S 61 AS 2132/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
61
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 61 AS 2132/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Kosten für den Betriebsstrom einer Gastherme sind seit dem Erlass des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes (RBEG) im Regelsatz enthalten, sodass dafür keine gesonderten Heizkosten mehr beansprucht werden können.
Die Klage wird abgewiesen. Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Die Kläger begehren vom Beklagten weitere Leistungen nach dem SGB II für den Betriebsstrom ihrer Gastherme.

Die Kläger stehen seit längerer Zeit im Leistungsbezug nach dem SGB II. Ihre Wohnung wird mit einer Gastherme beheizt. Die Stromkosten für den gesamten Haushalt der Kläger betrugen für das Jahr 2011 501,79 EUR und für das Jahr 2012 493,21 EUR.

Mit Bescheid vom 17.09.2012 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Oktober 2012 bis einschließlich März 2013. Hiergegen legten die Kläger am 08.10.2012 Widerspruch ein und begehrten unter anderem, weitere Leistungen für den tatsächlichen Betriebsstrom ihrer Gastherme. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2013 insoweit als unbegründet zurückgewiesen. Soweit der Widerspruch sich darüber hinaus auch auf Leistungen zur Bildung und Teilhabe bezog, wurde ihm mit Änderungsbescheid vom 10.10.2012 abgeholfen. Mit der Klage vom 23.1.2013 haben die Kläger den Widerspruchsbescheid vom 04.01.2013 insoweit angegriffen, wie ihnen die begehrten Leistungen für den Betriebstrom der Gastherme nicht gewährt wurden. Mit Änderungsbescheiden vom 13.01.2014 bewilligte der Beklagte den Klägern weitere Leistungen für den Betriebsstrom der Gastherme für Oktober 2012 bis einschließlich Dezember 2012 i.H.v. 3,80 EUR monatlich und für Februar und März 2013 i.H.v. jeweils 3,55 EUR auf der Grundlage von 5 Prozent der jeweiligen Heizkostenvorauszahlungen.

Mit Änderungsbescheid vom 23.10.2013 setzte der Beklagte die mit Bescheid vom 21.03.2013 vorläufig bewilligten Leistungen für die Kläger für April 2013 bis einschließlich September 2013 endgültig fest und errechnete zugleich eine Erstattungsforderung i.H.v. 706,44 EUR. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 25.11.2013 Widerspruch ein, wobei sie ausschließlich die Berücksichtigung des tatsächlichen Betriebsstroms für die Gastherme begehrten. Mit Änderungsbescheid vom 13.01.2014 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Streizeitraum monatlich jeweils weitere 3,55 EUR für den Betriebsstrom, sodass sich die Erstattungsforderung auf 685,14 EUR reduzierte. Der Widerspruch wurde im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2014 – zugegangen am 15.01.2014 – als unbegründet zurückgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten Klage vom 17.02.2014 begehren die Kläger die Berücksichtigung weitere Leistungen nach dem SGB II für den Betriebsstrom der Gastherme. Das Verfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 116 AS 3843/14 geführt.

Mit Bewilligungsbescheid vom 01.10.2013 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für Oktober 2013 bis einschließlich März 2014. Hiergegen legten die Kläger am 16.10.2013 Widerspruch beim Beklagten ein und begehrten unter anderem auch insoweit die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten des Betriebsstroms der Gastherme als weitere Leistungen nach dem SGB II. Mit Änderungsbescheid vom 13.01.2014 bewilligte der Beklagte für Oktober 2013 bis einschließlich Dezember 2013 weitere Leistungen für den Betriebsstrom der Gastherme i.H.v. 3,55 EUR monatlich. Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2014 – zugegangen am 15.01.2014 – als unbegründet zurück. Mit der hiergegen gerichteten Klage vom 17.02.2014 begehren die Kläger für den Streitzeitraum Oktober 2013 bis März 2014 weitere Leistungen nach dem SGB II für den Betriebsstrom der Gastherme. Das Verfahren wurde zunächst unter dem Aktenzeichen S 155 AS 3844/14 geführt. Mit Änderungsbescheid vom 24.03.2014 hat der Beklagte den Klägern auch für die Monate Januar 2014 bis einschließlich März 2014 weitere Leistungen für den Betriebsstrom der Gastherme i.H.v. 5 Prozent der maßgeblichen Heizkostenvorauszahlungen bewilligt. Die Verfahren S 116 AS 3843/14 und S 155 AS 3844/14 wurden durch Beschluss vom 04.11.2014 zum hiesigen Verfahren verbunden.

Die Kläger sind der Ansicht, dass die tatsächlichen Kosten für den Betriebsstrom als weitere Kosten der Heizung zu berücksichtigen seien. Der konkrete Verbrauch sei dabei anhand der konkret installierten Gastherme mit den vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerten zu berechnen. Für den Zeitraum Oktober 2012 bis März 2013 errechneten die Kläger auf dieser Grundlage unter Annahme einer täglichen Betriebsdauer von 16 Stunden monatliche Stromkosten für die Gastherme i.H.v. 12,18 EUR, im April 2013 und ab Oktober 2013 müsse dagegen ein monatlicher Bedarf für den Betriebsstrom i.H.v. 13,96 EUR berücksichtigt werden.

Die Kläger beantragen, 1. den Beklagten zu verpflichten den Klägern unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 17.09.2012 betreffend den Leistungszeitraum 01.10.2012 bis 31.03.2013 höhere Leistungen nach dem SGB zwei zu bewilligen und auszuzahlen;

2. den Änderungsbescheid vom 23.10.2013 betreffend den Leistungszeitraum vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2014 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 30.04.2013 höhere Leistungen nach dem SGB zwei zu bewilligen;

3. den Erstattungsbescheid bei endgültiger Festsetzung vom 23.10.2013 betreffend den Leistungszeitraum vom 01.04.2013 bis 30.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2014 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Erstattungssumme für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 30.04.2013 entsprechend zu reduzieren;

4. den Beklagten zu verpflichten, den Klägern unter Abänderung des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 01.10.2013 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.10.2013 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 13.01.2014 betreffend den Leistungszeitraum 01.10.2013 bis 31.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2014 höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen und auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass schon kein ungedeckter Bedarf bestehe, da die fälligen monatlichen Stromraten geringer seien, als die in den Regelbedarfen enthaltenen Energieanteile. Jedenfalls bestünde aber kein weiterer Anspruch, nachdem in Anlehnung an die Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (L 12 AS 2404/08) bereits Betriebsstromkosten in Höhe von 5 Prozent der maßgeblichen Heizkostenvorauszahlungen bewilligt worden waren. Darüber hinaus seien zumindest seit der Neuberechnung der Regelbedarfe im Jahr 2011 die hier streitigen Kosten vollumfänglich vom Regelbedarf umfasst.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakten, sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die der Kammer bei ihrer Entscheidung vorlagen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurden auch die hinzuverbundenen Klagen fristgerecht erhoben. Denn die jeweiligen Widerspruchsbescheide waren dem Klägerbevollmächtigten am 15.01.2014 zugegangen. Das formale Fristende fiel somit gem. § 64 Abs. 2 S. 1 SGG auf den 15.02.2014. Da dies jedoch ein Sonnabend war, endete die Monatsfrist für die Klageerhebung gem. § 64 Abs. 3 SGG erst am 17.02.2014.

Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, soweit die Kläger weitere Leistungen für den Betriebsstrom der Gastherme begehren. Gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II hat der Beklagte die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu übernehmen, soweit sie angemessen sind. Die begehrten Leistungen für den Betriebsstrom der Gastherme sind jedoch keine Heizkosten im Sinne dieser Regelung, da diese Kosten in den seit dem 01.01.2011 neu berechneten Regelsätzen vollumfänglich enthalten sind. Denn der in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 ermittelte Strombedarf ist vollständig bei der Regelsatzberechnung berücksichtigt worden. Ausgenommen sind lediglich Haushalte, die mit Strom heizen. Da eine Gasetagenheizung mit Gas und nicht mit Strom heizt, sind die üblichen Betriebskosten entsprechender Vergleichshaushalte also vollumfänglich in die Berechnung mit eingeflossen (so auch SG Augsburg, Urteil vom 14.02.2013, S 16 AS 887/12, juris). Dem steht auch nicht der Wortlaut des § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II entgegen, wonach im Regelsatz die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser enthaltenen Anteile" enthalten ist. Denn diese Klarstellung hinsichtlich der Heizkosten bezieht sich lediglich auf die Heizungsart Strom. Der Gesetzgeber verdeutlicht somit noch mal, dass bei der Regelbedarfsberechnung die Haushalte, die mit Strom heizen, nicht mit einberechnet wurden und der unmittelbare Heizstrom nach wie vor als gesonderte Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren ist.

Darüber hinaus wurden nun aber auch weitere Stromkosten von Eigentümerhaushalten bei der Berechnung der Regelbedarfe berücksichtigt. Hierzu wird in der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen ausdrücklich ausgeführt (BT-Drs. 17/3404, S. 56): "Als existenzsichernd werden damit die Stromkosten der Haushalte von Mietern bewertet. Zudem fallen bei Eigentümerhaushalten Ausgaben für Strom an, die als gesondert zu erbringende Kosten der Unterkunft zu bewerten sind (zum Beispiel Außenbeleuchtung, Umwälzpumpe). Gegenüber der Sonderauswertung EVS 2003 führt diese Berechnungsweise zu einem Anstieg der als regelbedarfsrelevant berücksichtigen Verbrauchsausgaben für Strom." Konkret hat der Gesetzgeber für den Regelbedarf 2011 hinsichtlich dieser besonderen weiteren Kosten von Eigentümerhaushalten für einen Erwachsenen monatlich weitere 1,32 EUR und für einen Minderjährigen zwischen 6 und 14 Jahren – wie hier die Kläger zu 2. und zu 3. – jeweils weitere 2,12 EUR pro Monat berücksichtigt. Damit hat der Gesetzgeber bewusst Kosten, die als gesonderte Unterkunftskosten bewertet werden können, im Rahmen der grundsätzlich zulässigen Pauschalierung zur Vereinfachung des Massenverwaltungsverfahrens in die Regelbedarfsberechnung einbezogen. Die Rechtsprechung des Bundessozialgericht zu den Regelsätzen vor 2011 und der damaligen Berücksichtigung der Kosten einer Heizungspumpe (BSG, Urteil vom 07.07.2012, B 14 AS 51/10 R, juris) ist damit insoweit überholt. Wenn nun also ein Hauseigentümer die Kosten einer Umwälzpumpe nicht mehr gesondert geltend machen kann, so muss dies auch für die Betriebskosten einer Gasetagenheizung gelten. Denn beide Kostenposten sind grundsätzlich miteinander vergleichbar, da bei einer Gasetagenheizung der hauptsächliche Stromverbrauch auf die in der Gastherme enthaltene Umwälzpumpe entfällt.

Im konkreten Fall führen die erhöhten Regelbedarfe seit 2011 auch zu einer vollumfänglichen Deckung der tatsächlichen Kosten der Kläger. So stehen im Jahr 2011 einer monatlichen Belastung der Kläger i.H.v. 41,82 EUR (= 501,79 EUR / 12) im Regelsatz enthaltene Stromkosten i.H.v. 48,46 EUR gegenüber (= 26,80 EUR [Strom Mieterhaushalt Erwachsener] + 1,32 EUR [Strom Eigentümerhaushalt Erwachsener] + 2 x 8,05 EUR [Strom Mieterhaushalt Minderjähriger zw. 6 und 14 J.] + 2 x 2,12 EUR [Strom Eigentümerhaushalt Minderjähriger zw. 6 und 14 J.]; vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 55 u. 75). Im Jahr 2012 überstiegen die im Regelsatz enthaltenen Stromkosten den monatlichen Bedarf sogar um 8,32 EUR, da einer monatlichen Belastung der Kläger i.H.v. 41,10 EUR (= 493,21 EUR / 12) im Regelsatz enthaltene Stromkosten i.H.v. monatlich 49,42 EUR (= 48,46 EUR x 1,0199 [Fortschreibungsrate für 2012]) gegenüber standen. Dies zeigt, dass der pauschalierte Strombedarf auch in tatsächlicher Hinsicht geeignet ist, im Regelfall hinsichtlich aller einbezogenen Haushalte keine Bedarfslücken entstehen zu lassen. Daher ist nunmehr auch die Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 25.03.2011, L 12 AS 2404/08, juris) überholt, wonach die Kosten des Betriebsstroms für die Heizung (höchstens) 5% der Brennstoffkosten betragen. Auf die vom Beklagten durch die streitgegenständlichen Änderungsbescheide bewilligten weiteren Leistungen für den Betriebsstrom der Gastherme i.H.v. 3,55 EUR bzw. 3,80 EUR monatlich hätten die Kläger somit keinen Anspruch gehabt. Insoweit liegt eine rechtswidrige Überzahlung zugunsten der Kläger vor. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Bescheide im Übrigen ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen. Insbesondere ist die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheides vom 23.10.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.01.2014 zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig.

Die Kostenregelung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Kläger. Somit waren keine weiteren Kosten, als in den jeweiligen Widerspruchsverfahren bereits festgesetzt, zu übernehmen.

Aufgrund der erfolgten Verbindung sind laufende Leistungen für mehr als ein Jahr gem. § 144 Abs. 1 S. 2 SGG betroffen, sodass die nachfolgende Rechtmittelbelehrung gilt.
Rechtskraft
Aus
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