern. Dazu gehören nach § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die nach § 58 Nr. 1 SGB IX die Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nicht behinderten Menschen umfassen.
Das kann grundsätzlich auch Urlaubsreisen und Ferienlager einschließen (LSG NW, Urt. v. 17.6.2010 – L 9 SO 163/10; Joussen, in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl. 2014, § 55 Rn. 18). So hat etwa das Verwaltungsgericht Potsdam (Urt. v. 28.3.2008 – 11 K 2698/04) die Teilnahme an einer Gruppenreise schon deswegen als förderlich für die Aufgaben der Eingliederungshilfe angesehen, weil sie Abwechslungen und Anregungen biete, die die Erfahrung ermöglichten, sich besser in der Welt der nicht behinderten Menschen zu bewegen. Das ermögliche die Überwindung der "engen Welt der Häuslichkeit" (a.a.O., Rn. 16 bei juris, unter Bezugnahme auf die gleichlautende Formulierung bei VG Hamburg, Urt. v. 24.9.2004 – 13 K 1721/03). Scheider (in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 54 Rn. 65) zieht Leistungen der Eingliederungshilfe für Ferienlager dann in Betracht, wenn sie die spezielle Zielsetzung verfolgten, zur psychischen und physischen Rehabilitation beizutragen und zu lernen, in der Gemeinschaft mit Mitmenschen als gleichberechtigter Partner zu leben. Zur Wahrung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist nach Auffassung des Senats allerdings zu fordern, dass durch die Ferienfreizeit die Folgen der Behinderung mindestens gemildert werden und die Freizeit dazu beiträgt, den Anspruchsteller in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere die Begegnung mit nicht behinderten Menschen zu fördern, wobei zu berücksichtigen ist, ob der Kläger nicht schon auf andere Weise in die Gesellschaft eingegliedert ist (so auch LSG NW, a.a.O.; SG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2010 – S 17 SO 109/09; Wahrendorf, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl. 2012, § 54 Rn. 32, unter Hinweis auf LSG NW, a.a.O., und LSG Thüringen, Beschl. v. 22.12.2008 – L 1 SO 619/08; ähnlich Joussen, a.a.O., § 58 Rn. 5).
An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch. Es ist zunächst festzustellen, dass der Kläger aufgrund seiner Wohnsituation und seines Beschäftigungsverhältnisses bereits an dem Leben in der Gesellschaft teilhat, vor allem aber, dass zunächst ohne Bezugnahme auf eine bestimmte Reise lediglich die Pauschale beantragt worden war und – nach Konkretisierung der Reisepläne im Widerspruch – auch die Sommerreise des ASBH keine speziellen Inhalte zur Begegnung mit nicht behinderten Menschen aufweist. Insoweit fehlt es an jeglichem Bezug zu einer Teilhabe an der Gemeinschaft mit nicht behinderten Menschen.
2. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Praxis der Beklagten, nach ihrer entsprechenden Dienstanweisung Leistungen der gastweisen Unterbringung zu erbringen. Da – wie oben unter 1. dargelegt – kein Anspruch auf Eingliederungshilfe bestand, war hier Ermessen eröffnet, das die Beklagte mit ihrer Dienstanweisung insoweit ausgeübt hat, als Leistungen der gastweisen Unterbringung behinderten Personen gewährt werden, welche die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 SGB XII erfüllen und die regelmäßig in der Häuslichkeit der eigenen Familie betreut und versorgt werden (Nr. 2.1. der Dienstanweisung). Zielsetzung ist dabei, über die vorübergehende Entlastung der Betreuungsperson(en) die Lebenssituation der behinderten Menschen in der Familie und damit die gesellschaftliche Teilhabe zu stabilisieren (Nr. 2.3.1.).
Die Voraussetzungen der Dienstanweisung sind nicht erfüllt, weil der Kläger in der eigenen Häuslichkeit, also einer eigenen Wohnung lebt. Er kann auch keine Gleichbehandlung mit den von der Dienstanweisung begünstigten Fällen fordern wegen der mindestens ebenso erheblichen Inanspruchnahme seiner Mutter als Betreuungsperson. Dabei kann dahinstehen, ob das überhaupt einen Leistungsanspruch begründen könnte oder der Beklagten nicht vielmehr auch die Möglichkeit der Einstellung aller Hilfen der gastweisen Unterbringung eröffnen müsste. Der Senat kann nämlich keine willkürliche oder unverhältnismäßige Ungleichbehandlung erkennen. Insoweit kann den Überlegungen des Sozialgerichts gefolgt und darauf verwiesen werden, dass das Fehlen eines Rückzugsraumes für die Betreuungsperson bei der Pflege in der familiären Häuslichkeit die Unterscheidung rechtfertigt. Eine vollständige Vergleichbarkeit der Betreuungs- und Pflegesituation – wie der Kläger behauptet – ist daher nicht gegeben. Selbst falls der Betreuungs- und Pflegeaufwand im Einzelfall höher sein mag, wenn dazu die Häuslichkeit des behinderten Menschen aufgesucht werden muss, bleibt es doch dabei, dass eine Rückzugsmöglichkeit der Betreuungsperson gegeben ist, die in der familiären Häuslichkeit nicht besteht. Die Leistung dient der zeitweisen Aufbrechung dieser engen Verklammerung von gemeinsamem Wohnen und Betreuen; sie darf daher auf das Kriterium gemeinsamen Wohnens abstellen. Mit dieser Zielsetzung unterscheidet sich die Leistung auch deutlich von der Verhinderungspflege nach § 39 SGB IX: Nur Letztere bezweckt die Entlastung der Betreuungs- und Pflegeperson von den Strapazen der Betreuung und Pflege.
Es ist auch nicht zutreffend, dass die Dienstanweisung den Fall des selbständigen Wohnens des Betreuten nicht in den Blick genommen und geregelt hat. Das lässt sich nicht daraus ableiten, dass sie neben der familiären Häuslichkeit lediglich auf das Leben in einer Pflege- oder Betreuungsfamilie abstellt. Diese Fälle sind nur deshalb angesprochen, weil insoweit – anders als bei eigener Wohnung des behinderten Menschen – dieselbe Situation des gemeinsamen Wohnens und Betreuens vorliegt, so dass an sich eine Gleichbehandlung naheliegen würde. Um das zu vermeiden, musste die Dienstanweisung gesonderte Bestimmungen aufnehmen. In der aktuellen Fassung der Dienstanweisung ist das übrigens aufgegeben; auch Pflege- und Betreuungsfamilien kommen in den Genuss der Leistungen gastweiser Unterbringung. Die Situation der Aufgehobenheit des behinderten Menschen in seiner eigenen Wohnung berührt von vornherein nicht diese Zielsetzung der Leistung und musste daher konsequenter Weise nicht weiter abgegrenzt werden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
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