L 4 AS 222/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 34 AS 1895/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 222/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. März 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 endgültig zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die 1971 geborene Klägerin ist selbständig als Rechtsanwältin tätig. Seit Januar 2007 bezieht sie laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 26. Mai 2008 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Weiterbewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 1. Juni 2008. Die Klägerin teilte mit, dass sie von ihren Eltern monatlich 150,- Euro Unterhalt bekomme. Mit dem Antrag reichte sie die Anlage EKS (Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft im Bewilligungszeitraum) ein, in der sie angab, sie erwarte für den Zeitraum von Mai bis November 2008 aus ihrer selbständigen Tätigkeiten Einnahmen und Ausgaben in Höhe von jeweils 3.500,- Euro.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 27. Mai 2008 für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Für den Monat Juni 2008 wurden 586,49 Euro (197,- Euro Regelbedarf und 389,49 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung) bewilligt, für die Monate Juli bis November 2008 jeweils 590,49 Euro (201,- Euro Regelbedarf und 389,49 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung). Ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens wurde dabei ein Einkommen aus Unterhalt in Höhe von 150,- Euro monatlich berücksichtigt; Einkommen aus Erwerbstätigkeit wurde nicht berücksichtigt. In dem Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass über den Anspruch auf Leistungen derzeit noch nicht abschließend entschieden werden könne.

Im Dezember 2008 reichte die Klägerin beim Beklagten diverse Unterlagen zu den Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin im Zeitraum von Juni bis November 2008 ein. Darunter war eine Einnahmen-/Überschussrechnung, aus der sich für den genannten Zeitraum ein Überschuss von 1.022,37 Euro ergab. Dem lagen folgende Einnahmen und Ausgaben zugrunde:

Einnahmen: 6.160,09 Euro Umsatzerlöse 1.119,22 Euro vereinnahmte Umsatzsteuer 7.279,31 Euro Gesamteinnahmen

Ausgaben: 2.306,34 Euro Raumaufwand 220,64 Euro Aufwendungen für Telefon und Porto 684,33 Euro Reise- und Bewirtungskosten 1.075,95 Euro Aufwendungen für Versicherungen sowie Beiträge 1.600,02 Euro sonstige betriebliche Aufwendungen 369,66 Euro verauslagte Vorsteuern 6.256,94 Euro Gesamtausgaben

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2008 teilte der Beklagte der Klägerin mit, nach seinen Erkenntnissen habe sie für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 337,92 Euro zu Unrecht bezogen. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei sie nicht in bisher festgestellter und bewilligter Höhe hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II, ihr Leistungsanspruch bestehe daher nur noch in geringerer Höhe. Sie erhalte unter Fristsetzung bis zum 15. Januar 2009 Gelegenheit, vor einer abschließenden Entscheidung Stellung zu nehmen.

Die Klägerin überwies am 13. Januar 2009 einen Betrag von 795,42 Euro an die Steuerkasse Hamburg mit dem Verwendungszweck "Umsatzsteuervoranmeldung 2008".

Nachdem die Klägerin auf das Schreiben vom 29. Dezember 2008 nicht geantwortet hatte, erließ der Beklagte am 12. Februar 2009 einen mit "Änderung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)" überschriebenen Bescheid, mit dem der Klägerin für den Monat Juni 2008 Leistungen in Höhe von 530,17 Euro (140,68 Euro Regelbedarf und 389,49 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung) und für die Monate Juli bis November 2008 in Höhe von jeweils 534,17 Euro (144,68 Euro Regelbedarf und 389,49 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung) bewilligt wurden. Ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens wurde dabei ein Einkommen aus Unterhalt in Höhe von 150,- Euro monatlich sowie ein Einkommen aus Selbständigkeit in Höhe von monatlich 56,32 Euro (170,40 Euro abzüglich 114,08 Euro Freibetrag) berücksichtigt. In dem Bescheid heißt es weiter: "Folgende Änderungen sind eingetreten: Anrechnung des tatsächlichen Einkommens". Außerdem wurde die Klägerin in dem Bescheid aufgefordert, die Differenz zur vorläufigen Bewilligung entsprechend dem nochmals beigefügten Bescheid vom 27. Mai 2008 auf das Konto des Beklagten einzuzahlen.

Die Klägerin legte am 26. Februar 2009 Widerspruch ein und begründete diesen wie folgt: Den Gewinnen aus dem Zeitraum von Juni bis Dezember 2008 stünden Verluste aus dem Bewilligungszeitraum von Dezember 2007 bis Mai 2008 in Höhe von 1.116,38 Euro gegenüber. Diese Verluste seien seinerzeit durch Inanspruchnahme eines Dispositionskredits auf ihrem Privatkonto finanziert worden und seien mit den Gewinnen aus dem Zeitraum Juni bis Dezember 2008 auszugleichen. Ferner seien die Gewinne im Zeitraum von Juni bis Dezember 2008 unter anderem dadurch zustande gekommen, dass sie im gesamten Kalenderjahr 2008 keine Umsatzsteuer an das Finanzamt habe abführen müssen. Die Umsatzsteuerschuld für das Jahr 2008 in Höhe von 795,65 Euro habe sie im Januar 2009 beglichen; um diesen Betrag mindere sich der Gewinn für das Jahr 2008, sodass keine Überzahlung bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 3 Abs. 2 der Arbeitslosengeld II – Verordnung (Alg II-V) seien bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit allein die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben zu berücksichtigen. Auf steuerrechtliche Vorschriften komme es dabei nicht an. Vorliegend seien daher nur die im Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 erzielten Einnahmen und getätigten Ausgaben maßgeblich. Ein Ausgleich der Gewinne aus diesem Zeitraum mit den Verlusten aus dem Zeitraum von Dezember 2007 bis Mai 2008 erfolge daher nicht. Dass die Klägerin am 12. Januar 2009 ihre Umsatzsteuerschuld für 2008 in Höhe von 795,65 Euro beglichen habe, könne ebenfalls nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden. Diese Zahlung sei außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums erfolgt, sie könne daher auch erst im Januar 2009 als Betriebsausgabe berücksichtigt werden.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2009 forderte die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, die Klägerin zur Zahlung von 337,92 Euro auf. Als Grundlage der Forderung wurde der Bescheid vom 12. Februar 2009 genannt.

Am 6. Juli 2009 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben: Zu Unrecht habe der Beklagte bei der Anspruchsberechnung die von ihr im Bewilligungszeitraum eingenommene Umsatzsteuer als Einnahme berücksichtigt. Die eingenommene Umsatzsteuer sei von ihr wieder an das Finanzamt abzuführen. Sie habe ihr nicht uneingeschränkt zur Verfügung gestanden, da sie Rücklagen habe bilden müssen, um die Steuerschuld bei Fälligkeit zahlen zu können. Auf den Zeitpunkt der Fälligkeit außerhalb des Bewilligungszeitraums komme es daher nicht an. Die Umsatzsteuer diene auch nicht der Finanzierung des Lebensunterhalts desjenigen, der sie in Rechnung stellt; sie stelle anders als das Honorar auch keine Gegenleistung für die Erwerbstätigkeit dar. Die Umsatzsteuer sei zwar steuerrechtlich als Betriebseinnahme bzw. bei Zahlung an das Finanzamt als Betriebsausgabe zu werten, für die Bestimmung des Einkommens im Sinne des SGB II komme es aber gerade nicht auf die steuerrechtliche Betrachtung an.

Mit Urteil vom 22. März 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bei dem Bescheid vom 12. Februar 2009 handele es sich um eine endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II (in der ab 1.8.2006 geltenden Fassung vom 20.7.2006) i.V.m. § 328 Abs. 2 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III). Die Höhe der mit Bescheid vom 12. Februar 2009 gewährten Leistungen begegne keinen Bedenken. Zu Recht habe der Beklagte die von der Klägerin im Bewilligungszeitraum vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge als Einnahmen berücksichtigt. Die Umsatzsteuer sei insbesondere keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II (in der ab 1.1.2007 geltenden Fassung vom 5.12.2006), da sie weder mit einer privaten noch mit einer öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung versehen sei. Ebenfalls zu Recht habe der Beklagte es abgelehnt, die von der Klägerin im Januar 2009 an das Finanzamt gezahlte Umsatzsteuer für das Jahr 2008 als Betriebsausgabe im hier streitigen Bewilligungszeitraum von Juni bis November 2008 zu berücksichtigen. Denn es seien nur die Ausgaben abzugsfähig, die im Bewilligungszeitraum selbst getätigt werden. Zu Recht mache der Beklagte auch eine Erstattungsforderung in Höhe von 337,92 Euro geltend. Diese Summe ergebe sich aus der Differenz zwischen den mit Bescheid vom 27. Mai 2008 vorläufig gewährten und den mit Bescheid vom 12. Februar 2009 endgültig bewilligten Leistungen.

Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen. Das Urteil ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 4. April 2013 zugestellt worden. Am 24. April hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde erhoben: Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, die Frage der Bewertung der Umsatzsteuer nach dem SGB II sei nicht geklärt. Mit Beschluss vom 5. Juli 2013 hat der Senat die Nichtzulassung der Berufung durch Sozialgericht aufgehoben und die Berufung zugelassen.

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, bei der eingenommen Umsatzsteuer handle es sich um einen durchlaufenden Posten. Sie führe nicht zu einem wertmäßigen Zuwachs des Vermögens zur endgültigen Verwendung und könne daher nicht als Einkommen qualifiziert werden. Ferner sei die Umsatzsteuer eine zweckbestimmte Leistung, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften einem ausdrücklich genannten anderen Zweck diene als die Leistungen nach dem SGB II. Aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften sei es der Klägerin nicht möglich gewesen, die Umsatzsteuer im Bewilligungsabschnitt des Zuflusses an das Finanzamt abzuführen. Wenn sie darauf verwiesen werde, die eingenommene Umsatzsteuer für ihren Lebensunterhalt einzusetzen, so könne sie nicht sicherstellen, dass zum Fälligkeitszeitpunkt der Zahlung an das Finanzamt hierfür bereite Mittel zur Verfügung stehen.

Nachdem der Senat den Beklagten darauf hingewiesen hatte, dass die Unterkunftskosten infolge einer fehlerhaften Berechnung des Warmwasserabzugs zu niedrig berücksichtigt worden waren, hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 18. September 2014 ein Teilanerkenntnis abgegeben und der Klägerin weitere Leistungen für die Kosten von Unterkunft und Heizung in Höhe 0,39 Euro für den Monat Juni 2008 und in Höhe von 0,32 Euro monatlich für die Monate August 2008 bis November 2008 gewährt sowie die Erstattungsforderung um 1,99 Euro auf 335,93 Euro reduziert. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. März 2013 sowie den Erstattungsbescheid vom 12. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2009 und des Teilanerkenntnisses vom 18. September 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des endgültigen Festsetzungsbescheids vom 12. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2009 und des Teilanerkenntnisses vom 18. September 2014 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 56,32 Euro zu gewähren.

Der Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. August 2013 (Az.: B 14 AS 1/13 R). Das Bundessozialgericht habe darin festgestellt, dass die vereinnahmte Umsatzsteuer als Einnahme zu berücksichtigen sei.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist jedoch – nach Abgabe des Teilanerkenntnisses durch den Beklagten – unbegründet.

Die Klage ist zulässig. Sie war zunächst als reine Anfechtungsklage erhoben und auch als solche vom Sozialgericht entschieden worden. Es kann dahin gestellt bleiben, ob es einer reinen Anfechtungsklage gegen einen endgültigen Bescheid nach § 328 SGB III am Rechtsschutzbedürfnis fehlt (so das SG Berlin in einem Urteil vom 21.08.2013, Az.: S 205 AS 15021/11 unter Berufung auf die herrschende Meinung in der Literatur). Denn die Klägerin hat ihren Klagantrag in der Berufungsinstanz in eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtet auf die endgültige Bewilligung von höheren Leistungen, umgestellt. Diese Umstellung ist keine Klagänderung, sondern eine Erweiterung des Klagantrags im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG (so auch Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 99 Rn. 4 für den Übergang von einer Anfechtungs- zur Verpflichtungsklage; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.11.2011, Az.: L 9 KR 563/07 für den Übergang von Feststellungs- zu Leistungsklage). Sachverhalt und geltend gemachte Anspruchsgrundlage haben sich nicht geändert, der Klagegrund ist damit der gleiche geblieben.

Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2009 und des Teilanerkenntnisses vom 18. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der angefochtene Bescheid enthält einerseits eine endgültige Entscheidung über den Leistungsanspruch für den Zeitraum Juni 2008 bis November 2008 (dazu 1.), andererseits eine Erstattungsforderung (dazu 2.).

1. Der Beklagte konnte über den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II im streitigen Zeitraum ohne Bindung an vorangegangene Bescheide entscheiden. Die Bewilligung mit Bescheid vom 27. Mai 2008 erfolgte ausdrücklich als vorläufige Entscheidung (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II in der bis 31.3.2011 geltenden Fassung i.V.m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Diese vorläufige Entscheidung konnte durch die endgültige Entscheidung ersetzt werden; eine Aufhebung der vorläufigen Entscheidung war nicht erforderlich.

Die Klägerin hatte für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. November 2008 keinen Anspruch auf höhere Leistungen als mit dem Bescheid vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2009 und des Teilanerkenntnisses vom 18. September 2014 bewilligt. Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Unstreitig erfüllte die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II; streitig ist allein die Frage ihrer Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, u.a. nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält.

a. Der Bedarf der Klägerin setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf für Alleinstehende, der im Jahr 2008 für den Monat Juni 347,- Euro und für die Monate Juli bis November 351,- Euro betrug, sowie den Kosten für Unterkunft und Heizung. Ausweislich der von der Klägerin beim Beklagten eingereichten Mietbescheinigung vom 10. Dezember 2007 hatte die Klägerin folgende Unterkunftskosten: 280,10 Euro Grundmiete 76,15 Euro Betriebskostenvorauszahlung 39,89 Euro Heizkostenvorauszahlung 396,14 Euro

Der Beklagte hat von der Heizkostenvorauszahlung zunächst 1/6 als Warmwasser-Anteil abgezogen, d.h. 6,65 Euro, und Heizkosten nur in Höhe von 33,24 Euro anerkannt. Er kam somit auf Unterkunftskosten von insgesamt 389,49 Euro. Der Abzug eines Warmwasser-Anteils ist grundsätzlich rechtmäßig, da zum damaligen Zeitpunkt die Kosten für die Erzeugung von Warmwasser (anders als seit dem 1.1.2011, vgl. § 20 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 24.3.2011) noch nicht den Unterkunftskosten, sondern der Regelleistung zugeordnet war. Die Höhe des Abzugs – 1/6 der Heizkosten – war jedoch rechtswidrig. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 (Az.: B 14/11b AS 15/07 R) befunden, dass lediglich der im Regelsatz für die Warmwasserzubereitung enthaltene Anteil abgezogen werden darf. Dieser beträgt für eine Regelleistung von 347,- Euro 6,26 Euro (BSG; Urteil vom 27.2.2008, Az.: B 14/11b AS 15/07 R). Hochgerechnet auf die Regelleistung von 351,- Euro ab Juli 2008 beträgt der Warmwasseranteil 6,33 Euro (vgl. zur Fortschreibung des Betrags ausführlich Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331 ff.). Dementsprechend sind als Unterkunftskosten für Juni 2008 anzuerkennen 389,88 Euro und für die Zeit ab Juli 2008 monatlich 389,81 Euro. Der Gesamtbedarf der Klägerin beträgt daher 736,88 Euro für den Monat Juni 2008 und 740,81 Euro für die Monate Juli bis November 2008.

b. Auf den Bedarf ist das Einkommen der Klägerin nach Maßgabe des § 11 SGB II (in der Fassung, die die Norm mit dem Gesetz zur Einführung des Elterngelds vom 5.12.2006, BGBl I 2748, erhalten hat, im Folgenden: a.F.) anzurechnen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. sind als Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen mit Ausnahme bestimmter, dort ausdrücklich genannter Leistungen, die hier erkennbar nicht einschlägig sind.

aa. Als Einkommen ist zum einen der monatliche Unterhalt in Höhe von 150,- Euro zu berücksichtigen, den die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum von ihren Eltern erhielt.

bb. Zum anderen ist das Einkommen der Klägerin aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin zu berücksichtigen. Die Berechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit ist in § 3 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung vom 17.12.2007, im Folgenden: Alg II-V a.F.) geregelt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Alg II-V a.F. ist bei der Einkommensberechnung von den Betriebseinnahmen auszugehen, d.h. von den Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen.

Betriebseinnahmen sind zunächst die von der Klägerin im Bewilligungszeitraum erzielten Umsatzerlöse in Höhe von 6.160,09 Euro. Daneben ist – wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat – auch die im Bewilligungszeitraum vereinnahmte Umsatzsteuer in Höhe von 1.119,22 Euro eine Betriebseinnahme im Sinne des § 3 Abs. 1 Alg II-V a.F. Der erkennende Senat schließt sich diesbezüglich dem Bundessozialgericht an, das in seinem Urteil vom 22. August 2013 (Az.: B 14 AS 1/13 R) vereinnahmte Umsatzsteuer als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II a.F. i.V.m. § 3 Abs. 1 Alg II-V a.F. angesehen hat.

(1) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Umsatzsteuer – ähnlich einem Darlehen – nicht als Einnahme anzusehen ist, weil sie ihr nicht uneingeschränkt bzw. nicht dauerhaft zur Verfügung stand.

Geldwerte Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich Einkommen; auch für die Bestimmung der Betriebseinnahmen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 Alg II-V a.F. sind grundsätzlich alle aus der selbständigen Tätigkeit erzielten Einnahmen zu berücksichtigen. Der Hilfebedürftige ist gehalten, alle finanziellen Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, für seinen Lebensunterhalt einzusetzen. Dass er infolgedessen unter Umständen finanzielle Verbindlichkeiten nicht erfüllen bzw. Schulden nicht tilgen kann, nimmt das SGB II grundsätzlich in Kauf. Ausnahmen davon sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur unter engen Voraussetzungen zu machen, die hier nicht vorliegen: In seinem Urteil vom 17. Juni 2010 (Az.: B 14 AS 46/09 R) hat das Bundessozialgericht befunden, dass Einnahmen, die als Darlehen mit einer zivilrechtlich wirksam vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung belastet sind, im Rahmen des SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Es hat ausgeführt, nur der "wertmäßige Zuwachs" stelle Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II dar; als Einkommen seien nur solche Einnahmen anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der die Einkünfte hat. Der Zuwachs müsse dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lasse er seine Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen. In späteren Entscheidungen hat das Bundessozialgericht allerdings klargestellt, dass Zuflüsse nur dann nicht als Einkommen gelten, wenn sie bereits in dem Zeitpunkt, in dem sie als Einkommen berücksichtigt werden sollen, mit einer wirksamen Rückzahlungsverpflichtung belastet sind. Jedenfalls wenn eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Einnahme erst nach dem Zeitraum eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll, bestehe die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereites Mittel" zu verbrauchen (Urteil vom 23.08.2011, Az.: B 14 AS 165/10 R für den Fall zu Unrecht erhaltenen sog. Arbeitslosengeldes I, dessen Bewilligung später – nach Ablauf des Bewilligungszeitraums der Leistungen nach dem SGB II – aufgehoben wurde). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Dementsprechend kommt es für die Bewertung, ob Beträge, die vom Unternehmer als Umsatzsteuer ausgewiesen und vereinnahmt worden sind, als Einkommen zu berücksichtigen sind, entscheidend darauf an, wann die Steuer (d.h. der Steueranspruch der Finanzverwaltung) tatsächlich entsteht.

Nach diesen Maßstäben ist die von der Klägerin vereinnahmte Umsatzsteuer nicht von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen, denn der Steueranspruch des Finanzamts ist erst nach Ablauf des hier maßgebenden Bewilligungszeitraums 1. Juni 2008 bis 30. November 2008 entstanden. Die Umsatzsteuer fällt nicht unmittelbar mit jeder Einnahme an. Sie ist eine Jahressteuer (§ 16 Abs. 1 Satz 2 Umsatzsteuergesetz – UStG). Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG entsteht die Steuer nicht bereits mit ihrer Vereinnahmung durch den Unternehmer, sondern erst mit Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (bei Soll-Besteuerung) bzw. mit Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (bei Ist-Besteuerung). Im streitgegenständlichen Zeitraum war die Klägerin aber von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreit. Das UStG enthält keine Regelung darüber, wann die Steuer entsteht, wenn der Unternehmer von der Verpflichtung zur Voranmeldung befreit ist. Da die Umsatzsteuer in diesen Fällen nur jährlich zu zahlen ist, kann sie auch erst mit Ablauf des Kalenderjahres entstehen. Folglich ist die von der Klägerin an das Finanzamt zu zahlende Umsatzsteuer erst mit Ablauf des Kalenderjahres und damit in jedem Fall außerhalb des Bewilligungszeitraums entstanden. Soweit die Klägerin diesbezüglich vorträgt, der Zeitpunkt des Ablaufs eines Voranmeldezeitraums sei noch zum Voranmeldezeitraum selbst zu zählen, nicht aber zum folgenden Zeitraum, ist dies unerheblich. Denn die Klägerin hat keine Voranmeldungen getätigt, die Steuer entstand daher erst mit Ablauf des Kalenderjahres und damit frühestens am 31. Dezember 2008. Der Bewilligungszeitraum endete aber mit dem 30. November 2008.

Zudem ergibt sich die Zahlungsverpflichtung des Unternehmers gegenüber dem Finanzamt nicht direkt aus den vereinnahmten Beträgen selbst: Gemäß §§ 15, 16 Abs. 2 UStG kann der Unternehmer von der Umsatzsteuer, die er dem Finanzamt schuldet, die Umsatzsteuer abziehen, die er selbst im Zusammenhang mit betrieblichen Anschaffungen an andere Unternehmer gezahlt hat (sog. Vorsteuer). Infolgedessen wird die vom Unternehmer an das Finanzamt zu zahlende Umsatzsteuer erst durch Gegenüberstellung der vereinnahmten Umsatzsteuer mit der für betriebliche Anschaffungen gezahlten Umsatzsteuer errechnet. Auch der Höhe nach steht die Umsatzsteuer somit erst mit Ablauf des Voranmeldezeitraums bzw. in Ermangelung von Voranmeldungen mit Ablauf des Kalenderjahres fest.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass Härten entstehen können, wenn die Umsatzsteuer erst in einem späteren Bewilligungszeitraum entsteht und gezahlt wird, in diesem Zeitraum aber insgesamt ein Verlust erwirtschaftet wird. Dem kann der Selbständige aber dadurch vorbeugen, dass er vierteljährlich die Umsatzsteuervoranmeldung erstellt und entsprechende Vorauszahlungen leistet. Ein solches Vorgehen verringert das Risiko von Verlusten.

(2) Die vereinnahmte Umsatzsteuer ist ferner keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a) SGB II a.F. Nach dieser Vorschrift sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen zweckbestimmte Einnahmen, soweit sie einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären. Nach dieser Fassung des § 11 Abs. 3 SGB II konnte die Zweckbestimmung sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur sein; auch war nicht erforderlich, dass die Zweckbestimmung ausdrücklich genannt wird, es genügte ihre Erkennbarkeit. Wie das Sozialgericht überzeugend und mit zutreffender Begründung dargelegt hat, ist die Umsatzsteuer nicht als zweckbestimmte Leistung in diesem Sinn anzusehen.

Vorliegend handelt es sich um ein privatrechtliches Einkommen; die Rechnungen und damit die auf ihnen ausgewiesene Umsatzsteuer werden von den Mandanten der Klägerin bezahlt. Ein zweckbestimmtes privatrechtliches Einkommen liegt vor, wenn die Leistung mit einer erkennbaren Zweckrichtung in der Erwartung gezahlt wird, dass sie vom Empfänger tatsächlich für den genannten Zweck verwendet wird. Hierfür ist erforderlich, dass der Leistung über die Tilgungsbestimmung hinaus erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen ist; d.h. es muss eine Vereinbarung getroffen sein, aus der sich objektiv erkennbar ergibt, dass die Leistung für einen bestimmten Zweck verwendet werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012, Az.: B 4 AS 27/12 R – Spesenzahlungen des Arbeitgebers sind keine zweckbestimmten Einnahmen; Urteil vom 28.10.2009, Az.: B 14 AS 64/08 R – eine Abfindung ist keine zweckbestimmte Einnahme; Urteil vom 1.7.2009, Az.: B 4 AS 9/09 R). Im Fall der Klägerin verbinden ihre Mandanten mit der Zahlung der Rechnung über die Tilgungsbestimmung hinaus keinen bestimmten Zweck. Den Mandanten geht es allein darum, ihre Zahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin zu erfüllen, eine Vereinbarung dahin gehend, dass ein Teil des gezahlten Betrags an das Finanzamt weitergeleitet werden soll, ist nicht erkennbar. Gegen eine solche Zweckbestimmung spricht auch die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs (§§ 15, 16 Abs. 2 UStG) Infolgedessen ist die Klägerin gerade nicht verpflichtet, von jeder gezahlten Rechnung genau den dort ausgewiesenen Betrag an Umsatzsteuer an das Finanzamt weiterzuleiten.

Unabhängig davon, ob es bei einer Leistung, die zwischen zwei Privaten aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags erbracht wird, überhaupt auf einen öffentlich-rechtlichen Zweck ankommen kann, ergibt sich für die eingenommene Umsatzsteuer auch aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften keine Zweckbestimmung. Anders als die Klägerin meint, ist die Vereinnahmung der Umsatzsteuer nicht zwangsläufig mit der Pflicht zur Abführung an das Finanzamt versehen. Die Umsatzsteuer fällt nicht unmittelbar mit jeder Einnahme an, sondern entsteht erst nach Ablauf des Voranmeldezeitraums bzw. nach Ablauf des Jahres. Ferner lässt sich infolge der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs die vom Unternehmer tatsächlich an das Finanzamt zu zahlende Umsatzsteuer erst durch Gegenüberstellung der vereinnahmten Umsatzsteuer mit der für betriebliche Anschaffungen gezahlten Umsatzsteuer bestimmen.

(3) Eine andere Bewertung der vereinnahmten Umsatzsteuer ergibt sich schließlich auch nicht aus der von der Klägerin herangezogenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs oder des Europäischen Gerichtshofs.

In den von der Klägerin zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 29. Januar 2009 (Az.: V R 64/07) und vom 11. Juli 2013 (Az.: XI B 41/13) ging es um die Frage, ob der Anspruch des Finanzamts auf Zahlung der Umsatzsteuer eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit ist. Der Bundesfinanzhof stellt hierfür darauf ab, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand (bei der Ist-Besteuerung: die Vereinnahmung des Entgelts) bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht ist; hingegen hält er den Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG für nicht maßgeblich. Das bedeutet letztlich, dass im Falle der Ist-Besteuerung der Umsatzsteueranspruch des Finanzamts dann Masseverbindlichkeit ist, wenn das Entgelt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinnahmt wurde. Wurde das Entgelt hingegen bereits vor der Verfahrenseröffnung vereinnahmt, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, und zwar auch dann, wenn der Zeitpunkt der Entstehung der Umsatzsteuer (der Ablauf des Voranmeldezeitraums) erst nach der Eröffnung liegt. Im Unterschied zu den obigen Ausführungen stellt das Insolvenzrecht also nicht auf die Entstehung der Steuer, sondern auf die vollständige Verwirklichung des Steuertatbestandes ab. Daraus lassen sich aber keine Rückschlüsse für die Bewertung der Umsatzsteuer im Rahmen des SGB II ziehen. Denn das Insolvenzrecht hat einen ganz anderen Ausgangspunkt als das SGB II: Als Masseverbindlichkeiten sollen nur die Forderungen privilegiert sein, die der Insolvenzverwaltung zuzurechnen sind (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung). Folglich ist es konsequent, auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Handlungen abzustellen und nicht auf die an bloße Zeitläufe anknüpfende Entstehung der Steuer. Im SGB II kommt es aber vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Zielsetzung des Gesetzes gerade nicht darauf an, wann der eine Forderung begründende Tatbestand verwirklicht wurde, entscheidend ist allein, wann die Einnahmen aus der Forderung zufließen und welches Einkommen im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich zur Verfügung stand. Die Wertungen des Insolvenzrechts lassen sich schon deshalb nicht auf die Fallgestaltungen des SGB II übertragen. Das gilt auch insoweit, wie der Bundesfinanzhof ausführt (Urteil vom 29.1.2009, Az.: V R 64/07), die Umsatzsteuer sei – hier bei einer unberechtigten Veräußerung eines der Aussonderung unterliegenden Gegenstands durch den Insolvenzverwalter – von vornherein zur Weiterleitung an das Finanzamt bestimmt, weshalb der Aussonderungsberechtigte nicht die Herausgabe des im Preis enthaltenen Steueranteils verlangen könne. Eine Zweckbestimmung im Sinne des SGB II lässt sich daraus nicht folgern.

Die Klägerin beruft sich ferner darauf, dass der Europäische Gerichtshof (zitiert in den genannten Urteilen des Bundesfinanzhofs) den Unternehmer als "Steuereinnehmer" ansehe, der als solcher "für Rechnung des Staates tätig" sei und dabei "öffentliche Gelder" im Interesse der Staatskasse vereinnahme. In der Entscheidung vom 20. Oktober 1993 (Rechtssache C-10/92) leitet der Europäische Gerichtshof aus diesem Umstand besondere Pflichten ab, bzw. rechtfertigt damit die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Vorauszahlungen zu verlangen. Ähnlich wird die Stellung als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse" im Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Februar 2008 (Rechtssache C-271/06) angeführt, um "hohe Anforderungen an die Verpflichtungen" der Unternehmer zu rechtfertigen. Aussagen zu der Frage, ob, wann und in welchem Umfang die eingenommene Umsatzsteuer den Unternehmern wirtschaftlich zuzuordnen sind, finden sich in diesen Entscheidungen jedoch nicht.

(4) Von den Betriebseinnahmen sind gemäß § 3 Abs. 2 Alg II-V a.F. die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II a.F. abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Ausweislich der Einnahmen-/Überschussrechnung hatte die Klägerin im Zeitraum Juni bis November 2008 betriebsnotwendige Ausgaben in Höhe von 5.887,28 Euro. Diese Ausgaben hat der Beklagte auch anerkannt. Zu ihnen gehört unter anderem ein Betrag von 369,99 Euro für verauslagte Vorsteuern.

Eine Anerkennung der im Januar 2009 an das Finanzamt gezahlten Umsatzsteuer als Betriebsausgabe scheidet aus. Dem steht der insoweit eindeutige Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V a.F. entgegen, wonach die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben abzusetzen sind. Ähnliches gilt für die Frage einer Berücksichtigung von etwaigen Rücklagen, die im Bewilligungszeitraum für die zu erwartende Forderung des Finanzamts gebildet wurden. Auch hier steht der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 Alg II-V a.F. entgegen, da dieser eine Absetzung nur der im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben vorsieht (ebenso Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 21.3.2012, Az.: L 16 AS 789/10).

Die Umsatzsteuer ist schließlich auch nicht nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. vom Einkommen abzusetzen. Sie ist keine "auf das Einkommen entrichtete Steuer" im Sinne dieser Norm (so Bundessozialgericht, Urteil vom 22.8.2013, Az.: B 14 AS 1/13 R; auch Sächsisches LSG, Urteil vom 7.5.2009, Az.: L 3 AL 49/08). Dazu gehören nur die Steuern, die an die Erzielung von Einkünften, bei Selbständigen also an den Gewinn, anknüpfen. Das sind z.B. Lohn- und Einkommensteuer, Kirchensteuer, Gewerbesteuer und Kapitalertragsteuer. Die Umsatzsteuer bezieht sich aber nicht auf die Erzielung von Einkünften. Sie ist eine Verkehrssteuer, d.h. sie knüpft allein an die Übertragung von Gütern im Rechtsverkehr/den Leistungsaustausch an. Maßgeblich ist allein der Austausch von Gütern bzw. Leistungen, nicht aber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Außerdem ist die Umsatzsteuer hier auch nicht im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum entrichtet worden.

(5) Somit ist für den Bewilligungszeitraum 1. Juni 2008 bis 30. November 2008 von einem Einkommen aus selbständiger Tätigkeit entsprechend dem auf der Einnahmen-/Über-schussrechnung ausgewiesenen Überschuss in Höhe von 1.022,37 Euro auszugehen. Entsprechend der Regelung in § 3 Abs. 4 Alg II-V a.F. ist für jeden Monat des Bewilligungszeitraum ein Sechstel hiervon, d.h. 170,40 Euro zu berücksichtigen.

Davon sind nach § 3 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V a.F. die Beträge nach § 11 Abs. 2 SGB II a.F. abzusetzen. Die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II a.F. wurden bereits bei der Ermittlung des Einkommens nach § 3 Abs. 2 Alg II-V a.F. erfasst und sind nicht erneut in Abzug zu bringen. Abzuziehen ist aber der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. in Höhe von 100,- Euro, ferner der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II a.F. in Höhe von 14,08 Euro (= 20% von 70,40 Euro). Es verbleiben somit 56,32 Euro monatlich anzurechnendes Einkommen.

c. Daraus ergibt sich für Juni 2008 folgende Berechnung des Leistungsanspruchs: 736,88 Bedarf - 150,00 Einkommen aus Unterhalt - 56,32 Einkommen aus Selbständigkeit 530,56 Euro Anspruch

Und für die Monate Juli 2008 bis November 2008: 740,81 Bedarf - 150,00 Einkommen aus Unterhalt - 56,32 Einkommen aus Selbständigkeit 534,49 Euro Anspruch

Dies entspricht den von der Beklagten mit den angefochtenen Bescheiden in der Gestalt des Teilanerkenntnisses gewährten Beträgen.

2. Soweit mit dem Bescheid vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2009 eine Erstattung von Leistungen verlangt wird, ist er rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Danach sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.

Der angefochtene Bescheid genügt hinsichtlich der Erstattungsforderung dem Bestimmtheitsgebot. Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die Bestimmtheit ist eine Voraussetzung der materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az: B 4 AS 30/09 R). Das Bestimmtheitsgebot ist eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz), es dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (vgl. Engelmann, in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 33 Rn. 2a). Daher verlangt es, dass der Verfügungssatz des Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az: B 4 AS 30/09 R). Unschädlich ist dabei, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (BSG, Urteil vom 17.12. 2009, Az: B 4 AS 30/09 R; auch Urteil vom 15.05.2001, Az.: B 6 KA 25/01 R). Zwar nennen weder der Bescheid vom 12. Februar 2009 noch der Widerspruchsbescheid die Summe, die der Beklagte von der Klägerin fordert. Vielmehr fordert der Bescheid vom 12. Februar 2009 die Erstattung "der Differenz zur vorläufigen Bewilligung aus dem nochmals beigefügten Bescheid vom 27.05.2008". Dennoch sind die Bescheide als hinreichend bestimmt anzusehen. Der Klägerin lagen sowohl der Bescheid vom 12. Februar 2009 als auch derjenige vom 27. Mai 2008 vor, sie konnte durch bloßes Gegenüberstellen der dort für die jeweiligen Monate gewährten Leistungen mit Hilfe einfacher Rechenoperationen ausrechnen, welche Summe zu erstatten ist. Im Übrigen war die Erstattungsforderung im Anhörungsschreiben beziffert worden.

Die Differenz zwischen vorläufig und endgültig gewährten Leistungen beträgt für Juni 2008 55,93 Euro, für die Monate Juli 2008 bis November 2008 jeweils 56,00 Euro, d.h. insgesamt 335,93 Euro und entspricht damit dem, was der Beklagte nach Abgabe des Teilanerkenntnisses noch fordert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache. Das Teilanerkenntnis war dabei nicht weiter zu berücksichtigen, da es lediglich einen Betrag von 1,99 Euro und damit weniger als 1 vom Hundert der Gesamtforderung betrifft.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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